DiskursGlossar

Invektivität / Metainvektivität

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Beleidigung, Hassrede, Diskriminierung, Beschämung/Scham
Siehe auch: Skandalisierung, Moralisierung, Normalismus, Opfer-Topos, Sagbarkeit, Gewaltaufruf, Macht
Autor: Joachim Scharloth
Version: 1.1 / Datum: 07.02.2025

Kurzzusammenfassung

Invektivität ist ein Überbegriff für den Phänomenbereich der Herabsetzung und Ausschließung mittels symbolischer Praktiken. In Invektiven (z. B. Spott, Beleidigung, sprachliche Aggression, Diskriminierung, Hassrede) werden Einzelnen oder Gruppen marginalisierte oder niedrige soziale Positionen zugeschrieben, Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften abgesprochen oder Identitäten negiert.

Metainvektivität bezeichnet den Phänomenbereich der Thematisierung von Invektiven. Dazu zählen beispielsweise Behauptungen, herabgewürdigt oder beleidigt worden zu sein (Das war aber jetzt unter die Gürtellinie!), identitätspolitische Positionierungen (Dein Weißsein ist dein Privileg.) oder Zuschreibungen invektiver Bedeutungsaspekte zu sprachlichen Ausdrücken (Der Ausdruck ,Kartoffel‘ ist rassistisch.).

Invektivität und Metainvektivität sind eng miteinander verwoben. Zum einen bestimmen metainvektive Diskurse, was als invektiv gilt. Zum anderen haben metainvektive Aussagen das Potenzial, selbst invektiv gedeutet zu werden und so Spiralen wechselseitiger Herabwürdigung in Gang zu setzen.

Diskursiv relevant sind Invektivität und Metainvektivität insofern, als über sie Identitäten, Zugehörigkeiten, Werte und soziale Ordnungsvorstellungen verhandelt werden.

Erweiterte Begriffsklärung

Invektivität (von lat. invehi, invehor, invectus sum, u. a.: ,losgehen auf‘, ,jemanden anfahren‘, ,schimpfen‘,  ,schelten‘, ,beschimpfen‘) ist ein zentrales Mittel der Verhandlung gesellschaftlicher Werte und Ordnungsvorstellungen. In Debatten über die Frage, welche semiotischen Formen und kommunikativen Akte als herabwürdigend und ausgrenzend gelten sollen, verständigen sich Gesellschaften über Normalität und Devianz, über Hegemonie und Teilhabe sowie über Werte und Moral. Dabei sind invektive Ereignisse häufig Auslöser für invektive Debatten.

Zentrale sozialwissenschaftliche Theorien setzen Verständigung und positiven Austausch als Normalfall der Kommunikation voraus: Erving Goffmans Face-Theorie (Goffman 1967) geht beispielsweise davon aus, dass Menschen in ihrem kommunikativen Verhalten normalerweise darum bemüht sind, sich wechselseitig positiv zu bestätigen, d. h. sich ihres gesellschaftlichen Wertes zu versichern. In Axel Honneths Anerkennungstheorie sind wechselseitige Anerkennungsformen – Liebe, Recht und Solidarität – übliche Faktoren bei der Identitätsentwicklung, da sie das Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und die soziale Integration fördern und somit die Basis für eine stabile und positive Identität schaffen.

Dagegen begreift Invektivitätstheorie die Herabsetzung und die Verweigerung von Anerkennung nicht als Ausnahme oder Störfall der Kommunikation. Kommunikation wird viel mehr als grundsätzlich ambig aufgefasst und gesellschaftliche Verständigung als grundsätzlich konflikthaft oder polemogen. Mechanismen von Aggression und Herabsetzung sind universell, die Gefährdung der Ordnung ist der Normalfall. Die Gefährdung von Ordnung impliziert freilich auch die Möglichkeit ihrer Veränderung. Insofern versteht sich Invektivitätstheorie als ein „Kulturmodell“ (Ellerbrock et al. 2018) zur Erklärung diskursiver Prozesse der Dynamisierung und Festigung gesellschaftlicher Ordnung.

In Invektiven werden Personen oder Gruppen marginalisierte gesellschaftliche Positionen zugeschrieben. Anders als physische Gewalt kann die symbolische Gewalt einer Invektive jedoch nicht aufgezwungen werden. Ob invektive Akte ihre herabwürdigende Kraft entfalten können, hängt zum einen vom Verhalten der adressierten Person, zum anderen aber auch von den anwesenden Zeugen und ggf. einem medialen Publikum ab, die in ihren Reaktionen und Anschlusskommunikationen die Zuschreibung als gültig anerkennen, kritisieren oder ablehnen können. Die Rolle Dritter ist damit jedoch noch nicht erschöpft: Häufig wird im Namen Dritter gesprochen, um der Herabwürdigung eine größere Legitimität zu verleihen (Wir müssen unsere Frauen und Kinder vor Migranten schützen!), Invektiven werden aber auch in den von Dritten etablierten sprachlichen Mustern vorgebracht und rekurrieren so auf gesellschaftlich verbreitete Stereotype (Ausländerkriminalität).

Etablierte gesellschaftliche Schemata und Praktiken konstruieren den Raum des Sagbaren und mit ihm die Möglichkeit, sich in ihm zu verständigen und dadurch überhaupt erst Subjekt zu werden.

The subject is the linguistic occasion for the individual to achieve and reproduce intelligibility, the linguistic condition of its existence and agency. No individual becomes a subject without first becoming subjected or undergoing ‘subjectivation’. (Butler 1997: 11)

In der Invektivitätstheorie ist Sprechen zentrales Medium der Subjektivierung. Wie von Judith Butler (2006) ausgearbeitet, können Subjekte nur in dem Maß handeln, wie sie in einem sprachlichen Feld konstituiert sind, das von sprachlichen (Un-)Möglichkeitsräumen begrenzt wird. Sprachliche Formen und Praktiken setzen demnach die Grenzen dessen, was gesagt werden kann und was nicht, und begrenzen damit auch die Handlungsmöglichkeiten für das Subjekt. Wenn eine Gesellschaft z. B. nur abwertende Begriffe für eine soziale Gruppe kennt oder verbreitet, dann beeinflusst dies maßgeblich, wie die Mitglieder dieser Gruppe sich selbst sehen und wahrgenommen werden. Das Invektive wird dabei zum Mittel der Subjektivierung, indem das Subjekt durch sprachliche Praktiken der Herabwüridgung in eine marginalisierte Position rückt.

Daran, dass es die Reaktionen und Anschlusskommunikationen Dritter sind, die über den invektiven Charakter einer Aussagen (mit-)entscheiden, wird schon deutlich, dass die invektive Dimension einer Aussage von ihren Sprecher:innen nicht intendiert sein muss. Auch die unreflektierte Reproduktion sprachlicher Schemata kann als Herabwürdigung oder Ausgrenzung gedeutet werden. All dies verweist auf die zentrale Bedeutung des Metainvektiven.

Wenn der invektive Charakter einer Handlung nicht festliegt, sondern erst in Reaktionen und Anschlusskommunikation eine Verständigung darüber erzielt wird, ob ein Akt für die Beteiligten als invektiv gilt oder nicht, dann wird bereits deutlich, dass der Thematisierung des Invektiven – also der Kommunikation über Invektive – eine zentrale Rolle bei dessen Konstituierung zukommt.

Metainvektivität ist dabei mehr als eine bloße Reflexion auf Invektivität. Metainvektive Äußerungen haben selbst invektives Potenzial: Die Feststellungen Das war aber jetzt unter der Gürtellinie! als strategische Behauptung, beleidigt worden zu sein, drängt das Gegenüber in die Rolle eines Täters/einer Täterin. Die identitätspolitische Positionierung Dein Weißsein ist dein Privileg impliziert, dass die zu wenig reflektierte gesellschaftliche Machtposition von weiß gelesenen Menschen eine Marginalisierung von Nicht-Weißen zur Folge hat und somit problematisch ist. Und die sprachkritische Invektivitätszuschreibung Der Ausdruck ,Kartoffel‘ ist rassistisch hat das Potenzial, die Benutzer:innen des Ethnophaulismus  (Kartoffel als abwertende Bezeichnung für ‚typisch-Deutsche‘) als Rassist:innen erscheinen zu lassen. Die Eigenschaft des Metainvektiven, selbst invektiv zu sein, erklärt das Eskalationspotenzial metainvektiver Debatten.

Metainvektive Äußerungen sind zugleich ein Indiz dafür, dass die Grenzen des Invektiven in einer Gesellschaft strittig sind. In metainvektiven Debatten geht es daher darum, strittige Deutungen eines ambigen Kommunikationsereignisses in eine hegemoniale Deutung zu überführen. In sprachkritischen Debatten geht es häufig darum, einzelne sprachliche Formen im Sinn eines Enregisterments als Indikatoren einer invektiven Modalität festzuschreiben oder sie als rein deskriptive Ausdrücke von jeglicher invektiver Bedeutungspotenz zu entlasten (Scharloth 2024). Ein Beispiel hierfür sind Debatten über den Gebrauch des N-Wortes: Handelt es sich dabei lediglich um eine aus der Etymologie des Wortes motivierte Identifizierung einer Person auf Basis ihrer Hautfarbe? Oder ist der Gebrauch des Wortes immer von rassistischen Stereotypen und kolonialem Überlegenheitsdenken geprägt, die sich in seiner Gebrauchsgeschichte in seine Bedeutung eingeschrieben haben? Die weitgehende Ächtung des N-Wortes im öffentlichen Sprachgebrauch ist ein Beleg dafür, dass die letztere Deutung hegemonial geworden ist, das Wort also als dem Register rassistischen Sprechens zugeordnet wird.

Da metainvektive Äußerungen das Potenzial haben, selbst invektiv zu sein, bedürfen die Geltungsansprüche, die mit ihrem deklarativen Charakter einhergehen, einer Erklärung, um von anderen akzeptiert zu werden. Diese Erklärungen beziehen sich auf jene Aspekte des Sprachereignisses, die von der Person, die die metainvektive Äußerung tätigt, als relevant angesehen werden, mithin solche Aspekte der sozialen Ordnung, die die Möglichkeit der Ausgrenzung oder Verunglimpfung konstituieren. Dazu können beispielsweise die folgenden Aspekte zählen:

  • konventionelle Verfahren (sprachliche Mittel, kommunikative Rollen, konversationelle Normen),
  • situative Äußerungsaspekte (Äußerungskontext, Sprecherpositionen, soziale Strukturen)
  • oder kommunikationsethische Postulate (Modalitäten, Intentionen, Lizenzen, soziale Normen und Werte etc.) (Scharloth 2018).

Im folgenden Beispiel rechtfertigt ein User der Plattform X/Twitter den Gebrauch eines Ethnophaulismus wie folgt:

Nur weil ein paar Asiaten sich über das Wort Schlitzauge aufregen, ist es noch lange nicht schlimm. Bezeichnet ja nur die Augenform. (Twitter/X: 2018)

Einerseits führt der Autor den Eigentlichkeits-Topos an, demzufolge das Wort lediglich deskriptiv auf eine Augenform Bezug nimmt und die Bezeichnung (vermeintlich) durch die Augenform motiviert ist. Zum anderen verschränkt er Betroffenheits-Topos und Autoritäts-Topos: Zwar beklagten sich ein paar Asiaten, deren Betroffenheit ist nach Ansicht des Schreibers jedoch nicht relevant für die Bedeutung des Ausdrucks. Mit dem Eigentlichkeits-Topos ist eine bestimmte Vorstellung vom Funktionieren von Sprache benannt, mit dem Autoritäts-Topos eine Vorstellung davon, wer die Macht besitzt, die Normalität zu definieren.

Metainvektive Debatten stellen also nicht nur Reflexivität über das Invektive her, in ihnen werden auch soziale Ordnungsvorstellungen verhandelt. Werden bestimmte Deutungen invektiver sprachlicher Formen hegemonial, dann wirkt sich dies auch auf die Gültigkeit jener gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen aus, die die metainvektive Deutung stützen. Metainvektive Debatten haben demnach das Potenzial, einen Beitrag zur Dynamisierung gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen zu leisten.

Beispiele

(1) Invektivität 

Die Wirkung von Invektivität wird nirgends so deutlich wie in der Stilisierung der Juden zu Volksfeinden und ihre völlige Entmenschlichung als Ausdruck des rassistisch-völkischen Antisemitismus während der NS-Zeit, der die semantische Grundlage für die Ermordung von sechs Millionen Juden schuf. So bezeichnete etwa Joseph Goebbels, NS-Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, die Juden als parasitär:

Die Juden sind ein artfremdes, streng abgeschlossenes Volk mit ausgesprochen parasitären Eigenschaften, eine vollständig fremde Rasse, die nicht dadurch zu Deutschen werden können, daß sie jahrelang deutsches Gastrecht in Anspruch genommen und sich durch ihre Zähigkeit und egoistische Wachsamkeit in die eigensten Angelegenheiten ihres Wirtsvolkes eingeschlichen und dieses ausgesaugt haben. (zit. n. Schmitz-Berning 2007: 68)

Durch solche Invektiven wurde deutschen Juden nicht nur die Zugehörigkeit zum deutschen Volk abgesprochen, sie wurden auch als Schädlinge charakterisiert, die wie Parasiten die Gesundheit des Wirtswesens beeinträchtigen. Entsprechend stellt Heidrun Kämper (2019: 23) fest, „dass Inklusion/Exklusion ein die Gesellschaft(en) der Jahre 1933 bis 1945 umfassend bestimmendes Handlungsprinzip darstellt“.

In Gegenwartsdiskursen zeigt die ,Insult Politics‘ von Donald Trump, wie Invektivität strategisch dazu genutzt werden kann, Agenda Setting zu betreiben, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu lenken, das Image eines Politikers zu prägen und die Wählerbasis zu mobilisieren (Zeitzoff 2023). Etwa behauptete Trump in der einzigen Fernsehdebatte zwischen den Kandidat:innen für die Präsidentschaftswahl 2024, haitianische Migrantinnen und Migranten äßen die Haustiere amerikanischer Haushalte. Obwohl die Behauptung schnell als falsch und rassistische Deutungsfigur (Trope) entlarvt wurde, lenkte sie die Aufmerksamkeit dennoch auf die vermeintlich negativen Folgen der Migration und damit auf ein wahlentscheidendes Thema.

(2) Metainvektivität

Dass metainvektive Debatten dazu genutzt werden können, soziale Ordnungsvorstellungen zu verändern, zeigt sich in der Debatte über das sog. Gendern (geschlechtergerechte Sprache).

Hier werden Forderungen nach der schriftsprachlichen Repräsentation nicht-binärer Personen mit dem Anspruch auf die Überwindung ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung und Diskriminierung begründet. Durch die Praxis ihrer Repräsentation in Personenreferenzen durch Genderstern (Ingenieur*innen), Gendergap (Ingenieur_innen) oder Genderdoppelpunkt (Ingenieur:innen) werden andere Formen der Personenreferenz wie Beidnennung oder generisches Maskulinum als Formen der Gleichgültigkeit gegenüber einer Minderheit oder gar der Befürwortung einer ausschließlich binären Geschlechterordnung lesbar. Dadurch, dass Verbände, Prominente und Personen in sozialen Medien die neue Schreibung befürworteten (und sie teilweise auch in Massenmedien verwendet wird) ist ein Debattenklima entstanden, in dem eine neue sprachliche Norm propagiert und mit einem gesellschaftspolitischen Anliegen verknüpft wird. So fühlen sich Schreiber:innen, die ihre Schreibung nicht verändern wollen, dem Verdacht ausgesetzt, sich symbolisch gegen den Wert der Gleichberechtigung oder gar gegen bestimmte Lebensformen und Identitäten zu richten. Der empfundene (zwanglose) Zwang, sich durch die eigene Schreibpraxis positionieren zu müssen und sich ggf. der Gefahr ausgesetzt zu sehen, von anderen bewertet und kritisiert zu werden, wird als Zumutung empfunden. In den Worten eines X-Users:

Gendern ist nichts als eine rhetorische Waffe, mit der man andere als unmoralisch darstellen lassen will. (Twitter/X: 2021)

Der metainvektive Anspruch aufseiten nicht-binärer Menschen auf Anerkennung, Opfer von Abwertung und Ausgrenzung zu sein, erweckt bei jenen, die aus welchen Gründen auch immer ihre Schreibung nicht verändern wollen, das Gefühl, selbst Opfer moralischer Abwertung, mithin einer invektiven Praxis zu sein, die sie zur Rechtfertigung zwingt. Auch wenn diese metainvektive Dynamik zu Reaktanzen und Gegenwehr bei manchen führt, die an der traditionellen Schreibung festhalten, hat sie sich dennoch als eine erfolgreiche Strategie erwiesen, eine Debatte über Geschlechterordnung, Geschlechterrepräsentation und Geschlechtergerechtigkeit anzustoßen.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Ellerbrock, Dagmar; Koch, Lars; Müller-Mall, Sabine; Münkler, Marina; Scharloth, Joachim; Schrage, Dominik; Schwerhoff, Gerd (2017): Invektivität – Perspektiven eines neuen Forschungsprogramms in den Kultur- und Sozialwissenschaften. In: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift, Jg. 2, Heft 1, Saarbrücken: Kulturwissenschaftliche Gesellschaft, S. 2–24.

  • Scharloth, Joachim (2018): Sprachliche Gewalt und soziale Ordnung: Metainvektive Debatten als Medium der Politik. In: Klinker, Fabian; Scharloth, Joachim; Szczęk, Joanna (Hrsg.): Sprachliche Gewalt. Formen und Effekte von Hassrede, Pejorisierung und verbaler Aggression. Berlin: J. D. Metzler, S. 7–28.

Zitierte Literatur und Belege

  • Butler, Judith (1997): The Psychic Life of Power: Theories in Subjection. Stanford, California: Stanford University Press.

  • Ellerbrock, Dagmar; Koch, Lars; Müller-Mall, Sabine; Münkler, Marina; Scharloth, Joachim; Schrage, Dominik; Schwerhoff, Gerd (2017): Invektivität – Perspektiven eines neuen Forschungsprogramms in den Kultur- und Sozialwissenschaften. In: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift, Jg. 2, Heft 1, Saarbrücken: Kulturwissenschaftliche Gesellschaft, S. 2–24.

  • Goffman, Erving (1967): Interaction Ritual. Essays in Face–to–face Behavior. Garden City, New York: Doubleday.

  • Honneth, Axel (1995): The Struggle for Recognition: The Moral Grammar of Social Conflicts. Cambridge: Polity.

  • Kämper, Heidrun (2019): Sprachgebrauch im Nationalsozialismus. Literaturhinweise zur Linguistik. Heidelberg: Universitätsverlag Winter.

  • Scharloth, Joachim (2018): Sprachliche Gewalt und soziale Ordnung: Metainvektive Debatten als Medium der Politik. In: Klinker, Fabian; Scharloth, Joachim; Szczęk, Joanna (Hrsg.): Sprachliche Gewalt. Formen und Effekte von Hassrede, Pejorisierung und verbaler Aggression. Berlin: J. D. Metzler, S. 7–28.

  • Scharloth, Joachim (2024): Notes on Invectivity and Metainvectivity. In: Meier-Vieracker, Simon ; Kämper, Heidrun; Warnke, Ingo (Hrsg.): Invective Discourse. Berlin, New York: de Gruyter. S. 11–26.

  • Schmitz-Berning, Cornelia (2007): Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin, New York: de Gruyter.

  • Twitter/X (2018): Tweet vom 09.11.2018 – anonymisiert.
  • Twitter/X (2021): Tweet vom 02.04.2021 – anonymisiert.
  • Zeitzoff, Thomas (2023): Nasty Politics: The Logic of Insults, Threats, and Incitement. Oxford Scholarship Online. Oxford: Oxford University Press. 

Zitiervorschlag

Scharloth, Joachim (2025): Invektivität / Metainvektivität. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 07.02.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/invektivitaet/.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Metapher

In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht übersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Techniken

Parole

Die Parole ist ein kleines, potentes sprachliches Werkzeug, das in der politischen Kommunikation unerlässlich ist und zweckgebunden in politischen Mobilisierungen eingesetzt wird.

Komposita

. In der politischen Rhetorik tragen Komposita zur Prägnanz und Emotionalität von Botschaften bei, indem sie komplexe Sachverhalte und politische Themen in zentralen Begriffen bündeln, in griffige Schlagworte packen und diese für den gesellschaftlichen Diskurs zur Verfügung stellen (zum Beispiel Krisenmodus, Zeitenwende oder Rückführungspatenschaften).

Nicht-Entschuldigen / Nonpology

Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.

Liken

Die eigentliche Funktion des Likens geht jedoch über das Signalisieren von Zustimmung hinaus und ist konstitutiv für das Funktionieren sozialer Medienplattformen und das Aushandeln von verschiedenen Formen der Sozialität auf diesen.

Hashtag

Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbündelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).

Diminutiv

Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale Nähe zu konstruieren (unser Ländle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein Schätzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurückzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).

Sündenbock

Der Sündenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend für etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, Erzählungen oder Verhalten manifestiert.

Redenschreiben

Wer Reden schreibt, bereitet die schriftliche Fassung von Reden vor, die bei besonderen Anlässen gehalten werden und bei denen es auf einen ausgearbeiteten Vortrag ankommt.

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Schlagwörter

Politisch korrekt / Politische Korrektheit

Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.

Kipppunkt

Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Verschiebungen

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.

Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein?

Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…