DiskursGlossar

Wahlkampf

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Wahlen, Wahlkampagnen, Wahlkampfkommunikation
Siehe auch: Kampagne, Politische Kommunikation
Autorin: Melani Schröter
Version: 1.2 / Datum: 02.12.2022

Kurzzusammenfassung

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden. Um diese Stimmen zu erhalten, müssen sie die Aufmerksamkeit der Wähler*innen erhalten, um diese über ihr Programm zu informieren und dessen Inhalt als möglichst positiv, politische Alternativen dagegen als negativ für die Wähler*innen darstellen. Wahlkampfkommunikation hat also sowohl informierenden als auch persuasiven und appellativen Charakter; die Wähler*innen sollen überzeugt und zu bestimmtem Handeln angeleitet werden. Hierzu werden prinzipiell alle verfügbaren Kommunikationsmittel und -modalitäten genutzt, um sprachlich verfasste Kernbotschaften komprimiert und mit weiteren (audio-)visuellen Mitteln angereichert sowohl zu wiederholen und zu verfestigen, als auch möglichst weit zu verbreiten. Es wird auch umfangreiches Datenmaterial genutzt, um Botschaften möglichst adressatengerecht zuzuschneiden und diese möglichst effektiv zu platzieren.

Erweiterte Begriffsklärung

Die Entstehung von Wahlkämpfen geht auf die sukzessive Erweiterung des Wahlrechts bis hin zum freien, allgemeinen und geheimen Wahlrecht zurück. Wahlen sind nunmehr das Hauptmittel zur Erringung politischer Macht geworden. Dies führt zu der Notwendigkeit, sowohl möglichst breite als auch verschiedene Wählergruppen anzusprechen und zu überzeugen. Soziale Fragmentierung und die Auflösung traditioneller, parteigebundener Milieus macht es allerdings schwieriger, eine breite und zeitlich stabile Wähler*innenbasis zu finden. Hier kommt die zunehmende Professionalisierung politischer Kommunikation ins Spiel, die sich vor allem anhand von Wahlkampagnen beobachten lässt. Zunehmend wird durch Meinungsforschung erkundet, was bestimmte Wähler*innengruppen hören wollen, werden Wahlkampagnen von sogenannten ,Spindoctors‘ durchgeplant und wird Wahlkampfkommunikation ähnlich wie Produktwerbung einem umfassenden Styling und Branding unterworfen. Um ausreichend Aufmerksamkeit zu erhalten, müssen Parteien massenmediale Formate nutzen, die oft auf Polarisierung und Personalisierung setzen. Im Bereich der Politik wird allerdings nach wie vor Prinzipientreue der Parteien und Authentizität der Kandidat*innen erwartet, sodass übermäßig gemanagte Kommunikation Misstrauen hervorrufen kann. Hinzu kommt das gesteigerte Maß an Antagonismus zu Zeiten des Wahlkampfs, zu der auch die polemische Abwertung politischer Konkurrenz zwecks eigener Profilierung gehört, was den Charakter von Schaukämpfen oder ritualisierten Schlagabtauschen annehmen kann. Das wirkt für manche verunsichernd, für andere hat es Unterhaltungswert, aber solche Polarisierung, die oft in massenmedialen Formaten durch inszenierte Konfrontation verstärkt wird, erhöht weder den Informationswert, noch die Seriosität von Wahlkampfkommunikation. Mediatisierung und Professionalisierung politischer Kommunikation werden als Faktoren betrachtet, die zu der vor allem in den 1990er Jahren konstatierten Politikverdrossenheit geführt haben (vgl. Pöttker 1996).

Wahlkampfkommunikation tritt zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedenen Ebenen auf, da es eine Vielzahl von Wahlen gibt – etwa auf kommunaler und Länderebene, aber auch Betriebsräte oder Vereinsvorstände werden gewählt und kommunizieren zum Zweck des Stimmenerhalts. Hier sind die zum Wahlkampf eingesetzten Mittel sowie das Maß der errungenen Macht jeweils beschränkter, sodass die Wahlkämpfe zur Bundestagswahl das prototypische Beispiel darstellen. Wahlkampfkommunikation begegnet uns sowohl im öffentlichen Raum als auch medial vermittelt. Im öffentlichen Raum finden wir Wahlplakate, die meistens auch Wahlkampfslogans enthalten, Stände der Parteien mit Informationsangeboten (etwa Broschüren oder Flyer mit Kernbotschaften zu zentralen Wahlkampfthemen) und Werbematerial (Luftballons oder Kugelschreiber mit Parteilogo) sowie öffentliche Kundgebungen, auf denen Kandidat*innen Reden halten. Kandidat*innen können auch Wahlwerbung an Wähler*innen in ihren Wahlkreisen versenden, etwa als Brief oder E-Mail. Internetformate wie die Homepages von Parteien und Kandidat*innen werden zusätzlich zur Verbreitung solcher Informationsformate benutzt – so kann man sich etwa das Wahlprogramm, Flyer oder Wahlplakate ansehen oder herunterladen, hinzu kommen ggf. internetspezifische Formate wie Blogeinträge und Links zu weiteren Kommunikationsangeboten (vgl. Schweitzer/Albrecht 2011). Auf diese Weise können (audio-)visuelle Inhalte unabhängig von den Massenmedien ähnlich weit verbreitet werden, wie es zuvor nur durch die Massenmedien möglich war.

Im Bereich medial vermittelter Kommunikation werden sowohl wahlkampfspezifische Formate produziert (vor allem der Wahlwerbespot; vgl. Dörner/Schicha 2008) als auch medienspezifische Formate genutzt (Talkrunden, Interviews in Fernsehen und Radio und mit Zeitungen und Magazinen). Dabei kann es auch zu Überschneidungen mit Unterhaltungsformaten kommen (vgl. Dörner 2001). Vor allem die Nutzung von Fernsehformaten hat zu der zunehmenden Personalisierung und Fokussierung auf Spitzenkandidat*innen geführt. Wahlkampfkommunikation ist inzwischen auch ein metakommunikatives Thema in der politischen Berichterstattung. Massenmedien sind nicht nur ein Vehikel zur Verbreitung von Wahlkampfkommunikation, sie liefern auch Informationen über die Konzeptionalisierung und Strukturierung von Wahlkampfkommunikation (vgl. Esser 2003), zum Beispiel mit Berichten über Wahlkampfauftaktveranstaltungen der Parteien, mit Bildstrecken der Wahlplakate, oder mit einem Blick hinter die Kulissen, etwa auf die Kommunikationsmanager.

Seit dem Aufkommen sozialer Medien werden auch diese für politische Kommunikation genutzt, sowohl von Parteien als auch von individuellen Politiker*innen und sowohl fortlaufend als auch im Wahlkampf. Dabei stellen auch diese Kommunikationsräume vor allem ein Mittel zur weiteren Verbreitung von Kernbotschaften und z. B. Wahlplakaten und Wahlwerbespots sowie Videoclips dar, indem man dieses Material dort leicht posten oder verlinken kann. So kann eine lokale Wahlkampfveranstaltung als Livestream über das zeitlich und räumlich begrenzte Ereignis hinaus weiter verbreitet werden. Auf Seiten der Adressierten besteht hier allerdings auch – ähnlich wie in der Kommunikation im öffentlichen Raum, aber anders als in herkömmlicher massenmedialer Kommunikation – die Möglichkeit, über Kommentarfunktion oder standardisierte Reaktionsformen wie Likes oder Emojis eine Rückmeldung und Kritik abzugeben. Die Aufmerksamkeit der Wähler*innen für Wahlkampfkommunikation kann auch durch Angebote wie Wahlkampfapps und Social-Media Challenges gesteigert werden. Im öffentlichen Raum besteht diese Möglichkeit durch Beifall oder Ausbuhen bei Kundgebungen, oder durch das Entfernen, Beschädigen oder Adbusting von Wahlplakaten.

Wahlkampfkommunikation beinhaltet also ein Konglomerat an Realisierungsformen, die man sich gut als Kern und Peripherie vorstellen kann. Von Parteien und Kandidat*innen ausgehende Texte bilden den Kern der Wahlkampagne (Wahlprogramm, Wahlplakat, öffentliche Kundgebung, Wahlwerbespot, Broschüre, Flyer), der als solcher zeitlich ziemlich stabil geblieben ist, obwohl sich die jeweilige Ausgestaltung verändert. In der Peripherie treten weitere mediale Realisierungsformate hinzu sowie weitere Verbreitungs- und Interaktionsmöglichkeiten. Realisierungsmuster dienen vor allem der Profilierung der Partei, etwa dass sie für oder gegen etwas steht, ja oder nein zu etwas sagt oder Handlungsintentionen verbalisiert, etwa wir wollen/werden (nicht)…. Dieses Muster kann auch zur Polarisierung zugespitzt werden, wenn die eigene Profilierung mit Negativaussagen über politische Alternativangebote verbunden wird (X statt Y). Man findet es zugespitzt und komprimiert vor allem in Wahlslogans (vgl. Toman-Banke 1996), aber es kann sich auch variierend durch ein ganzes Wahlprogramm hindurchziehen. So hat etwa die FDP in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2005 zahlreiche, in Sätze eingebettete Gegenüberstellungen nach dem Muster ‚X statt Y‘ vorgenommen, die verschiedene Politikbereiche betrafen, z.B. liberale Bürgerdemokratie statt anonyme Staatsbürokratie, Wachstum statt Umverteilung, Chancengleichheit am Start statt Gleichmacherei am Ziel u.a.m. (vgl. Schröter 2006).

Direkte Appelle (wähle X, wähle nicht Y) sind im Laufe der Zeit seltener geworden, dafür beinhaltet Wahlwerbung, wie auch Produktwerbung, mehr Anspielung und Humor. Ein Plakat der CDU im Wahlkampf 1987 zeigte den ironischen Appell: Leistung muss endlich wieder bestraft werden. Hier müssen die Adressierten verstehen, dass diese Aussage für jegliche Partei unwahrscheinlich wäre, weil Leistung gemeinhin als etwas Positives, zu Belohnendes gilt. Auf dem Bild ist ein im Laufen begriffener Fuß mit einem Turnschuh zu sehen, auf dem sich Streifen in den Farben der Nationalflagge befinden. Oberhalb an das Bein gekettet ist eine halb rote, halb grüne Metallkugel, die der Fuß hinter sich herzuziehen scheint. Das muss studiert werden mit Wissen um politische Farbsymbolik, um zu erkennen, dass ‚der Klotz am Bein‘, der den Fortschritt Deutschlands (Farben auf dem Turnschuh) verlangsamt, die Möglichkeit einer rot-grünen Koalition repräsentiert. Die nicht akzeptable Haltung, Leistung zu bestrafen, wird der politischen Konkurrenz zugeschrieben und als Teil einer gegen den Gegner gerichteten Negativkampagne erkennbar. Appelle sind im Laufe der Zeit indirekter geworden, indem eher Identifikationsangebote gemacht werden, vor allem im Gebrauch eines die Addressierten inkludierenden ‚Wir‘ bzw. in Aussagen, die Bürger*innen selbst in den Mund gelegt werden.

Es lässt sich nicht genau bemessen, inwieweit Wahlkampfkommunikation direkt zum Wahlerfolg oder Misserfolg politischer Parteien beiträgt. So kommt es etwa vor, dass kleinere Koalitionsparteien, die sich nicht erkennbar durchsetzen konnten, bei der nächsten Wahl abgestraft werden, auch wenn ihre Wahlkampfkommunikation nicht besser oder schlechter erscheint als die anderer Parteien. Auf jeden Fall ist Wahlkampfkommunikation zwecks Stimmengewinn nötig, und je besser sie gelingt, desto mehr kann sie zum Erfolg beitragen. Gelingensbedingungen für Wahlkampfkommunikation liegen auf mehreren Ebenen. Die Parteien müssen im Wahlkampf erstens Themen besetzen, die für die Wähler*innen relevant sind. Das hängt vom jeweiligen politischen, sozialen und ökonomischen Kontext ab und muss richtig eingeschätzt werden, wozu etwa auf Meinungsforschung und weitere Daten, die dabei helfen, Einstellungen zu ermitteln, zurückgegriffen wird. Zu den wichtigsten dieser Themen müssen zweitens Kernbotschaften entwickelt und sprachlich verdichtet werden, um sie knapp, etwa als Slogan, zum Ausdruck bringen zu können. Wie oben erwähnt, beinhalten Wahlkämpfe ein Konglomerat verschiedener Äußerungsformate. Über verschiedene Kommunikationsanlässe, Akteur*innen und Textformen hinweg muss drittens eine gewisse Kohärenz beibehalten werden, damit die Kernbotschaften, mit denen die Partei wirbt, erkennbar bleiben. Auch müssen sprachliche und (audio-)visuelle Kommunikationsmodi effektiv ineinandergreifen, sowohl in der Unterstützung der Kernbotschaft als auch im Sinne der Kohärenz, so dass wiederkehrende Elemente des Designs einen einzelnen Text als Teil der Kampagne ausweisen. Schließlich müssen Kommunikationsanlässe geschaffen werden, etwa durch Wahlauftritte vor Ort oder Live Streams, und bestehende Kommunikationsformate genutzt werden, etwa in Gestalt sozialer Medien oder von Medienformaten wie Interviews oder Talkshows, um diese Botschaften auszusenden und möglichst viele Wähler*innen zu erreichen.

Beispiele

Was verschiedene Textsorten und Realisationsformen in Zeiten professionalisierter Wahlkampfkommunikation als Teil einer Wahlkampagne zusammenhält und dieser Kohärenz verleiht, ist die Wiederholung übergreifender Kernbotschaften. Zunehmend lässt sich auch ein übergreifendes Kampagnendesign beobachten, das über alle Kernmaterialien hinweg Wiedererkennungswert bietet – man erkennt ein Element als Teil der Kampagne einer Partei. Im Wahlkampf 2013 gruppierte die SPD ihre Kampagne um die Aussage: Das WIR entscheidet, mit einer von Fuchsia-Pink bis SPD-Rot verlaufenden Farbgebung. Die Aussage ist ein Beispiel für die oben erwähnte Vereinnahmung. Da dem Wir die Entscheidungsmacht zugeschrieben wird, bezieht es sich in erster Linie auf die angesprochenen Wähler*innen. Dadurch, dass das Wir in der Kampagne den zentralen Bezugspunkt einnimmt, schließt es aber auch die Partei ein, indem von ihr das Wir, also Politik und Wähler*innen als Interessengemeinschaft, als ‚entscheidend‘ dargestellt wird (inklusives Wir). Dementsprechend ist die Titelseite des Wahlprogramms gestaltet (siehe hier: Regierungsprogramm 2013–2017 SPD, was sich in Wahlplakaten (Abb. 1) und Design von Informationsständen (Abb. 2) wiederholt. Das Wahlplakat (Abb. 1) komprimiert eine der im Wahlprogramm in Fettbuchstaben und durch einen eigenen Absatz hervorgehobene Kernbotschaften:

Prekäre Arbeit wollen wir überwinden, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen und über eine Stärkung des Tarifsystems gerechte Löhne ermöglichen. Für gleiche und gleichwertige Arbeit muss gleicher Lohn gezahlt werden (SPD Regierungsprogramm 2013-2017: S. 18).

Diese programmatische Aussage wird auch als das Ergebnis eines Bürgerkonvents vom 2. März 2013 präsentiert (S. 19), also als eine Maßnahme, die sich aus direktem Input von Wähler*innen speist, was wiederum auf das Wir als Gemeinschaft aus Partei und Wähler*innen verweist. Dementsprechend ist auch der Wahlwerbespot konzipiert, in dem anscheinend ‚normale Bürger*innen‘ zu Wort kommen, jeweils an dem gleichen, durch die Partei bereitgestellten Podium, das die Kernaussage Das WIR entscheidet ebenfalls wiederholt (Abb. 3), und das die jeweiligen ‚normalen Bürger*innen‘ sozusagen als ‚öffentliche Redner*innen‘ und damit deren Anliegen aufwertet und zugleich für die Partei vereinnahmt. Auch hier wird, über die Aussagen dreier Personen hinweg, der Programmpunkt ‚gesetzlicher Mindestlohn‘ angesprochen:

  • Person 1: Kann ja nicht sein, dass ich 8, 9, 10 Stunden arbeiten gehe und dann noch Geld vom Staat dazubekommen muss.
  • Person 2: Wenn der 40 Stunden die Woche arbeitet, oder 38,5, dann muss er davon leben können. Punkt.
  • Person 3: Wir brauchen den Mindestlohn. Absolut.

Die Partei tritt als eigentlicher Produzent der Kernbotschaften in den Hintergrund und lässt stattdessen die Bürger*innen zu Wort kommen, was eine eventuelle Kluft zwischen Partei und Wähler*innen überbrücken, den Werbecharakter ausblenden und basisdemokratisch wirken soll. Dass man das der Partei nicht unbedingt abkaufen muss, zeigt das gefakte Plakat (Plakatbusting) in Abb. 4. Durch den manipulierten Text wird auf den Konstruktionscharakter des Plakats als Werbematerial verwiesen; die abgebildeten Personen sind wahrscheinlich einfach nur Modelle und nicht wirklich in der Gebäudereinigung tätig. Auch das für die Kampagne zentrale WIR wird so aus dem vereinnahmend-repräsentativen Kontext herausgenommen und verweist nur noch auf die beiden abgebildeten, als unauthentisch entlarvten Personen.

    Abb. 1 SPD Wahlplakat 2013
    Abb. 1: SPD-Wahlplakat zur Bundestagswahl 2013.
    Abb. 2 Screenshot Standbild Blitz Interview Hannover
    Abb. 2: Screenshot Standbild.
    Abb. 3 SPD TV Spot Rednerpult
    Abb. 3: Screenshot Standbild
    Abb. 4 SPD Wahlplakat-Fake
    Abb. 4: SPD-Wahlplakat-Fake.

    Literatur

    Zum Weiterlesen

    • Dörner, Andreas; Vogt Ludgera (Hrsg.) (2002): Wahl-Kämpfe. Betrachtungen über ein demokratisches Ritual. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    • Jackob, Nikolaus (Hrsg.) (2007): Wahlkämpfe in Deutschland. Fallstudien zur Wahlkampfkommunikation 1912-2005. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

    Zitierte Literatur

    • Dörner, Andreas (2001): Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    • Esser, Frank (2003): Wie die Medien ihre eigene Rolle und die der Publicity im Bundestagswahlkampf framen. Metaberichterstattung: Ein neues Konzept im Test. In: Holtz-Bacha, Christina (Hrsg.): Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2002. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 162–193.
    • Pöttker, Horst (1996): Politikverdrossenheit und Medien. Daten und Reflexionen zu einem virulenten Problem. In: Jarren, Otfried; Schatz, Heriber; Weßler, Hartmut (Hrsg.): Medien und politischer Prozeß. Politische Öffentlichkeit und massenmediale Politikvermittlung im Wandel. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 59–71.
    • Schröter, Melani (2006): Freiheit und Vorfahrt für Wirtschaft und Bürger. Die Sprache der FDP im Wahlkampf 2005. In: Aptum, Heft 1, Jg. 2, S. 43–59.
    • Schweitzer, Eva J.; Albrecht, Steffen (Hrsg.) (2011): Das Internet im Wahlkampf. Analysen zur Bundestagswahl 2009. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
    • Toman-Banke, Monika (1996): Die Wahlslogans der Bundestagswahlen 1949-1994. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.

    Abbildungsverzeichnis:

    Verlinkte Onlinequellen

    Zitiervorschlag

    Schröter, Melani (2022): Wahlkampf. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 02.12.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/wahlkampf.

    DiskursGlossar

    Grundbegriffe

    Argumentation

    Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

    Hegemonie

    Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

    Diskurskompetenz

    Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

    Agenda Setting

    Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

    Medien

    Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

    Macht

    Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

    Normalismus

    Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

    Wissen

    Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

    Werbung

    Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

    Mediale Kontrolle

    Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

    Techniken

    Nicht-Entschuldigen / Nonpology

    Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.

    Hashtag

    Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbündelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).

    Diminutiv

    Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale Nähe zu konstruieren (unser Ländle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein Schätzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurückzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).

    Sündenbock

    Der Sündenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend für etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, Erzählungen oder Verhalten manifestiert.

    Redenschreiben

    Wer Reden schreibt, bereitet die schriftliche Fassung von Reden vor, die bei besonderen Anlässen gehalten werden und bei denen es auf einen ausgearbeiteten Vortrag ankommt.

    Offener Brief

    Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

    Kommunikationsverweigerung

    Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

    Flugblatt

    Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

    Passivierung

    Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

    Aufopferungs-Topos

    Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

    Schlagwörter

    Verfassung

    Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

    Toxizität / das Toxische

    Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

    Zivilgesellschaft

    Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

    Demokratie

    Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

    Plagiat/Plagiarismus

    Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

    Fake News

    Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

    Lügenpresse

    Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

    Antisemitismus

    Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

    Grammatiknazi / Grammar Nazi

    Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

    Respekt

    Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

    Verschiebungen

    Versicherheitlichung

    In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

    Ökonomisierung

    Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

    Moralisierung

    Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

    Konstellationen

    Skandal

    Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

    DiskursReview

    Review-Artikel

    Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

    Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.

    Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

    Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

    Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

    Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein?

    Was ist ein Volk?

    Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

    Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

    Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…