
DiskursGlossar
Elite
Kategorie: Schlagwörter
Verwandte Ausdrücke: Establishment, Populismus, Unterschicht, Herrschaft, Macht
Siehe auch: Inszenierung, Links-Mitte-Rechts
Autor: Michael Hartmann
Version: 1.2 / 09.03.2021
Kurzzusammenfassung
Der Begriff Elite wird als Schlagwort in zwei sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Einmal wird unter Elite eine Auswahl der Besten und Leistungsfähigsten verstanden, einmal in distanzierender Weise eine abgehobene ‚Kaste‘ der Reichen und Mächtigen im Gegensatz zum Volk. Erstere Variante wird in der Regel zur Verteidigung der etablierten Ordnung verwendet, letztere vor allem von Rechtspopulisten. Beide Verendungsformen basieren auf der historischen Zwiespältigkeit des Begriffs wie auf der Doppeldeutigkeit im Alltagsgebrauch. Die wissenschaftliche Definition ist durch den unmittelbaren Bezug auf Machtpositionen zwar eindeutiger, bewegt sich aber auch zwischen den Polen Leistung und Herkunft als entscheidenden Variablen. Sinnvolle Kritik muss daher stets an der konkreten Politik der jeweiligen Eliten und deren Ursachen in ihrer jeweiligen Rekrutierung ansetzen.
Erweiterte Begriffsklärung
Der Begriff Elite erfährt in der öffentlichen Debatte sehr unterschiedliche Bewertungen, je nachdem welchen Zeitraum man betrachtet. Nimmt man nur die letzten drei Jahrzehnte hierzulande, so wurde der Begriff von Beginn der 1990er Jahre bis zur Finanzkrise in den Medien überwiegend positiv verwendet (siehe unten die Aussage von Schröder von 2004). Auch wenn die Skepsis gegenüber Eliten in der Bevölkerung nicht verschwand, prägte das positive Verständnis doch die allgemeine Diskussion. Das zeigte sich vor allem in der sogenannten ,Exzellenzinitiative‘ in den 2000er Jahren. Die Schaffung von Eliteuniversitäten wurde in den Medien fast durchweg begrüßt und als Ausweg aus der deutschen Mittelmäßigkeit in der Wissenschaft empfunden/eingeordnet. Durch die Finanzkrise änderte sich das Bild schlagartig. Von da an wurde Elite mehr und mehr zum negativ aufgeladenen Begriff, zum Synonym für ,die da oben‘, die der Bevölkerung die Krise eingebrockt haben und dann die Kosten auf eben diese abwälzen. Elite war und ist ein politischer Kampfbegriff so gut wie aller rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien, in Deutschland, aber auch in vielen anderen Industrieländern, wie z.B. Frankreich, Italien oder den USA. Sie inszenieren sich dabei als die wahre Vertretung des Volkes gegen die Eliten oder das Establishment.
Begriffshistorische Einordnung
Die beiden Bewertungstypen knüpfen sowohl an die historische Entstehung des Begriffs an als auch an das Verständnis von Eliten, das im alltäglichen Sprachgebrauch vorherrscht. Der Elitebegriff wurde im 18. Jahrhundert vom aufstrebenden französischen Bürgertum als demokratischer Kampfbegriff gegen Adel und Klerus entwickelt. Die individuelle Leistung sollte statt der familiären Abstammung das entscheidende Kriterium für die Besetzung gesellschaftlicher Spitzenpositionen bilden. Im 19. Jahrhundert veränderte sich der Gebrauch des Begriffs grundlegend. Elite wurde nun als Gegenpol zur Masse verwendet. Das Bürgertum, zutiefst beunruhigt über das Phänomen der städtischen Massen, die mit der Bevölkerungsexplosion und dem Aufkommen der industriellen Arbeiterklasse in Europa entstanden waren, sah die herrschende Ordnung durch revolutionäre Bestrebungen gefährdet und definierte Elite, als die es sich selbst begriff, in Abgrenzung zur (aus seiner Sicht) ungebildeten und unkultivierten Masse. Nach der Diskreditierung des Elitekonzepts durch den Faschismus trat nach 1945 das alte, leistungsbezogene Verständnis von Elite wieder in den Vordergrund. Die Polarität von Elite und Masse oder Elite und Volk blieb aber stets präsent, sei es wie bei der Exzellenzinitiative im klassischen Sinne mit der Gegenüberstellung von Elite- und Massenuniversitäten, sei es wie bei den Rechtspopulisten in Umkehrung dieses Verständnisses, jetzt mit dem guten Volk und den korrupten Eliten.
Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man heute unter Elite eine durch besondere Merkmale (frz. ,élire‘ = ,(aus-)wählen‘) aus der Gesamtbevölkerung herausgehobene Personengruppe. Man verwendet den Begriff dabei sowohl für herausragende Sportler und Wissenschaftler als auch für Spitzenpolitiker und Topmanager. Als Kriterium dienen besonders gute Leistungen genauso wie ein besonders großer Einfluss bzw. besonders große Macht. Während der durch Leistung erworbene Elitestatus zumeist positiv gesehen wird, vor allem wenn es um Bereiche wie Sport oder Unterhaltung geht, sieht das bei mit Macht verbundenen Elitepositionen anders aus. Hier lässt sich bei großen Teilen der Bevölkerung eine, je nach den historischen Rahmenbedingungen, mehr oder minder starke Skepsis gegenüber Eliten konstatieren.
In der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung/Elitesoziologie fällt die Definition enger aus, steht der Machtaspekt stärker im Focus. Zur Elite zählen ihr zufolge im Wesentlichen nur diejenigen Personen, die (in der Regel qua Amt oder, im Falle der Wirtschaft, qua Eigentum) in der Lage sind, durch ihre Entscheidungen gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich zu beeinflussen. Dennoch findet sich die Doppeldeutigkeit in der Begriffsbestimmung in abgeschwächter Form auch hier. In der funktionalistischen Sichtweise, die die politikwissenschaftliche Eliteforschung dominiert, wird der Blick in erster Linie auf den Leistungsaspekt gerichtet. Eliten verdanken ihre herausgehobene Position vorwiegend ihren außergewöhnlichen Leistungen, so die Argumentation. Daher könne es im Grunde jedermann in solche Spitzenpositionen schaffen. Die soziale Herkunft könne zwar hinderlich sein, vor allem beim Erwerb der für den Aufstieg wichtigen Bildungstitel, das ändere an der prinzipiellen Offenheit der Eliten aber nichts. Das kritische Eliteverständnis, das heutzutage in der soziologischen Elitenforschung vorherrscht, konzentriert sich dagegen gerade auf die soziale Herkunft als entscheidenden Faktor für den Zugang zu den Eliten. Zwar spielten Leistungskriterien durchaus eine wichtige Rolle, der durch das Aufwachsen in bürger- oder großbürgerlichen Familien geprägte Habitus sei aber letztlich ausschlaggebend für die Auswahl unter den in Frage kommenden Personen. Das gelte besonders für die Wirtschaft, in abgeschwächtem Maße aber auch für die anderen Sektoren.
Die Kritik an den Eliten, und das ist der entscheidende Punkt für die politische Auseinandersetzung, liegt für die kritische Elitenforschung in der exklusiven sozialen Rekrutierung der Eliten und im dadurch klassenspezifisch geprägten Denken und Handeln derselben. Damit grenzt sie sich von der simplen Gegenüberstellung von Elite und Volk ebenso ab wie von der funktionalistischen Erklärung der Eliten als gesellschaftlich notwendiger Funktionsträger. Es geht ihr immer um die konkrete, vor allem durch die soziale Herkunft bestimmte Politik der Eliten.
Beispiele
1) Die positive Betonung in der Diskussion um die Exzellenzinitiative:
Ich habe keine Schwierigkeiten mit diesem Begriff, wenn man den Begriff begreift als etwas, das ausdrücken soll, dass Elitenbildung in unserem Land nicht qua Geburt gemacht wird, sondern qua Leistung und zwar in jeder Generation qua Leistung. Wir haben deutlich gemacht, dass wir es schaffen müssen in dieser Dekade, mit denen gleichzuziehen, die etwa in Amerika aber nicht nur dort, ich könnte auch die schweizerische eidgenössische Hochschule nennen, die Spitzenleitungen – immer vor einem anderen organisatorischen Hintergrund – Spitzenleistungen in der akademischen Ausbildung ebenso wie natürlich in der Forschung erreichen. Das ist unser Ziel. (Gerhard Schröder 2004 in Weimar)
2) Das negative Verständnis in der Debatte um die Flüchtlinge und die Kosmopoliten:
Die Schuld am drohenden Verlust der Heimat trägt laut Gauland eine weltweit agierende Elite: „Ihre Mitglieder leben fast ausschließlich in Großstädten, sprechen fließend Englisch, und wenn sie zum Jobwechsel von Berlin nach London oder Singapur ziehen, finden sie überall ähnliche Appartements, Häuser, Restaurants, Geschäfte und Privatschulen. Dieses Milieu bleibt sozial unter sich, ist aber kulturell ‚bunt’.“ Beklagenswerte Folge, so Gauland, sei, dass „die Bindung dieser neuen Elite an ihr jeweiliges Heimatland schwach ist“. Und deshalb brauche es den Populismus und die AfD, in der sich bürgerliche Mittelschicht und Zukurzgekommene („einfache Menschen“) gegen das Establishment stemmen. (Wolfgang Benz im Tagesspiegel vom 10.10.2018)
Literatur
Zitierte Literatur und Belege
- Hartmann, Michael (2004): Elitesoziologie. Frankfurt a. M.: Campus.
- Hartmann, Michael (2018): Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden. Frankfurt a. M.: Campus.
Zitiervorschlag
Hartmann, Michael (2021): Elite. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 16.02.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/elite.
Grundbegriffe
Kontextualisieren
Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.
Narrativ
Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.
Argumentation
Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.
Hegemonie
Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.
Diskurskompetenz
Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Medien
Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.
Macht
Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.
Metapher
In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht übersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.
Normalismus
Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.
Techniken
Kontaktschuld-Topos
« Zurück zur ArtikelübersichtKontaktschuld-Topos Kategorie: TechnikenVerwandte Ausdrücke: Assoziationsschuld, Applaus von falscher Seite, ad hominem, Guilt by AssociationSiehe auch: Verschwörungstheorie, Moralisierung, Freund-Feind-Begriffe, Topos, Opfer-ToposAutoren:...
Schlagbilder
Der Terminus Schlagbild bezeichnet mehr oder weniger inszenierte Bilder. Ihre Bedeutung beruht nicht nur auf ihren sichtbaren (ikonischen) Formen, sondern vielmehr auf den symbolischen Inhalten, die sich durch vielfache mediale Wiederholung und Konventionen gefestigt haben.
Invektivität / Metainvektivität
Invektivität ist ein Überbegriff für den Phänomenbereich der Herabsetzung und Ausschließung mittels symbolischer Praktiken. In Invektiven (z.B. Spott, Beleidigung, sprachliche Aggression, Diskriminierung, Hassrede) werden Einzelnen oder Gruppen marginalisierte oder niedrige soziale Positionen zugeschrieben, Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften abgesprochen oder Identitäten negiert.
Parole
Die Parole ist ein kleines, potentes sprachliches Werkzeug, das in der politischen Kommunikation unerlässlich ist und zweckgebunden in politischen Mobilisierungen eingesetzt wird.
Komposita
. In der politischen Rhetorik tragen Komposita zur Prägnanz und Emotionalität von Botschaften bei, indem sie komplexe Sachverhalte und politische Themen in zentralen Begriffen bündeln, in griffige Schlagworte packen und diese für den gesellschaftlichen Diskurs zur Verfügung stellen (zum Beispiel Krisenmodus, Zeitenwende oder Rückführungspatenschaften).
Nicht-Entschuldigen / Nonpology
Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.
Liken
Die eigentliche Funktion des Likens geht jedoch über das Signalisieren von Zustimmung hinaus und ist konstitutiv für das Funktionieren sozialer Medienplattformen und das Aushandeln von verschiedenen Formen der Sozialität auf diesen.
Hashtag
Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbündelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).
Diminutiv
Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale Nähe zu konstruieren (unser Ländle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein Schätzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurückzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).
Sündenbock
Der Sündenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend für etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, Erzählungen oder Verhalten manifestiert.
Schlagwörter
Bürokratie
Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.
Politisch korrekt / Politische Korrektheit
Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.
Kipppunkt
Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘
Verfassung
Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.
Toxizität / das Toxische
Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.
Zivilgesellschaft
Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.
Demokratie
Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.
Plagiat/Plagiarismus
Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.
Fake News
Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.
Lügenpresse
Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.
Verschiebungen
Versicherheitlichung
In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.