DiskursGlossar
Inszenierung
Kategorie: Techniken
Siehe auch: Dramaturgie, Propaganda, Guerilla-Kommunikation, Entlarven
Autorin: Susanna Weber
Version: 1.2 / 17.04.2020
Inhaltsüberblick
Kurzzusammenfassung
Erweiterte Begriffserklärung
Beispiele
Literatur
Zitiervorschlag
Kurzzusammenfassung
Inszenierung ist ursprünglich ein Begriff aus der Sphäre der (dramatischen) Kunst, des Theaters, der in den Kontext von Kommunikation gewandert ist. Inszenierung bezeichnet die Nutzung der Mittel des Theaters, um etwas zur Erscheinung zu bringen, ,in Szene‘ zu setzen. Dazu werden die Möglichkeiten der verschiedenen Zeichensysteme (sprachliche, visuelle, gestische) genutzt, darüber hinaus die Koordination in Raum und Zeit und das Spiel mit Rollen.
Im Rahmen strategischer Kommunikation steht Inszenierung für den gezielten Einsatz der pragmatisch-performativen Möglichkeiten vor allem von Sprache und Bildern: vom In-Szene-Setzen eines öffentlichen Schuldeingeständnisses über die Inszenierung von Konflikten oder auch Konsens bis zur Inszenierung von Teilhabe, zum Beispiel über sogenannte ,leichte Sprache‘. Zweck aller Inszenierungen ist die Herstellung gerichteter Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit. Zur Erschließung der Bedeutung im Gebrauch kann als Gegenbegriff Authentizität von analytischem Nutzen sein.
Erweiterte Begriffsklärung
Mit dem Aufkommen der modernen Medien (vor allem Film, Fernsehen) und verstärkt in ihrer gegenwärtigen Gestalt im Internet haben sich Bühnen und Auftrittsmöglichkeiten auch für ein breites Spektrum nicht-professioneller Akteure geöffnet. Neben den für (politisch wie ökonomisch) propagandistische Zwecke genutzten Inszenierungsformen (Parteitage, Wahlkämpfe, öffentliche Streitgespräche, Werbung) wurden durch die technischen Möglichkeiten der Internet-Kommunikation neue, individualisierende Formate bereitgestellt wie Messenger-Dienste, Blogs und Chat-Rooms. Für erhebliche Teile der Öffentlichkeit sind Zweck und Mittel eines Teils dieser Formate nicht mehr unmittelbar transparent, die Grenzen zwischen Fiktion und geltend gemachten Authentizitäts- oder Wahrheitsansprüchen sind oft nur noch schwer zu erkennen: Influencer sind nicht mehr als bezahlte Werbeakteure oder Bots als Mittel zur Meinungsbeeinflussung erkennbar. In den jüngeren dramatisierten TV-Formaten wie Real Life Soaps, Factual Entertainment, Doku-Fiktion u.ä. sind die Grenzen zwischen Rollen und Personen, zwischen Inszenierung und Authentizität sowie Wissen und Fiktion ebenfalls weitgehend unsichtbar gemacht oder verwischt.
Im Feld des Politischen werden vor allem Autorität, Kompetenz und Glaubwürdigkeit inszeniert, die zentralen Ressourcen für Zustimmung und Anerkennung (ob bei Wahlen oder bei Kaufentscheidungen). Die gegenwärtig v.a. in Politikeräußerungen auftauchende Formulierung, eine Position, Forderung oder Konsequenz sei ,nicht darstellbar‘ (gemeint ist: ,käme nicht gut an‘, ,ist nicht vermittelbar‘…) lässt sich als Hinweis darauf verstehen, wie massiv politische Sachverhalte auf ihren Inszenierungswert hin vorproduziert werden.
Auch Akteure in Gegenöffentlichkeiten und oppositionellen Milieus (Guerilla-Kommunikation) nutzen Möglichkeiten der Inszenierung, etwa in Form von Tabubrüchen (pussy riot), überraschenden Registerwechseln und Brüchen vorhandener (Rollen-)Erwartungen (Yes Men, Zentrum für politische Schönheit s.u.). Die Geschichte solcher Inszenierungsformen zeigt unterschiedliche Wurzeln und Adressaten. Sie reichen von den antibürgerlichen Auftritten der Dada-Künstler in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts über das gesellschaftskritische Unsichtbare Theater Augusto Boals in Lateinamerika bis zu künstlerischen Happenings der Aktionskünstler seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Auch politische Inszenierungen nutzen Effekte des Skandals/der Skandalisierung. Die wesentliche kommunikative Strategie und Praxis ist dabei der Bezug auf Moral (Moralisieren), eine zumindest ambivalente Ressource.
Inszenierung als Technik und Praxis ist auch im Feld beruflicher Kommunikation bedeutsam geworden, zunehmend auch im sogenannten privaten Alltag. Die individuelle ,performance‘ gilt als Schlüsselbegriff im Rahmen beruflicher Karriereplanung. Hier bezeichnet der Begriff die möglichst effektvolle Inszenierung von Leistung (mit Kennzahlen und Schlüsselwörtern). In der privaten Kommunikation gehört die gezielte Selbst-Inszenierung mittlerweile zu den selbstverständlich erwarteten Kompetenzen. Die tatsächlich Algorithmen-gestützte Selbstprofilierung auf Plattformen wie Facebook oder auf Dating-Portalen bleibt dabei für den größten Teil der Nutzer intransparent. In beiden Sphären regiert das Prinzip Wettbewerb/Konkurrenz, und die Auftrittsmöglichkeiten für das ,inszenierte Selbst‘ werden mit der Überlassung einer Vielzahl persönlicher Daten und ihrer fremdbestimmten kommerziellen Nutzung bezahlt.
Inszenierungen unterschiedlicher Art und Absicht erkennen und einordnen zu können, ist ein Ziel der Vermittlung kritischer Medienkompetenz.
Beispiele
(1) Yes Men
Als Yes Men bezeichnen sich zwei amerikanische Aktivisten, die mit zum Teil spektakulären Auftritten auf ,fremden‘ Bühnen und in ,falschen‘ Rollen auf die Freilegung, Sichtbarmachung und Benennung von Missständen, Ungerechtigkeiten und Betrug setzen. Sie kapern Bühnen und verschieben, jedenfalls situativ, auch Sagbarkeitsgrenzen, indem sie sich zum Beispiel als Funktionäre multinationaler Konzerne oder Institutionen inszenieren und in diesen Rollen entlarvende Positionen beziehen. So traten sie 2004 als Repräsentanten von Dow Chemical auf, Eigentümer des Unternehmens, das die Vergiftungskatastrophe von Bophal mit zahlreichen Toten, Verletzten und in Folge Erkrankten verursachte. In dieser Rolle verkündeten sie u.a., dass Dow Chemical endlich eine beträchtliche Geldsumme für die Entschädigung von Opfern bereitstellen werde. Bis zum offiziellen Dementi dieser Falschmeldung, also der Aufdeckung der Inszenierung, verlor die Aktie des Unternehmens einen erheblichen Teil ihres Kurswertes (vgl. auch Guerrillakommunikation).
(2) Zentrum für politische Schönheit
Aktivisten und Aktivistinnen des Zentrums für politische Schönheit nutzen für ihre Inszenierungen unter anderem die beweglichen Grenzen zwischen Kunst und politischer Aktion. Eine ihrer jüngsten Aktionen erzielte hohe Aufmerksamkeit dadurch, dass sie ein dezidiert politisches Denkmal (das Holocaust-Denkmal in Berlin) als künstlerische Repräsentation deklarierten und es in Sichtweite des Hauses von B. Höcke, eines rassistischen AfD-Politikers, rekonstruierten. Die Inszenierung setzte hier auf die spektakuläre Vertauschung von Räumen.
(3) Inszenierungen von rechts
Gruppen der ,Identitären‘, nationalistisch-rassistisch orientierte Akteure der neuen Rechten, haben sich die Technik provokativ inszenierter Auftritte angeeignet und versuchen damit, vor allem die Aufmerksamkeit jüngerer Menschen zu erreichen. Zum Beispiel besetzte eine deutsche Gruppe 2016 das Brandenburger Tor, eine österreichische Gruppe besetzte die Bühne des Wiener Audimax anlässlich einer Aufführung von Elfriede Jellineks Stück „Die Schutzbefohlenen“, das sich mit dem Thema Flucht und den europäischen Reaktionen darauf auseinandersetzt.
(4) Inzenierungen in Zeiten der Corona-Pandemie
Die außerordentlich dynamischen Entwicklungen im Rahmen der Maßnahmen zur Corona-Pandemie lassen sich zurzeit erst vorläufig und schlaglichtartig kommentieren. Inszenierungen betreffend sind z.B. folgende Phänomene zu beobachten: die Aktivierung biblisch-apokalyptischer Szenarien mit all ihren Konnotationen (Gericht, Schuld, Sühne, Angst); die Inszenierung von symbolisch und emotional aufgeladenen Bildern – der einsame Papst auf einem leeren Petersplatz, die in Quarantäne isolierte Kanzlerin, die zum ersten Mal ,außer der Reihe‘ zum ,Volk‘ spricht; die rhetorischen Immunisierungsstrategien gegen Kritik an den (nicht nur rechtlich) bedenklichen Prozeduren zur Einschränkung demokratischer Freiheiten (Stichwort Datenspende für die neue App zur Überwachung der Vitalwerte einer Vielzahl von Nutzern – ein raffinierter Gebrauch der Konnotationen von Spende zur Verschleierung der Ziele und Nebenwirkungen).
Literatur
Zum Weiterlesen
- Fischer-Lichte, Erika (2005): Inszenierung. In: Fischer-Lichte, Erika; Kolesch, Doris; Warstat, Matthias (Hrsg.): Metzler Lexikon Theatertheorie. Stuttgart: J. B. Metzler, S. 146–153.
- Goffmann, Erving (2010): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München: Piper.
- Weiß, Volker (2007): Die autoritäre Revolte. Stuttgart: Klett-Cotta.
Verlinkte Quellen
- The Yes Men. Online unter: https://www.theyesmen.org ; Zugriff: 27.03.2023.
- Zentrum für politische Schönheit. Online unter: https://politicalbeauty.de ; Zugriff: 27.03.2023.
- Unsichtbares Theater – Augusto Boal. Online unter: https://www.pfz.at/paulo-freire/augusto-boal/ ; Zugriff: 27.03.2023.
Zitiervorschlag
Weber, Susanna (2020): Inszenierung. In: Diskursmonitor. Online-Plattform zur Aufklärung und Dokumentation von strategischer Kommunikation. Veröffentlicht am 17.04.2020. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/inszenierung.
Grundbegriffe
Hegemonie
Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.
Diskurskompetenz
Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Medien
Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.
Macht
Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.
Normalismus
Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.
Wissen
Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.
Werbung
Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.
Mediale Kontrolle
Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.
Freund- und Feind-Begriffe
Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.
Techniken
Sündenbock
Der Sündenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend für etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, Erzählungen oder Verhalten manifestiert.
Redenschreiben
Wer Reden schreibt, bereitet die schriftliche Fassung von Reden vor, die bei besonderen Anlässen gehalten werden und bei denen es auf einen ausgearbeiteten Vortrag ankommt.
Offener Brief
Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.
Kommunikationsverweigerung
Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.
Flugblatt
Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.
Passivierung
Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).
Aufopferungs-Topos
Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.
Opfer-Topos
Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.
Analogie-Topos
Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.
Topos der düsteren Zukunftsprognose
Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.
Schlagwörter
Verfassung
Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.
Toxizität / das Toxische
Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.
Zivilgesellschaft
Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.
Demokratie
Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.
Plagiat/Plagiarismus
Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.
Fake News
Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.
Lügenpresse
Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.
Antisemitismus
Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.
Grammatiknazi / Grammar Nazi
Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.
Respekt
Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.
Verschiebungen
Versicherheitlichung
In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.