DiskursGlossar

Petition

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Unterschriftenliste, petitio, Gesuch, Eingabe, Online-Petition, E-Petition
Siehe auch: Kampagne, Protest, Shitstorm
Autorin: Kathrin Voss
Version: 1.1 / Datum: 24.11.2022

Kurzzusammenfassung

Petitionen sind eine der am meisten genutzten Partizipationsformen nach Wahlen. Sie sind sowohl ein Mittel der politischen Beteiligung als auch ein Protestmittel und damit Zwitterwesen in der politischen Landschaft. Durch die Digitalisierung haben sich Petitionen zudem maßgeblich verändert, ihre Zahl hat zugenommen, ebenso wie die Zahl der Plattformen, auf denen sich Petitionen starten lassen. Nach wie vor gibt es die eher traditionellen persönlichen Bittschreiben, die nicht öffentlich sind und staatliche Institutionen adressieren. Die öffentliche Wahrnehmung wird jedoch bestimmt von Petitionen, die veröffentlicht werden und überwiegend online nach Unterstützung per Mitzeichnungen suchen. Oftmals sind diese Petitionen Teil von größeren Kampagnen und die Verbreitung erfolgt überwiegend über Social Media, aber auch traditionelle Medien spielen eine Rolle. Petitionen adressieren meist politische Akteure und sollen entsprechend konkrete politische Ziele erreichen und daneben einen öffentlichen Diskurs zum Thema initiieren. Es gibt aber auch Petitionen, die unpolitische Themen haben und unpolitische Akteure adressieren.

Erweiterte Begriffsklärung

Petitionen haben eine lange Geschichte als Möglichkeit des einzelnen Bürgers, ein Anliegen gegenüber dem Herrscher vorzubringen. In dieser Form des Bittbriefes gibt es Petitionen seit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. In vielen Demokratien sind sie inzwischen als ein garantiertes Recht verankert, in der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise im Artikel 17 des Grundgesetzes:

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden (Art. 17 GG).

Petitionen sind aber auch als Unterschriftenlisten schon lange ein Protestmittel von sozialen Bewegungen und Bürgerinitiativen, die zwar auch meist die Politik adressieren, aber nicht ausschließlich. In dieser Form sind Petitionen ein klassisches Mittel kollektiven Handelns, um die ,Macht der Zahlen‘ für die Verstärkung der eigenen Position zu nutzen und eben diese Zahlen auch abseits von Mitteln wie Demonstrationen zu dokumentieren. 

Die Digitalisierung hat Petitionen nachhaltig verändert. Früher wurden Unterschriften auf der Straße gesammelt, was nicht nur zeit- und ressourcenaufwendig war, sondern auch räumlich gebunden. Heute finden die Sammlungen online statt und das hat zu unterschiedlichen Erscheinungsformen geführt. Petitionen variieren, je nachdem, auf welcher Plattform sie gestartet werden, je nach der mit ihnen verbundenen Absicht, je nach Ablauf des Verfahrens und je nach den beteiligten Akteuren. Petitionen können politisch oder unpolitisch sein, mit hohem oder niedrigen Aufwand verbunden sein, Ergebnis von individuellen oder kollektivem Handeln sein, sie können als politische oder kommunikative Aktivität bezeichnet werden.

Insgesamt sind Petitionen – online und offline – in Deutschland die häufigste politische Partizipationsform nach der Wahlbeteiligung und das sowohl hinsichtlich der Verhaltensabsicht als auch der Verhaltensmanifestation (vgl. Kersting 2016, ESS 2018). Petitionen sind zudem ein Paradebeispiel für die Zunahme episodenhafter, viraler politischer Mobilisierung, denn sie können vereinzelt rapide an Zustimmung und Aufmerksamkeit gewinnen. Entsprechend werden sie auch als eine potenzielle Quelle von Instabilität und Turbulenz in der Politik gesehen (vgl. Margetts et al. 2016), denn sie können neue Themen auf die Agenda bringen oder zu vorhandenen Themen mobilisieren. Sie können auch Teil eines Shitstorms sein.

Petitionen lassen sich heute meist in zwei grundsätzlichen Beteiligungsräumen finden – in invented und invited spaces (Kersting 2013). Invented spaces (erfundene Räume) sind die von der Zivilgesellschaft selbst generierte Beteiligungsräume, also die offenen Petitionsplattformen wie Change.org, openPetition oder innn.it. Sie bieten meist große Handlungsfreiräume und lassen es zu, dass Petitionen zu den unterschiedlichsten Themen gestartet werden können. Initiator:innen können auf diesen Plattformen sowohl einzelne Bürger:innen als auch Organisationen sein. Adressaten sind in erster Linie politische Institutionen oder Politiker:innen. Möglich sind aber auch unpolitische Petitionen, die Unternehmen oder Organisationen adressieren (vgl. Voss 2021).

Invited spaces (einladende Räume) sind die geregelten, von staatlicher Seite zur Verfügung gestellten Beteiligungsräume, wie zum Beispiel die offizielle Petitionsplattform des Bundestages. Hier findet die Partizipation innerhalb eines fest gefügten, rechtlichen Rahmens statt. Oft können hier traditionelle, nicht-öffentliche Petitionen online eingereicht werden. Daneben gibt es auf einigen dieser Plattformen aber auch die Möglichkeit für öffentliche Petitionen, bei denen wie bei den offenen Plattformen online Mitzeichnungen möglich sind. Bürger:innen und Organisationen können gleichermaßen Petitionen starten, sie sind dabei deutlich eingeschränkter im Handlungsfreiraum. Zum einen müssen die Themen in die Zuständigkeit der jeweiligen politischen Institution fallen, zum anderen gibt es meist weitere Regeln, zum Beispiel ein begrenzter Zeitrahmen für die Sammlung von Unterzeichnungen oder dass das Thema von öffentlichen Interesse sein muss.

Neben den Plattformen, auf denen Menschen und Organisationen Petitionen mit eigenen Themen einbringen können, gibt es eine weitere Form. NGOs nutzen Petitionen als ein Element von größeren Kampagnen. Bei Hybrid-Organisationen wie Campact sind sie der wichtigste Kampagnenteil. Bürger:innen haben hier allerdings dann nur die Möglichkeit der Unterzeichnung und keine inhaltliche Eigeninitiative (vgl. Voss 2013). 

Abb. 1: Campact (2022): Übergewinnsteuer jetzt!

Typologie von Petitionen

Heute gibt es ganz unterschiedliche Typen von Petitionen (vgl. Voss 2015). Maßgeblich dafür ist der hohe Grad an Gestaltungsfreiraum, den es vor allem auf den offenen Plattformen gibt. Folgende Typen lassen sich finden:

  • Politische Petitionen: Diese adressieren politische Institutionen oder direkt Politiker:innen und fordern meist ein konkretes Handeln. Auslöser sind dabei oft aktuelle Ereignisse, ebenso können sie aber auch von einer persönlichen Betroffenheit der Petent:innen ausgelöst werden. Manche dieser Petitionen fordern recht allgemeine Lösungen für ein beschriebenes Problem, zum Beispiel eine andere Klimaschutzpolitik. Andere fordern Lösungen für konkrete Einzelfälle, z.B. den Schutz eines bestimmten Waldgebietes. Manche bringen konkrete Lösungsvorschläge ein, wie z.B. eigene Gesetzesentwürfe.
  • Petitionen als politischer Appell: Diese haben keine konkrete Forderung, sondern sollen die öffentliche Meinung zu einem Thema dokumentieren, wie beispielsweise ein allgemeiner Appell gegen Rassismus.
  • Politische Petitionen ohne politischen Adressaten: Das sind Petitionen, die Unternehmen oder Organisationen adressieren, deren Forderungen aber im Kern politisch sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Unternehmen aufgefordert wird, eine umweltproblematische Geschäftspraxis zu ändern und damit die Forderung klare umweltpolitische Bezüge hat.
  • Unpolitische Petitionen: Diese sind eher selten, aber es gibt sie auch, wie zum Beispiel die Forderung nach mehr Schokolade in Schokoladenkeksen, gegen die Abschaffung der mechanischen Handbremse in Autos oder für den Erhalt einer bestimmten Radiosendung.

Kommunikation von Petitionen

Unabhängig von der Plattform sind Petitionen meist mit zahlreichen kommunikativen Aktivitäten verbunden, die von den Petitionsstarter:innen aber auch von den Unterstützer:innen initiiert werden können. Ziel dieser Aktivitäten ist es, Unterschriften für das Anliegen zu sammeln und öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren. Insbesondere wenn Petitionen von Organisationen gestartet werden, sind sie meist Teil größerer Kampagnen. Aber auch wenn einfache Bürger:innen Petitionen starten, versuchen diese durch entsprechende Aktivitäten öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu bekommen. Dabei spielt vor allem die Online-Kommunikation eine wichtige Rolle, allen voran über soziale Netzwerke (vgl. Margetts et al. 2016, Voss 2021). Auf den offenen Plattformen werden auch die dort zur Verfügung gestellten Tools genutzt, um mit den Unterzeichner:innen zu kommunizieren. Zudem bieten die offenen Plattformen meist Leitfäden und Tipps an, in denen Kommunikationsaktivitäten erläutert werden. Neben den Online-Aktivitäten sind die Offline-Aktivitäten weniger oft im Fokus, aber je nach Petition auch relevant. Vor allem Berichterstattung in klassischen Medien sind für die Verbreitung von Petitionen und die Wahrnehmung durch die Adressaten sehr wichtig. Klassische Straßenaktionen wie Demonstrationen oder auch das Sammeln von Unterschriften vor Ort sind insgesamt eher selten und am häufigsten bei lokalen Petitionen zu finden.

Zielerreichung & Gegenstrategien

Wenn es auch die Intention der meisten Petitionen ist, ein konkretes, oft politisches Ziel zu erreichen, so zeigen verschiedene Studien, dass der Anteil von Petitionen, die tatsächlich ihr Ziel erreichen, recht gering ist (vgl. Voss 2021, Bochel 2019). Aber auch wenn das konkrete Ziel nicht erreicht wird, kann eine Petition andere Ziele durchaus erreichen, so zum Beispiel öffentliche Aufmerksamkeit für ein Thema zu gewinnen und einen Diskurs zu initiieren. Insgesamt hängt der Erfolg von einer Vielzahl von Faktoren ab, unter anderem vom Thema, den Adressaten, den Kommunikationsaktivitäten und dem medialen Umfeld. Einfluss können auch die Gegenstrategien haben.

Zu den Gegenstrategien kann der Vorwurf von ,Slacktivism‘ gezählt werden. Slacktivism heißt übersetzt so viel wie ,Faulpelz-Aktivismus‘. Geprägt wurde dieser Begriff für niedrigschwellige Engagementformen im Internet. Während damit im wissenschaftlichen Diskurs meist die Befürchtung verknüpft wurde, dass durch Online-Engagement andere aufwendigere Engagementformen an Zuspruch verlieren könnten, wird der Begriff inzwischen auch verwendet, um diese einfachen Online-Engagementformen generell zu diskreditieren.

Eine andere Kritik, die zur Diskreditierung von Petitionen genutzt wird, ist der Vorwurf, dass Unterzeichnungen manipuliert werden können, beispielsweise in dem sich ein einzelner Mensch mit mehreren E-Mail-Adressen beteiligt und so mehrfach unterzeichnet. Beweise für solche Missbräuche gibt es allerdings nicht.

Je nach Thema der Petition kann als Gegenstrategie auch der Vorwurf des Not in my backyard angewendet werden, also die Annahmen, dass die Initiator:innen und Unterzeichner:innen nicht grundsätzlich gegen etwas sind, sondern es nur nicht in ihrer unmittelbaren Nähe wollen. Dieses Argument wird beispielsweise angewendet, wenn sich eine Petition gegen eine Infrastrukturmaßnahme richtet, also zum Beispiel gegen eine Stromtrasse.

Beispiele

(1) Die verschiedenen Petitionen gegen Freihandelsabkommen sind beispielhaft für die Vielfalt von Initiator:innen und Aktivitäten. Gegen das Abkommen mit Kanada (CETA) protestierten seit 2014 ein Netzwerk von Organisationen, darunter viele Umweltorganisationen (z.B. BUND, Greenpeace). Auch Campact gehörte zu dem Netzwerk und startete im Zusammenhang mit den Protesten eine Petition, die über 420.000 Unterzeichnungen erreichte. Aber auch einzelne Bürger:innen initiieren Petitionen auf verschiedenen Plattformen. Eine stach dabei besonders hervor. Die Rentnerin Marianne Grimmenstein startete eine Anti-CETA-Petition auf der Plattform Change.org und konnte über 290.000 Unterzeichnungen gewinnen. Darüber hinaus konnte sie über die Petition 68.058 Mitkläger:innen für eine Verfassungsbeschwerde mobilisieren und über Online-Crowdfunding 14.000 Euro einwerben, um die juristische Unterstützung zu finanzieren.  

ceta bürgerklage
Abb. 2: Change.org: Bürgerklage gegen CETA.

Die Klage von Frau Grimmenstein war nicht die einzige zu CETA. Insgesamt gab es fünf Verfassungsbeschwerden, darunter auch eine von Campact zusammen mit anderen Organisationen mit 125.000 Vollmachten. Diese Klage war eng verknüpft mit der Petition von Campact.

Die beiden Beispiele zeigen die Möglichkeit der Mobilisierung durch Petitionen und dass diese nicht unbedingt von Organisationsstärke und den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängen. Die Petition von Marianne Grimmenstein belegt, wie die offenen Petitionsplattformen Raum für individuelle Initiativen schaffen. Gleichzeitig zeigen die weiteren Petitionen zum selben Thema, dass nicht jede Petition diese Möglichkeit gleichermaßen nutzen kann. Von den weiteren Petitionen gegen CETA, die beim Deutschen Bundestag und auf verschiedenen offenen Plattformen gestartet wurden, haben viele nur einige Hundert oder Tausend Unterzeichnungen bekommen. Mobilisierung ist also bei Petitionen im Internet kein Automatismus und die virale Dynamik ist nur schwer vorhersagbar. Selbst die bereits vorhandene öffentliche Aufmerksamkeit für ein Thema sind keine Garantie für den Erfolg (vgl. Campact: Den CETA-Hammer aufhalten, change.org: Bürgerklage gegen CETA, für eine vertiefte Analyse der Kampagne siehe Voss 2018). 

(2) Die Petitionskampagne zur Abschaffung der Plastikverpackung von der Werbe-Postwurfsendung Einkauf Aktuell von 2014 ist ein Beispiel dafür, dass Petitionen einen öffentlichen Diskurs auslösen können, selbst wenn das Thema vorher keine große Aufmerksamkeit hatte. Der damals 18-jährige Fabian Lehner startete die Petition auf Change.org, weil er die in Plastikfolie eingepackte Werbung als Umweltverschmutzung empfand und er forderte mit der Petition die Deutsche Post auf, dies zu ändern. Die Petition bekam schnell Zuspruch und Lehner nutzte die Kommunikationsmöglichkeiten der Plattform, um seine Unterstützer:innen zu mobilisieren, die Kampagne über Twitter und andere soziale Netzwerke weiterzuverbreiten. Auch gab es schon nach kurzer Zeit eine starke Medienresonanz. Alle Kommunikationsaktivitäten zusammen erhöhten den Druck, sodass es letztendlich zu einem Treffen mit der damaligen Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und Vertretern der Deutschen Post kam (vgl. change.org: Stoppen Sie die Plastikverpackung von Einkauf Aktuell, für eine vertiefte Analyse der Kampagne siehe Baringhorst et al. 2017).

(3) Petitionen können auch aus einer emotionalen Reaktion auf ein Ereignis entstehen und so einen öffentlichen Diskurs auslösen oder verstärken. Ein Beispiel dafür ist eine Petition zum Thema Hartz IV. Sandra Schlensog startete ihre erste Petition 2018 als spontane Reaktion auf die Aussage von Jens Spahn, dass Hartz IV nicht Armut bedeute. In der Petition forderte sie den Politiker auf, einen Monat lang von Hartz IV zu leben. Ihre persönliche Betroffenheit spielte eine wichtige Rolle, denn sie lebte damals von Hartz IV. Sie hat mit nur wenig eigenen Aktivitäten und ohne aktive Pressearbeit große mediale Aufmerksamkeit erreicht, denn die Aussage wurde auch schon vor der Petition medial diskutiert. Auch hat sie viel positives Feedback von Unterzeichner:innen bekommen. Am Ende konnte die Petition über 210.000 Unterzeichnungen vorweisen. Die Petition hat den ohnehin schon stattfindenden Diskurs über die Aussage von Jens Spahn deutlich befeuert, in den Massenmedien wie auch auf Social Media. Auch wenn am Ende der Politiker nicht ihrer Aufforderung nachkam, so kam es doch zu einem Treffen zwischen ihm und der Petentin (chang.org: Herr Spahn, leben Sie für einen Monat vom HartzIV-Grundregelsatz!, für mehr Informationen zu der Kampagne siehe Voss 2021).

Change-hartzIV
Abb. 3: Change.org: Herr Spahn, leben Sie für einen Monat vom HartzIV-Grundregelsatz!

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Voss, Kathrin (im Erscheinen): Online-Petitionen. In: Kersting, Norbert; Radtke, Jörg; Baringhorst, Sigrid (Hrsg.): Handbuch Digitalisierung und politische Beteiligung. Wiesbaden: Springer VS.

Zitierte Literatur

  • Campact Blog (2014): Den CETA-Hammer aufhalten. Online unter: https://blog.campact.de/2014/08/den-ceta-hammer-aufhalten/ ; Zugriff: 21.11.2022.
  • Change.org (o. J.): Bürgerklage gegen CETA. Petition, online unter: https://www.change.org/p/b%C3%BCrgerklage-gegen-ceta ; Zugriff: 21.11.2022.
  • Change.org (o. J.): Stoppen Sie die Plastikverpackung von „Einkauf Aktuell“. Petition, online unter: https://www.change.org/p/postchef-dr-frank-appel-stoppen-sie-die-verpackung-von-einkauf-aktuell ; Zugriff: 21.11.2022.
  • Change.org (o. J.): Herr Spahn, leben Sie für einen Monat vom HartzIV-Grundregelsatz! Petition, online unter: https://www.change.org/p/lieber-jensspahn-leben-sie-f%C3%BCr-einen-monat-vom-hartziv-grundregelsatz-spahn-armut-hartziv ; Zugriff: 21.11.2022.
  • Baringhorst, Sigrid et al. (2017): Webzentrierte Hybridkampagnen – Ausdruck postdemokratischer Protestpartizipation? In: Daphi, Priska et al. (Hrsg.): Protest in Bewegung? Zum Wandel von Bedingungen, Formen und Effekten politischen Protests. Baden-Baden: Nomos, S. 171-197.
  • Bochel, Catherine (2019): Petitions systems: Outcomes, ‘success’ and ‘failure’. In: Parliamentary Affairs, 00, 1-20.
  • European Social Survey (ESS) (2018): Timing of life. Justice and fairness. Round 9 Data. Data file edition 1.2.
  • Kersting, Norbert (2013): Online participation: from ‘invited’ to ‘invented’ spaces. In: International Journal Electronic Governance, 6(4), 270-280.
  • Kersting, Norbert (2016): Politische Online-Beteiligung im internationalen Vergleich. Eine Revitalisierung politischer Beteiligung? In: Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft, 10(2), 1-23.
  • Margetts, Helen et al. (2016): Political turbulence: how social media shape collective action. Princeton, NJ [u.a.]: Princeton University Press.
  • Voss, Kathrin (2013): Campact & Co – Wie Hybridorganisationen das Grassrootscampaigning verändern. In: Speth, Rudolf (Hrsg.): Grassroots Campaigning. Wiesbaden: Springer VS, S. 213-224.
  • Voss, Kathrin (2015): E-Petitionen – politische Partizipation in Zeiten des Social Webs. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen – Das Private ist politisch – Konsum und Lebensstile, 28(2), 90-94.
  • Voss, Kathrin (2018): E-Petitionen, Shitstorms, Crowdsourcing & Co. – Engagement digitaler Bürger. In: Vilain, Michael; Wegner, Sebastian (Hrsg.): Crowds, Movements & Communities?! Potenziale und Herausforderungen des Managements in Netzwerken. Baden-Baden: Nomos, S. 179-198.
  • Voss, Kathrin (2021): Engagiert, Politisch, Digital? Online-Petitionen als Partizipationsform der digitalen Zivilgesellschaft (Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Politik und Gesellschaft). Berlin: FES.

Abbildungsverzeichnis

Zitiervorschlag

Voss, Kathrin (2022): Petition. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 24.11.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/petition.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein?

Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…