DiskursGlossar

Schlagwort

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke:
Symbolwort, Leitvokabel, Schlüsselwort, Kampfbegriff, Stigmawort, Fahnenwort, Hochwertwort
Siehe auch: Diskurs, Wir, Persuasion, Deontik, Hegemonie, Begriffsgeschichte, Deutungsmuster, Propaganda, Hashtag
Autorin: Susanna Weber
Version: 1.4 / 17.04.2020

Kurzzusammenfassung

Im Feld der politischen Kommunikation sind Schlagwörter Ausdrücke, mit denen Positionen, Programme, Tendenzen oder Sachverhalte in verdichteter Form, wertend und mit emotionaler Aufladung präsentiert werden, z.B. als (positiv besetzte) Fahnenwörter wie Demokratie und (soziale) Marktwirtschaft, als (negativ besetzte) Stigmawörter wie Gefährder und Chaot oder als Hochwertwörter wie Kultur und Bildung.

Schlagwörter funktionieren als sprachliche Kürzel, z.B. für Ein- und Ausschließungsprozesse (Abendland). Sie können Richtungsentscheidungen markieren (Rechts/Links), Zugehörigkeiten/Loyalitäten aufrufen (Wir in …) oder als verdichtete Argumente wirken. Außer von nominalisierten Wortformen oder Wortkombinationen kann die Funktion von Schlagwörtern auch von sprachlichen oder visuellen Bildern (Asylantenflut) oder Symbolen (Peace-Zeichen) übernommen werden. Schlagwörter haben eine zeitlich begrenzte Geltung. So ist ein ehemals brisantes Fahnenwort wie Mitbestimmung inzwischen zu einem wenig gebrauchten und unauffälligen Programmelement geworden.

Erweiterte Begriffsklärung

Der Gebrauch von Schlagwörtern ist Kennzeichen vor allem des öffentlichen Sprechens. Besonders häufig werden Schlagwörter in der Sprache politischer Akteure gebraucht, die auf Überzeugen und Sich-Durchsetzen (Persuasion) gerichtet ist. Schlagwörter dienen hier vor allem dazu, Programmatisches zu verdichten und zu vereindeutigen sowie Anschlussfähigkeit für Denk- und Kommunikationsgewohnheiten bestimmter Adressatengruppen herzustellen. Dafür wird die appellative/deontische Funktion des Wortgebrauchs stark gemacht, d.h. es geht nicht nur um Beschreibung/Bezeichnung, sondern auch um ein Sollen/Nicht-Sollen oder Dürfen/Nicht-Dürfen. Wörter wie Nachhaltigkeit zum Beispiel rufen nicht nur bestimmte Praktiken auf, sondern auch einen (moralischen) Anspruch bzw. eine Aufforderung, etwas zu tun oder zu lassen.

Um die Funktion von Schlagwörtern im Rahmen strategischer Kommunikation zu konkretisieren, sind weitere differenzierende Bezeichnungen im Gebrauch: Symbolwörter, Leitvokabeln, Schlüsselwörter, Kampfbegriffe. Für die Analyse ihrer Rolle in Diskursen ist besonders die Unterscheidung von Fahnenwort, Stigmawort und Hochwertwort nach Fritz Hermanns hilfreich: „Fahnenwörter sind positive (affirmative) Schlagwörter, die zugleich auch als Erkennungszeichen von Parteiungen fungieren und fungieren sollen.“ (Hermanns 1994: 16). Entsprechend werden Stigmawörter vor allem als negativ besetzte Fremdbezeichnungen (Chaoten) eingesetzt. Als Hochwertwörter sind solche Ausdrücke verstehen, die „einen zentralen Wert einer Gesellschaft“ bezeichnen sollen (Hermanns 1994: 18) und als weitgehend unumstritten gelten. Manche als Schlagwörter verwendete Begriffe wie etwa Abendland oder Leitkultur wurden und werden als umfassende, hochwirksame „Deutungsmuster“ gebraucht, die Wahrnehmungen steuern, Erfahrenes interpretieren und Verhalten motivieren (Bollenbeck 1994: 18 ff.).

In der Gebrauchsgeschichte von Schlagwörtern spiegeln sich immer auch politisch-gesellschaftliche Kontroversen. Für eine kritische Reflexion strategischer Kommunikation ist deshalb die Wiedereinbettung von Schlagwörtern von herausragender Bedeutung und ihre Einordnung in die jeweiligen Diskurszusammenhänge. Dieses wird in Forschungsfeldern wie Diskurs- und Politolinguistik, Begriffsgeschichte und Historischer Semantik sowie der (kritischen) Diskursanalyse geleistet, zum Beispiel mittels der Beschreibung von Schlagwort- bzw. Begriffsnetzen, der Rekonstruktion der Gebrauchsgeschichte von Wörtern und ihrer interdiskursiven Beziehungen. Ein frühes Beispiel für den Zusammenhang von Schlagwortgebrauch und Propaganda findet sich bei Kenneth Burke (US-amerikanischer Literatur- und Medientheoretiker) in einem Essay von 1939(!), der die Rhetorik von Hitlers Buch Mein Kampf analysierte.

Verurteilungen oder Tabuisierungen von Schlagwörtern, wie sie aktuell etwa im Rahmen der Initiative Unwort des Jahres oder in der Aufstellung von Codes zum politisch korrekten Sprechen erfolgen, erzeugen zwar Aufmerksamkeit, bleiben dagegen in der Regel an der Oberfläche.

Die Bezeichnung Schlagwort ist im Übrigen seit etwa den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts nachweisbar, eine der frühen Quellen ist ein Text von Friedrich Engels zur Literatur des Jungen Deutschlands (Heine, Börne). 1900 erschien eine erste Sammlung von R.M. Meyer, Vierhundert Schlagworte, am bekanntesten aus dieser Zeit ist das Historische(s) Schlagwörterbuch von Otto Ladendorf (1905). Auf diese Quellen bezieht sich wiederum Wilhelm Bauer, der mit seinen Arbeiten zu Schlagwörtern, Öffentlichkeit und Propaganda seit 1914 einerseits anschließt an die moderne zeitgenössische psychologische Forschung, andererseits an politische Positionen Carl Schmitts (Freund/Feind-Polarisierung) aber auch an die Kunsttheorie Aby Warburgs (Pathosformeln, Schlagbild). Über persönliche Verbindungen hinaus (mit O. Brunner, W. Conze) sind Berührungspunkte und Ähnlichkeiten erkennbar in Definitionen und Fragestellungen der Schlagwortforschung W. Bauers und des begriffsgeschichtlichen Projektes der Geschichtlichen Grundbegriffe, herausgegeben von Otto Brunner und Reinhart Koselleck von 1972–1997 (vgl. Müller/Schmieder 2016). W. Bauer engagierte sich im Übrigen aktiv im Propagandaapparat der NSDAP.

Schlagwörter wurden in Publikationen, die nach 1945 erschienen, wie Sternberger/Stolz/Süskind, Aus dem Wörterbuch des Unmenschen und Victor Klemperers LTI (Lingua Tertii Imperii), Sprache des Dritten Reiches vor allem in Bezug auf ihre Verwendung in der nationalsozialistischen Propaganda beschrieben und analysiert.

Dezidiert kritische Forschung mit unterschiedlichen Schwerpunkten zum gegenwärtigen Schlagwortgebrauch findet sich beispielsweise im Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe des Duisburger Instituts für Diskursforschung, im ABC der globalen Unordnung, herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, attac und taz oder im Glossar der Gegenwart von Bröckling/Krasmann/Lemke.

Beispiele

(1) Im Rahmen strategischer Kommunikation, z.B. im Zusammenhang von Wahlen oder umstrittenen Gesetzesänderungen finden regelmäßig Auseinandersetzungen statt, die sich in Bezug auf den Schlagwortgebrauch als Bezeichnungs- bzw. Bedeutungskonkurrenz fassen lassen:

a) Nachhaltigkeit: Der ursprünglich forstwirtschaftliche Begriff wird seit den 80er Jahren mit unterschiedlichen Interpretationen gebraucht: 1. als Gegenbegriff zu nachholend(er) Entwicklung im globalen Süden, 2. in Argumentationen, die an Wachstum als Garant für Entwicklung (nachhaltiges Wachstum) festhalten und 3. auch als Marketinginstrument, wenn z.B. Nachhaltigkeit auch für finanzielle Kompensationen beansprucht wird, die ein Flugreiseveranstalter für seine (real ungebremsten) CO₂-Emissionen angibt.

b) Gefährder: Aus der Perspektive von Staatsschutz und Strafverfolgungsinstitutionen sind Gefährder Personen, von denen eine ernste Bedrohung ausgeht, Überwachung und Repression werden damit legitimiert. Aus der Sicht kritischer Beobachter ist jedoch schon die Einstufung und entsprechende Behandlung bestimmter Personen als Gefährder rechtsstaatlich bedenklich und juristisch fragwürdig. Die Bedeutung der Bezeichnung und daraus folgender Konsequenzen ist also mindestens umstritten.

(2) Gruppen der neuen Rechten greifen immer wieder auf Begriffe und Praktiken älterer rechtsgerichteter Organisationen zurück, so auch auf Schlagwörter wie Abendland oder Identität. Diese bilden wichtige sprachliche Brücken zwischen alten, nationalrevolutionär/faschistischen Konzepten und solchen der aktuellen neuen Rechten. Gruppen wie die Identitären machen sich überdies Techniken und Praktiken zu eigen, die innerhalb linker Bewegungen entstanden sind, wie z.B. symbolische Besetzungen (von Bühnen, öffentlichen Monumenten) und Schlagzeilen produzieren. In Bezug auf Begriffs- bzw Schlagwortgebrauch scheuen sich rechte Wortführer auch nicht, sich auf das Konzept der (kulturellen) Hegemonie des marxistischen Theoretikers Antonio Gramsci zu beziehen und die eigene Praxis der Prägung und Aneignung von Schlagwörtern/Leitbegriffen damit zu unterlegen (vgl. Weiß 2017).

(3) Die operative/strategische Bedeutung von Schlagwörtern im Kontext politischer Kommunikation lässt sich auch an der Entwicklung von hashtags zeigen. Im aktuellen, medial vermittelten Sprachgebrauch steht die Zeichenkombination der hashtags (hash engl. für das Zeichen #, tag engl. für Etikett, übertr. ,Auszeichnung, Schlagwort‘) wie z.B. #meetoo für eine spezifische Form der Aktualisierung von Schlagwörtern, die individuell erzeugt und im Rahmen der Internet-Kommunikation schnell verbreitet und verstärkt werden können. Zunächst waren hashtags durch die moderne Computertechnik ermöglichte individualisierte Ordnungs-Stichworte für private Datensammlungen. Inzwischen steht die Zeichenkombination mit dem Doppelkreuz # z.B. auch für medial initiierte konkrete Aktivitäten, vom demokratischen Protest (Ghezi-Park, Arabellion) bis zu Hass- und Desinformationskampagnen. Hashtags können sowohl auf die (potentiell emanzipatorisch gemeinte) Verschiebung von Diskursregeln/Sagbarkeitsgrenzen verweisen (#meetoo), auf latentes (politisches) Handlungspotential von menschlichen Akteuren wie auch auf technisch gesteuerte Manipulation von Kommunikationsprozessen (z.B. über social bots, die in Wahlentscheidungen eingreifen).

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Gießelmann, Bente et al. (Hrsg.) (2019): Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe. Frankfurt: Wochenschau Verlag.
  • Klemperer, Victor (1947): LTI. Notizbuch eines Philologen. Berlin: Aufbau-Verl.

Zitierte Literatur

  • Bollenbeck, Georg (1994): Bildung und Kultur, Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt/M.; Leipzig: Insel-Verlag.
  • Bröckling, Ulrich; Krasmann, Susanne; Lemke, Thomas (Hrsg.) (2004): Glossar der Gegenwart. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
  • Gießelmann, Bente et al. (Hrsg.) (2019): Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe. Frankfurt: Wochenschau Verlag.
  • Hermanns, Fritz (1994): Schlüssel-, Schlag- und Fahnenwörter. Heidelberg; Mannheim: Univ. Mannheim.
  • Klein, Josef (2016): Von Ghandi und al-Quaida bis Schröder und Merkel. Berlin: Frank und Timme.
  • Klemperer, Victor (1947): LTI. Notizbuch eines Philologen. Berlin: Aufbau-Verl.
  • Ladendorf, Otto (1906): Historisches Schlagwörterbuch. Ein Versuch. Straßburg; Berlin: Trübner.
  • Müller, Ernst; Schmieder, Falko (2016): Begriffsgeschichte und historische Semantik. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Sternberger, Dolf; Storz, Gerhard; Süskind, Wilhelm E. (1962): Aus dem Wörterbuch des Unmenschen. München: Dt. Taschenbuch-Verl.
  • von Braunmühl, Claudia et al. (Hrsg.) (2019): ABC der globalen Unordnung. Hamburg: VSA.
  • Weiß, Volker (2017): Die Autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart: Klett-Cotta.

Zitiervorschlag

Weber, Susanna (2020): Schlagwort. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 17.04.2020. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/schlagwort.

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.