DiskursGlossar

Distanzieren

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Abgrenzen, Schassen, Vertrauen entziehen, Zusammenarbeit beenden
Siehe auch: Strategische Kommunikation, Skandal, Skandalisierung
Autor: Jens Hagelstein
Version: 1.0 / Datum: 14.04.2025

Kurzzusammenfassung

Öffentliches Distanzieren bezeichnet die Abgrenzung eines individuellen oder organisationalen Akteurs von einem anderen Akteur. Eine Distanzierung kann kommunikativ oder operativ vollzogen werden, d. h. die Abgrenzung findet verbal oder unter Aufkündigung eines Arbeitsverhältnisses statt. Öffentlich ist eine Distanzierung, wenn sie sich nicht an einen vorab eingegrenzten Kreis von Empfänger:innen richtet, sondern potentiell von allen Angehörigen einer oder mehrerer Anspruchsgruppen des (kommunikativ) handelnden Akteurs beobachtet werden kann. Öffentliches Distanzieren findet in der Regel als Reaktion einer Organisation auf eine juristisch oder moralisch sanktionable Grenzüberschreitung eines Mitglieds, eines externen Kooperationspartners oder eines anderweitig assoziierten Individualakteurs statt. Vorrangiges Ziel ist es, Image- und Reputationsschäden von der Organisation abzuwenden. Kommunikative Distanzierung ist eine Erscheinungsform der Krisenkommunikation einer Organisation. Forschung und Praxis des organisationalen Kommunikationsmanagements haben verschiedene Strategien zur Ausgestaltung von Distanzierungsstatements vorgelegt, weisen aber auch auf die teils unerwünschten Wirkungen solcher Kommunikationsmaßnahmen hin. 

Erweiterte Begriffsklärung

Öffentliches Distanzieren findet vor allem im Kontext personalisierter Organisationskommunikation statt. Personalisierung beschreibt ein kommunikatives Phänomen, in dem Individualakteure zu Sprecher:innen oder Themen der organisationalen Selbstdarstellung, der journalistischen Berichterstattung über die Organisation und der publikumsseitigen Wahrnehmung der Organisation werden (Eisenegger 2010). Organisationen können von Personalisierung profitieren, wenn etwa Bekanntheit, Fachkompetenz oder Sympathie einer Einzelperson auf sie abstrahlen, wie dies beispielsweise bei Werbepartnerschaften mit prominenten Testimonials oder der kommunikativen Positionierung von Vorstandsvorsitzenden gezielt forciert wird. Personalisierung kann aber auch zum Risiko werden, wenn ein durch Fehlverhalten auffällig gewordener Individualakteur mit einer Organisation assoziiert ist und so deren Image in Mitleidenschaft zieht (Hagelstein 2023). Öffentliches Distanzieren zielt darauf ab, diesen negativen Imagetransfer bestmöglich zu verhindern.

Analytisch sind zunächst drei Akteurstypen zu differenzieren, deren juristisch-moralische Grenzüberschreitungen für Organisationen kritisch werden können: Interne Akteure, die als Rollenträger in der Organisation wirken (Organisationsmitglieder; z. B. Vorstände und Mitarbeitende); externe Akteure, die zeitlich befristete Projekte in Zusammenarbeit mit der Organisation realisieren (Kooperationspartner; z. B. Berater:innen und Social-Media-Influencer:innen); und periphere Akteure, die zwar in keinerlei vertraglichem Arbeitsverhältnis mit der Organisation stehen, aufgrund der Zugehörigkeit etwa zu einer gemeinsamen Branche oder politischen Strömung aber mit ihr in Verbindung gebracht werden können. Je nach Akteursgruppe und je nach Schwere des Vergehens können Organisationen mit unterschiedlichen Distanzierungen reagieren: Mit einer kommunikativen Distanzierung, bei der die Grenzüberschreitung öffentlich missbilligt wird; mit einer operativen Distanzierung, bei der aktuelle Rolle, Organisationszugehörigkeit oder Kooperation aufgekündigt werden; oder mit einer gemischt operativ-kommunikativen Distanzierung, bei der das arbeitsvertragliche Verhältnis gekündigt und diese Maßnahme kommunikativ begleitet wird. Operative und operativ-kommunikative Distanzierungen sind bei internen und externen Akteuren möglich, während zu peripheren Akteuren lediglich kommunikativ Distanz hergestellt werden kann.

In der konkreten sprachlichen Ausgestaltung des Distanzierungsstatements kann das organisationale Kommunikationsmanagement unterschiedliche Strategien verfolgen. Angelehnt an die etablierten Krisenkommunikationstheorien Image Repair Theory (Benoit 1997) und Situational Crisis Communication Theory (Coombs 2007) schlagen Sng, Au und Pang (2019) acht verschiedene kommunikationsstrategische Muster für Distanzierungen vor:

  1. Schuld abwälzen („shifting the blame“): Die Organisation weist die Schuld am Vergehen dem Distanzierten zu.
  2. Verstärken („bolstering“): Die Organisation betont ihre eigenen Werte.
  3. Leugnen („simple denial“): Die Organisation streitet die Verantwortung für das Vergehen ab.
  4. Minimieren („minimization“): Die Organisation markiert die Grenzüberschreitung als Ausnahme.
  5. Kasteien („mortification“): Die Organisation entschuldigt sich im Namen des Distanzierten.
  6. Korrigieren („corrective action“): Die Organisation erklärt das Arbeitsverhältnis mit dem Distanzierten für beendet.
  7. Anfechten („defeasibility“): Die Organisation streitet die Kontrolle über den Distanzierten ab.
  8. Ignorieren („ignore“): Die Organisation schenkt dem Vergehen des Distanzierten und/oder der Kritik daran keine Beachtung. (vgl. Sng et al. 2019: 314–315)

In der Praxis sind nicht alle Strategien jederzeit anwendbar – so dürften das schlichte Ignorieren einer Grenzüberschreitung oder das Leugnen der Verantwortung nur bis zu einem gewissen Eskalationslevel praktikabel sein. Ebenso ist es in vielen Fällen angebracht und üblich, mehrere Strategien miteinander zu kombinieren, etwa die Schuldzuweisung an den Distanzierten mit dem gleichzeitigen Betonen der organisationseigenen Werte.

Öffentliches oder teilöffentliches Distanzieren kann sich an eine oder mehrere Anspruchsgruppen einer Organisation wenden, zum Beispiel an Konsument:innen, Wähler:innen, Journalist:innen, Aktionär:innen oder die Breitenöffentlichkeit. Als (teil)öffentlich wird eine Distanzierung bezeichnet, wenn ihr potentieller Kreis von Empfänger:innen in diesen Stakeholdergruppen nicht vorab eingegrenzt wird, sondern das Distanzierungsstatement per se von allen ihren Angehörigen rezipiert werden kann (Hömberg 2005). Nicht-öffentliche Distanzierungspraktiken – z. B. in einem vertraulichen Hintergrundgespräch zwischen einer Politikerin und einem Journalisten – sind zwar denkbar, erzeugen aber kaum Resonanz und sind daher in der Praxis weniger relevant.

Nicht immer kann öffentliches Distanzieren den erwünschten Effekt erzielen. Im Gegenteil: Medienpsychologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein Distanzierungsstatement durch die gleichzeitige Nennung von Organisation und Distanziertem eine Verknüpfung beider Akteure im Gedächtnis der Rezipient:innen erzeugen kann (Hagelstein 2023). Angesichts dieser Erkenntnis sollten Organisationen im Krisenfall gründlich abwägen, ob sie ein Statement abgeben und wie sie dieses bestmöglich formulieren und gestalten (z. B. möglichst kurz, mit möglichst wenigen Nennungen des Distanzierten und unter Verzicht auf Fotos). Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Distanzierung selbst skandalisiert wird, wenn sie in der adressierten Zielgruppe als unangemessen, nicht ausreichend ausführlich oder zu spät terminiert aufgenommen wird. Hier wird der Umgang der Organisation mit der Grenzüberschreitung selbst zu einem eigenen Skandal (Grenzüberschreitung zweiter Ordnung; Pörksen/Detel 2012).

Beispiele

1) Am 3. September 2024 veröffentlicht der Softwarekonzern SAP folgende Pressemitteilung:

Die SAP SE gab heute bekannt, dass sich der SAP-Aufsichtsrat mit dem Vorstandsmitglied und Chief Technology Officer Dr.-Ing. Jürgen Müller einvernehmlich über sein Ausscheiden aus dem Vorstand des Unternehmens mit Wirkung zum 30. September 2024 geeinigt hat. Müller erklärte: „Bei einer vergangenen Firmenveranstaltung kam es zu einem Ereignis, bei dem ich mich unangemessen verhalten habe. Ich bedauere, dass ich unüberlegt gehandelt habe und entschuldige mich aufrichtig bei allen involvierten Personen. Ich habe erkannt, dass mein Verhalten in diesem Moment nicht unsere Werte bei SAP widergespiegelt hat. Ich übernehme die volle Verantwortung und denke, dass mein Rücktritt das Beste für das Unternehmen ist. Dem Team wünsche ich weiterhin viel Erfolg […].“ (SAP 2024)

Mit diesem Statement distanziert sich SAP sowohl operativ als auch kommunikativ von seinem ehemaligen Vorstandsmitglied Jürgen Müller (interner Akteur). Es werden verschiedene kommunikationsstrategische Muster genutzt, insbesondere das Korrigieren, d. h. Aufkündigen des Arbeitsverhältnisses. Bemerkenswert ist, dass der geschasste Akteur selbst im Distanzierungsstatement zu Wort kommt. Diese sogenannte Subjekt-Personalisierung (Individualakteur fungiert als Sprecher:in der organisationalen Selbstdarstellung; Eisenegger 2010) kann als eine sprachlich-formale Kommunikationstaktik gedeutet werden, mittels derer SAP symbolisch jegliche Verantwortung am Vorfall abstreitet und an Müller überträgt. Dieser wiederum tritt zumindest öffentlich nicht in Widerspruch zum Unternehmen, sondern reflektiert sein Verhalten und akzeptiert die Organisationsentscheidung.

2) Am 16. Juli 2024 informiert der öffentlich-rechtliche Sender rbb die Presse mit folgendem Statement:

Der rbb hat entschieden, die Zusammenarbeit mit Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ bei Fritz bis auf Weiteres zu beenden. Er wird die Sendung „Theoretisch cool“ nicht mehr moderieren. Der rbb reagiert damit auf die von Sebastian Hotz nach dem Attentat auf Donald Trump veröffentlichten Posts auf der Plattform „X“. rbb-Programmdirektorin Katrin Günther: „Seine Äußerungen dort sind mit den Werten, für die der rbb einsteht, nicht vereinbar. Wir beenden daher die Zusammenarbeit ab sofort bis auf Weiteres und haben den Autor entsprechend unterrichtet.“
(rbb 2024)

Auch hier findet eine operativ-kommunikative Distanzierung statt, in diesem Fall allerdings von einem organisationsexternen Akteur, mit dem lediglich eine projektbasierte Zusammenarbeit bestand. Argumentativ wird vor allem das Nennen und Verstärken der organisationseigenen Werte bemüht, die in Widerspruch zu den Äußerungen von Sebastian Hotz stehen. Wie im ersten Beispiel wendet sich die Organisation zunächst an Journalist:innen als Zielgruppe, die die Informationen dann an ihre jeweilige Leserschaft weitervermitteln. Hotz seinerseits – der Position des rbb erkennbar nicht zustimmend – nimmt die Distanzierung zum Anlass, einen satirischen Dokumentarfilm mit dem Titel I’m sorry Mr. President – Der tiefe Fall des El Hotzo (RTL 2024) zu produzieren.

3) Eine besondere Form der Distanzierung findet sich unter einem am 9. November 2021 veröffentlichten Beitrag der Friedrich-Naumann-Stiftung über die anstehenden Wahlen in Argentinien:

Die Stiftung distanziert sich von Inhalt und Politikstil von Javier Milei, da sie nicht dem Liberalismus-Verständnis der Stiftung entsprechen. (Friedrich-Naumann-Stiftung 2021)

Javier Milei, mittlerweile Präsident von Argentinien, steht in keinerlei Mitgliedschafts- oder Arbeitsverhältnis zur Friedrich-Naumann-Stiftung. Eine Distanzierung von dem umstrittenen Politiker ist daher in diesem Fall ausschließlich kommunikativ möglich. Auch hier verweist die Organisation auf einen Wertekonflikt zwischen den Ansprüchen der Stiftung und dem Handeln und den Aussagen des Distanzierten. Kritisch zu prüfen wäre in diesem Fall allerdings, ob der Disclaimer möglicherweise das Gegenteil der gewünschten Wirkung erzeugt – während die Stiftung im Artikel kein einziges Mal in Verbindung mit Milei erwähnt wird, ist es gerade das Distanzierungsstatement, das diese Verknüpfung durch gleichzeitige Nennung beider Akteure herstellt.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Coombs, W. Timothy (2022): Ongoing crisis communication. Planning, managing, and responding. Thousand Oaks: Sage.

  • Schwarz, Andreas; Löffelholz, Martin (2022): Krisenkommunikation: Vorbereitung, Umsetzung, Erfolgsfaktoren. In: Zerfaß, Ansgar; Piwinger, Manfred; Röttger, Ulrike (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation. Strategie – Management – Wertschöpfung. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 963–979.

Zitierte Literatur und Belege

  • Benoit, William L. (1997): Image repair discourse and crisis communication. In: Sommerfeldt, Erich (Hrsg.): Public Relations Review, Jg. 23, Heft 2, Amsterdam: Elsevier, S. 177–186.
  • Coombs, W. Timothy (2007): Protecting organization reputations during a crisis: The development and application of situational crisis communication theory. In: Wang, Yijing: Corporate Reputation Review, Jg. 10, Heft 3, London: Palgrave Macmillan, S. 163–176.
  • Eisenegger, Mark (2010): Eine Phänomenologie der Personalisierung. In: Eisenegger, Mark; Wehmeier, Stefan (Hrsg.): Personalisierung der Organisationskommunikation. Theoretische Zugänge, Empirie und Praxis. Wiesbaden: Springer VS, S. 11–26.
  • Friedrich Naumann Stiftung (2021): Liberale dürfen hoffen. Argentinien vor Parlaments- und Senatswahlen. Online unter: https://www.freiheit.org/de/argentinien-und-paraguay/liberale-duerfen-hoffen ; Zugriff: 06.04.2025.
  • Hagelstein, Jens (2023): Imagetransfers in der personalisierten Organisationskommunikation. Konzeption und Validierung des dualen Imagetransfermodells. Wiesbaden: Springer VS.
  • Hömberg, Walter (2005): Kommunikation. In: Weischenberg, Siegfried; Kleinsteuber, Hans J.; Pörksen, Bernhard (Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. Konstanz: UVK, S. 153–160.
  • Pörksen, Bernhard; Detel, Hanne (2012): Der entfesselte Skandal. Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter. Köln: Herbert von Halem.
  • rbb (2024): rbb beendet Zusammenarbeit mit Sebastian Hotz. Online unter: https://www.rbb-online.de/unternehmen/presse/presseinformationen/unternehmen/2024/20240716-rbb-beendet-zusammenarbeit-mit-sebastian-hotz.html ; Zugriff: 06.04.2025.
  • RTL (2024): I’m sorry Mr. President – Der tiefe Fall des El Hotzo. Online unter: https://plus.rtl.de/video-tv/serien/im-sorry-mr-president-der-tiefe-fall-des-el-hotzo-1013370/die-dokumentation-1013371 ; Zugriff: 06.04.2025.
  • SAP (2024): Jürgen Müller verlässt den SAP-Vorstand. Online unter: https://news.sap.com/germany/2024/09/juergen-mueller-verlaesst-den-sap-vorstand ; Zugriff: 06.04.2025.
  • Sng, Kylie; Au, Tsi Ying; Pang, Augustine (2019): Social media influencers as a crisis risk in strategic communication: Impact of indiscretions on professional endorsements. In: Seiffert-Brockmann, Jens; Smith, Brian: International Journal of Strategic Communication, Jg. 13, Heft 4, London: Taylor & Francis, S. 301–320.

Zitiervorschlag

Hagelstein, Jens (2025): Distanzieren. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 14.04.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/distanzieren.  

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Metapher

In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht übersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Techniken

Kontaktschuld-Topos

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Schlagbilder

Der Terminus Schlagbild bezeichnet mehr oder weniger inszenierte Bilder. Ihre Bedeutung beruht nicht nur auf ihren sichtbaren (ikonischen) Formen, sondern vielmehr auf den symbolischen Inhalten, die sich durch vielfache mediale Wiederholung und Konventionen gefestigt haben.

Invektivität / Metainvektivität

Invektivität ist ein Überbegriff für den Phänomenbereich der Herabsetzung und Ausschließung mittels symbolischer Praktiken. In Invektiven (z.B. Spott, Beleidigung, sprachliche Aggression, Diskriminierung, Hassrede) werden Einzelnen oder Gruppen marginalisierte oder niedrige soziale Positionen zugeschrieben, Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften abgesprochen oder Identitäten negiert.

Parole

Die Parole ist ein kleines, potentes sprachliches Werkzeug, das in der politischen Kommunikation unerlässlich ist und zweckgebunden in politischen Mobilisierungen eingesetzt wird.

Komposita

. In der politischen Rhetorik tragen Komposita zur Prägnanz und Emotionalität von Botschaften bei, indem sie komplexe Sachverhalte und politische Themen in zentralen Begriffen bündeln, in griffige Schlagworte packen und diese für den gesellschaftlichen Diskurs zur Verfügung stellen (zum Beispiel Krisenmodus, Zeitenwende oder Rückführungspatenschaften).

Nicht-Entschuldigen / Nonpology

Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.

Liken

Die eigentliche Funktion des Likens geht jedoch über das Signalisieren von Zustimmung hinaus und ist konstitutiv für das Funktionieren sozialer Medienplattformen und das Aushandeln von verschiedenen Formen der Sozialität auf diesen.

Hashtag

Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbündelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).

Diminutiv

Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale Nähe zu konstruieren (unser Ländle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein Schätzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurückzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).

Sündenbock

Der Sündenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend für etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, Erzählungen oder Verhalten manifestiert.

Schlagwörter

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.

Bürokratie

Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.

Politisch korrekt / Politische Korrektheit

Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.

Kipppunkt

Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Verschiebungen

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

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Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.

Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...