DiskursGlossar

Strategische Kommunikation

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Strategie, Kommunikationsstrategie, Diskursstrategie, Kommunikationsmanagement
Siehe auch: Guerillakommunikation, Werbung, Politische Kommunikation
Autor: Friedemann Vogel
Version: 1.3 / Datum: 06.12.2021

Kurzzusammenfassung

Der Ausdruck Strategische Kommunikation bezeichnet ein Bündel an zeichenbasierten und in der Regel mediengestützten Aktivitäten, mit denen Individuen, Gruppen oder Organisationen versuchen, die Akzeptanz für ihre politischen, ökonomischen, rechtlichen oder anderweitig motivierten Interessen bei ausgewählten Zielgruppen zu halten oder zu erhöhen. Diesen Aktivitäten liegen in der Regel komplexe, zumindest teilweise verdeckt gehaltene Handlungspläne zugrunde (Strategien), die Annahmen über den zu verändernden Status quo, den herbeizuführenden Zielzustand sowie über geeignete Verfahren bzw. Techniken auch zum Umgang mit Widerständen treffen.

Eine professionalisierte Beschäftigung mit strategischer Kommunikation geht bis in die aristotelische Rhetorik-Lehre zurück, findet sich heute aber in allen Teildisziplinen und Tätigkeitsfeldern, in denen wesentliche Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Ressourcenverteilung verhandelt werden, vor allem in Politik, Medien, Wirtschaft, Recht, Militär und Wissenschaft.

Ihrem Wesen nach ist Strategische Kommunikation immer Macht-Kommunikation, die physischen Gewalteinsatz zur Interessensdurchsetzung begleiten kann, selbst aber auf physische Gewaltmittel verzichtet. Strategische Kommunikation greift stattdessen auf vielfältige, durch Professionalisierung vermittelbare Techniken und Verfahren zurück (z.B. den Gebrauch von Schlagwörtern, Slogans, Werbeplakaten, Gewaltandrohungen, Euphemismen, False Flag-Aktionen, Adbusting etc.), um gegenüber einer Zielgruppe einen Lebenssachverhalt neu zu perspektivieren (ihn z.B. als ‚natürlicher‘, ‚dystopischer‘, ‚pathologischer‘ etc. erscheinen zu lassen) und ihr damit zugleich bestimmte Handlungsoptionen nahezulegen oder auch zu verschließen.

,Organisationelle‘ strategische Kommunikation nutzt vor allem Techniken, die auf eine Dominanz öffentlich wahrnehmbarer Zeichen und Deutungsangebote setzen (z.B. Überflutung aller medialen Kanäle mit einer Werbekampagne); ,guerillakommunikative Techniken zielen mangels eigener großer Ressourcen darauf ab, die etablierten Wahrnehmungs- und Interpretationsschemata von öffentlich sichtbaren Zeichen zu irritieren und damit eine Verhaltensänderung bei den Rezipienten zu motivieren (z.B. kreative Verfremdung von Slogans auf Wahlkampfplakaten).

Neben dem analytischen Gebrauch werden die Ausdrücke Strategie, Taktik, strategisch oder strategische Kommunikation auch alltagssprachlich als politische Schlagwörter eingesetzt, um die so bezeichneten Praktiken des Gegners als ‚manipulativ‘ und die Handelnden als ‚unaufrichtige‘ Diskurspartner zu diskreditieren.

Erweiterte Begriffsklärung

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Strategischer Kommunikation füllt mittlerweile ganze Bibliotheken, verspricht diese doch unter den Bedingungen demokratischer Willensbildung und dem rechtsstaatlichen Schutz des Individuums vor Willkürherrschaft dennoch Möglichkeiten der Kontrolle des Handelns, Denkens und Fühlens großer Bevölkerungsgruppen. Einen einheitlichen Begriff indes gibt es nicht. Vielmehr finden sich zahlreiche Aspekte strategischen Kommunizierens unter disziplinär unterschiedlich geprägten Begriffen wie etwa Framing, Propaganda, Perspektivierung, Werbung, Public Relations, Marketing, Rhetorik, Storytelling, Kommunikationsmanagement u.ä.; diese Begriffe bezeichnen allerdings oftmals konkrete Techniken oder Verfahren (kommunikative Strategien) und zielen weniger auf eine Bestimmung von Wesensmerkmalen. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen wichtige Aspekte der interdisziplinären Forschungsliteratur zusammenzufassen und darüber hinausgehend zu einer grundlegenden Begriffsbestimmung beizutragen.

Der Begriff Strategische Kommunikation kann zunächst mit Blick auf seine beiden Komponenten ,Kommunikation‘ und ,Strategie‘ folgendermaßen näher bestimmt werden: ,Kommunikation‘ ist ein elementarer Bestandteil menschlichen Zusammenlebens. Aus einer sozialkognitivistischen Perspektive meint sie das wechselseitige Sinnvoll-Machen von verbalen, akustischen, visuellen, körperbezogenen (haptischen) und anderen Zeichen als Ausdruck von sozialen Handlungen (jemanden ‚informieren‘, ‚zu etwas auffordern‘ o.ä.) auf Basis von Situationswahrnehmung und (gemeinsam geteiltem) Weltwissen. Kommunikation setzt neben den Zeichen selbst (z.B. ein Wort oder eine Geste) mindestens zwei Akteursrollen voraus, nämlich einen Zeichenproduzenten (z.B. ein Oppositionspolitiker) sowie einen Zeichenrezipienten (z.B. ein Parlamentsabgeordneter). Zeichenrezipienten wiederum können erstens vom Zeichenproduzenten intendierte Adressaten sein (z.B. Regierungsangehörige), Mitgemeinte (sekundäre Adressaten wie die eigenen ParteikollegInnen) oder auch antizipiertes, also mitgedachtes Publikum (z.B. die am Radio mithörenden WählerInnen, JournalistInnen oder Familienangehörigen). Je nach Ausgestaltung von Kommunikation – Anzahl und Zusammensetzung von Produzenten und Rezipienten, Wahl der Zeichenkanäle (Bild, Ton, Audiovisuelles usw.), räumliche, zeitliche und mediale Bedingungen – kann man verschiedene prototypische Kommunikationsformen unterscheiden: Interaktion von Personen in räumlich-zeitlicher Kopräsenz (z.B. bei einer Bundestagsdebatte mit wechselseitiger Wahrnehmung in Echtzeit) gestaltet sich anders als Massenkommunikation (z.B. Werbeplakate oder Pressemitteilungen), bei der Produzent und Rezipient in räumlich-zeitlicher Distanz und zudem in nicht-responsiver Weise aufeinandertreffen (die Rezipienten können nicht unmittelbar mit dem Produzenten in Kontakt treten, ihm zu- oder widersprechen).

Der Begriff der ,Strategie‘ hat in den vergangenen 100 Jahren kontinuierlich an Bedeutung (sowie an Verwendungshäufigkeit) gewonnen, besonders in Zeiten militärischer Konfrontationen (zwischen 1910 und 1920, im Zweiten Weltkrieg, im Kalten Krieg zwischen den Großmächten sowie auch in den Kriegen im Mittleren Osten nach 2001). Tatsächlich gilt historisch betrachtet der Militärkomplex als einflussreicher Denk- und Tätigkeitsbereich bei der Konzeption von Strategien (Merten 2013: 109 f.) – das heißt in diesem Fall für das vorausschauende (antizipierende) Planen von militärischen Manövern (Handlungszügen) und möglichen gegnerischen Reaktionen im Hinblick auf ein akutes Schlachtfeld oder auch im Vorfeld einer etwaigen kriegerischen Auseinandersetzung (etwa die ,Abschreckungsstrategie‘ mithilfe der Aufrüstung mit nuklearen Massenvernichtungswaffen, Kahl 2011). Der militärisch geprägte Strategiebegriff wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts vor allem in der Betriebswirtschaftslehre adaptiert und führte dort zu einem überwiegend instrumentellen Verständnis von strategischer Kommunikation, „das den sozialen bzw. gesellschaftlichen Kontext von strategischer Kommunikation fast vollständig außer Acht lässt“ (Röttger et al. 2013: 10). In der Sprach- und Diskursforschung wurde der Strategiebegriff bislang nicht systematisch entwickelt. Der Gedanke eines planvollen, zweckrationalen Tuns findet sich aber indirekt in den Begriffen ,Textfunktion‘ – das ist diejenige sprachlich vollzogene kommunikative Absicht, die der Textproduzent explizit mithilfe konventionalisierter Zeichen zu erkennen geben möchte (z.B. in einem Grußwort jemandem explizit zu danken) – und der ggf. bewusst verheimlichten ,Textintention‘, also derjenigen Absicht, die der Textproduzent über die erkennbare Textfunktion hinaus verfolgt (z.B. mithilfe eines Grußwortes und öffentlichem Lob von eigenem kritikwürdigem Verhalten ablenken) (Brinker et al. 2014: 98). In der Diskursanalyse wurde der Begriff ,Strategie‘ ebenso auf kognitiver Ebene verortet, verstanden als „mehr oder weniger elaborierte[…] Handlungspläne“, die konkrete sprachlich-kommunikative Handlungen zur Erreichung bestimmter Ziele anleiten (Wodak et al. 1998: 74 ff.). Der Aufbau von Texten oder mündlichen Reden erfolgt dann, und darauf kommt es an, nicht (nur) intuitiv, sondern in strukturierter, den unmittelbar-situativen wie auch weiterreichenden diskursiven Zielen gerecht werdender Art und Weise. Zusammengefasst lassen sich Strategien als zukunftsbezogene, programmatische Situations- und Handlungsmodelle beschreiben, die Annahmen enthalten über einen oder mehrere Ist-Zustände, ein oder mehrere zu erreichende (oft auch alternative) Ziele sowie Verfahrensschritte (Praktiken), die das Erreichen der (Teil-)Ziele unter Einkalkulation möglicher Schwierigkeiten oder Hindernisse bewerkstelligen sollen.

Als Ganzes bezeichnet Strategische Kommunikation ein Bündel an kommunikativen Aktivitäten, mit denen Individuen, Gruppen oder Organisationen versuchen, die Akzeptanz für ihre politischen, ökonomischen, rechtlichen oder anderweitig motivierten Partikularinteressen bei ausgewählten Adressaten zu erhalten oder zu erhöhen. Diesen Aktivitäten liegen Handlungspläne in unterschiedlichem zeitlich-räumlich-personellen Umfang und in unterschiedlichem Reflexionsgrad zugrunde. Sie treffen Annahmen über den zu verändernden Status quo, den herbeizuführenden Zielzustand, über geeignete Verfahren bzw. Techniken auch zum Umgang mit Widerständen. Mit dieser Definition kommt es nicht auf einen organisationellen, ausschließlich professionellen Hintergrund an, und umgekehrt sind nicht alle kommunikativen Aktivitäten automatisch ‚strategische‘, nur weil sie auf einer basalen Ebene immer auch eine Handlungsabsicht verfolgen (letzteres gehört zum Kern jeder Kommunikation, vgl. oben). Strategisches Kommunizieren im hier verstandenen Sinne kann außerdem auch spontan von Laien, im Gespräch mit Freunden und mit nur situativer Reichweite erfolgen. Strategische Kommunikation setzt aber voraus, dass die mit einer kommunikativen Aktivität verbundene Absicht in einen gänzlich oder zumindest partiell verdeckt gehaltenen Handlungsplan eingebunden ist, der über diese singuläre Absicht hinausgeht, also aus mehr als einem kalkulierenden Handlungszug besteht, an dessen Ende das Ziel einer Einstellungs-, Emotions- und/oder Handlungsänderung beim Adressaten steht. Das Schreiben eines Leserbriefes an eine Zeitungsredaktion etwa mag einen konkreten, zuvor erschienenen Artikel kommentieren und dem Autor Inkompetenz vorwerfen; eine strategische Funktion erhält der Leserbrief erst dann, wenn er versucht, die redaktionellen Gatekeeper und ihre Erwartungen an Stil und Originalität zu antizipieren, nicht nur den Autor des Artikels, sondern darüber hinaus auch die Leserschaft der Zeitung als potentielle WählerInnen oder KundInnen anzusprechen (sich also durch Artikelkritik zu profilieren) und mögliche Einwände bereits argumentativ vorwegzunehmen versucht. Noch deutlicher wird die strategische Dimension in einem solchen Fall, wenn der Leserbrief durch eine PR-Abteilung verfasst und/oder gar Teil einer komplexen, mehrkanalig orchestrierten Kampagne ist (wie es etwa bei koordinierten Protest-Schreiben an PolitikerInnen oft der Fall ist).

Eine professionalisierte Beschäftigung mit strategischer Kommunikation findet sich heute in allen Teildisziplinen und Tätigkeitsfeldern, in denen Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der Ressourcenverteilung verhandelt werden. Zu den wichtigsten Tätigkeitsfeldern (Domänen) strategischer Kommunikation im zuvor skizzierten Sinne zählen Politik, Wirtschaft, Recht, Militär, Massenmedien und Soziale Medien sowie Wissenschaft –, also all jene Tätigkeitsfelder, die mit einer situationsübergreifenden Wahrnehmung (Öffentlichkeit) ihrer Akteure, Denk- und Handlungsweisen angewiesen sind. Darüber hinaus findet sich Strategische Kommunikation aber auch in vergleichsweise nicht-öffentlichen sozialen Mikrosystemen, z.B. bei Gesprächen im Freundeskreis, in der Familie oder zwischen Nachbarn. Je nach Tätigkeitsfeld und damit verbundener Funktionslogik verfolgen Praktiken strategischer Kommunikation verschiedene prototypische Ziele:

  • in der Politik (Politische Kommunikation) zielt Strategische Kommunikation vornehmlich auf die Organisation von Mehrheiten für die Durchsetzung gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen (Ideologien), d.h. die Legitimation für eigene politische Entscheidungen bzw. die Delegitimierung von gegnerischen Programmen.
  • in der kapitalistisch geprägten Personal- und Warenwirtschaft (Unternehmenskommunikation) dient Strategische Kommunikation letztlich immer materieller Profitmaximierung. Hierzu zählt das Schaffen öffentlicher Akzeptanz für das unternehmerische Handeln nach innen (gegenüber der eigenen Belegschaft oder Teilen von Unternehmensführung und -aufsicht) wie nach außen (gegenüber KundInnen und AuftraggeberInnen, Sponsoren und Aktionären, Konkurrenten, Akteuren in Politik, Exekutive, Medien und Zivilgesellschaft usw.). Je nach Zielgruppe haben sich verschiedene Speziallehren in Theorie und Praxis zu strategischer Kommunikation entwickelt, insb. Marken-, Produkt- und Personalwerbung, Public Relations, interne Unternehmenskommunikation usw.
  • im Recht zielt Strategische Kommunikation vor allem auf die Schaffung oder Erhöhung von Berufungs- und Revisionssicherheit im institutionalisierten Konfliktlösungsverfahren: die verantwortlichen juristischen Funktionsträger (v.a. Anwälte und Richter) versuchen ihre präferierte Deutung der konfliktären Lebenswelt und der dazu gehörenden Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen usw.) gegen konkurrierende Lesarten durchzusetzen und damit in die Tradition bisheriger Rechtsverständnisse (Dogmatik) einzugliedern.
  • im Militärkomplex zielt Strategische Kommunikation auf die Schaffung, Stärkung oder den Erhalt von Kampfbereitschaft: Nach innen sollen die eigene Bevölkerung und Bündnispartner sich mit dem militärischen Handeln (seinen Begründungen, Zielen und Verfahren) identifizieren und entsprechende Entscheidungen in Politik und Militärstäben mittragen (z.B. der Einsatz des Topos Demokratisierung zur Legitimierung von Angriffskriegen); nach außen zielt Strategische Kommunikation auf die Demonstration von Kampfbereitschaft und Schlagkraft sowohl in offensiver als auch in defensiver Hinsicht.
  • in Massenmedien (prototypisch kommerziellen Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern) zielen Techniken der strategischen Kommunikation zum einen auf die Durchsetzung domänenübergreifender Deutungsangebote (Konstruktion und Durchsetzung von Faktizitätsansprüchen), zum anderen auf die Generierung von Aufmerksamkeit für die eigenen Medienangebote (Aufmerksamkeitsökonomie).
  • in sozialen Medien (z.B. Twitter, Facebook usw.) zielt Strategische Kommunikation ebenso auf die Durchsetzung von Deutungsangeboten, ihre Aufmerksamkeitsakquise bezieht sich jedoch stärker auf die Selbstpopularisierung in vernetzten Kommunikationskreisen; im Unterschied zu Massenmedien zielt Strategische Kommunikation in sozialen Medien außerdem auf die ggf. auch nur vorübergehende Vergemeinschaftung von ähnlichen Interessenträgern (beobachtbar etwa bei der Organisation von Protesten im sog. Arabischen Frühling mithilfe von Facebook-Kommunikation).
  • in der Wissenschaft zielen Praktiken strategischer Kommunikation vor allem auf den Reputationsgewinn von Akteuren und Denkschulen (und die damit verbundene Besetzung einflussreicher Positionen in Institutionen) sowie vor allem im 21. Jahrhundert – infolge einer zunehmenden Ökonomisierung der Ressourcenverteilung unter hohem Konkurrenzdruck – auf den Zugang zu Ressourcen (Bewerbung eigener Fachrichtung als systemrelevant, strategische Vorbereitung von Fördermittelanträgen bei öffentlichen und privaten Geldgebern).
  • in nicht-öffentlichen sozialen Mikrosystemen zielt Strategische Kommunikation im oben definierten Sinne auf die wechselseitige Aushandlung von Identitäten und damit verbunden der Zugang zu Ressourcen, etwa wenn in der Familie ein höheres Taschengeld oder der Umgang mit Erbanteilen diskutiert wird.

Auch wenn strategische Kommunikationsformen je nach Domäne verschiedene dominante Ziele verfolgen, sind sie oft domänenübergreifend organisiert, d.h. sie machen sich Strategien anderer Tätigkeitsfelder zunutze oder sind auf Kooperationen angewiesen: Politische Kommunikation etwa ist eng verknüpft mit medialer Kommunikation: Wer politische Mehrheiten organisieren möchte, muss sich die Strategien medialer Aufmerksamkeitsökonomie aneignen oder muss sich deren Funktionslogik geradezu unterwerfen (Kritik daran wird unter dem Stichwort ,Mediokratie‘ zusammengefasst). Umgekehrt pflegen JournalistInnen enge Kontakte zu politischen EntscheidungsträgerInnen, um für die Aufmerksamkeitsakquise exklusive und darum besonders wertvolle Informationen zu erhalten; das gleiche gilt für strategische Kooperation zwischen dem Mediensektor (angewiesen auf Einnahmen durch Werbeanzeigen) und dem Wirtschaftssektor (angewiesen auf etablierte Distributionskanäle).

Ihrem Wesen nach ist Strategische Kommunikation immer Macht-Kommunikation, die physischen Gewalteinsatz zur Interessensdurchsetzung begleiten oder auch vorbereiten kann, selbst aber auf physische Gewaltmittel verzichtet. Im Vordergrund steht der Versuch, bei einer Zielgruppe Denk- und Deutungsschablonen (diskurssemantisch wirksame Wissensrahmen) so zu verändern, dass damit bestimmte, erwünschte Verhaltensweisen wahrscheinlicher (legitimer), andere unwahrscheinlicher oder sogar tabuisiert werden. Strategische Kommunikation versucht also gerade nicht, ein bestimmtes Verhalten gewaltsam durchzusetzen oder Verhaltenswiderstände der Zielgruppe durch Einsatz von physischem Zwang zu brechen, sondern ‚Anreize‘ (v.a. Bedürfnisse oder Ängste) zu schaffen für die (vermeintlich) selbstbestimmte Übernahme von Wahrheitsannahmen (Ideologien), (moralischen) Handlungsmaßstäben und damit letztlich Entscheidungspräferenzen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich kommunikative Strategien einerseits nach Techniken und Verfahren, andererseits im Hinblick auf diskurssemantische Verschiebungen und Effekte differenzieren. Kommunikationsstrategische Techniken und Verfahren sind Handlungsprogramme, das heißt durch Erfahrung zu bewährten Routinen geronnene und/oder durch Professionalisierung (institutionalisierte Ausbildung) konventionalisierte Praktiken, die spezifische diskurssemantische Ziele verfolgen, aber diese nie gänzlich kontrollieren können. Techniken – wie das Konzipieren, Produzieren und Verteilen von Wahlkampfplakaten, Produktwerbeanzeigen, Markenslogans oder Demo-Transparenten (Transpis), aber auch das Entwerfen und Vortragen eines juristischen Abschlussplädoyers im Gericht oder eines Rechenschaftsberichtes in der Aktionärshauptversammlung – sind vermittelbar, in einzelne Handlungszüge oder Arbeitsschritte zerlegbar und in Form von Handlungsanleitungen (Handbücher, Tutorials usw.) beschreibbar. Aus kommunikationstheoretischer Perspektive haben Techniken und Verfahren ähnliche Eigenschaften wie ,kommunikative Gattungen‘ (vgl. Luckmann 1986), sofern sie verfestigte und formalisierte Lösungen für bestimmte kommunikative (bzw. kommunikationsstrategische) Probleme darstellen. Diskurssemantische Verschiebungen und Effekte bezeichnen Änderungen in Wissensstrukturen und Handlungsschemata, infolge derer ein lebensweltlicher Sachverhalt neu perspektiviert und damit anders wahrgenommen, anders gedacht und bearbeitet wird als zuvor: etwa als ‚normaler‘ und ‚alltäglicher‘ (Banalisierung), als ‚gesünder‘ und ‚umweltfreundlicher‘ (Greenwashing), als ‚dystopischer‘ oder ‚utopischer‘, als ‚Gegenstand rationaler Urteilsbildung‘ oder ‚Ausdruck von pathologischer Enthemmung, Infantilisierung‘ usw. Mit solchen Änderungen der Sachverhaltsperspektivierung und -wahrnehmung einher geht in der Regel dann auch eine veränderte Wahrnehmung und Interpretation von öffentlichen Zeichen, zum Beispiel Veränderungen im Verständnis von Schlagwörtern, Bildern (politische Ikonographie) oder Gesten (vgl. die Geste des Achtungsapplauses vor, während und wohl auch nach der Corona-Pandemie). Techniken und Praktiken der strategischen Kommunikation versuchen diskurssemantische Verschiebungen bestmöglich zu kontrollieren; diese Versuche können gelingen (z.B. wenn mehr Kunden ein Produkt infolge einer mit Nachhaltigkeit argumentierenden Werbekampagne kaufen), aber auch misslingen, erfolglos verpuffen oder gar folgenreiche und im schlimmsten Fall unvorhergesehene Kritik und Widerstände auslösen.

Kommunikationsstrategische Praktiken lassen sich schließlich in zwei prototypische Kategorien unterteilen: Organisationelle strategische Kommunikation kann auf Techniken zurückgreifen, die große materielle, temporale, soziale (personelle) und/oder mediale Ressourcen erfordern. Organisationelle Akteure – prototypisch etwa Werbe- und Öffentlichkeitsabteilungen großer Unternehmen, Lobbyagenturen, Parteien und staatlicher Institutionen (z.B. Ministerien) – verfügen in der Regel nicht nur über professionalisiertes Wissen im Umgang mit kommunikationsstrategischen Problemen (z.B. Krisenbewältigung), sondern direkt oder mittelbar (durch Einkauf) über mediale Distributions-, also Verteilungswege für ihre kommunikativen Botschaften. Während organisationelle Kommunikationsstrategien auf die Dominanz öffentlich-wahrnehmbarer Zeichen und Deutungsangebote setzen (z.B. zeitgleiche Veröffentlichung von aufwendig produzierten Produktwerbeanzeigen in Zeitungen, sozialen Medien, Rundfunk, Fernsehen sowie in Form von Plakaten auf Marktplätzen; siehe Kampagne), zielen guerillakommunikative Techniken (Blissett und Brünzels 2012; Schölzel 2014) mangels eigener großer Ressourcen darauf ab, die bereits öffentlich sichtbaren Zeichen und Praktiken der Konkurrenz in ihrer etablierten Lesart zu stören, zu irritieren und damit eine Verhaltensänderung bei den Rezipienten zu motivieren (z.B. die kreative Verfremdung von Slogans auf Wahlkampfplakaten, siehe Adbusting). Guerillakommunikativen Akteuren – prototypisch lokale Bürgerinitiativen oder marginalisierte Gruppen in der Zivilgesellschaft – fehlt der direkte Zugang zu den Redaktionen reichweitenstarker Distributionsmedien (klassische Massenmedien); guerillakommunikative Techniken dienen daher oft der Provokation von Aufmerksamkeit solcher Medien sowie der symbolischen oder auch praktischen Besetzung von fremden Kanälen (z.B. durch die kostengünstige Registrierung und Umleitung von Internetdomains, die eine Verwechslung mit den Markennamen und Kommunikationsangeboten etablierter Kontrahenten begünstigen; vgl. Domaingrabbing). Tatsächlich finden sich in der Praxis zahlreiche Mischformen und wechselseitige Adaptionen von organisationellen und guerillastrategischen Kommunikationstechniken: Mithilfe gut gepflegter und in sozialen Medien verteilter Online-Blogs können sich zuweilen auch Bürgerinitiativen mit geringen Mitteln reichweitenstark Gehör verschaffen, und in der Werbeindustrie hat man längst die Effektivität von Guerillamarketing entdeckt, um die eigene Agenda im omnipräsenten Medienwerberauschen sichtbar zu machen.

Historisch betrachtet lässt sich eine professionalisierte Reflexion kommunikativer Strategien im oben genannten Sinne bis in die griechische und römische Antike zurückverfolgen. Die durch Aristoteles (384–322 v. Chr.) begründete Rhetorik (Aristoteles 4. Jh. v. Chr./2007) hat zahlreiche Disziplinen geprägt und bereits vor über zweitausend Jahren grundlegende Unterscheidungen getroffen: Die Möglichkeit zu überzeugen – das heißt durch Kommunikation kurzfristige oder langfristige Verhaltensänderungen zu bewirken – ist abhängig von der Charakter-Selbstinszenierung des Redners (,Ethos‘), den vom Redner zu antizipierenden Erwartungen, Ängsten, Emotionen des adressierten Publikums (,Pathos‘), der kommunikativen Gattung (Aristoteles unterscheidet hierbei Beratungs-, Gerichts- und Festrede) sowie der ,Überzeugungsmittel‘. Zu letzteren zählen neben dem formalen Logikschluss und musterhaften Plausibilitätsargumenten (Enthymeme oder Topoi) auch der bis heute im schulischen Deutschunterricht behandelte ,Redeschmuck‘ (Figurenlehre, Tropen) sowie auch Aspekte körperbezogener Performanz wie eine situationsangemessene Intonation, Mimik und Gestik.

Mit dem Aufkommen moderner Drucktechniken und massenkommunikativer Medien ab dem 15. und 16. Jahrhundert und mit zunehmender Alphabetisierung der Bevölkerung ab dem 18. Jahrhundert verändern sich die Bedingungen für Strategische Kommunikation grundlegend: Die klassische Rhetorik hatte prototypisch die (monologische) Rede in einer Kommunikationssituation vor Augen, in der sich Zeichenproduzent (Redner) und Zeichenrezipienten (Richter, Politiker, BürgerInnen) unmittelbar, also synchron wechselseitig wahrnehmen können und damit eine höchst dynamische Interaktion zwischen allen Beteiligten entsteht. Mit Flugschriften, Plakaten und Zeitungen dagegen wird eine zeitlich und räumlich zerdehnte Einwege-Kommunikation möglich, die das Verteilen von Informationen und Deutungsangeboten an eine ungleich größere Zahl von Rezipienten erlaubt. Wer Zugang zu diesen neuen Kommunikations- und Machtwegen möchte, muss entweder über die entsprechenden ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen verfügen, oder aber lernen, die Aufmerksamkeitsökonomie von Massenmedien für die eigenen Interessen nutzbar zu machen. Die Erfahrungen mit diesem Komplex wurden professionalisiert und finden sich heute unter den oben bereits genannten Bezeichnungen (PR, Werbung usw.).

Mit der Entwicklung des Internets und der flächendeckenden Verfügbarkeit internetfähiger Endgeräte (Personal Computer, Smartphones, Internet of Things) ab den 1990er Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für Strategische Kommunikation ein weiteres Mal gravierend verändert: Die analogen wie digitalen massenkommunikativen Angebote (die vor allem auch das ,frühe‘ World Wide Web prägten, zum Beispiel in Form klassischer Webpages) stehen nunmehr in Konkurrenz mit Plattformen, die auch ohne große Ressourcen und vorbei an den üblichen Gatekeepern (wie Redaktionen) nahezu jedem erlaubt, vom Rezipienten zum Produzenten und vernetzten Verteiler von Informationen zu wechseln. Vor allem soziale Medien (Blogs, Wikis, Foren, Facebook, Twitter und viele andere) ermöglichen Vergemeinschaftung, politische Organisation und neue Wege der Selbst- und Fremdpopularisierung. Mit steigenden Übertragungsraten ist es außerdem inzwischen möglich, zu jedem Zeitpunkt von überall auf der Welt nahezu in Echtzeit große Informationsmengen zu übertragen (z.B. Live-TV, Newsticker, private Smartphone-basierte Live-Streams) und eine omnipotente (Selbst-)Verdatung der KommunikationsteilnehmerInnen ermöglichen Organisationen ein situationsspezifisches Informationsmanagement (z.B. dynamische, standortabhängige, alters- und geschlechtsabhängige Werbeanzeigen). Während das Internet zunächst (1990er und 2000er Jahre) als eine Möglichkeit der Demokratisierung und Pluralisierung öffentlicher Kommunikation und somit als Öffnung strategischer Kommunikationstechniken für nicht-professionelle Akteure gesehen wurde (vgl. etwa die Protest-Organisation im Arabischen Frühling auf Basis von sozialen Medien), herrscht heute ein realistischeres Bild mit Blick auf die Dominanz weniger global agierender Plattformbetreiber, intransparenten Algorithmen der Informationssteuerung (Scorings, Filter, Rankings) und vielfältigen Methoden der Datenüberwachung und medialen Kontrolle (Baringhorst 2009).

Neben dem zuvor ausgeführten analytischen Gebrauch werden die Ausdrücke Strategie, Taktik, strategisch oder auch strategische Kommunikation oft auch alltagssprachlich als politische Schlagwörter eingesetzt, um die so bezeichneten Praktiken (des Gegners) als ‚manipulativ‘ und ‚illegitim‘ zu markieren und die Handelnden als unaufrichtige Diskurspartner zu diskreditieren. Zugleich versucht sich derjenige, der den Vorwurf eines illegitimen strategischen Tuns erhebt, moralisch aufzuwerten und als ‚Aufklärer‘ eines ‚verdeckten‘ oder ‚verheimlichten‘ Sachverhalts zu inszenieren.

Beispiele

Beispiele für Techniken der Strategischen Kommunikation sind vielfältig und lassen sich nach Ressourcen und Zielsetzungen differenzieren.

  1. Nach Zielen: Manche Techniken zielen vorrangig darauf, den Gegner als illegitimen Diskurspartner zu diskreditieren, wie zum Beispiel Negative Campaining, die Verleihung eines Negativpreises, Entlarvungen oder Ridikülisierungen (Verspottungen); andere Techniken dienen stärker der positiven Selbstinszenierung bzw. Selbstlegitimierung als politisch relevanter Akteur wie etwa Greenwashing (die Selbstdarstellung als ökologischer und nachhaltiger Akteur), der Opfer-Topos (das Einfordern von besonderer Aufmerksamkeit aufgrund eines Opfer-Status) oder Bagatellisieren.
  2. Nach Ressourcen: Wer über geeignete Mengen an Ressourcen verfügt, kann im Prinzip jede strategische Kommunikationstechnik anwenden. Umgekehrt ist das nicht der Fall: Ein öffentliches Bereuen setzt bereits einen hervorgehobenen Status im öffentlichen Diskurs voraus; Propaganda, Nudging und Astroturfing setzen in der Regel umfassende ökonomische und/oder personelle Ressourcen voraus.
  3. Zum nicht-analytischen Gebrauch des Wortes Strategie als politische Diskreditierungsvokabel: Der CDU-Abgeordnete Sepp Müller sagte dem Spiegel (30.07.2020) mit Blick auf die politische Zuständigkeit des damaligen Finanzministers Olaf Scholz: Der Finanzminister hat sich herauszureden versucht und die Verantwortlichkeit auf andere geschoben. Das ist eine durchsichtige Strategie, um von seiner eigenen Verantwortung als Chef der Aufsichtsbehörden abzulenken. Müller unterstellt Scholz unaufrichtiges, das Untersuchungsverfahren zur Aufklärung des Wirecard-Skandals manipulierendes und respektloses Verhalten.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Blissett, Luther; Brünzels, Sonja (2012): Handbuch der Kommunikationsguerilla. Berlin; Hamburg: Assoziation A.
  • Merten, Klaus (2013): Konzeption von Kommunikation. Theorie und Praxis des strategischen Kommunikationsmanagements. Wiesbaden: Springer VS.
  • Röttger, Ulrike; Gehrau, Volker; Preusse, Joachim (Hg.) (2013): Strategische Kommunikation. Umrisse und Perspektiven eines Forschungsfeldes. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Zitierte Literatur

  • Aristoteles (4. Jh. v. Chr./2007): Rhetorik. Hrsg. von Gernot Krapinger. Stuttgart: Reclam (Reclams Universal-Bibliothek, 18006).
  • Baringhorst, Sigrid (2009): Politischer Protest im Netz – Möglichkeiten und Grenzen der Mobilisierung transnationaler Öffentlichkeit im Zeichen digitaler Kommunikation. In: Politische Vierteljahreszeitschrift 42, S. 609–634.
  • Blissett, Luther; Brünzels, Sonja (2012): Handbuch der Kommunikationsguerilla. Berlin; Hamburg: Assoziation A.
  • Brinker, Klaus; Cölfen, Hermann; Pappert, Steffen (2014): Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
  • Kahl, Martin (2011): Militärstrategie. In: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 377–387.
  • Luckmann, Thomas (1986): Grundformen der gesellschaftlichen Vermittlung des Wissens: kommunikative Gattungen. In: Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 27, S. 191–211.
  • Merten, Klaus (2013): Strategie, Management und strategisches Kommunikationsmanagement. In: Röttger, Ulrike; Gehrau, Volker; Preusse, Joachim (Hrsg.): Strategische Kommunikation. Umrisse und Perspektiven eines Forschungsfeldes. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 103–126.
  • Röttger, Ulrike; Gehrau, Volker; Preusse, Joachim (2013): Strategische Kommunikation. In: Dies. (Hrsg.): Strategische Kommunikation. Umrisse und Perspektiven eines Forschungsfeldes. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 9–17.
  • Schölzel, Hagen (2014): Guerillakommunikation. Genealogie einer politischen Konfliktform. Bielefeld: Transcript.
  • Wodak, Ruth et al. (1998): Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Zitiervorschlag

Vogel, Friedemann (2021): Strategische Kommunikation. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 06.12.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/strategische-kommunikation.

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.