DiskursGlossar

ErzÀhlen

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte AusdrĂŒcke:
Narration, Geschichte, ErzÀhler, EreignisprÀsentation, Narrativ
Siehe auch: Dramaturgie, Inszenierung, Propaganda, Narrativierung
Autorin: Ulrike Ackermann
Version: 1.4 / 23.03.2021

Kurzzusammenfassung

ErzĂ€hlen ist eine kommunikative TĂ€tigkeit, in der fĂŒr gewöhnlich eine vermittelnde Instanz ein Geschehen rĂŒckblickend darstellt. Die Darstellungsmöglichkeiten sind vielfĂ€ltig (mĂŒndlich, schriftlich, filmisch). ErzĂ€hlen zeichnet sich dadurch aus, dass ErzĂ€hlende durch ihre Geschichte einen gemeinsamen Vorstellungsraum ĂŒber ein erzĂ€hlenswertes Ereignis aufbauen. HierfĂŒr vermitteln sie ihre Sicht auf ein Geschehen und die damit verbundene Welt. Dazu wĂ€hlen ErzĂ€hlende in ihrer Geschehensdarstellung zum einen aus, ĂŒber was sie in welcher Abfolge erzĂ€hlen und wie sie es zum anderen erzĂ€hlen. Charakteristischerweise stehen in ErzĂ€hlungen subjektive EindrĂŒcke, Emotionen wie auch das Erleben der ErzĂ€hlenden im Vordergrund. Aufgrund dieser bezeichnenden Merkmale begegnet uns das ErzĂ€hlen in verschiedenen Alltagsbereichen als Ressource. In der öffentlichen Kommunikation geschieht das beispielsweise unter strategischen ErwĂ€gungen. Das bedeutet, dass solche ErzĂ€hlungen mehr oder weniger durchdacht und geplant sind sowie einer bestimmten Zielsetzung unterliegen (z. B. zur Beeinflussung von Handlungen oder Einstellungen, zur Selbstdarstellung oder dem Darlegen einer bestimmten Sicht auf die Welt, siehe die Bsp. am Ende des Artikels).

Als Minimalkonsens lÀsst sich grundsÀtzlich festhalten, dass ErzÀhlen eine zusammenhÀngende Wiedergabe von einem oder mehreren Ereignissen ist, die sich durch eine spezifische ReprÀsentation der Geschehensdarstellung auszeichnen.

Erweiterte BegriffsklÀrung

Das ErzĂ€hlen entwickelte sich aufgrund zunehmender Erkenntnisse ĂŒber seine Funktionen in den 1970/80er-Jahren als sogenannter ,narrative turn‘ zu einem interdisziplinĂ€ren Forschungsfeld (Psychologie, Literaturwissenschaften, Linguistik, Soziologie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften u.a.). Solche Funktionen des ErzĂ€hlens sind damit verbunden, dass ErzĂ€hlende die Ereignisse in ihrer Geschichte in bestimmte ZusammenhĂ€nge bringen (Selektionsprozesse, kausale VerknĂŒpfungen, Bewertungen u.a.). DarĂŒber erzeugen sie Sinn und Bedeutung, stiften IdentitĂ€t und stellen eine bestimmte Wirklichkeit her.

Diese Entwicklung fĂŒhrte allerdings dazu, dass der Begriff ErzĂ€hlen auch im fachlichen Diskurs mehrdeutig verwendet wird. Manche verwenden den Begriff fĂŒr das Ergebnis des ErzĂ€hlaktes (im Sinne der ErzĂ€hlung), andere verwenden ihn als Gattungsbegriff und wieder andere beziehen sich damit auf den Akt des ErzĂ€hlens (= Sprechhandlung). WĂ€hrend beispielsweise die Literaturwissenschaften sich auf das ErzĂ€hlen im Sinne des Produkts oder der Gattung – also der literarischen ErzĂ€hlung – spezialisiert haben, beschĂ€ftigt sich die Linguistik verstĂ€rkt mit dem Akt des ErzĂ€hlens im Alltag in mĂŒndlicher wie auch in schriftlicher Form (z.B. in den digitalen Medien). Die Situation verdeutlicht, dass mit der Frage, wie man das ErzĂ€hlen im Speziellen definiert, sowohl der Untersuchungsgegenstand als auch das Untersuchungsinteresse verknĂŒpft sind. Der Untersuchungsgegenstand kann aus privaten bis zu institutionellen Kontexten gewĂ€hlt werden, z. B. eine mĂŒndliche AlltagserzĂ€hlung unter Freunden oder eine filmisch aufbereitete MitarbeitererzĂ€hlung auf den Internetplattformen Kununu oder Xing. Das Untersuchungsinteresse kann sich wiederum beispielsweise auf interaktive (z.B. Arzt-Patienten-Interaktion), anwendungsbezogene (z.B. IdentitĂ€tskonstruktion) oder strukturelle Aspekte (z.B. Abfolge von ErzĂ€hlelementen) des ErzĂ€hlens richten.

Rund um das ErzĂ€hlen sind bestimmte Begriffe omniprĂ€sent, die es zu differenzieren gilt. Da wir in der Alltagskommunikation den Ausdruck ErzĂ€hlen unspezifisch verwenden, z.B. auch um ErklĂ€rungen auszulösen (Kannst du mir mal erzĂ€hlen, warum du den MĂŒll nicht runtergebracht hast?), wird im Fachdiskurs in Anlehnung an das angloamerikanische ,narrativity‘ von NarrativitĂ€t gesprochen. Die Bedeutung des Terminus Narration ist dagegen von der englischen Bezeichnung narrative ĂŒbernommen worden und bezeichnet das deutsche Pendant; nĂ€mlich ErzĂ€hlung. Das dazugehörige Adjektiv narrativ bedeutet wiederum erzĂ€hlerisch. Das Adjektiv ist jedoch nicht mit dem gleichlautenden Substantiv Narrativ zu verwechseln, das derzeit allgegenwĂ€rtig ist. Dabei handelt es sich um eine Entlehnung aus dem englischen in den deutschen Sprachgebrauch, die bisher noch nicht im Duden verzeichnet ist. Die Bedeutung des Ausdrucks variiert je nach Fachdisziplin: LiteraturwissenschaftlerInnen verwenden ihn in der Bedeutung Geschichte. Die Wirtschaftswissenschaften verstehen darunter im Bereich der Public Relations ein abstraktes, kulturell ĂŒberliefertes Grundmuster, das die Rezipierenden themenunabhĂ€ngig wiedererkennen, wie z. B. das Basis-Narrativ der Heldenreise. In der Linguistik spielt das Narrativ im Rahmen der Diskursanalyse eine Rolle, ĂŒber das erzĂ€hlerische Muster in Diskursen erfasst werden. Dabei handelt es sich um Interpretationsmuster, die es uns ermöglichen ZusammenhĂ€nge wahrzunehmen, darzustellen und zu begrenzen. In dieser Verwendung zeichnen sich Narrative in erster Linie durch Zugehörigkeitsattribute aus wie feministisches Narrativ, nationalsozialistisches Narrativ, biblisches Narrativ u.a. (Zifonun 2017, 1-3).

PrÀgende traditionelle und neuere ErzÀhlmodelle

In einer ErzĂ€hlung wird mindestens ein Ereignis dargestellt. Dabei sind an dieses Ereignis unterschiedliche Kriterien geknĂŒpft, die es als ErzĂ€hlgegenstand qualifizieren wie beispielsweise Außergewöhnlichkeit, ErzĂ€hlwĂŒrdigkeit, soziale Relevanz u.a. Neben den oben bereits benannten Merkmalen (SubjektivitĂ€t, Emotionen, Erleben) existieren in der Narratologie (= ErzĂ€hlforschung) weitere Spezifika des ErzĂ€hlens, die bestimmte strukturelle oder pragmatische PhĂ€nomene betreffen. Sie stehen allerdings in direktem Zusammenhang mit dem Untersuchungsobjekt (z. B. mĂŒndliche AlltagserzĂ€hlung, schriftliches MĂ€rchen, filmische ErzĂ€hlung), wie die folgenden drei exemplarischen ErzĂ€hlmodelle erkennen lassen.

Traditionell beschĂ€ftigt sich die Literaturwissenschaft mit dem ErzĂ€hlen. Dadurch, dass sich die von den Literaturwissenschaften begrĂŒndete traditionelle ErzĂ€hlforschung auf epische Texte bezieht, sind die Beschreibungsmodelle vielschichtig. So kann beispielsweise das ErzĂ€hlen des Gesamtwerks sowie die ErzĂ€hlung einer Figur/mehrerer Figuren innerhalb eines Gesamtwerks (= metadiegetisch) untersucht werden. PrĂ€gend und bekannt fĂŒr die Theoriebildung ist neben der Typologie von F. K. Stanzel das Beschreibungsmodell von GĂ©rard Genette (1974). Er schlĂ€gt verschiedene Werkzeuge vor, mit deren Hilfe er epische Texte untersucht. Hierbei sind drei Aspekte des ErzĂ€hlten grundlegend. Zum einen betrifft das die Unterscheidung, ob der RealitĂ€tscharakter des ErzĂ€hlten fiktional oder faktual ist. Zum zweiten geht es darum, das ,Wie‘ des ErzĂ€hlten – also die Darstellung – und drittens das ,Was‘ in Form der Handlung zu erfassen. DiesbezĂŒglich unterscheidet Genette das ,Wie‘ des ErzĂ€hlten danach, wer das Geschehen wahrnimmt (= Modus) und wer spricht (= Stimme). So beschreibt er beispielsweis fĂŒr den Modus drei sogenannte Fokalisierungen: (1) Nullfokalisiserung: Der/Die ErzĂ€hlende weiß mehr als die Figuren im Gesamtwerk, (2) interne Fokalisierung: Der/Die ErzĂ€hlende weiß exakt so viel wie die Figuren, (3) externe Fokalisierung: Der/Die ErzĂ€hlende weiß weniger als die Figuren. Aufschluss darĂŒber, wie der/die ErzĂ€hlende das Geschehen wiedergibt, zeigt die Kategorie der Stimme. Da per Definition eine ErzĂ€hlung von jemandem erzĂ€hlt wird, sind neben Merkmalen wie dem Zeitpunkt oder Ort des ErzĂ€hlens die Stellung des/der ErzĂ€hlenden zum Geschehen von Interesse. Ist der/die ErzĂ€hlende an der Geschichte als Figur beteiligt, handelt es sich um eine/n homodiegetisch ErzĂ€hlenden. Dabei ist der/die autodiegetisch ErzĂ€hlende ein Sonderfall, da er/sie seine/ihre eigene Geschichte erzĂ€hlt (Ich-ErzĂ€hlende). Ist er/sie nicht selbst eine Figur in der ErzĂ€hlung, handelt es sich um eine/n heterodiegetisch ErzĂ€hlende/n (Er-ErzĂ€hlerIn, [vgl. MartĂ­nez/Scheffel 2020]).

Zwischen der Literaturwissenschaft und der Linguistik hat sich eine Art DomĂ€nenteilung etabliert. WĂ€hrend die Literaturwissenschaft sich mit literarischen ErzĂ€hltexten befasst, wenden LinguistInnen ihre Aufmerksamkeit vornehmlich auf das mĂŒndliche ErzĂ€hlen und ErzĂ€hlen in nicht-literarischen Texten (= Gebrauchstexte). Hinsichtlich des mĂŒndlichen ErzĂ€hlens hat das traditionelle ErzĂ€hlmodell von Labov und Waletzky (1973) die Forschung geprĂ€gt. Ausgehend von der Analyse von Tonbandinterviews erschlossen die beiden Forscher eine Grundform des ErzĂ€hlens. Diese Grundform zeichnet sich durch die lineare Abfolge spezifischer ErzĂ€hlelemente aus. Das sind in dieser Reihenfolge: 1) Orientierung (Angaben zu Ort, Zeit, Person und Handlungssituation), 2) Komplikation (Ereignisabfolge mit einem außergewöhnlichen Ereignis), 3) Evaluation (Einstellung des/der ErzĂ€hlerIn gegenĂŒber seiner/ihrer ErzĂ€hlung), 4) Auflösung der Komplikation und 5) ggf. die Coda (RĂŒckbindung der ErzĂ€hlung in das Hier und Jetzt der ErzĂ€hlsituation). Die feste Verortung der Evaluation zwischen der Komplikation und der Auflösung revidierten die Forscher nachtrĂ€glich aufgrund empirischer Befunde dahingehend, dass sie flexibel in der linearen Anordnung ist.

Durch das verstĂ€rkte interaktive Interesse an mĂŒndlichem ErzĂ€hlen und dem Einfluss der digitalen Medien auf das ErzĂ€hlen entwickelte die linguistische Forschung weitere ErzĂ€hlmodelle, die hier neben den traditionellen als neuere Strömungen angerissen werden. So haben beispielsweise Hausendorf und Quasthoff (1996) ein Modell zur Beschreibung von ErzĂ€hlinteraktion im Rahmen eines 15-jĂ€hrigen, empirischen Forschungsprojekts herausgearbeitet. Das Modell basiert auf sogenannten ,Jobs‘. Dabei handelt es sich um bestimmte strukturelle Aufgaben wĂ€hrend der erzĂ€hlerischen Interaktion. Sie beinhalten: (a) Darstellen von Inhalts- und/oder Formrelevanz (Anbahnen der ErzĂ€hlung), (b) Thematisieren (die ErzĂ€hlung eröffnen), (c) Elaborieren/Dramatisieren (erzĂ€hlspezifische Aufgaben), (d) Abschließen (hinleiten zum laufenden GesprĂ€ch) und (e) Überleiten (anschließen an das laufende GesprĂ€ch). Daneben rĂŒckte in den letzten Jahren das ErzĂ€hlen in den digitalen Medien zunehmen in den Blick der Forschung. Da die digitalen Technologien die Realisierungsoptionen des ErzĂ€hlens erweitern und verĂ€ndern, sodass unspezifische und weniger typische ErzĂ€hlungen im Sinne der traditionellen ErzĂ€hlforschung entstehen, stehen die traditionellen Merkmale des ErzĂ€hlens fĂŒr diesen Bereich auf dem PrĂŒfstand. DiesbezĂŒglich sehen beispielsweise Ochs und Caps (2001) das ErzĂ€hlen nicht mehr anhand von festgelegten Kriterien definiert, sondern vielmehr innerhalb von Merkmalsdimensionen, die sich jeweils in einem Kontinuum bewegen: (a) ErzĂ€hlerschaft (ein/e ErzĂ€hlerIn oder mehrere ErzĂ€hlerInnen erzĂ€hlen), (b) ErzĂ€hlwĂŒrdigkeit (eine ErzĂ€hlung ist offenkundig erzĂ€hlenswert oder scheinbar irrelevant), (c) Einbettung (die ErzĂ€hlung ist in ihren Kontext eingebettet oder von ihm gelöst), (d) LinearitĂ€t (die ErzĂ€hlung ist abgeschlossen oder multilinear), (e) moralische Haltung/Wertung (der/die ErzĂ€hlerIn zeigt ihre Einstellung zur ErzĂ€hlung deutlich oder verdeckt).

Strategische Aspekte des ErzÀhlens

Beachtet man die Möglichkeiten durch das ErzĂ€hlen, Bedeutung, Wirklichkeit und/oder IdentitĂ€t herzustellen, ist es naheliegend, dass das ErzĂ€hlen insbesondere im institutionellen Kontext strategisch – also zielgerichtet meist vor dem Hintergrund einer bestimmten Einflussnahme – angewandt wird. Strategische Aspekte des ErzĂ€hlens finden sich beispielsweise neben der Unternehmenskommunikation in der Werbung und der Politik. In diesen Kontexten erfreut sich das um die 1999er-Jahre aus den USA eingefĂŒhrte ,Storytelling‘ großer Beliebtheit. Dabei ist Storytelling weder ein wissenschaftlicher noch ein klar umrissener oder einheitlich definierter Begriff (Schach 2016, 11; Becker/Stude 2017, 1-2). Allen Definitionen ist aber gemein, dass sie auf ein strategisches KalkĂŒl abheben. Entsprechend handelt es sich hierbei nicht mehr um natĂŒrliche AlltagserzĂ€hlungen. Zur Veranschaulichung folgen nun zwei strategisch motivierte ErzĂ€hlungen. Das erste Beispiel stammt aus der Produktwerbung und zielt auf eine Handlungsbeeinflussung im Sinne des Kaufverhaltens. Das zweite Beispiel geht auf politisch motiviertes ErzĂ€hlen innerhalb der Sozialen Medien ein. Der strategische Aspekt hierbei ist, mithilfe der erzĂ€hlten ,RealitĂ€t‘ fĂŒr die Akzeptanz von politischen Entscheidungen zu werben.

Beispiele

(1) ErzĂ€hlen in der Produktwerbung: Mit Werbung sollen Menschen zwanglos dazu bewegt werden, sich fĂŒr ein Produkt zu interessieren, sich daran zu erinnern und es zu konsumieren. Daher ist Werbung fĂŒr gewöhnlich argumentativ aufgebaut. Sprachlich charakteristisch fĂŒr Werbung sind das Benennen/Zeigen, Beschreiben und Bewerten (Adamzik 2012, 138). Dabei verspricht eine originelle Umsetzung der Werbung von den Konsumierenden lĂ€nger erinnert und besser wiedererkannt zu werden. Der Vorteil an der Produktwerbung ist, dass den Rezipierenden in der Regel klar ist, dass es sich um gestellte, montierte Szenen oder auch fiktive ErzĂ€hlungen handelt. So hat sich die Werbung im Laufe der Zeit zu einer Unterhaltungsform mit Kultstatus entwickelt. FiktionalitĂ€t wird hier gemeinhin toleriert, solang das ErzĂ€hlte unmissverstĂ€ndlich als fiktional markiert ist. Diesen Trend hat sich das Telekommunikationsunternehmen Dt. Telekom AG angeeignet, als es die Werbeserie ĂŒber die Familie Heins konzipierte. Dabei handelt es sich um filmisches ErzĂ€hlen ĂŒber eine erfundene (= fiktive) Familie, die in den Episoden ihre Welt rund um die Produkte von MagentaEINS erlebt.

Abb. 1: Vorstellung der Mitglieder der Familie Heins auf der Telekom-Website. Dt. Telekom, Webseite. Online unter: http://www.t-online.de/telekom-familie-heins-magentaeins-bei-t-online-de/id_71680340/index ; Zugriff: 1.10.2016.

Durch das filmische ErzĂ€hlen ĂŒber das Familienleben der Familie Heins werden die Produkte benannt, in ihrer Anwendung gezeigt, beschrieben und in der narrativen Pointe abschließend positiv humorvoll bewertet. Das ErzĂ€hlen bietet hierfĂŒr einen legitimen Rahmen, da es die ErfĂŒllung dieser Komponenten und deren Zusammenhang letztlich in der erzĂ€hlerischen Geschehensdarstellung fordert. Dabei machen diese Spots eine Verschmelzung von der fiktiven Familie mit realen Situationen und Personen (,Fictionality Ansatz‘) reizvoll. So spielt beispielsweise ein Spot unter Mitwirkung von Tochter Clara Heins am Set des realen Kinofilms Fack ju Göthe 2. Darin tritt neben der fiktiven Tochter auch der reale Schauspieler Elyas M’Barek in seiner realen Funktion als Schauspieler am Set auf. Dabei teilt Tochter Clara, die sich am Set befindet, das Erlebnis per Smartphone/Tablet mit ihrer Familie, die gerade im Ausland zum Sommerurlaub verweilt. Auf diese Weise bewirbt der narrative Spot die neue EU-Flat des Unternehmens. Das Produkt wird in der Anwendung und einer möglichen Funktion vorgefĂŒhrt und emotional positiv besetzt. Inwieweit vor allem junge ZuschauerInnen bei dieser narrativen Werbeform unter dem Fictionality Ansatz den Unterschied zwischen Fiktion und RealitĂ€t noch erkennen, ist mitunter fraglich, wenn man sich Fankommentare auf YouTube ansieht: Diese indizieren zumindest eine Verunsicherung.

(2) Politisch motiviertes ErzĂ€hlen in den Sozialen Medien: Denkt man an Twitter, Facebook und Co, so gehören die Sozialen Medien mittlerweile zu dem kommunikativen Repertoire von PolitikerInnen. Aufgrund der Beliebtheit, der Erreichbarkeit von Zielgruppen und der hohen Verteilungsweite rĂŒcken die Sozialen Medien gerade in der heutigen Zeit – einer ausgerufenen Viruspandemie – auch fĂŒr politische Institutionen wie das Bundesministerium fĂŒr Gesundheit in den Blick. So finden sich seit geraumer Zeit BeitrĂ€ge der Institution auf Facebook und auf YouTube, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Grundbegriffe

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche TĂ€tigkeit, in der man sich mithilfe von GrĂŒnden darum bemĂŒht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klĂ€ren.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung fĂŒr FĂŒhrung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative FĂ€higkeit, lĂ€ngere zusammenhĂ€ngende sprachliche Äußerungen wie ErzĂ€hlungen, ErklĂ€rungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, mĂŒssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage fĂŒr Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die FĂ€higkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhĂ€ngig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, KrĂ€fteverhĂ€ltnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf WahrheitsansprĂŒche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff fĂŒr die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers JĂŒrgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚NormalitĂ€t‘ und ‚AnormalitĂ€t‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprĂ€gt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf EinfĂŒhrung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfĂ€ltig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe ĂŒberzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwĂŒnschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Techniken

Nicht-Entschuldigen / Nonpology

Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.

Liken

Die eigentliche Funktion des Likens geht jedoch ĂŒber das Signalisieren von Zustimmung hinaus und ist konstitutiv fĂŒr das Funktionieren sozialer Medienplattformen und das Aushandeln von verschiedenen Formen der SozialitĂ€t auf diesen.

Hashtag

Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbĂŒndelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).

Diminutiv

Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale NĂ€he zu konstruieren (unser LĂ€ndle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein SchĂ€tzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurĂŒckzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).

SĂŒndenbock

Der SĂŒndenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend fĂŒr etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, ErzĂ€hlungen oder Verhalten manifestiert.

Redenschreiben

Wer Reden schreibt, bereitet die schriftliche Fassung von Reden vor, die bei besonderen AnlÀssen gehalten werden und bei denen es auf einen ausgearbeiteten Vortrag ankommt.

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden ĂŒber Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lĂ€sst sich ein BĂŒndel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter FlugblĂ€ttern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprĂŒnglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. WĂ€hrend Flugschriften und FlugblĂ€tter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der FrĂŒhen Neuzeit zunĂ€chst als Handelswaren verkauft und gingen so als frĂŒhe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenĂŒber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden mĂŒssen, was beispielsweise in Gesetzestexten fĂŒr eine (gewĂŒnschte) grĂ¶ĂŸtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts [
] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht fĂŒr die höchste und letzte normative und LegitimitĂ€t setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen GrĂŒndungsakt eine Verfassung gibt.

ToxizitÀt / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lĂ€sst sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schĂ€dlich‘ erweitert hat, doch die UmstĂ€nde, unter denen etwas fĂŒr jemanden toxisch, d. h. schĂ€dlich ist, mĂŒssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwÀrtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezÀhlt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient hĂ€ufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die IllegitimitÀt dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre AnhĂ€nger wechselseitig der LĂŒge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

LĂŒgenpresse

Der Ausdruck LĂŒgenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird hĂ€ufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene PhĂ€nomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen JĂŒdinnen*Juden als JĂŒdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jĂŒdischer Andersartigkeit, ĂŒber vollstĂ€ndig ausgearbeitete Weltbilder, die JĂŒdinnen*Juden fĂŒr sĂ€mtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das ĂŒberwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (hĂ€ufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen ĂŒben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert fĂŒr die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), fĂŒr wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, fĂŒr abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/DiversitĂ€t.

Verschiebungen

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen SicherheitsverstĂ€ndnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurĂŒckzufĂŒhren ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlĂ€ssig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwĂ€rtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-KalkĂŒle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche ĂŒbertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die SphÀre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsĂ€chlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

Abb. 2: Bundesregierung: #besonderehelden. Spot zur EindÀmmung der Corona-Pandemie. Screenshot. 2020.

In dem Film erzĂ€hlt ein Ă€lterer Herr (personalisiert als Anton Lehmann) fiktional rĂŒckblickend sein Erleben der derzeitigen Corona-Pandemie und erklĂ€rt den Zielgruppen so u. a. eine bestimmte Sicht auf das Geschehen in der Welt. Er eröffnet seine ErzĂ€hlung mit einer Personen- und Situationsbeschreibung (= Orientierung) sowie Angaben ĂŒber den Zeitpunkt des Ereignisses. Der Protagonist beschreibt sich im Jahre 2020 als zweiundzwanzigjĂ€hrigen Maschinenbaustudenten in Chemnitz.

Dabei bestimmt nicht nur die Zielgruppe, sondern auch das Medium ĂŒber die konkrete Umsetzung der Botschaft. Der folgende Beitrag bezieht sich auf einen YouTube-Film des Bundesministeriums fĂŒr Gesundheit. YouTube erfreut sich großer PopularitĂ€t und verspricht eine hohe Zielgruppenerreichbarkeit. Es handelt sich um eine audiovisuell ausgelegte Internetplattform. Daher bietet sie sich fĂŒr filmisches ErzĂ€hlen an.

Abb. 3: Bundesregierung: #besonderehelden. Spot zur EindÀmmung der Corona-Pandemie. Screenshot 2. 2020.

Damals habe er voller Lebensfreude und AktivitĂ€tsdrang gesteckt. Doch dann geschah – laut dem ErzĂ€hler – etwas Schicksalhaftes, dass das ganze Land auf das Verhalten seiner Generation schauen ließ. Mit einer filmischen RĂŒckblende in die Vergangenheit des ,jungen‘ Herrn Lehmann leitet der ErzĂ€hler die Komplikation ein: „Eine unsichtbare Gefahr bedrohte alles, woran wir glaubten“. Der Sprachgebrauch verweist auf die Dramatik mithilfe des Bildes eines unsichtbaren Feindes und der absoluten Gefahr (alles). Die Bewertung der Situation, dass das Schicksal in den HĂ€nden seiner Generation lĂ€ge, steigert die Dramatisierung infolge der Verantwortung. Um der Katastrophe entgegenzuwirken, wĂ€ren sie „faul wie die WaschbĂ€ren“ und blieben auf ihrem „Arsch zuhause“. Diese Selbstcharakterisierung als inaktive und abwartende Helden ist untypisch fĂŒr das Storytelling. Daher bewertete der Protagonist das Verhalten: „wir taten, was von uns erwartet wurde, das einzig Richtige“. Mit der Kriegsmetapher gegen die Ausbreitung zu kĂ€mpfen und der Couch als Front verleiht er dem Szenario zusĂ€tzlich Bedeutung. Seine ErzĂ€hlung beendet der erdachte Herr Lehmann mit der impliziten Kontrastierung des Anfangs- und Endzustandes: „Das war unser Schicksal, so wurden wir zu Helden, damals in diesem Coronawinter zwanzigzwanzig“ (= Auflösung). Das Resultat Heldentum verweist auf den Erfolg und die Bedeutung der beschriebenen Handlungsmaßnahmen. Abschließend wird ein appellativer Schrifttext eingeblendet, der auf die Funktion der fiktiven ErzĂ€hlung verweist: „Werde auch du zum Helden und bleibe Zuhause. Zusammen gegen Corona“. Das sprachliche und visuelle Aufgreifen von angenommenen Emotionen der Zielgruppen (Frust, Einsamkeit, Langeweile u. a.) in Bezug auf den politischen Corona-Handlungserlass im Zusammenspiel mit der argumentativen Handlungskette sowie starken positiven Bewertungen des Verhaltens sollen die Zielgruppen davon ĂŒberzeugen, die politischen Handlungsanweisungen a) gutzuheißen, b) anzunehmen und c) umzusetzen. Was vordergrĂŒndig als Information erscheint, zielt hintergrĂŒndig auf die Akzeptanz einer politischen Entscheidung und daraus resultierend auf eine Einstellungs- und Verhaltensbeeinflussung.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Beyer, Martin (2018): StoryThinking. Durch die Kraft des ErzĂ€hlens Mitarbeiter und Kunden gewinnen. MĂŒnchen: Vahlen.
  • Klein, Christian; MartĂ­nez, MatĂ­as (Hrsg.) (2011): WirklichkeitserzĂ€hlungen. Felder, Formen und Funktionen nicht-literarischen ErzĂ€hlens. Stuttgart; Weimar: J. B. Metzler.
  • MartĂ­nez, MatĂ­as (2017): ErzĂ€hlen. Ein interdisziplinĂ€res Handbuch. Stuttgart: Springer-Verlag GmbH.

Zitierte Literatur

  • Zifonun, Gisela (2017): Ein Geisterschiff auf dem Meer der Sprache: das Narrativ. In: Sprachreport. Informationen und Meinungen zur deutschen Sprache, Heft 3, Jg. 33, S. 1–3.
  • Becker, Tabea; Stude, Juliane (2017): ErzĂ€hlen. Heidelberg: UniversitĂ€tsverlag Winter.
  • MartĂ­nez, MatĂ­as; Scheffel, Michael (2020): EinfĂŒhrung in die ErzĂ€hltheorie. MĂŒnchen: C. H. Beck.
  • Schach, Annika (2016): Storytelling. Geschichten in Text, Bild und Film. Wiesbaden: Springer.

Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1: Dt. Telekom (2016): Vorstellung der Mitglieder der Familie Heins auf der Telekom-Website. Online unter: http://www.t-online.de/telekom-familie-heins-magentaeins-bei-t-online-de/id_71680340/index; Zugriff: 01.10.2016.
  • Abb. 2: Bundesgesundheitsministerium (2020): Coronafilm „Zusammen gegen Corona“. Screenshot: Youtube. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=KQemhii-PHs&t=2s&ab_channel=BILD ; Zugriff: 18.08.2023.
  • Abb. 3: Bundesgesundheitsministerium (2020): Coronafilm „Zusammen gegen Corona“. Screenshot: Youtube. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=KQemhii-PHs&t=2s&ab_channel=BILD ; Zugriff: 18.08.2023.

Zitiervorschlag

Ackermann, Ulrike (2021): ErzÀhlen. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 23.02.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/erzaehlen/.