DiskursGlossar

Bedeutung

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Semantik, Denotation, Konnotation
Siehe auch: Konnotation, semantische Kämpfe, Perspektive
Autorin: Anna Mattfeldt
Version: 2.1 / Datum: 26.11.2022

Kurzzusammenfassung

Der Ausdruck Bedeutung wird sowohl in der Alltagssprache als auch in der Fachsprache nicht einheitlich verwendet. Alltagssprachlich wird auf die Bedeutung von etwas – zum Beispiel einem Wort, Gegenstand oder Gesichtsausdruck – verwiesen, wenn dessen Status in der Welt unklar ist (‚was bedeutet es, dass X‘) oder seine Wichtigkeit hervorgehoben werden soll (‚X ist bedeutend‘) (s. dazu ausführlich Linke/Nussbaumer/Portmann 2004: 153 f.).

In der Sprachwissenschaft gibt es verschiedene Modelle dafür, was Bedeutungen sind und wie sie ermittelt werden können. In der Referenzsemantik (mit Bezug auf Ogden/Richards 1923) wird mit der Bedeutung eines Ausdrucks das gedankliche Konzept (z.B. die Vorstellung, die wir mit dem Ausdruck Finanzminister verbinden, als eine Person, die das für Finanzen zuständige Ministerium innehat) oder das Referenzobjekt als Sachverhalt gemeint (z.B. die konkrete Person, die zum Zeitpunkt der Äußerung Finanzminister ist).

Nach Auffassung der Gebrauchssemantik ergibt sich die Bedeutung eines Wortes aus seinem Gebrauch in einer Sprachgemeinschaft. Verändert sich dieser, wandelt sich auch die Bedeutung des Wortes (z.B. das Wort Frau, das in der Form vrouwe im Mittelhochdeutschen lediglich erwachsene adlige weibliche Personen bezeichnete, dessen Gebrauch gegenwartssprachlich aber nicht mehr auf Adlige beschränkt ist). In Diskursen können sich dabei semantische Kämpfe (vgl. Felder 2013) ergeben, in denen Wortbedeutungen aus verschiedenen Perspektiven ausgehandelt werden oder Wörter bewusst als Ausdruck von Geltungsansprüchen eingesetzt werden (z.B. Klimakatastrophe vs. Klimaveränderung). 

Die Prototypensemantik geht davon aus, dass es zu Begriffen besonders passende und eher randständige Vertreter gibt. Die prototypischen Vertreter sind kognitiv leicht zugänglich und werden spontan genannt, wenn nach Beispielen gefragt wird (etwa Hammer als Beispiel für ein Werkzeug; seltener spezialisiertere Beispiele wie Fliesenschneider oder Nietenzieher). 

Erweiterte Begriffsklärung

Stellen wir uns einige Alltagssituationen vor, wird deutlich, wie wir die Bedeutung – ,das, was gemeint ist‘ – versuchen zu verdeutlichen, wenn es zu Unsicherheiten kommt (vgl. zu den folgenden Differenzierungen ausführlich Linke/Nussbaumer/Portmann 2004: 155): Wir können uns auf einen konkreten Gegenstand beziehen (dann wäre die Bedeutung eines Wortes ein konkretes Referenzobjekt) und vielleicht darauf zeigen, wenn uns jemand fragt, was ein Wort bedeutet. Es können beim Versuch, Bedeutung zu beschreiben, klassische Charakteristika benannt werden (,Ein Tisch hat normalerweise eine Platte und vier Beine, kann aus Holz oder Plastik sein…‘) – die Bedeutung also eher in den Merkmalen eines Gegenstandes sehen – oder Gebrauchsbedingungen des Wortes formulieren (,in der Fachsprache der Physik bedeutet Arbeit etwas anderes als im Alltag‘). Wenn wir uns nicht sicher sind, wie etwas zu interpretieren ist, gehen wir von zusätzlichen Bedeutungen über die visuell oder auditiv wahrnehmbaren Zeichen hinaus aus und können dies thematisieren (,was hat es zu bedeuten, dass du jetzt so grinst?‘). Und was als wichtig erachtet wird, bezeichnen wir auch als ,bedeutend‘ oder von ,Bedeutung‘.

Sprachliche Zeichen wie Wörter werden der Referenzsemantik (s. ausführlich Wimmer 1979) zufolge erst zu Zeichen, wenn sie in einer Sprachgemeinschaft mit einer Bedeutung versehen werden. Eine Lautfolge wie [paʁlaˈmɛnt] wird erst dann bedeutungsvoll, wenn damit ein konkretes gedankliches Konzept verbunden wird, das von verschiedenen Sprachbenutzern geteilt wird und verwendet werden kann. Das gedankliche Konzept, das wir mit dieser Lautfolge verbinden, erlaubt es uns also, uns mit dem sprachlichen Zeichen z.B. auf konkrete Parlamente zu beziehen und etwas über sie auszusagen. Es ist folglich in der Referenzsemantik zwischen verschiedenen Ebenen der Bedeutung eines sinnlich wahrnehmbaren Ausdrucks (z.B. Parlament), den wir hören oder lesen, zu unterscheiden: dem Referenzobjekt (z.B. einem konkreten Parlament, das wir als solches in einer Gesprächssituation bezeichnen) und dem abstrakten gedanklichen Konzept ›Parlament als ›vom Volk gewähltes gesetzgebendes Organ. Die Trias aus Ausdruck, Konzept und Referenzobjekt wird auch im semiotischen Dreieck nach Ogden und Richards (1923) dargestellt (vgl. Darstellung in Perspektive).

Die Gebrauchssemantik legt den Fokus stärker auf die Rolle der konkreten Verwendung in sprachlichen Kontexten. Wittgenstein formuliert dies in seinen Philosophischen Untersuchungen (§43): „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“. Die Bedeutung von Wörtern entsteht demzufolge erst durch ihren Gebrauch und wird durch diesen erlernt. Dies wird offensichtlich, wenn man den Erstspracherwerb in den Blick nimmt: Wörter wie Hund, Ball oder spielen erlernen wir durch die Beobachtung, dass andere Sprachteilnehmer*innen sie verwenden und sich damit auf bestimmte Referenzobjekte oder Tätigkeiten in der Welt beziehen, sodass sich für uns ein entsprechendes Wissen über den Zusammenhang von Ausdruck, möglichen Referenzobjekt(en) und Verwendungskontext herausbildet. Alle Referenzobjekte, die dabei potenziell mit einem Ausdruck bezeichnet werden können, gehören dabei zu dessen „Extension“ (vgl. Busch/Stenschke 2018: 200).

Dass dasselbe Referenzobjekt auch mit unterschiedlichen Ausdrücken bezeichnet werden kann, kennen wir auch als Bedeutungsrelation der Synonymie. Jedoch sind in der Praxis nur wenige Wörter – wenn überhaupt! – komplett bedeutungsgleich, wenn wir auch die konkreten Kontexte ihres Gebrauchs und weitergehende Assoziationen heranziehen. Die Denotation kann als neutrale Grundbedeutung eines Wortes betrachtet werden, die Konnotation als spezifische Perspektive, Stilebene oder Wertung eines Ausdrucks:

Das wird auch deutlich, wenn wir Wörter vergleichen, mit denen wir auf den ersten Blick die gleiche Bedeutung verbinden, die wir also als Synonyme bezeichnen würden. So ist in den Paaren Säugling – Baby oder Klinik – Krankenhaus jeweils grob die gleiche Kategorie von Entitäten gemeint. Semantisch gesprochen: die beiden Wörter haben die gleiche neutrale Grundbedeutung oder Denotation. Im ersten Fall ist jeweils von einem sehr kleinen Kind die Rede, im zweiten von einer medizinischen Institution. Was die Bezeichnungen aber unterscheidet, ist die Perspektive, die wir auf diesen Typ von Entität mitformulieren. Vom Säugling redet wahrscheinlich eher die Kinderkrankenschwester als die Mutter. Eine solche – manchmal ziemlich subjektive – Bedeutungsfacette kann ganz verschiedene Ausprägungen annehmen und wird als Konnotation bezeichnet (Bremer/Müller 2021: 209 f., H.i.O.).

Die Prototypensemantik schließlich „beruht auf der Grundannahme, dass die Bedeutung von Wörtern nach ihrer Position in einer Kategorie hierarchisiert ist“ (Busch/Stenschke 2018: 207). Befragt man zum Beispiel Sprachteilnehmer*innen (wie etwa in den Experimenten von Eleanor Rosch, vgl. Rosch 1975), für wie typisch oder untypisch sie bestimmte Vertreter einer Kategorie halten, zeigt sich diese Hierarchisierung: So werden Spatzen und Rotkehlchen in europäischen Kulturkreisen eher als typische Vertreter der Kategorie Vogel eingestuft als etwa der Pinguin oder der Strauß. Dies gibt Aufschluss darüber, wie Bedeutung kognitiv organisiert sind, aber auch über kulturelle und sprachliche Spezifika: So ist, wie Busch und Stenschke zu Recht anmerken, mit Sicherheit kulturell verschieden, welche Sportarten als besonders prototypisch angesehen werden (Busch/Stenschke 2018: 206).

Beispiele

Wie werden diese linguistischen Facetten von Bedeutung für politische und strategische Kommunikation relevant? Drei Möglichkeiten sollen hier beispielhaft herausgegriffen werden.

(1) Zum einen betreffen die bisherigen Definitionen auch politisch relevante Ausdrücke, deren regelhafter Gebrauch und prototypischer Kontext sich verändern können. Der Ausdruck Ehe beispielsweise hat sich in seiner Bedeutung durch politische Entscheidungen und den damit veränderten Gebrauchsbedingungen im Laufe der Zeit stark gewandelt. Dies geschah zum einen durch die zunehmende rechtliche Relevanz der Zivilehe gegenüber der kirchlichen Eheschließung, zum anderen durch die Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare (in Deutschland im Jahr 2017). Auf welche Sachverhalte man sich mit dem Ausdruck Ehe beziehen kann, wie weit also seine Extension reicht, ist auch eine politische Frage. Konnotationen von Ehe wie ‚gesellschaftliche Stabilität‘, die viele Personen teilen, konnten dabei genutzt werden, um politisch z.B. für die Öffnung der Ehe über die Verbindung von Mann und Frau hinaus zu werben (vgl. zum Diskurs um den Ausdruck Ehe Eckerlin 2021 sowie fortlaufende Forschung im Projekt Culture Wars und die darin entstehende Dissertation von Sven Bloching, Stand 15.8.2022).

(2) Zum anderen können Ausdrücke, die für viele der Sprachgemeinschaft besonders positiv besetzt sind– wie Hochwertwörter strategisch eingesetzt werden: Was etwa mit Freiheit im konkreten sprachlichen Gebrauch strategisch verbunden wird, kann unterschiedlich sein (z.B. die Freiheit, ohne Tempolimit auf Autobahnen zu fahren, über Grenzen zu reisen, sich gegen COVID-19 impfen lassen zu können oder das nicht zu tun), ist abhängig von der jeweiligen politischen Haltung. Die Tatsache, dass viele Menschen generell mit Freiheit etwas Wünschenswertes assoziieren, kann bei der Verwendung dieses Hochwertwortes genutzt werden, um die eigene Position als positiv zu inszenieren.

Auch abseits von klar erkennbaren Hochwertwörtern finden sich Beispiele für Ausdrücke, die eine Gruppe für sich beansprucht, so z.B. mit Blick auf den Ausdruck Querdenker. So kann mit diesem Ausdruck nicht mehr nur allgemein auf eine „Person, die eigenwillige und mit etablierten Positionen meist nicht vereinbare Ideen oder Ansichten vertritt, äußert und deshalb oft auf Unverständnis oder Widerstand trifft“ (Duden Online, Stand 15.8.2022) verwiesen werden (was oft durchaus neutral oder positiv sein kann), sondern der Ausdruck wurde auch spezifisch von einer Bewegung, die gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie demonstrierte, als Selbstbezeichnung gewählt. Die ursprüngliche allgemeinere Bedeutung droht dabei zumindest im politischen Kontext verloren zu gehen bzw. muss nun explizit gemacht werden, so dass die Bezeichnung Querdenker (z.B. als Selbstbezeichnung im kreativen Bereich) möglicherweise eher gemieden wird, wenn man Verwechslungen vermeiden will. Auf diese Weise können sich politische Gruppen Ausdrücke aneignen, die aus anderer politischer Perspektive dann kaum noch unvoreingenommen gebraucht werden können.

(3) Eine solche Konkurrenz um Begriffsbesetzungen wie in (2) beschrieben bezeichnet man auch als Bedeutungskampf oder „semantischen Kampf“ (vgl. Felder 2013) um einen Ausdruck. Semantische Kämpfe können auch zwischen zwei Ausdrücken / Symbolen auftreten, die sich auf dasselbe Referenzobjekt beziehen, aber verschiedene Perspektiven auf die Thematik deutlich machen. Beispielsweise könnte für klimatische Veränderungen der Ausdruck Klimawandel gebraucht werden, aber auch der Ausdruck Klimakatastrophe, der das Ausmaß auf dramatischere Weise verdeutlicht und negativer konnotiert ist. Wer den Ausdruck Wetterextreme für beobachtete Sachverhalte wählt, vermeidet (unter Umständen bewusst) den Bezug zu Komposita mit Klima und damit der Lesart, dass Ereignisse wie Dürren, Überschwemmungen und Rückgang der Artenvielfalt miteinander als Teil einer größeren klimatischen Veränderung zusammenhängen. Die Ausdrücke Klimawandel, Klimakatastrophe und Wetterextreme stehen in Konkurrenz miteinander und unterscheiden sich in ihrer Bedeutung insofern, als sie unterschiedliche Perspektiven und Denkmuster konstituieren und diese im Diskurs durchzusetzen versuchen.

Bedeutungen sind gerade in politisch umkämpften Kontexten folglich nie unumstritten und können sich verändern, etwa wenn sich die Gesetzeslage eines rechtlich einschlägigen Ausdrucks wie Ehe verändert oder eine Gruppe einen Ausdruck für sich beansprucht. Relevant wird in politischen Kontexten damit nicht nur die Referenzsemantik von Wörtern, wie sie hier skizziert wurde, sondern auch die Art, wie Wörter in weitergehende Aussagen eingebettet werden und wer sie in welchem Kontext mit welchen Forderungen verbindet, d.h. der konkrete Gebrauch. Insgesamt ist in politischen Kontexten mit Blick auf die genannten Beispiele damit oft auch eine pragmatisch geprägte Komponente relevant. Es geht nicht nur darum, was das einzelne Wort zu bedeuten hat, sondern um die Bedeutung des Wortes in der gesamten Aussage in einem konkreten Kontext, d.h. welcher Sinn hinter einer Äußerung steckt (z.B. ob der Klimawandel bekämpft werden soll, ob andere von den empfohlenen Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie überzeugt werden sollen etc.). Bedeutung wird in politischen Kontexten folglich vor allem als Sinn in einem konkreten Gebrauchszusammenhang bzw. dem Zweck der Verwendung relevant.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Busch, Albert; Stenschke, Oliver (2018): Semantische Grundbegriffe. In: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. Tübingen: Narr Francke Attempto, S. 183–194.

Zitierte Literatur und Belege

  • Bremer, Katharina; Müller, Marcus (2021): Sprache, Wissen und Gesellschaft. Eine Einführung in die Linguistik des Deutschen. Berlin; Boston: de Gruyter.

  • Busch, Albert; Stenschke, Oliver (2018): Germanistische Linguistik. Eine Einführung. Tübingen: Narr Francke Attempto.

  • Duden Online: Querdenker. Online unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Querdenker; Zugriff: 15.08.2022.

  • Eckerlin, Alexander (2021): Digitale Deutungshoheit. Semantische Wettkämpfe auf Twitter. Masterarbeit an der Universität Heidelberg.

  • Felder, Ekkehard (2013): Faktizitätsherstellung mittels handlungsleitender Konzepte und agonaler Zentren. Der diskursive Wettkampf um Geltungsansprüche. In: Ders. (Hrsg): Faktizitätsherstellung in Diskursen. Die Macht des Deklarativen. Berlin; Boston: De Gruyter, S. 13–28.

  • Janich, Nina (2013): Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Narr.

  • Linke, Angelika; Nussbaumer, Markus; Portmann, Paul R. (2004): Studienbuch Linguistik. Tübingen: Niemeyer.

  • Ogden, Charles K.; Richards, Ivor A. (1923): The Meaning of Meaning. A Study of the Influence of Language upon Thought and of the Science of Symbolism. New York: Harcourt.

  • Rosch, Eleanor (1975): Cognitive Representations of Semantic Categories. In: Journal of Experimental Psychology, Heft 3, Jg. 104, S. 192–223.

  • Uni Heidelberg: Culture Wars – Kämpfe ums kulturelle Erbe. Online unter: https://culture-wars.uni-heidelberg.de ; Zugriff: 15.08.2022.

  • Wimmer, Rainer (1979): Referenzsemantik. Untersuchungen zur Festlegung von Bezeichnungsfunktionen sprachlicher Ausdrücke am Beispiel des Deutschen. Tübingen: Niemeyer.

  • Wittgenstein, Ludwig (2003): Philosophische Untersuchungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Verlinkte Onlinequellen

Zitiervorschlag

Mattfeldt, Anna (2022): Bedeutung. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 26.11.2022 (v. 2.1). Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/bedeutung/.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Diskurssemantische Verschiebung

Mit dem Begriff der diskurssemantischen Verschiebung wird in der Diskursforschung ein Wandel in der öffentlichen Sprache und Kommunikation verstanden, der auf mittel- oder län-gerfristige Veränderung des Denkens, Handelns und/oder Fühlens größerer Gesellschafts-gruppen hinweist.

Domäne

Der Begriff der Domäne ist aus der soziologisch orientierten Sprachforschung in die Diskursforschung übernommen worden. Hier wird der Begriff dafür verwendet, um Muster im Sprachgebrauch und kollektiven Denken von sozialen Gruppen nach situationsübergreifenden Tätigkeitsbereichen zu sortieren.

Positionieren

Positionieren ist Grundbestandteil menschlicher Kommunikation. Wann immer wir miteinander interagieren und kommunizieren, bringen wir uns selbst, andere und die Objekte, über die wir sprechen, in bestimmte Relationen zueinander.

Deutungsmuster

Unter einem Deutungsmuster wird die problem- und lösungsbezogene Interpretation gesellschaftlicher und politischer Tatbestände verstanden, die Aussicht auf Akzeptanz in sozialen Gruppen hat. Der Begriff des Deutungsmusters hat Ähnlichkeit mit den Begriffen der Theorie und Ideologie. Meist werden gesellschaftlich verbreitete Leitdeutungen, die oft mit Schlagwörtern und Argumentationsmustern einhergehen (wie Globalisierung, Kapitalismus, Leistungsgesellschaft, Chancengleichheit etc.) als Beispiele für Deutungsmuster genannt.

Sinnformel

‚Wer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?‘ Auf diese und ähnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.

Praktik

Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes Bündel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrücken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, Fußballspielen).

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Techniken

Dogwhistle

Unter Dogwhistle wird in Teilen der Forschung eine doppeldeutige Äußerung verstanden, die eine offene und eine verdeckte Botschaft an jeweils eine Zuhörerschaft kommuniziert.

Boykottaufruf

Der Boykottaufruf ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, ein Ziel, also meist eine Verhaltensänderung des Boykottierten, hervorzurufen, indem zu einem Abbruch etwa der wirtschaftlichen oder sozialen Beziehungen zu diesem aufgefordert wird.

Tabuisieren

Das Wort Tabuisierung bezeichnet die Praxis, etwas Unerwünschtes, Anstößiges oder Peinliches unsichtbar zu machen oder als nicht akzeptabel zu markieren. Das Tabuisierte gilt dann moralisch als unsagbar, unzeigbar oder unmachbar.

Aus dem Zusammenhang reißen

Das Aus-dem-Zusammenhang-Reißen gehört in den Funktionskreis der Redewiedergabe bzw. der Wiedergabe kommunikativer Ereignisse. Es kann (1) als intentionale argumentativ-polemische Strategie für ganz unterschiedliche diskursive Zielsetzungen von Akteuren genutzt werden, oder (2) es kann SprecherInnen und SchreiberInnen in unbeabsichtigter, fehlerhafter Weise unterlaufen.

Lobbying

Lobbying ist eine Form strategischer Kommunikation, die sich primär an Akteure in der Politik richtet. Beim Lobbying wird ein Bündel von kommunikativen Tätigkeiten mit dem Ziel eingesetzt, die Entscheidungen von Personen mit politischem Mandat oder den Entstehungsprozess von neuen Gesetzestexten interessengeleitet zu beeinflussen.

Karten

Karten dienen dazu, Raumausschnitte im Hinblick auf ausgewählte Charakteristika so darzustellen, dass die Informationen unmittelbar in ihrem Zusammenhang erfasst und gut kommuniziert werden können. Dazu ist es notwendig, Daten und Darstellungsweisen auszuwählen und komplexe und oft umkämpfte Prozesse der Wirklichkeit in einfachen Darstellungen zu fixieren.

Pressemitteilung

Pressemitteilungen sind standardisierte Mitteilungen von Organisationen, die sich an Journalist:innen und andere Multiplikator:innen richten. Sie dienen der offiziellen und zitierfähigen Informationsweitergabe und übernehmen zugleich strategische Funktionen in der öffentlichen Kommunikation und Meinungssteuerung.

Shitstorm

Der Begriff Shitstorm beschreibt eine relativ junge Diskurskonstellation, die seit den 2010er Jahren an Bedeutung gewonnen hat und gemeinhin als Online-Wutausbruch bezeichnet wer-den kann.

Tarnschrift

Als Tarnschrift bezeichnet man unter den Bedingungen von Zensur und Verfolgungsrisiko veröffentliche Texte, die insbesondere in der strategischen Kommunikation des NS-Widerstands eine zentrale Rolle spielten.

Ortsbenennung

Die Benennung von Orten dient in erster Linie dazu, den jeweiligen geografischen Ort zu lokalisieren und ihn zu identifizieren. Doch Ortsnamen besitzen eine soziale Dimension und spielen eine entscheidende Rolle bei der sprachlich-kulturellen Identitätskonstruktion.

Schlagwörter

Echokammer

Der Begriff der Echokammer steht in seiner heutigen Verwendung vor allem im Zusammenhang mit der Nutzung Sozialer Medien. Er verweist metaphorisch auf einen digitalen Kommunikations- und Resonanzraum, in dem Mediennutzer*innen lediglich Inhalten begegnen, die ihre eigenen, bereits bestehenden Ansichten bestätigen, während abweichende Perspektiven und Meinungen ausgeblendet bzw. abgelehnt werden.

Relativieren

Der Ausdruck relativieren besitzt zwei zentrale Bedeutungsvarianten: In bildungssprachlichen und wissenschaftlichen Kontexten bezeichnet er eine analytische Praxis, bei der Aussagen, Begriffe oder Phänomene durch Bezugnahme auf andere Sachverhalte eingeordnet, differen-ziert und in ihrer Geltung präzisiert werden.

Massendemokratie

Geprägt wurde der Begriff Massendemokratie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von völkisch-konservativen Akteuren (prominent darunter Carl Schmitt 1926). Der Ausdruck Masse hatte damals bei den bürgerlichen Eliten eine rundum bedrohliche Assoziation.

Social Bots

Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.

Kriegsmüdigkeit

Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische Ermüdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch für das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Öffentlichkeit genutzt.

Woke

Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunächst den Bewusstseinszustand der Aufgeklärtheit über die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.

Identität

Unter Identität versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven – etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen – als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.

Wohlstand

Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.

Remigration

Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.

Verschiebungen

Dehumanisierung

Mit Dehumanisierung bzw. Anthropomorphisierung werden solche kommunikativen Techniken und Praktiken bezeichnet, die Personen, Sachverhalten oder Gegenständen menschliche Eigenschaften ab- bzw. zusprechen. Dehumanisierung und Anthropomorphisierung können sowohl durch sprachliche Mittel als auch durch andere, z. B. bildliche, Zeichen vollzogen werden.

Kriminalisierung

Kriminalität meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstößt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird – indem Gesetze geschaffen werden.

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Beobachtung zum Begriff „Diplomatie“ beim Thema Ukraine im Europäischen Parlament

Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto „as long as it takes“ beziehungsweise „so lange wie nötig“ für die Erweiterung der militärischen Ausstattung und der Verlängerung des Krieges aussprachen. Vorschläge oder Vorstöße auf dem Gebiet der „Diplomatie“ im Sinne von ‚Verhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteien‘ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)

Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit

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Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen

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Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe

DiskursReview Die Macht der Worte (2/4): Freund-Feind-Begriffe Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen

DiskursReviewDie Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 / 06.03.2025...

Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.