DiskursGlossar

Diskreditieren

Kategorie: Techniken
Verwandte AusdrĂŒcke: Abwerten, Diffamieren, Herabsetzen, Mobben, Verunglimpfung, Verleumdung
Siehe auch: Fake News, InvektivitĂ€t, LĂŒgenpresse, Gewaltaufruf
Autor/in: Friedrich Markewitz
Version: 1.0 / Datum: 27.05.2025

Kurzzusammenfassung

Das Diskreditieren ist eine Praktik, mit der Diskursakteure durch verschiedenste Strategien, die von Verunglimpfungen und Verleumdungen bis hin zu rufschĂ€digenden Äußerungen reichen, abgewertet und herabgesetzt werden. Bekannte Formen diskreditierender Äußerungen der jĂŒngeren Zeit im politischen Bereich sind z. B. Donald Trumps abschĂ€tzige Spitznamen fĂŒr republikanische Konkurrent*innen, darunter Low Energy Jeb fĂŒr Jeb Bush im Rahmen der republikanischen Vorwahlen fĂŒr die PrĂ€sidentschaftswahl 2016 oder Meatball Ron fĂŒr Ron DeSantis wĂ€hrend dessen Vorbereitung auf den PrĂ€sidentschaftswahlkampf 2024 (siehe dazu ausfĂŒhrlicher Beispiel 1).

Die Praktik zÀhlt zu den Invektiven und wird vor allem in bestimmten Kommunikationsbereichen und
-situationen, vornehmlich der Politik, geduldet. Zumeist zielen Diskreditierungshandlungen auf moralisch-sittliche ZusammenhĂ€nge bzw. werden entsprechende Verfehlungen behauptet. Seltener sind epistemische Diskreditierungen, vermittels derer der Wahrheitsgehalt von Aussagen der zu diskreditierenden Personen unterminiert wird. Dabei ist es vielfach unerheblich, ob die diskreditierenden Äußerungen selbst wahr sind. Kritik an VerfĂ€lschungen oder Unwahrheiten wird nĂ€mlich oft mit BezĂŒgen auf (das Recht auf) freie MeinungsĂ€ußerung begegnet. Diskreditierte Akteure sind so unmittelbar herausgefordert, mit den Diskreditierungen umzugehen. Dabei reichen Gegenstrategien vom Ignorieren bis zu juristischen Schritten. Trotzdem bleibt es fĂŒr Betroffene schwierig, in geeignetem Maße auf Diskreditierungshandlungen zu reagieren. Dies hĂ€ngt auch mit massenmedialen Eigenlogiken zusammen, z. B. aufsehenerregende Ereignisse umfassender zu thematisieren und somit auch diskreditierende Inhalte bekannter werden zu lassen. Daher sind diskursive OhnmachtsgefĂŒhle oft das Ziel von Diskreditierungen, die sich ĂŒber lĂ€ngere Zeit noch verschĂ€rfen können. Denn fĂŒr die Betroffenen ist es oft nicht oder nur schwer möglich, sich vom durch die Diskreditierung ausgelösten Medien– und/oder Diskursereignis zu lösen. Auch daher erscheint das Diskreditieren als eine verbreitete und zugleich gefĂ€hrliche Praktik in öffentlichen, aber auch privateren Kontexten.

Erweiterte BegriffsklÀrung

Das Diskreditieren hat als invektive Praktik große Ähnlichkeiten zum Abwerten, Diffamieren, Herabsetzen, Verunglimpfen und Verleugnen. Das bringt zwangslĂ€ufig Abgrenzungs- und damit Typologisierungsprobleme mit sich. Diskreditierungspraktiken lassen sich aus historisch-einordnender Perspektive seit der Antike beobachten. Etymologisch setzt es sich aus den Wortbestandteilen dis ‚un-, weg-, zer-, aber auch auseinander‘ und credere ‚glauben, Glauben schenken, vertrauen, ĂŒberzeugen, aber auch ĂŒbergeben und ĂŒberlassen‘ zusammen.

Ausgehend von antiken ZusammenhĂ€ngen tritt schon Sokrates in Platons Dialogen gegenĂŒber den Sophisten (einer philosophischen Richtung, die großen Wert auf rhetorisches Geschick legt) abwertend, herabsetzend und diskreditierend auf. So wirft Sokrates den Sophisten verschiedenfach vor, nicht Philosophie im Sinne redlicher Wahrheitsfindung zu betreiben, sondern rhetorische Überzeugungstricks fĂŒr z. B. finanzielle Vorteile zu nutzen (vgl. Meissner 1898: 8). Wie wirkmĂ€chtig Diskreditierungen sind, zeigt sich ebenfalls anhand dieses Beispiels, war es doch ĂŒber Jahrhunderte hinweg nahezu kanonische EinschĂ€tzung, dass die platonische Kritik an den Sophisten legitim war. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ist man langsam dazu ĂŒbergegangen, ihre EigenstĂ€ndigkeit und ihren philosophischen Rang anzuerkennen:

Darnach stellt sich uns die Sophistik als eine aus der ganzen geschichtlichen Entwicklung mit Notwendigkeit sich ergebende Erscheinung dar, die eine hohe kulturhistorische Bedeutung hatte [
]. Von diesem Gesichtspunkt aus gelangen wir nun zu dem Resultate, dass Platons Auffassung der Sophistik nicht von Einseitigkeit freigesprochen werden kann. (Meissner 1989: 15)

Anhand dieses Zitats zeigt sich auch, dass die Neubewertung der Sophisten Platons AusfĂŒhrungen selbst in einem anderen, weniger neutralen Licht erscheinen lassen. Dies ist zugleich eine Herausforderung hinsichtlich der Erfassung diskreditierender Handlungen: Wann sind Äußerungen z. B. noch legitime, wenn auch harsche Kritik und wann wird die Grenze zum Diskreditieren erreicht?

Diskreditierende Sprachhandlungen im Laufe der Geschichte sind sowohl gegen einzelne Akteure bzw. Akteursgruppen, aber auch ganze Rassen und Ethnien gerichtet. Schon der griechische Ausdruck barbaros (etymologischer VorlĂ€ufer des heutigen Ausdrucks Barbar) lĂ€sst sich in einem solchen Sinne deuten, ist dieser doch eine onomatopoetische Reduplikation (d. h. lautmalerische Wiederholung von Wortbestandteilen) von Stammeln – fremden (barbarischen) Völker wird so die FĂ€higkeit zur sinnhaften Kommunikation und damit verbundenen Prozessen wie der sinnhaften sowie erkenntnisfördernden Begriffsbildung abgesprochen.

Diskreditierungen richteten sich erwartbar vielgestaltig gegen marginalisierte Ethnien. Es ist wenig verwunderlich, dass sich eine lange Tradition jĂŒdischer Diskreditierungen von der Antike bis in die Neuzeit ausmachen lĂ€sst: „nahezu 2000 Jahre lang wurde ein Bild von ‚dem‘ Juden geschaffen“ (Lobenstein-Reichmann 2021: 265); durchsetzt von religiösen, gesellschaftlichen, rassistischen und ideologischen Diskreditierungshandlungen mit rufschĂ€digenden VorwĂŒrfen; darunter fehlende Vaterlandstreue, feindseliger Hass gegenĂŒber AndersglĂ€ubigen, Gottesmord sowie finanzieller Manipulation und Wucherei, bis hin zu Weltherrschaftsverschwörungstheorien (vgl. Lobenstein-Reichmann 2021: 267–279). All diese Diskreditierungen fĂŒhren zu umfassenden Dehumanisierungen (vgl. Lobenstein-Reichmann 2008: 289) – mit den so fatalen wie bekannten Konsequenzen der Judenverfolgung der Neuzeit und Moderne. Wie sich diese Handlungen konkret-individuell auswirken, hat z. B. der Philologe Victor Klemperer fĂŒr die Zeit des ‚Dritten Reiches‘ festgehalten:

Die von Klemperer hochgeschÀtzten Bewertungsmechanismen entlang beruflicher Leistung, Intelligenz und Vertrauen werden mit einem Male diskreditiert und marginalisiert. In seinem sozialen und beruflichen Umfeld erfÀhrt Klemperer [
] Respektverlust, Ignoranz, Marginalisierung und letztendlich geradezu totale Isolation. (Sepp 2017: 274)

Auch andere Akteursgruppen waren und sind davon betroffen, wie etwa Sinti und Roma, die ĂŒber den abwertend verwendeten Ausdruck Zigeuner schon im FrĂŒhneuhochdeutschen diskreditiert wurden. Genauer gesagt lassen sich vermittels solcher AusdrĂŒcke gleich zwei Diskreditierungshandlungen vollziehen:

Zum einen wird der so angesprochene ‚Nichtzigeuner‘ beleidigt, zum anderen werden mit dieser Ansprache die negativen Bewertungen gegenĂŒber der so heißenden Gruppe bestĂ€tigt und weitergetragen. (Lobenstein-Reichmann 2013: 34)

Diese Form der doppelten Diskreditierung lĂ€sst sich bis in die heutige Zeit beobachten, angefangen von Kommunismus-VorwĂŒrfen mehr oder weniger im gesamten Verlauf des 20. Jahrhunderts bis hin zu VorwĂŒrfen des Woke-, Links-, Linksradikal-Seins (oft in verschiedenfacher Kombinierung der AusdrĂŒcke).

Erkennbar wird, dass nahezu jeder diskreditierend handeln kann. Historisch wie gegenwĂ€rtig gibt es zwar bestimmte Akteure oder Akteursgruppen, deren Diskreditierungshandlungen stĂ€rker wahrgenommen werden – insbesondere Politiker*innen sowie Personen des öffentlichen Lebens –, das heißt aber nicht, dass nicht auch im privaten Raum solche Handlungen nicht nur möglich sind, sondern auch vollzogen werden (sie sind dahingehend nur nicht so auffĂ€llig). Dergestalt kann das Diskreditieren akteursbezogen als fast schon universelle Strategie gelten. Nichtsdestotrotz können verschiedene Dimensionen vor allem des Grades der AnonymitĂ€t unterschieden werden. Dies ist vor allem bei WahlkĂ€mpfen ein beliebtes Mittel:

Als erstes Beispiel dafĂŒr soll die Kontroverse um einen Wahlkampfspot von 1988 dienen (URL: https://www.youtube.com/watch?v=qm3XTansvTs, Youtube (2012)): Um seinen demokratischen Gegner Michael Dukakis hinsichtlich dessen Positionen zur VerbrechensbekĂ€mpfung zu diskreditieren, wurde ein Spot im Umfeld des republikanischen PrĂ€sidentschaftskandidaten George H. W. Bush ĂŒber ein von der Kampagne unabhĂ€ngiges Komitee lanciert. In diesem Spot wurde das Verbrechen eines verurteilten, aber im Rahmen von Resozialisierungsprogrammen an Wochenenden freigelassenen afroamerikanischen Mannes (Willie Horton) instrumentalisiert, um dem demokratischen Kandidaten Dukakis zu schaden. Dies ist ein Beispiel fĂŒr eine pseudoanonymisierte Diskreditierung, da die Bush-Kampagne zwar leugnen konnte, den Spot selbst hergestellt und veröffentlicht zu haben, sie aber trotzdem damit in Beziehung gesetzt wurde. Ein weiteres Beispiel fĂŒr anonyme Diskreditierung gibt Abb. 1: Die auf dem Wahlplakat vollzogenen invektiven Handlungen lassen sich ebenso als rufschĂ€digende Diskreditierungen lesen, wird doch der Kanzlerkandidat der GrĂŒnen im Wahlkampf 2024/25, Robert Habeck, als lĂŒgender sowie inkompetenter (Keine Ahnung) Politiker verunglimpft (siehe hierzu auch Adbusting):

Abb. 1: Anonyme Diskreditierungshandlung auf einem Wahlplakat der GrĂŒnen im Wahlkampf 2024/25 (NDR 2025).

Anhand des Wahlplakatbeispiels lassen sich zudem Voraussetzungen und Bedingungen glĂŒckender Diskreditierungshandlungen exemplifizieren: Das Diskreditieren ist eine Deligitimierungsstrategie (vgl. Leschzyk 2021: 127). Damit sie gelingt, bedarf es eines gewissen Maßes an Vertrauen in die Person, die diskreditiert oder aber ein gewisses Maß vorhandenen Misstrauens gegenĂŒber der Person, die diskreditiert werden soll (vgl. Leschzyk 2021: 115–116). Damit die diskreditierenden VorwĂŒrfe gegenĂŒber Dukakis in den 1980ern und gegenĂŒber Habeck in den 2020ern verfangen, muss entweder ein Misstrauen gegenĂŒber deren Aufrichtigkeit, Geradlinigkeit, Kompetenz, Fairness oder Engagement (vgl. Leschzyk 2021: 121) vorherrschen, oder aber man spricht diese Kriterien ihren Gegner*innen zu – was im Falle George H. W. Bush einfacher funktioniert als im Beispiel der anonymisierten Diskreditierung. Wenn allein negative Vormeinungen ausreichend sind, ist dies ein Indiz fĂŒr das allgemeinere öffentliche Bild der sozialen Rollen oder Berufe der diskreditierten Personen – in diesem Fall des Politikers. Insbesondere im Rahmen der Corona-Pandemie haben Politiker*innen erhebliche Vertrauensverluste erfahren mĂŒssen, was sich in umfassenden Diskreditierungshandlungen widergespiegelt hat (vgl. Leschzyk 2021: 138).

Aus einer etwas abstrakteren Perspektive ist eine weitere wichtige Voraussetzung die zumindest potenziell mögliche Freiheit des Ausdrucks. Irritierenderweise gehört das Diskreditieren somit zu den Praktiken, die die Habermas’sche Idee des herrschaftsfreien Diskurses zwar pervertieren, von solchen Grundbedingungen aber zehren bzw. dieser bedĂŒrfen, um ein- bzw. umgesetzt werden zu können. Dies erkennt man auch daran, dass Verteidigungen diskreditierender Handlungen dies oft mit Rekurs auf das Recht der freien MeinungsĂ€ußerung tun. Neben gesellschaftlich-diskursiven gibt es noch mediale Bedingungen, die das Diskreditieren befördern oder behindern. Zum einen hĂ€ngen beide Aspekte miteinander zusammen – im Sinne einer freien und sich so auch frei Ă€ußernden Presse –, zum anderen sind es insbesondere staatlich kaum oder unregulierte Medien oder das Internet, die Diskreditierungshandlungen wahrscheinlicher machen (vgl. Marx 2013: 387).

Deutlich hat sich schon die NĂ€he des Diskreditierens zu anderen invektiven Praktiken abgezeichnet und vielfach wird es entweder als umbrella term, also Überbegriff fĂŒr Ă€hnliche PhĂ€nomene, oder als Unterelement eines anderen PhĂ€nomens, das dann als umbrella term fungiert, kategorisiert. Hinsichtlich der Arten und Typen besteht z. B. eine große NĂ€he zum Mobbing (vgl. Marx 2013: 387) oder Diskriminieren (vgl. Bak 2017: 148) – bezĂŒglich letzterem sind beide PhĂ€nomene geeint in ihrem Bezug auf

lexikalisch, grammatisch, stilistisch gestaltete [
] PrÀdikationen, mit denen bestimmte Autoren oder Autorengruppen andere Menschen und deren Gruppen kollektiv beeigenschaften und ihr Bild dadurch in der je zeittypischen kollektiven Wahrnehmung beeinflussen. (Lobenstein-Reichmann 2013: 91)

Versucht man sich an Zuordnungskriterien, so zeigt sich, dass Handlungen, die sich auf vor allem sittlich-moralische Abwertung und Verunglimpfung beziehen, meist als Diskreditierungshandlungen eingeordnet werden können (vgl. Lobenstein-Reichmann 2013: 266–267). Seltener, aber dennoch anzutreffen, sind epistemische Kontexte, im Rahmen derer die zu diskreditierenden Personen der LĂŒge bezichtigt werden, um so rufschĂ€digend zu wirken, wĂ€hrend die diskreditierenden Personen sich selbst aufwerten: „Diese beiden Komponenten der Diskreditierung des Gegners, Inanspruchnahme des Wahrheitsbesitzes bei gleichzeitiger Erniedrigung des Kontrahenten, liegen dicht beieinander“ (Lobenstein-Reichmann 2008: 310).

Sprachlich-kommunikative Realisierungsformen des Diskreditierens sind so vielgestaltig wie erwartbar. Oft verorten sie sich innerhalb verschiedener Pole: So kann einerseits durch pragmatische NormverstĂ¶ĂŸe, anhand von Beleidigungen, offensiven Ausdrucksweisen oder durch andere Formen des derben, aggressiven oder invektiven Ausdrucks, diskreditiert werden, ebenso wie andererseits durch das Vermeiden von NormverstĂ¶ĂŸen, z. B. das Imitieren opferseitigen Sprachgebrauchs im Sinne ironischer Persiflage (‚Vielen lieben Dank fĂŒr deine guten RatschlĂ€ge, da habe ich jetzt viel zum Nachdenken und Reflektieren‘). Auch scheinbar unauffĂ€llige Äußerungen, wie dass jemand ‚eine Handlung trotz all seiner EinschrĂ€nkungen gut erfĂŒllt hat‘, kann so diskreditierende Wirkung entfalten, bedenkt man darin enthaltende invektive Implikationen (vgl. Marx 2013: 388–391).

Dergestalt deuten sich auch die Funktionen des Diskreditierens an: GrundsĂ€tzlich geht es um die Abwertung der anderen und zugleich die Aufwertung sowie Durchsetzung der eigenen Person sowie Position. Dergestalt spielt vor allem der Diskursfaktor Macht eine wichtige Rolle: Durch das Diskreditieren wird immer in irgendeiner Form diskursive Macht gegenĂŒber denjenigen ausgeĂŒbt, die diskreditiert werden und dadurch zugleich in irgendeiner Form einen Machtverlust erfahren sollen. Dabei ist die FunktionalitĂ€t des Diskreditierens an seine diskursive LegitimitĂ€t gebunden: Verstoßen Diskreditierungshandlungen gegen Regeln des Diskurses, in dem diese stattfinden, kann sich die diskreditierende Wirkung zwar anfangs entfalten, sich dann aber gegen die diskreditierende Person wenden.

Zwar gibt es hinsichtlich des Diskreditierens keine gebrĂ€uchlichen Gegenstrategien, die stets erfolgsversprechend erscheinen. Nichtsdestoweniger gibt es aber eine Vielzahl an Möglichkeiten des Entgegnens: Angefangen beim Ignorieren, ĂŒber das ZurĂŒckweisen diskreditierender Äußerungen bis hin zu der gefĂ€hrlichen Strategie des selbst diskreditierenden Agierens (was eine Eskalationsspirale nach sich ziehen kann) und juristischen Maßnahmen. Auch Formen des Humors können als Gegenstrategien fungieren, wie anhand des PrĂ€sidentschaftswahlkampfes 1984 zwischen Ronald Reagan und Walter Mondale beispielhaft nachvollzogen werden kann: Reagan, zu diesem Zeitpunkt mit 73 Jahren der Ă€lteste Kandidat auf dieses Amt, griff in einer Debatte geschickt das potenziell diskreditierende Thema seines Alters auf und Ă€ußerte, er wolle die Jugend und Unerfahrenheit seines Gegners nicht fĂŒr politische Zwecke ausnutzen (Mondale war zu diesem Zeitpunkt 56). Nicht nur konnte er so sein Alter als potenziell diskreditierendes Thema nivellieren, zugleich agierte er mit dieser Äußerung selbst indirekt diskreditierend, stellte er sich doch so als politisch erfahrener dar als sein Gegner (siehe dazu auch Beispiel (1)). GrundsĂ€tzlich bleibt, insbesondere bei öffentlichen Diskreditierungen, aber trotz aller möglichen Gegenstrategien das Risiko bestehen, dass das diskreditierende Thema weiterhin mit der diskreditierten Person in Verbindung gebracht wird.

Beispiele

(1) Diskreditierung im politischen Diskurs unter demokratischen Bedingungen des amerikanischen PrÀsidentschaftswahlkampfes 2020

Welcome to the race Sleepy Joe. (Trump-Tweet vom 25.04.2020) (Haltiwanger 2020)

Insbesondere in Wahlkampfzeiten agieren politische Akteure diskreditierend, um ihre Gegner*innen ab- und sich selbst aufzuwerten. Der 45. und 47. PrĂ€sident Donald Trump kann in einem negativen Sinne als Meister dieser Strategie beschrieben werden. Verschiedenfach ist er durch geschickt konstruierte diskreditierende Spitznamen aufgefallen, vermittels derer er (vermeintliche) SchwĂ€chen seiner Gegner*in verdichtet erfassen konnte. So auch im PrĂ€sidentschaftswahlkampf 2020 gegen seinen demokratischen Konkurrenten Joe Biden, den er im oben zitierten Tweet als Sleepy Joe tituliert. Einerseits spielt (der nur vier Jahre jĂŒngere) Trump damit auf das schon im Wahlkampf 2020 als problematisch wahrgenommene Alter Bidens an, um so dessen
z. B. kognitive Kompetenzen in Frage zu stellen, andererseits suggeriert er damit auch fehlende Entscheidungs- sowie Durchsetzungskraft. Letzteres hat im gesamten Wahlkampf eine Rolle gespielt, da Biden aufgrund der Corona-Pandemie vielfach auf öffentliche Wahlkampfauftritte verzichtete – im Gegensatz zu Trump. Sleepy Joe war zudem nicht der einzige diskreditierende Spitzname, mit dem Trump Biden belegte. Im Laufe der nĂ€chsten Jahre folgten weitere, darunter Crooked Joe, Joe Hiden oder Slow Joe (vgl. Wikipedia-Artikel). Bis auf Crooked Joe, mit dem Biden dem Vorwurf der Korruption und Bestechlichkeit ausgesetzt wurde, zielen die anderen diskreditierenden Spitznamen in eine Ă€hnliche Richtung, sollen fehlende Energie und altersbedingte kognitive Defizite unterstellen (Slow Joe) sowie die Abwesenheit öffentlicher Auftritte thematisieren (Joe Hiden), um Trump als geeigneteren Kandidaten erscheinen zu lassen. Wie geschickt Trump mit diskreditierenden Äußerungen umgeht, zeigt Bidens Reaktion. Auf den diskreditierenden Spitznamen Sleepy Joe angesprochen, reagiert Biden dergestalt, indem er Trump als clown bezeichnet (vgl. Haltiwanger 2020) – was im Gegensatz zu Trumps spezifisch-zielgerichteter Äußerung zu unkonkret sowie ungefĂ€hrlich wirkt (und deswegen auch medial nicht verfing; im Gegensatz zu Sleepy Joe).

(2) Diskreditierung im politischen Diskurs unter den totalitĂ€ren Bedingungen des ‚Dritten Reiches‘

Es muss in diesem Zusammenhang noch die Diskreditierung des Sozialismus, durch die systematische Diskreditierung des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion, seitens der SPD und besonders des „VorwĂ€rts“ erwĂ€hnt werden. Wer den „VorwĂ€rts“ von 1918 bis in die letzte Zeit nachliest, kann sehen, mit welcher Unsumme, verbissener GehĂ€ssigkeit und totalen UnverstĂ€ndnis jede Schwierigkeit des Aufbaus des Sozialismus in der SU kommentiert und als das Wesentliche in der Entwicklung der SU dargestellt wurde. Statt den Arbeitern und KleinbĂŒrgern den Aufbau des Sozialismus in der SU mit seinen Schwierigkeiten zu erklĂ€ren, sie auf das Neue in der Geschichte der Menschheit aufmerksam zu machen, entwickelten die SPD und besonders der „VorwĂ€rts“ – man kann es nicht anders ausdrĂŒcken – eine systematische Greuelpropaganda. Die nationalsozialistische Propaganda gegen die SU findet in ihrer tĂ€glichen Hetze wahrlich eine reiche Tradition, hinterlassen von der sozialdemokratischen Propaganda, vor. Die Greuelpropaganda gegen die SU wird ĂŒbrigens bis zum heutigen Tage im „Neuen VorwĂ€rts“ fortgesetzt – nachdem es einige Zeit schien, als ob sich der „Neue VorwĂ€rts“ eines Besseren besonnen hĂ€tte. (Tarnschrift 0689 (1937): 3)

Eine Gegenstrategie bei Diskreditierungshandlungen ist die Aufarbeitung und Richtigstellung. Dies zeigt sich auch anhand des Ausschnittes aus einem kommunistischen Text innerhalb einer Tarnschrift wĂ€hrend des ‚Dritten Reiches‘. Inhaltlich bezieht sich dieser auf die langjĂ€hrigen Konflikte zwischen kommunistischen und sozialdemokratischen Akteursgruppen wĂ€hrend der Weimarer Republik und zu Beginn des ‚Dritten Reiches‘ – ein Konflikt, der lange Zeit eine geeinte Widerstandsfront gegen den Nationalsozialismus verhinderte. Aus kommunistischer Perspektive werden die Diskreditierungsstrategien sozialdemokratischer Akteure (SPD) und Publikationsorgane (VorwĂ€rts) kritisiert. Deutlich werden Aspekte, vor allem auf sittlich-moralischer Ebene, benannt, von der verbissenen GehĂ€ssigkeit und dem totalen UnverstĂ€ndnis gegenĂŒber kommunistischen Akteuren und Positionen bis hin zur Greuelpropaganda, auf deren Tradition nun die nationalsozialistische Propaganda zurĂŒckgreifen kann. Im Rahmen dieses In-Beziehung-Setzens von Sozialdemokratie und Nationalsozialismus können die Äußerungen zugleich als Diskreditierungshandlungen selbst charakterisiert werden – ein Beispiel fĂŒr das Zusammenspiel aus Diskreditierung und Gegendiskreditierung.

(3) Diskreditierung innerhalb der fachlichen Community in Bezug auf bestimmte Krankheits-/Störungstypen

Indess stehen doch die einzelnen Leidenschaften als Motive strafbarer Handlungen in einem verschiedenen VerhĂ€ltnisse zur ZurechnungsfĂ€higkeit, worĂŒber mir einige Andeutungen vergönnt werden mögen. Am strengsten werden unter ihnen stets die egoistischen der Ehr-, Herrsch- und Habsucht zu beurtheilen sein, da sie schon an und fĂŒr sich im Widerspruche mit dem sittlichen Princip stehen, weil sie stets ihre Zwecke auf Kosten fremder Wohlfahrt zu befördern streben. Sie können nur durch eine sehr wachsame Reflexion im Zaum gehalten werden, damit sie nicht immerfort den Antrieb zu RechtsĂŒberschreitungen geben. Wenn die Gesetzgebung ihnen nicht einen besonders starken Damm entgegenstellte, so wĂŒrden sie schon lĂ€ngst die ganze Erde verwĂŒstet haben. (Ideler 1854: 56)

Die UniversalitĂ€t und SelbstverstĂ€ndlichkeit diskreditierender Sprachhandlungen zeigt sich auch in scheinbar unverdĂ€chtigen Textgattungen, wie in diesem Fall einem Gutachten eines Psychiaters aus dem 19. Jahrhundert. Darin wird ein bestimmter Krankheits- bzw. Störungstyp charakterisiert. Doch zeigen sich schnell invektive ZĂŒge der Beschreibung, die, dem Diskreditieren charakteristisch, erneut auf sittlich-moralischer Ebene (sittlichen Princip) stattfinden. Insbesondere im letzten Satz finden sich grob-negative Verallgemeinerungen, um daraus Konsequenzen abzuleiten. Auch offenbart sich anhand des Beispiels der Diskursfaktor Macht, unterscheidet der Psychiater Ideler doch zwischen in Zaum zu haltenden Kranken, die bei zu wenig Aufmerksamkeit lĂ€ngst die ganze Erde verwĂŒstet hĂ€tten, und ihm selbst sowie anderen seiner Profession, die diese mittels sehr wachsamer Reflexion im Zaum halten. Die Gefahr machtvoller Psychiatrien gegenĂŒber ohnmĂ€chtigen, weitestgehend entrechteten Patient*innen ist etwas, das insbesondere der Diskursforscher Michel Foucault umfassend aufgearbeitet hat. Ein Nebendiskurs dieser Machtthematisierung ist das Aufarbeiten und Reflektieren invektiver, abwertend-stigmatisierender Äußerungen ĂŒber Patient*innen. Denn gerade diese, in ihrer sozialen Rolle als Patient*innen oftmals ohnmĂ€chtige oder handlungseingeschrĂ€nkte Personen können so, wie das Beispiel zeigt, rasch kollektiviert, entindividualisiert und in ihrem Krankheits- bzw. Störungsspektrum diskreditiert werden.

(4) Diskreditierung innerhalb der fachlichen Community im Rahmen eines Briefes von Martin Heidegger an Karl Jaspers ĂŒber ihren Kollegen Ernst Robert Curtius.

Zufolge einer Übung aus den letzten und frĂŒheren Jahren merkte ich zwar sogleich an dem Ton und dem niedrigen Niveau der Anpöbelung durch E.R. Curtius, daß hier im Eigentlichen das Vorhaben faul sei. Aber daß ein Mann, der jetzt doch als der erste Philologe der Welt gefeiert sein will, so schlecht lese, hĂ€tte ich doch nicht erwartet [
]. Mir ist das Ganze unverstĂ€ndlich und ekelhaft. Aber die Öffentlichkeit fĂŒttert sich nur von solchen leeren Sensationen. (Heidegger 1990 [1949]: 180)

Das Besondere des InvektivitĂ€tskonzeptes besteht darin, dass es nicht von zwei Positionen ausgeht – einer invektiv handelnden Person und einer Person, an die die Invektive gerichtet ist –, sondern von dreien: Neben der invektiv handelnden Person und der Person, an die die Invektive gerichtet ist, gibt es noch andere Personen (eine Art von Publikum), die zentral (mit-)entscheiden, ob eine Äußerung als invektiv einzustufen ist oder nicht. Das bedeutet, dass z. B. Forschende sprachliche Handlungen als invektiv charakterisieren können, selbst wenn diese nicht durch die Personen, gegen die die Invektiven gerichtet sind, wahrgenommen oder so interpretiert werden (vgl. SchĂŒtz 2024: 242). Dies trifft auf dieses Beispiel zu, wird doch die diskreditierte Person, der Wissenschaftler Ernst Robert Curtius, die Äußerungen des Philosophen Martin Heideggers in einem Brief an Karl Jaspers wahrscheinlich nie mitbekommen (haben). Nichtsdestotrotz zeigt sich anhand Heideggers AusfĂŒhrungen ein abwertender, herabsetzender und verunglimpfender Impetus; so spricht er vom niedrigen Niveau der Anpöbelung durch Curtius und wertet ihn in seiner sozialen Rolle bzw. seinem Beruf als Philologe ab, der sein eigenes Handwerk nicht versteht (so schlecht lese). Auch dieses Beispiel indiziert die SelbstverstĂ€ndlichkeit diskreditierender Handlungen in unterschiedlichen kommunikativen UmstĂ€nden und Situationen.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Marx, Konstanze (2017): DiskursphĂ€nomen Cybermobbing. Ein internetlinguistischer Zugang zu (digitaler) Gewalt. Berlin, Boston: de Gruyter.

  • Meier-Vieracker, Simon; KĂ€mper, Heidrun; Warnke, Ingo H. (2024) (Hrsg.): Invective Discourse. Berlin, Boston: de Gruyter.

Zitierte Literatur und Belege

  • Bak, Pawel (2017): Offene und versteckte Aggression im Gebrauch von Dysphemismen und Euphemismen. In: Bonacchi, Silvia (Hrsg.): Verbale Aggression. MultidisziplinĂ€re ZugĂ€nge zur verletzenden Macht der Sprache. Berlin, Boston: de Gruyter, S. 145–168.

  • Haltiwanger, John (2020): Joe Biden has a new nickname for Trump after the president called him ‚Sleepy Joe‘. In: Business Insider. Online unter: https://www.businessinsider.com/joe-biden-has-nickname-for-trump-after-president-called-him-sleepy-joe-2019-5 ; Zugriff: 03.04.2025.

  • Heidegger, Martin/Jaspers, Karl (1990) [1920-1963]: Briefwechsel 1920–1963. Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann.

  • Ideler, Karl Wilhelm (1854): Neue Auswahl medicinisch-gerichtlicher Gutachten zur Gerichtlichen Psychologie. Berlin: August Hirschwald.

  • Leschzyk, Dinah K. (2021): Diskreditierung in der Krise. Rhetorische Angriffe auf die VertrauenswĂŒrdigkeit der österreichischen Regierung. In: BĂŒlow, Lars; Diehr, Anne; Pfurtscheller, Daniel; Thome, Sebastian (Hrsg.): Corona-Diskurse in und ĂŒber Österreich. Wien: UniversitĂ€tsverlag, S. 113–151.

  • Lobenstein-Reichmann, Anja (2021): Vom Antijudaismus zum Antisemitismus – Ein diskursanalytischer RĂŒckblick am Beispiel von Jugo Bettauers Stadt ohne Juden. In: BĂ€r, Jochen (Hrsg.): Historische Text- und Diskurssemantik. Berlin, Boston: de Gruyter, S. 264–293.

  • Lobenstein-Reichmann, Anja (2013): Sprachliche Ausgrenzung im spĂ€ten Mittelalter und in der frĂŒhen Neuzeit. Berlin, Boston: de Gruyter.

  • Lobenstein-Reichmann, Anja (2008): Houston Stewart Chamberlain – Zur textlichen Konstruktion einer Weltanschauung. Eine sprach-, diskurs- und ideologiegeschichtliche Analyse. Berlin, New York: de Gruyter.

  • Marx, Konstanze (2013): Diskreditierung im Internet als persuasive Strategie – Fallbeispiele. In: Elisabeth Knipf-Komlosi (Hrsg.): Dynamik der Sprache(n) und der Disziplinen. Budapest: ELTE, S. 387–394.

  • Meissner, Johannes (1898): ErlĂ€uterung und WĂŒrdigung des Urteils Platons ĂŒber die Sophistik. Wissenschaftliche Beilage zum dreiunddreissigsten Jahresbericht der Realschule und des Progymnasiums zu Solingen. Solingen: Albert Pfeiffer.

  • SchĂŒtz, Johannes (2024): Beleidigungen, SchmĂ€hungen, Angriffe. Invektive Dynamiken und rassistische Gewalt in der spĂ€ten DDR. In: Schwerhoff, Gerd; Fehlemann, Silke; Greschke, Heike; Kanzler, Katja (Hrsg.): An den Grenzen der InvektivitĂ€t. Frankfurt a. M.: Campus, S. 239–256.

  • Sepp, Arvi (2017): Kulturhistorische Blicke auf die Sprache des Dritten Reiches und die antisemitische Hassrede. Victor Klemperers Auseinandersetzung mit der verbalen Verletzung im Nationalsozialismus. In: Bonacchi, Silvia (Hrsg.): Verbale Aggression. MultidisziplinĂ€re ZugĂ€nge zur verletzenden Macht der Sprache. Berlin, Boston: de Gruyter, S. 269–287.

  • Tarnschrift 0689 (1937): Baudissin, E. GrĂ€fin von: Kriegskameraden und andere ErzĂ€hlungen. Online unter: http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0672 ; Zugriff: 03.04.2025.

  • Thurn, Anabelle (2018): Rufmord in der spĂ€ten römischen Republik. Charakterbezogene Diffamierungsstrategien in Ciceros Reden und Briefen. Berlin, Boston: de Gruyter.

  • Wikipedia: List of nicknames used by Donald Trump. Online unter: https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_nicknames_used_by_Donald_Trump#Domestic_political_figures ; Zugriff: 03.04.2025.

  • Youtube (2012): Bush „Willie Horton“ ad ’88. Veröffentlicht unter Heathstory. 18.08.2012. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=qm3XTansvTs ; Zugriff: 23.05.2025.

Abbildungsverzeichnis

Zitiervorschlag

Markewitz, Friedrich (2025): Diskreditieren. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 27.05.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/diskreditieren.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche TĂ€tigkeit, in der man sich mithilfe von GrĂŒnden darum bemĂŒht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klĂ€ren.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung fĂŒr FĂŒhrung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative FĂ€higkeit, lĂ€ngere zusammenhĂ€ngende sprachliche Äußerungen wie ErzĂ€hlungen, ErklĂ€rungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, mĂŒssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage fĂŒr Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die FĂ€higkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhĂ€ngig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, KrĂ€fteverhĂ€ltnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf WahrheitsansprĂŒche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Metapher

In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht ĂŒbersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff fĂŒr die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers JĂŒrgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚NormalitĂ€t‘ und ‚AnormalitĂ€t‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Techniken

NĂ€he inszenieren

Die Inszenierung von NÀhe beschreibt eine Kommunikations>>praktik, bei der Akteur:innen Techniken einsetzen, um Vertrautheit, Sympathie und AuthentizitÀt zu vermitteln (z.B. das Angebot einer:s Vorgesetzten, zu duzen).

Diplomatie

Diplomatie bezeichnet im engeren Sinne eine Form der Kommunikation zwischen offiziellen Vertretern von Staaten, die die Aufgabe haben, zwischenstaatliche Beziehungen durch und fĂŒr Verhandlungen aufrecht zu erhalten. Diese Vertreter können Politiker oder Beamte, insbesondere des diplomatischen Dienstes, sowie Vertreter internationaler Organisationen sein.

Typografie

Typografie bezeichnet im modernen Gebrauch generell die Gestaltung und visuelle Darstellung von Schrift, Text und (in einem erweiterten Sinne) auch die Dokument-Gesamtgestaltung (inklusive visueller Formen wie Abbildungen, Tabellen, Taxono-mien usw.) im Bereich maschinell hergestellter Texte (sowohl im Druck als auch auf dem Bildschirm)

Fact Checking

Fact Checking ist eine kommunikationsstrategische Interventionstechnik, bei der eine Diskursaussage auf Bild oder Textbasis unter dem Gesichtspunkt der FaktizitĂ€t bewertet wird. Sie ist ĂŒberwiegend in journalistische Formate eingebettet, die als Faktencheck bezeichnet werden.

Distanzieren

Distanzieren bezeichnet die Abgrenzung eines individuellen oder organisationalen Akteurs von einem anderen Akteur. Eine Distanzierung kann kommunikativ oder operativ vollzogen werden, d. h. die Abgrenzung findet verbal oder unter AufkĂŒndigung eines ArbeitsverhĂ€ltnisses statt.

Kontaktschuld-Topos

« ZurĂŒck zur ArtikelĂŒbersichtKontaktschuld-Topos Kategorie: TechnikenVerwandte AusdrĂŒcke: Assoziationsschuld, Applaus von falscher Seite, ad hominem, Guilt by AssociationSiehe auch: Verschwörungstheorie, Moralisierung, Freund-Feind-Begriffe, Topos, Opfer-ToposAutoren:...

Schlagbilder

Der Terminus Schlagbild bezeichnet mehr oder weniger inszenierte Bilder. Ihre Bedeutung beruht nicht nur auf ihren sichtbaren (ikonischen) Formen, sondern vielmehr auf den symbolischen Inhalten, die sich durch vielfache mediale Wiederholung und Konventionen gefestigt haben.

InvektivitÀt / MetainvektivitÀt

InvektivitĂ€t ist ein Überbegriff fĂŒr den PhĂ€nomenbereich der Herabsetzung und Ausschließung mittels symbolischer Praktiken. In Invektiven (z.B. Spott, Beleidigung, sprachliche Aggression, Diskriminierung, Hassrede) werden Einzelnen oder Gruppen marginalisierte oder niedrige soziale Positionen zugeschrieben, Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften abgesprochen oder IdentitĂ€ten negiert.

Parole

Die Parole ist ein kleines, potentes sprachliches Werkzeug, das in der politischen Kommunikation unerlÀsslich ist und zweckgebunden in politischen Mobilisierungen eingesetzt wird.

Komposita

. In der politischen Rhetorik tragen Komposita zur PrĂ€gnanz und EmotionalitĂ€t von Botschaften bei, indem sie komplexe Sachverhalte und politische Themen in zentralen Begriffen bĂŒndeln, in griffige Schlagworte packen und diese fĂŒr den gesellschaftlichen Diskurs zur VerfĂŒgung stellen (zum Beispiel Krisenmodus, Zeitenwende oder RĂŒckfĂŒhrungspatenschaften).

Schlagwörter

Remigration

Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die RĂŒckkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu Ă€ndern sucht.

BĂŒrokratie

BĂŒrokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender AusdrĂŒcke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen BĂŒrokratisierung, BĂŒrokratismus und Komposita, als wichtigstes BĂŒrokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.

Politisch korrekt / Politische Korrektheit

Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) reprĂ€sentieren ein seit den frĂŒhen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populĂ€res Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, Ă€sthetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine ĂŒberzogene, sowohl lĂ€cherliche als auch gefĂ€hrliche Moralisierung unterstellt.

Kipppunkt

Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren SachverhaltsĂ€nderung, die fatale bzw. dystopische FolgeschĂ€den auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht fĂŒr die höchste und letzte normative und LegitimitĂ€t setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen GrĂŒndungsakt eine Verfassung gibt.

ToxizitÀt / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lĂ€sst sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schĂ€dlich‘ erweitert hat, doch die UmstĂ€nde, unter denen etwas fĂŒr jemanden toxisch, d. h. schĂ€dlich ist, mĂŒssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwÀrtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezÀhlt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient hĂ€ufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die IllegitimitÀt dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Verschiebungen

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen SicherheitsverstĂ€ndnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurĂŒckzufĂŒhren ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlĂ€ssig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwĂ€rtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-KalkĂŒle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche ĂŒbertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die SphÀre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, fĂŒr (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsĂ€chlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Beobachtung zum Begriff „Diplomatie“ beim Thema Ukraine im EuropĂ€ischen Parlament

Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto „as long as it takes“ beziehungsweise „so lange wie nötig“ fĂŒr die Erweiterung der militĂ€rischen Ausstattung und der VerlĂ€ngerung des Krieges aussprachen. VorschlĂ€ge oder VorstĂ¶ĂŸe auf dem Gebiet der „Diplomatie“ im Sinne von ‚Verhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteien‘ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)

Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit

DiskursReview Die Macht der Worte (4/4):So geht kultivierter Streit Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen

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Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe

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Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen

DiskursReviewDie Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 / 06.03.2025...

Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem fĂŒr Praktiken, die das KerngeschĂ€ft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische GegenstĂ€nde miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.