
DiskursGlossar
Lügenpresse
Kategorie: Schlagwörter
Verwandte Ausdrücke: Systempresse, Pinocchio-Presse, Presstitudes
Siehe auch: Fake News, Berichterstattungsmuster, Propaganda, Schlagwort
Autor: Michael Koliska
Version: 1.1 / Datum: 14.12.2022
Kurzzusammenfassung
Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter ,Schlachtruf‘ oder ,Kampfbegriff‘ (Schlagwort) gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren. Der Gebrauch des Ausdrucks Lügenpresse stellt somit eine pauschale Diffamierung des gesamten institutionellen Journalismus dar. Der Begriff Lügenpresse suggeriert dabei vor allem, dass journalistische Institutionen durch die bewusste ideologische oder einseitige Darstellung von Sachverhalten die Meinungsbildung in der Bevölkerung in Bezug auf bestimmte brisante Themen (z.B. Ukraine-Krise, Einwanderung oder Corona-Impfungen) manipulieren. Zudem wird den Nachrichtenmedien unterstellt, mit anderen Institutionen oder Gruppen (wie etwa Unternehmen oder politischen Parteien), aber vor allem mit der Regierung des jeweiligen Staates, zu kooperieren bzw. vom Staate kontrolliert zu werden. Der Terminus Lügenpresse markiert zusätzlich die Existenz einer ,wirklichen‘ Wahrheit, die von den etablierten Medien verschwiegen, aber von ,alternativen‘ – vorwiegend populistischen und politisch-extremistischen – Medien verbreitet wird. Es wird also den etablierten Medien vorgeworfen, Propaganda statt glaubwürdigen und wahrheitsgetreuen Journalismus zu veröffentlichen.
Der Ausdruck Lügenpresse ist demzufolge ein mehrdimensionaler Begriff. Zum einen ist Lügenpresse ein Ausdruck der Medienskepsis oder Voreingenommenheit gegenüber den etablierten Medien-Akteuren. Zum anderen ist Lügenpresse ein direkter Angriff, der die Legitimität des etablierten und professionellen Journalismus infrage stellt bzw. untergräbt. Gleichzeitig ist Lügenpresse als Konzept auch als Anklage zu verstehen, dass der Journalismus als unabhängige demokratische Institution versagt hat, die ,wirkliche Wahrheit‘ öffentlich zu machen.
Erweiterte Begriffsklärung
Lügenpresse wird oft im Zusammenhang mit Begriffen wie Fake News oder Systempresse verwendet, um zu suggerieren, dass die Medien nicht nur die Unwahrheit sagen, sondern bewusst die öffentliche Meinung manipulieren (vgl. Beiler und Kiesler: 2018). Der Gebrauch des Ausdrucks ist oft undifferenziert und kommt einer pauschalen Diffamierung eines ganzen Berufsstandes und dessen professionellen sowie ethischen Werten gleich. Diese Verleumdung dient dazu, die Autorität und professionelle Identität der Medien in demokratischen Gesellschaften zu untergraben. Die Autorität und Identität der Medien sind direkt mit den bedeutungsstiftenden normativen Funktionen und Rollen des Journalismus in der Gesellschaft verbunden (vgl. Carlson 2017; Hanitzsch und Vos 2017). Während die Medien in autokratischen Gesellschaften vor allem die Funktion haben, staatstragende Propaganda zu verbreiten, basiert der Journalismus in demokratischen Gesellschaften auf der Rede- und Pressefreiheit (vgl. Siebert et al. 1956). Die Aufgabe und Funktion des Journalismus in demokratischen Gesellschaften ist es vor allem, die Bevölkerung mit Fakten zu sozialen, politischen und ökonomischen Geschehnissen zu versorgen. Auf der Grundlage dieser Informationen sollten dann alle Bürgerinnen die Möglichkeit haben, selbstständig Entscheidungen treffen zu können. Im Falle von Wahlen hieße das beispielsweise, die Medien liefern den Menschen relevante und nachprüfbare Informationen zu den Parteien und Kandidaten und ermöglichen den Wählern damit, für den für sie geeignetsten Kandidaten zu stimmen. Aufgrund dieser wichtigen Informationsaufgabe wird Journalismus in Demokratien oft auch als ,Vierte Gewalt‘ bezeichnet.
Neben der wahrheitsgetreuen Berichterstattung obliegt es dem Journalismus als unabhängiger Institution, Menschen, Gruppen, Organisationen und Institutionen in Machtpositionen kritisch zu beobachten und Fälle des Machtmissbrauchs öffentlich zu machen (vgl. Hanitzsch et al. 2019). Im Englischen wird diese Überwachungsfunktion der Medien auch als ,watchdog journalism‘ (,Wachhund Journalismus‘) bezeichnet oder als ,speaking truth to power‘ (,den Mächtigen mit der Wahrheit entgegentreten‘). Eine weitere Funktion der Medien ist es, die soziokulturellen Werte einer Gesellschaft, wie etwa freiheitliche Gesinnung einer Demokratie, zu bewahren (vgl. Carey, 2008).
Im Unterschied zu diesen essentiellen demokratischen Funktionen des Journalismus unterstellt der Begriff Lügenpresse, dass die Medien, anstatt im Interesse der Öffentlichkeit zu agieren, auf der Basis eigennütziger Motive oder für die ökonomisch oder politisch mächtigen Kräfte eines Landes arbeiten. Diese Medienskepsis beruht jedoch selten auf nachweislichen Tatsachen (z.B. bestätigte Fälle der Korruption oder bewusster Manipulation in der Presse), sondern scheint oft politisch motiviert (vgl. Osmundsen et al. 2021). Lügenpresse ist aber auch ein emotionaler Ausdruck eines Misstrauens gegenüber etablierter Medienberichterstattung bzw. Rechtsstaatlichkeit. Dieses Misstrauen basiert dabei oft auf verschwörungstheoretischen Hintergründen, die vor allem in jüngster Gegenwart, mit diversitätsfeindlichen, politisch rechten, populistischen und nationalistischen Gesinnungen verknüpft sind. Als solches ist die Medienskepsis, die sich im Schlagwort Lügenpresse widerspiegelt, ein Angriff auf die etablierten Medien-Akteure.
Als Angriff richtet sich Lügenpresse gegen die wahrgenommene oder vermutete Macht der Medien, die Öffentlichkeit ideologisch zu beeinflussen. Ziel des Angriffs ist es, die Legitimität der Medien infrage zu stellen und deren Autorität zu schwächen. Dies geschieht vor allem durch den Versuch, die Medien als unauthentisch zu entlarven. Denn Journalisten und Nachrichtenmedien in demokratischen Gesellschaften bezeichnen sich oft selbst als die ,Guten‘ oder diejenigen, die die Wahrheit sagen (vgl. Singer 2007; Koliska und Chadha 2018). Dieser Wahrheitsanspruch, gepaart mit weiteren journalistischen Werten wie etwa Objektivität, Unabhängigkeit oder Genauigkeit, verleiht den Medien eine gesellschaftliche und institutionalisierte Legitimität und zugleich die Grundlage, wichtige soziale Funktionen, wie etwa die Überwachungsfunktion in demokratischen Gesellschaften, zu erfüllen (vgl. Hanitzsch et al. 2019; Hanitzsch und Vos 2017).
Begriffshistorische Einordnung
Obwohl Lügenpresse begrifflich mit anderen Ausdrücken wie etwa Systempresse, Fake News oder Pinocchio-Presse verwandt ist, setzt sich der Ausdruck Lügenpresse vor allem durch seine Vorgeschichte von diesen artverwandten Begriffen ab. Historisch wurde der Begriff im politisch linken sowie rechten Spektrum verwendet und hat über die Jahrhunderte hinweg verschiedene Bedeutungen angenommen. Die unterschiedlichen Anwendungen des Begriffs verleihen dem Schlagwort ein besonderes historisches Gewicht und tragen gleichzeitig zu dessen Bedeutungsvielfalt bei.
Der Vorwurf, dass die Presse lügt, wurde bereits Ende des 17. Jahrhunderts dokumentiert (vgl. Stieler 1969). Seitdem tauchte dieser Vorwurf wiederholt in der deutschen Geschichte auf, allerdings mit teils unterschiedlichen Konnotationen (siehe Beiler und Kiesler 2018). So wurde der Begriff Lügenpresse in der Mitte des 19. Jahrhunderts von katholisch-konservativen Kräften verwendet, um den Einfluss einer erstarkenden freien Presse zu untergraben. Zu dieser Zeit richtete sich der Begriff auch gegen jüdische Zeitungen und hatte somit auch einen antisemitischen Charakter (vgl. Schmolke 1971). Während des 1. Weltkrieges wurden vor allem ausländische Nachrichtenmedien als Lügenpresse bezeichnet. Diese Art tendenziöser öffentlicher Diskurs in Deutschland zielte darauf ab, die Presse feindlicher und neutraler Länder zu diffamieren (vgl. Beiler und Kiesler 2018). Im 2. Weltkrieg schlug diese deutsche Propaganda dann zum Teil um. Die Nazis bezeichneten zunächst (bis zu ihrer Machtergreifung und der damit verbundenen Kontrolle über die Medien durch das Joseph Goebbels unterstehende Propagandaministerium) die einheimischen Nachrichtenmedien als Lügenpresse, die sich vor allem gegen die NSDAP und deren Wertvorstellungen aussprachen. Zu dieser Zeit hatte der Begriff wieder klare antisemitische Untertöne und richtete sich zusätzlich gegen progressive und linke politische Einflüsse. Nach Hitlers Machtübernahme und der Etablierung politischer Kontrolle über die deutsche Presse bezeichnete die faschistische Propaganda dann wieder vorwiegend ausländische Zeitungen als Lügenpresse (vgl. Hagemann 1948).
Im Zuge der 68er-Bewegung – die unter anderen von Studentenprotesten gegen den Vietnamkrieg geprägt waren und ihren Ursprung zum Teil in der Bürgerrechtsbewegung der USA fand – wurde vor allem die Bild-Zeitung und der dahinterstehende Axel-Springer-Verlag des Lügens bezichtigt (vgl. Görlich 2002). Die Bild-Zeitung, bekannt für reißerische Bewertungen in den Schlagzeilen, hatte damals die Studentenproteste über mehrere Jahre verunglimpft und in der Berichterstattung Partei ergriffen. So wurden die Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg durch die Bild-Zeitung als „dämlich“ und die Studenten als „politische Spinner“ und „Krawall-Schläger“ bezeichnet (Panorama 1968). Auch in der DDR wurde das Schlagwort Lügenpresse benutzt, allerdings um die westdeutschen Medien zu delegitimieren (vgl. Amendt 2015).
Ab etwa den 2000er Jahren zirkulierte dann der Begriff vor allem unter Neonazis (vgl. Beiler und Kiesler 2018). In der jüngeren Vergangenheit wurde Lügenpresse populär unter Anhängern der PEGIDA-Bewegung (Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes) und der AfD (Alternative für Deutschland). Vorwürfe der Lügenpresse kamen vor allem während PEGIDA- und AfD-Protesten in den Jahren 2013 und 2014 auf. Dabei wurde versucht, mit dem Begriff Lügenpresse die Berichterstattung über PEGIDA und AfD zu delegitimieren, aber auch die Medienberichte zur russischen Invasion und Annexion der ukrainischen Krim. Kurz darauf wurde Lügenpresse im Zusammenhang mit der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel verwandt. Diese hatte vor allem Geflüchteten aus Syrien, Nordafrika, Irak und Afghanistan die Einreise nach Deutschland ermöglicht. Im Jahr 2014 wurde das Schlagwort Lügenpresse dann auch zum Unwort des Jahres gekürt. Dabei argumentierte die Jury (Sprachkritische Aktion 2014), diese „(…) pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit, deren akute Bedrohung durch Extremismus gerade in diesen Tagen unübersehbar geworden ist.“
Gegenwärtig (im Jahr 2022) wird Lügenpresse häufig von Anhängern oder Unterstützern der Querdenker- und Reichsbürgerbewegung verwendet. Neben der Diffamierung der Medien suggeriert der Ausdruck Lügenpresse hier auch eine Generalkritik der deutschen Öffentlichkeit bzw. des öffentlichen Diskurses. Der meist mit Verschwörungstheorien unterlegte Vorwurf stellt nicht nur die legitime Existenz der Medien, sondern der gesamten demokratischen, rechtsstaatlichen gesellschaftlichen Ordnung infrage. Somit suggerieren die Mitglieder dieser Bewegungen, dass die etablierten Medien kein öffentliches Mandat besitzen, die Bevölkerung zu informieren. Im Gegenzug werden in Abgrenzung zu der Lügenpresse alternative, oft politisch radikale und populistische Medien als Quellen von wahren Fakten und Meinungen betrachtet.
Beispiele
(1) In der jüngeren deutschen Vergangenheit fand der Begriff Lügenpresse in der Zeit der ersten Ukraine-Krise (die Annexion der Krim) wieder Eingang in den öffentlichen Diskurs. Zu dieser Zeit wurde den etablierten Medien, besonders dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, eine einseitige Berichterstattung gegen Putin und Russland vorgeworfen. Nachrichtenmedien wiesen diesen Pauschalvorwurf zunächst meist zurück. Allerdings begegneten manche Medien-Organisationen dem Vorwurf auch durch eine Überprüfung ihrer eigenen journalistischen Praktiken. MDR aktuell (ehemalig MDR Info) etwa analysierte die gesamte Ukraine-Berichterstattung des Jahres 2014 mit dem Resultat, dass die Berichterstattung ausgewogener hätte sein können, aber dass keine Unwahrheiten oder Desinformationen publiziert worden wären (vgl. Koliska und Assmann 2021). Der Pauschalvorwurf Lügenpresse blieb gerade im Osten Deutschlands bestehen.
(2) Die Benutzung des Begriffs Lügenpresse im öffentlichen Diskurs ordnet die etablierten Medien als illegitim ein und diejenigen, die den Vorwurf erheben, als legitime Akteure in Bezug auf die diskursive Deutungshoheit der öffentlichen Meinung. Die Positionierung der Medien als Lügenpresse verändert zudem die moralische Ordnung (siehe Harré und van Langenhove 1999). Genauer gesagt, werden den Medien verschiedene Rechte und Pflichten (wie etwa die Wahrheit zu berichten und die Mächtigen zu überwachen) abgesprochen, während die Benutzer des Begriffs Lügenpresse sich neue moralische Rechte und Pflichten aneignen. Diese Veränderung der situativen lokalen moralischen Ordnung hat sich konkret vor allem in zweierlei Hinsicht offenbart.
(a) Die Benutzung des Begriffs Lügenpresse ist häufig mit dem Glauben an alternative Medien gekoppelt. Dabei werden diese ,alternativ‘ wahrgenommenen Medien, wie etwa das rechtsextreme Compact Magazin für Souveränität, als die glaubwürdigen journalistischen Akteure betrachtet, die die Wahrheit berichten. Diese Behauptungen werden oft in den Sozialen Medien, aber auch auf Protest-Veranstaltungen z.B. der AfD oder der Querdenker publiziert. Ein Interview im ARD Magazin Kontraste veranschaulicht diese Behauptung (ARD Kontraste 2022).
(b) Die Positionierung als Lügner oder Lügenpresse stellt die etablierten Journalisten als deviant und diejenigen, die die Medien attackieren, als moralisch überlegen dar. Diese angebliche moralische Überlegenheit ermöglicht es scheinbar auch, Angriffe gegen die Medien zu legitimieren. Viele dieser Angriffe wurden medial dokumentiert. Besonders prominent geschah das bei einem Zwischenfall im August 2018 auf einer PEGIDA-Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel in Dresden. Ein Demonstrant, der Mitarbeiter im sächsischen Landeskriminalamt war, attackierte ein Fernsehteam des ZDF verbal, als dieses die Demonstration filmte. Diese Attacke führte dann dazu, dass das Fernsehteam von der Polizei festgesetzt wurde. Doch es bleibt oft nicht nur bei verbalen Attacken, denn Journalisten, die als Lügenpresse bezeichnet werden, wurden wiederholt auch tätlich angegriffen. So wurden etwa Journalisten des MDR wiederholt auf PEGIDA Demonstrationen bedroht und geschlagen. Das Europäische Zentrum für Presse-und Medienfreiheit (ECPMF) zeigte, dass im Jahr 2021 die Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalisten einen neuen Höchststand erreicht (vgl. ECPMF 2022). Diese Angriffe haben auch dazu geführt, dass viele Journalisten nun in Begleitung von Personenschutz von Protesten berichten.
Literatur
Zum Weiterlesen
- Europäische Zentrum für Presse-und Medienfreiheit [ECPMF] (2022): Feindbild Journalist. Online unter: https://www.ecpmf.eu/ecpmf-feindbild-study-2022/ ; Zugriff: 07.12.22.
Zitierte Literatur
- Amendt, Jürgen (2015): Unwort des Jahrhunderts. „Lügenpresse“: Medienkritik, Medienverdrossenheit, Medienverachtung. Neues Deutschland. Online unter: https://www.neues-deutschland.de/artikel/958459.unwort-des-jahrhunderts.html ; Zugriff: 07.12.22.
- ARD (2022): Kontraste vom 01.09.2022: Wie Rechtsradikale den „Wutherbst“ orchestrieren wollen. Online unter: https://www.ardmediathek.de/video/kontraste/kontraste-vom-01-09-2022/ Zugriff 07.12.22.
- Beiler, Markus; Kiesler, Johanna (2018): „Lügenpresse! Lying press!“ Is the press lying? In: Otto, Kim; Köhler, Andreas (Hrsg.): Trust in Media and Journalism. Springer VS: Wiesbaden, S. 155-179.
- Carey, James W. (2008): Communication as culture, revised edition: Essays on media and society. Routledge: New York.
- Carlson, Matt (2017): Journalistic authority: Legitimating news in the digital era. Columbia University Press: New York.
- Europäische Zentrum für Presse-und Medienfreiheit [ECPMF] (2022): Feindbild Journalist. Online unter: https://www.ecpmf.eu/ecpmf-feindbild-study-2022/ ; Zugriff 07.12.22.
- Görlich, Christopher (2002): Die 68er in Berlin: Schauplätze und Ereignisse. Homilius: Berlin.
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Hagemann, Walter (1948): Publizistik im Dritten Reich. Ein Beitrag der Methodik der Massenführung. Hansischer Gildenverlag: Hamburg.
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Hanitzsch Thomas; Hanusch Folker; Ramaprasad Jyotika; Arnold de, Beer (2019): Worlds of Journalism: Journalistic Cultures Around the Globe. Columbia University Press: New York.
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Hanitzsch, Thomas; Vos, Tim P. (2017): Journalistic roles and the struggle over institutional identity: The discursive constitution of journalism. Communication theory, 27(2), S. 115-135.
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Harré, Rom; van Langenhove, Luk (1999): Positioning Theory: Moral Contexts of International Action. Wiley-Blackwell: London.
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Koliska, Michael; Assmann, Karin (2021): Lügenpresse: The lying press and German journalists’ responses to a stigma. Journalism, 22(11), S. 2729-2746.
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Koliska, Michael; Chadha, Kalyani (2018): Transparency in German newsrooms: Diffusion of a new journalistic norm? Journalism studies, 19(16), S. 2400-2416.
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Osmundsen, Mathias; Bang Petersen, Michael; Bor, Alexander (2021): How partisan polarization drives the spread of fake news. Brookings. Online unter: https://www.brookings.edu/techstream/how-partisan-polarization-drives-the-spread-of-fake-news/ ; Zugriff 07.12.22.
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Panorama (1968): Die „Bild“-Zeitung und die Studentenproteste. Online unter: https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/1968/-,panorama11026.html ; Zugriff: 07.12.22.
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Siebert, Frederick; Peterson, Theodore; Schramm, Wilbur (1956): Four theories of the press: The authoritarian, libertarian, social responsibility, and Soviet communist concepts of what the press should be and do (Vol. 10). University of Illinois press.
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Singer, Jane B. (2007): Contested autonomy: Professional and popular claims on journalistic norms. Journalism studies, 8(1), S. 79-95.
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Sprachkritische Aktion (2014): Unwort des Jahres 2014: Lügenpresse. Online unter: www.unwortdesjahres.net/wp-content/uploads/2021/06/pressemitteilung_unwort2014.pdf ; Zugriff 07.12.22.
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Schmolke, Michael (1971): Die schlechte Presse. Katholiken und Publizistik zwischen „Katholik“ und „Publik“ 1821–1968. Verlag Regensberg: Münster.
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Stieler, Kaspar (1969): Zeitungs Lust und Nutz. Vollständiger Neudruck der Original-Ausgabe von 1695. Schünemann: Bremen.
Zitiervorschlag
Koliska, Michael (2022): Lügenpresse. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 14.12.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/luegenpresse.
DiskursGlossar
Grundbegriffe
Medien
Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.
Macht
Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.
Normalismus
Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.
Wissen
Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.
Werbung
Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.
Mediale Kontrolle
Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.
Freund- und Feind-Begriffe
Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.
Sprachpolitik / Sprachenpolitik
Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.
Sagbarkeit
Im öffentlichen Diskurs findet sich häufig die strategische Behauptung, dass bestimmte Fakten oder Meinungen unsagbar seien. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass es Grenzen des Sagbaren gebe, die im öffentlichen Diskurs Geltung hätten.
Kulturelle Grammatik
Kulturelle Grammatik steht für ein System von Regeln und/oder etablierten Regelmäßigkeiten, die Formen richtiger und/oder normaler Kommunikation und Interaktion auszeichnen.
Techniken
Passivierung
Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).
Aufopferungs-Topos
Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.
Opfer-Topos
Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.
Analogie-Topos
Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.
Negativpreis
Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.
Be-/Überlastungs-Topos
Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.
Wahlkampf
Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.
Wir
Das Pronomen wir erfüllt aber noch eine weitere diskursive Funktion: Ein Fundament des politischen Diskurses sind dynamische politische Ideologien: Glaubens- und Wissenssysteme von politischen und sozialen Gruppen.
Petition
Petitionen sind eine der am meisten genutzten Partizipationsformen nach Wahlen. Sie sind sowohl ein Mittel der politischen Beteiligung als auch ein Protestmittel und damit Zwitterwesen in der politischen Landschaft. Durch die Digitalisierung haben sich Petitionen zudem maßgeblich verändert, ihre Zahl hat zugenommen, ebenso wie die Zahl der Plattformen, auf denen sich Petitionen starten lassen.
Influencer / Influencerin
Influencer:innen sind Personen, die auf Social-Media-Plattformen regelmäßig selbst produzierte Inhalte publizieren und damit eine öffentliche Reichweite über ihre Follower:innen aufbauen. Influencer:innen haben das Potenzial, Rezipient:innen in ihrem Wissen, Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen (engl. to influence).
Schlagwörter
Demokratie
Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.
Plagiat/Plagiarismus
Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.
Fake News
Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.
Antisemitismus
Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.
Grammatiknazi / Grammar Nazi
Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.
Respekt
Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.
Geschlechtergerechte Sprache
Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.
Identitätspolitik
Der Ausdruck steht heute für eine politische Konstellation, in der konkurrierende Wir-Gemeinschaften mit einer Diskriminierungs- und Benachteiligungsgeschichte in der Öffentlichkeit um Anerkennung konkurrieren. An der Oberfläche geht es ‚identitären‘ Wir-Gemeinschaften darum, die eigene Diskriminierung als Ermächtigungsmotiv an die Öffentlichkeit zu tragen.
Cancel Culture
Cancel Culture ist ein Kampf- und Stigmawort, das sich in skandalisierender Absicht gegen die Praxis (und oft auch bereits gegen die Forderung) des Absagens, Ausladens, Boykottierens moralisch missliebiger und politisch bekämpfter Personen, Organisationen und Positionen in Wissenschaft, Kultur und Politik wendet.
Elite
Einmal wird unter Elite eine Auswahl der Besten und Leistungsfähigsten verstanden, einmal in distanzierender Weise eine abgehobene ‚Kaste‘ der Reichen und Mächtigen im Gegensatz zum Volk. Erstere Variante wird in der Regel zur Verteidigung der etablierten Ordnung verwendet, letztere vor allem von Rechtspopulisten.
Verschiebungen
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.
DiskursReview
Review-Artikel
Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!
Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…
Über einige Neuzugänge im (täglich wachsenden) Repertoire bellizistischer Kampf- und Kontaminationsbegriffe
[1] Was haben die Ausdrücke »Eskalationsphobie«, »Friedensmeute« und »Lumpenpazifismus« gemeinsam? Nun, zuerst einmal den Umstand, dass alle drei verdienstvolle Neuprägungen unserer medio-politischen Klasse sind…
Schlaglichter des Kriegsdiskurses: eine kleine Inventarauswahl zum öffentlichen Sprachgebrauch im Frühjahr 2022
Spätestens seit dem Angriff und Einmarsch Russlands in der Ukraine dominiert der Krieg auch die bundesdeutschen Debatten und schlägt sich im Sprachgebrauch nieder. Die folgende Inventarisierung von diskursprägenden Wortfeldern, Schlagwörtern und Topoi bildet lediglich einen kleinen Ausschnitt des Geschehens ab…
Die Unordnung des Diskurses? Thesen zur semantischen Desorientierung in der gegenwärtigen medio-politischen Öffentlichkeit
Disclaimer I: Die nachfolgenden Zeilen sind das Zwischenergebnis kontinuierlicher gemeinsamer Beobachtungen und Diskussionen in der „Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention“ zu Debatten in Presse, Politik und sozialen Medien. Auch wenn diese Beobachtungen fachlich orientiert sind, liegen ihnen bisher keine systematischen Datenanalysen zugrunde.
Satzsemantik von Vorhersage und Nutzen-Risiko-Abwägung: Die STIKO-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige vom 18. August 2021
“Die Forschung muss… sich in die Lage versetzen, die politischen Implikationen, die sie hat, anzunehmen und auszuforschen, um nicht beim ersten Knall der Peitsche durch alle ihr vorgehaltenen Reifen zu springen. Diese Integrität kann die Wissenschaft gerade dadurch unter Beweis stellen, dass sie dem herrschenden Druck, praktische Tabus in theoretische umzuwandeln, widersteht” (Beck 1986, 283)
Review-Rückblick
In dieser Rubrik veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen kurze Notizen zu Ereignissen oder Phänomenen, die in den vergangenen Wochen in der strategischen und öffentlichen Kommunikation zu beobachten waren. Die Texte kommentieren subjektiv, unsystematisch, teils widersprüchlich und hoffentlich pointiert. Sie erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, beobachten ihren Gegenstand aber von einer diskursanalytischen und -interventionistischen Position aus und sollen zum Widerspruch einladen. Sie repräsentieren nicht die Position der Redaktion des Diskursmonitors, sondern ihrer jeweiligen Autorinnen und Autoren.
Rasse, Rassismus
1) Zu Beginn drei exemplarische Medienereignisse aus der jüngsten Vergangenheit, in denen es um den Komplex Rasse, Rassismus ging…
„Silent Hotspots“ Über wissenschaftliche Studien und strategische Kommunikation in der Corona-Pandemie
Vor wenigen Wochen rief Bundesministerin Anja Karliczek via FAZ-Interview Wissenschaftler*innen dazu auf: „Stürzt euch in den Meinungsstreit“, denn „[a]uch unsere Debatten leiden zunehmend unter Falschinformationen – die zum Teil ganz gezielt verbreitet werden“.[1] Dabei zeichnete sie ein recht monolithisches Bild von der „Wissenschaft“…
Freund-Feind-Begriffe: Zum diskurssemantischen Feld soziopolitischer Kollektivierung
Mit jeder sprachlichen Äußerung (und das schließt das Nicht-Äußern mit ein) positioniert sich der Sprecher oder Schreiber sowohl innerhalb eines von ihm intersubjektiv (re)konstruierten als auch eines objektiven (d.h. objektivierbaren) diskursiven Raum sozialer Gruppen. Möglich ist dies nur aufgrund der sozialsymbolischen (indexikalischen) Bedeutung kommunikativer Zeichen im Bühlerschen Sinne…
PR, Punk oder Provinz: Wie Corona-Forschung die Öffentlichkeit (nicht) erregt.
Jeden Tag erreichen uns neue Nachrichten, neue Zahlen, neue Grafiken zur laufenden Corona-Pandemie. Wer erinnert sich da noch daran, was vor zwei oder drei Monaten oder vor einer Woche öffentlich diskutiert wurde? Vielleicht sind nur zwei Debatten wirklich in unserem öffentlichen Gedächtnis hängen geblieben, unter anderem, weil sie es zu eigenen Twitter-Hashtags gebracht haben: #HeinsbergProtokoll und #IchHabeBesseresZuTun…