DiskursGlossar

Domäne

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Wissensdomäne, kommunikative Domäne, Tätigkeitsbereich, Feld
Siehe auch: Diskurs, Macht, Medien, Jargon, Strategische Kommunikation, Politische Kommunikation
Autor/in: Friedemann Vogel
Version: 1.0 / Datum: 27.11.2025

Kurzzusammenfassung

Der Begriff der Domäne ist aus der soziologisch orientierten Sprachforschung in die Diskursforschung übernommen worden. Hier wird der Begriff dafür verwendet, um Muster im Sprachgebrauch und kollektiven Denken von sozialen Gruppen nach situationsübergreifenden Tätigkeitsbereichen zu sortieren. Damit verbunden ist die Beobachtung, dass Kommunikation (Wortschatz, Satzbau, Textsorten, Symbole, Stile) und die Bildung von Wissen und Wahrheitsannahmen in verschiedenen Tätigkeitsbereichen von je eigenen, oft auch institutionalisierten Regeln und Normen geprägt werden. Diese Regeln und Normen bestimmen etwa erwartbare Gruppensprache, Sagbarkeitsgrenzen und Diskurspositionen, das Spektrum an erwartbaren Themen, Praktiken und Medien, wie man Zugang zu einem Tätigkeitsbereich erhält und wer unter welchen Bedingungen als Autorität gehört wird.

Man kann Großdomänen (Wissenschaft, Politik, Kirche usw.) von Kleindomänen (Familie, Nachbarschaft) unterscheiden. Die Grenzen zwischen verschiedenen Domänen sind oft fließend (zum Beispiel die Domäne der Physik und die Domäne der Mathematik) und es lassen sich vielfach Subdomänen eines Tätigkeitsbereichs unterscheiden (zum Beispiel Gerichtsbarkeit und formelle Gesetzgebung als Subdomänen der Domäne Recht; Innenpolitik und Finanzpolitik als Teil der Domäne Politik).

Eine zentrale Rolle für die Prägung öffentlich-politischer Diskurse und für die gesellschaftliche Machtreproduktion spielen die Großdomänen Politik, Medien/Journalismus, Wissenschaft, Recht und Zivilgesellschaft.

Erweiterte Begriffsklärung

Als alltagssprachlicher Begriff mit der Bedeutung ‚Staatsgut / Spezialgebiet‘ geht der Ausdruck Domain auf das um 1600 aus dem Französischen entlehnte domaine zurück, damals noch in der Spezialbedeutung ‚landesherrlicher Grundbesitz, Kammergut‘ (vgl. Pfeifer 1993). In der heutigen Alltagssprache wird im Deutschen unter Domäne a) ein „(dem Staat gehörendes) großes Gut“ oder b) ein „vorherrschendes, ureigenes Wirkungsgebiet eines Menschen“ (eWDG o. J.) verstanden.

Seit den 1970er Jahren hat der Ausdruck in der Sprachwissenschaft eine Terminologisierung erfahren. Prägend dafür war der sprachsoziologische Ansatz des Linguisten Joshua Aaron Fishman (USA). Fishman beobachtete wiederkehrenden Sprachgebrauch in „kongruenten“ Situationen: Z. B. zeigt Interaktion im Klassenraum, auf dem Schulgang, im Schulauditorium oder im Schullabor verschiedener Schultypen große Ähnlichkeit im Hinblick auf soziale Rollen, Themen und sprachliche Gestaltung im Vergleich etwa zu Situationen anderer Domänen (wie Interaktion in der Werkstatt oder im Gerichtssaal). Der Sprachgebrauch hängt also nicht allein von der einzelnen sozialen Situation ab, sondern von sozialen Normen und Erwartungen, die mit situationsübergreifenden, gesellschaftlichen Bereichen assoziiert sind.

[…] Domänen sind eine Verallgemeinerung höherer Ordnung aus kongruenten Situationen (d. h. aus Situationen, in denen Individuen in angemessenen Rollenbeziehungen miteinander interagieren, an den für diese Rollenbeziehungen geeigneten Orten, und Themen diskutieren, die für ihre Rollenbeziehungen angemessen sind) (Fishman 1972: 46; eigene Übersetzung)

Als Verallgemeinerungen sind Domänen

abstrakte Konstrukte, d. h. sie werden von Forschenden aus konkret stattfindenden Interaktionen erschlossen. Zugleich wird aber unterstellt, dass Domänen für die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft relevant sind und dass sie bei der Sprachenwahl eine entscheidende Rolle spielen. (Werlen 2004: 336)

In neuerer Zeit und gerade auch in der Diskursforschung wird das Konzept der Domäne sehr viel allgemeiner verwendet (vgl. auch ebd.: 339) und teilweise sehr unterschiedlich untergliedert:

Domänen entsprechen der Binnengliederung einer Gesellschaft und sind die der Politik und Parteien der Gewerkschaften und Verbände, der intellektuellen Gesellschaftskritik, des Rechtswesens, der Kirche und Theologie, der Kunst und Kultur usw. Schwitalla (1976) unterscheidet die vier Welten Alltag, Wissenschaft, Literatur, Religion. Steger (1984) ergänzt eine fünfte Welt der Institutionen (Gesetze, Urteile usw.) und eine sechste Welt der Technik. (Kämper 2017: 274; eigene Hervorhebung)

Für das Verständnis von strategischer Kommunikation in Diskursen spielen Domänen eine wichtige Rolle. Sie schärfen den Blick für situationsübergreifende, bereichsspezifische Normalitätsannahmen, Akteure, Praktiken und Machtstrukturen. So gestalten sich semantische Kämpfe um Deutungshoheit und andere Prozesse der Wissensproduktion in der Domäne der Wissenschaft anders als in der Domäne der Politik: Die jeweiligen Akteure

  • begegnen sich an unterschiedlichen Orten (z. B. Labor, Hörsaal, Bibliothek, Fachkonferenz versus Parlament, Fraktionssitzung, Talkshow, Straßenstand),
  • sie beziehen sich auf verschiedene Sachverhalte und
  • nutzen dabei typischerweise unterschiedliche Kommunikationsformen (Wortschatz, Satzbau, Textsorten, Symbole, Stile)
  • für andere Zwecke (z. B. Aufstellen und Begründen von Wahrheitshypothesen versus Durchsetzung von politischen Vorstellungen) und
  • orientieren sich an verschiedenen Autoritäten und Maßstäben für Argumentation und Glaubwürdigkeit.

Besonders interessant für die Diskursforschung ist das Aufeinandertreffen von Diskursakteuren aus verschiedenen Domänen – zum Beispiel wenn Wissenschaftler:innen in Talkshows und originär politischen Gremien, Berufspolitiker:innen in Hörsälen oder Päpste im Parlament auftreten.

Für die Reproduktion gesellschaftlicher Macht sind aus Sicht der Diskursmonitor-Gruppe vor allem die Domänen Politik, Medien, Recht, Wirtschaft, der Militärkomplex, Wissenschaft sowie die Zivilgesellschaft (Vereine, Verbände) relevant.

Ein Erkenntnisinteresse an den oben skizzierten Zusammenhängen verfolgt auch das Forschungsnetzwerk „Sprache und Wissen“ (SUW, http://sprache-und-wissen.de), das Diskurse mit Blick auf sprachlich konstruierte Wissenskonfigurationen und Semantische Kämpfe in Abhängigkeit von Wissensdomänen bzw. Fachdisziplinen untersucht (vgl. Felder 2006). Das Netzwerk unterscheidet derzeit 13 „Wissensdomänen“, darunter Architektur und Stadt, Bildung und Schule, Geschichte – Politik – Gesellschaft, Kunst – Kunstbetrieb – Kunstgeschichte, Mathematik und andere.

Die Verwendung des Domänen-Begriffs in der Diskursforschung hat Ähnlichkeit mit dem Bourdieuschen Konzept des „Feldes“. Ein soziales Feld ist ein relativ autonomes gesellschaftliches Handlungs- und Beziehungsgefüge, in dem Akteure um spezifische Ressourcen (Kapital) und Anerkennung kämpfen. Jedes Feld – z. B. Kunst, Wissenschaft, Politik – folgt eigenen Regeln, Hierarchien und Machtstrukturen (vgl. zum literarischen Feld etwa Bourdieu 1999).

In der Diskursforschung nach Jürgen Link spielt der Begriff der Domäne zwar keine Rolle, sie unterscheidet aber heuristisch in ähnlicher Weise zwischen „Spezialdiskursen“ (in Medizin, Mathematik etc.) und politisch-medialen „Interdiskursen“ (die zwischen Spezialdiskursen vermitteln).

Beispiele

(1) Die Domäne Wirtschaft umfasst alle sozialen Praktiken, Kommunikationsformen und Wissensordnungen, die mit Produktion, Handel, Konsum und Finanzierung von Gütern und Dienstleistungen verbunden sind. Hier prägen Schlagwörter wie Markt, Wachstum, Investition, oder Profitabilität den Sprachgebrauch, reproduzieren Finanz-Topoi und schaffen ein gemeinsames Deutungsraster, in dem Werte wie Effizienz, Wettbewerb, Rentabilität und Innovation leitend sind. Institutionalisierte Regeln – etwa in Form von Gesetzen, Handelsbräuchen, Managementmethoden oder finanziellen Standards – bestimmen, welche Aussagen als sachlich fundiert gelten und wer als kompetente Autorität anerkannt wird, z. B. Wirtschaftsexperten, Unternehmensleitungen oder Finanzanalysten (siehe auch Ökonomisierung).

(2) Die Domäne Wissenschaft ist ein soziales Feld, das durch eigene Regeln, Normen und Formen symbolischen Kapitals geprägt ist. Hier werden Aussagen über Wahrheit, Gültigkeit und Erkenntnis nicht allein anhand von Fakten, sondern auch über Anerkennung innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft legitimiert. Autorität entsteht durch akademische Titel, Publikationen, Peer-Review-Verfahren und institutionelle Positionen. Kommunikation folgt spezialisierten Diskursformen – Fachsprache, methodische Standards, Zitationsregeln – und grenzt so wissenschaftliches Wissen von Alltagswissen oder anderen Diskursen ab. Zugleich herrscht ein Wettkampf um Prestige, Ressourcen und Deutungshoheit, der das Feld dynamisch strukturiert.

(2) In der Domäne der Pressemedien steht die Beschaffung, adressatenorientierte Aufbereitung und massenkommunikative Verbreitung von Informationen im Vordergrund. Sie prägen die alltäglichen Normalitäts- und Wahrheitsannahmen großer Bevölkerungsteile. Nachrichtenwert oder Relevanz, Aktualität, Unabhängigkeit, Objektivität und Transparenz, aber auch Unterhaltungswert, Aufmerksamkeit, Skandalisierungspotential und Profitabilität bestimmen die Auswahl von Themen, Interviewpartnern und Sprachgebrauch. Die Akteure orientieren sich mal mehr, mal weniger an institutionalisierten Normen und Routinen des journalistischen Handwerks, an Recherchestandards und an rechtlichen und ethischen Grundsätzen (Datenschutz, Urheberrecht, Informantenschutz u. ä.). Der Umgang mit Informationen und ihre sprachliche Aufbereitung stehen unter dem Druck von Aufmerksamkeitswettbewerb, drohender Personalstreichung, Zusammenlegung von Redaktionen, Digitalisierung und Dynamik in Politik und sozialen Medien.

(4) Die Domäne des Kunstmarktes verbindet kreative Produktion mit ökonomischen Austauschprozessen und einem spezifischen Diskurs über Ästhetik, Originalität und Wert. Die Kunstszene ist geprägt von tätigkeitsbezogenem Fachwortschatz (z. B. Komposition, Vernissage, Firnis, Lasur usw.) und milieuspezifischen habituellen Kommunikationsstilen beim Sprechen über Kunst. Institutionalisierte Regeln ergeben sich etwa aus Galeriebetrieb, Auktionen, Ausstellungspraxis und Expertisen, die festlegen, welche Werke als bedeutend gelten und wie Preise legitimiert werden. Autorität entsteht durch die Anerkennung von Künstlern, Kritikern, Kuratoren und Marktakteuren, deren Bewertungen maßgeblich den kulturellen wie finanziellen Wert eines Kunstwerks bestimmen.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Werlen, Iwar (2004): Domäne. In Ammon, Ulrich; Dittmar, Norbert, Mattheier, Klaus J.; Trudgill, Peter (Hrsg.): Soziolinguistik. Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. Berlin: De Gruyter, S. 335–341.
  • Handbuchreihe „Sprachwissen“ (de Gruyter) mit 23 Bänden zu Sprach- und Wissensmustern in verschiedenen Domänen.

Zitierte Literatur und Belege

  • Bourdieu, Pierre (1999): Die Regeln der Kunst: Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt a. M: Suhrkamp.
  • Felder, Ekkehard (2006): Semantische Kämpfe in Wissensdomänen. Eine Einführung in Benennungs-, Bedeutungs- und Sachverhaltsfixierungs-Konkurrenzen. In: Felder, Ekkehard (Hrsg.): Semantische Kämpfe. Macht und Sprache in den Wissenschaften. Berlin: De Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen), S. 13–46.
  • Felder, Ekkehard; Gardt, Andreas (Hrsg.) (2015-): Handbücher Sprachwissen. Berlin: de Gruyter.
  • Fishman, Joshua A. (1972): The sociology of language; an interdisciplinary social science approach to language in society. Rowley, Mass.: Newbury House Publishers.
  • Kämper, Heidrun (2017): Personen als Akteure. In: Roth, Kersten Sven; Wengeler, Martin; Ziem, Alexander (Hrsg.): Handbuch Sprache in Politik und Gesellschaft. Berlin, Boston: De Gruyter (Handbücher Sprachwissen, Band 19), S. 259–279.
  • Werlen, Iwar (2004): Domäne. In Ammon, Ulrich; Dittmar, Norbert, Mattheier, Klaus J.; Trudgill, Peter (Hrsg.): Soziolinguistik. Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. Berlin: De Gruyter, S. 335–341.
  • Pfeifer, Wolfgang et al (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, Online unter: https://www.dwds.de/d/wb-etymwb ; Zugriff: 21.08.2025.
  • Elektronisches Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (eWDG): Onlineversion zum Artikel Domäne. Online unter: https://www.dwds.de/wb/Dom%C3%A4ne ; Zugriff: 23.08.2025.

    Zitiervorschlag

    Vogel, Friedemann (2025): Domäne. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 27.11.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/domaene.

    DiskursGlossar

    Grundbegriffe

    Diskurssemantische Verschiebung

    Mit dem Begriff der diskurssemantischen Verschiebung wird in der Diskursforschung ein Wandel in der öffentlichen Sprache und Kommunikation verstanden, der auf mittel- oder län-gerfristige Veränderung des Denkens, Handelns und/oder Fühlens größerer Gesellschafts-gruppen hinweist.

    Positionieren

    Positionieren ist Grundbestandteil menschlicher Kommunikation. Wann immer wir miteinander interagieren und kommunizieren, bringen wir uns selbst, andere und die Objekte, über die wir sprechen, in bestimmte Relationen zueinander.

    Deutungsmuster

    Unter einem Deutungsmuster wird die problem- und lösungsbezogene Interpretation gesellschaftlicher und politischer Tatbestände verstanden, die Aussicht auf Akzeptanz in sozialen Gruppen hat. Der Begriff des Deutungsmusters hat Ähnlichkeit mit den Begriffen der Theorie und Ideologie. Meist werden gesellschaftlich verbreitete Leitdeutungen, die oft mit Schlagwörtern und Argumentationsmustern einhergehen (wie Globalisierung, Kapitalismus, Leistungsgesellschaft, Chancengleichheit etc.) als Beispiele für Deutungsmuster genannt.

    Sinnformel

    ‚Wer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?‘ Auf diese und ähnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.

    Praktik

    Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes Bündel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrücken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, Fußballspielen).

    Kontextualisieren

    Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

    Narrativ

    Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

    Argumentation

    Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

    Hegemonie

    Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

    Diskurskompetenz

    Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

    Techniken

    Dogwhistle

    Unter Dogwhistle wird in Teilen der Forschung eine doppeldeutige Äußerung verstanden, die eine offene und eine verdeckte Botschaft an jeweils eine Zuhörerschaft kommuniziert.

    Boykottaufruf

    Der Boykottaufruf ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, ein Ziel, also meist eine Verhaltensänderung des Boykottierten, hervorzurufen, indem zu einem Abbruch etwa der wirtschaftlichen oder sozialen Beziehungen zu diesem aufgefordert wird.

    Tabuisieren

    Das Wort Tabuisierung bezeichnet die Praxis, etwas Unerwünschtes, Anstößiges oder Peinliches unsichtbar zu machen oder als nicht akzeptabel zu markieren. Das Tabuisierte gilt dann moralisch als unsagbar, unzeigbar oder unmachbar.

    Aus dem Zusammenhang reißen

    Das Aus-dem-Zusammenhang-Reißen gehört in den Funktionskreis der Redewiedergabe bzw. der Wiedergabe kommunikativer Ereignisse. Es kann (1) als intentionale argumentativ-polemische Strategie für ganz unterschiedliche diskursive Zielsetzungen von Akteuren genutzt werden, oder (2) es kann SprecherInnen und SchreiberInnen in unbeabsichtigter, fehlerhafter Weise unterlaufen.

    Lobbying

    Lobbying ist eine Form strategischer Kommunikation, die sich primär an Akteure in der Politik richtet. Beim Lobbying wird ein Bündel von kommunikativen Tätigkeiten mit dem Ziel eingesetzt, die Entscheidungen von Personen mit politischem Mandat oder den Entstehungsprozess von neuen Gesetzestexten interessengeleitet zu beeinflussen.

    Karten

    Karten dienen dazu, Raumausschnitte im Hinblick auf ausgewählte Charakteristika so darzustellen, dass die Informationen unmittelbar in ihrem Zusammenhang erfasst und gut kommuniziert werden können. Dazu ist es notwendig, Daten und Darstellungsweisen auszuwählen und komplexe und oft umkämpfte Prozesse der Wirklichkeit in einfachen Darstellungen zu fixieren.

    Pressemitteilung

    Pressemitteilungen sind standardisierte Mitteilungen von Organisationen, die sich an Journalist:innen und andere Multiplikator:innen richten. Sie dienen der offiziellen und zitierfähigen Informationsweitergabe und übernehmen zugleich strategische Funktionen in der öffentlichen Kommunikation und Meinungssteuerung.

    Shitstorm

    Der Begriff Shitstorm beschreibt eine relativ junge Diskurskonstellation, die seit den 2010er Jahren an Bedeutung gewonnen hat und gemeinhin als Online-Wutausbruch bezeichnet wer-den kann.

    Tarnschrift

    Als Tarnschrift bezeichnet man unter den Bedingungen von Zensur und Verfolgungsrisiko veröffentliche Texte, die insbesondere in der strategischen Kommunikation des NS-Widerstands eine zentrale Rolle spielten.

    Ortsbenennung

    Die Benennung von Orten dient in erster Linie dazu, den jeweiligen geografischen Ort zu lokalisieren und ihn zu identifizieren. Doch Ortsnamen besitzen eine soziale Dimension und spielen eine entscheidende Rolle bei der sprachlich-kulturellen Identitätskonstruktion.

    Schlagwörter

    Echokammer

    Der Begriff der Echokammer steht in seiner heutigen Verwendung vor allem im Zusammenhang mit der Nutzung Sozialer Medien. Er verweist metaphorisch auf einen digitalen Kommunikations- und Resonanzraum, in dem Mediennutzer*innen lediglich Inhalten begegnen, die ihre eigenen, bereits bestehenden Ansichten bestätigen, während abweichende Perspektiven und Meinungen ausgeblendet bzw. abgelehnt werden.

    Relativieren

    Der Ausdruck relativieren besitzt zwei zentrale Bedeutungsvarianten: In bildungssprachlichen und wissenschaftlichen Kontexten bezeichnet er eine analytische Praxis, bei der Aussagen, Begriffe oder Phänomene durch Bezugnahme auf andere Sachverhalte eingeordnet, differen-ziert und in ihrer Geltung präzisiert werden.

    Massendemokratie

    Geprägt wurde der Begriff Massendemokratie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von völkisch-konservativen Akteuren (prominent darunter Carl Schmitt 1926). Der Ausdruck Masse hatte damals bei den bürgerlichen Eliten eine rundum bedrohliche Assoziation.

    Social Bots

    Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.

    Kriegsmüdigkeit

    Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische Ermüdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch für das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Öffentlichkeit genutzt.

    Woke

    Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunächst den Bewusstseinszustand der Aufgeklärtheit über die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.

    Identität

    Unter Identität versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven – etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen – als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.

    Wohlstand

    Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.

    Remigration

    Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.

    Radikalisierung

    Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.

    Verschiebungen

    Dehumanisierung

    Mit Dehumanisierung bzw. Anthropomorphisierung werden solche kommunikativen Techniken und Praktiken bezeichnet, die Personen, Sachverhalten oder Gegenständen menschliche Eigenschaften ab- bzw. zusprechen. Dehumanisierung und Anthropomorphisierung können sowohl durch sprachliche Mittel als auch durch andere, z. B. bildliche, Zeichen vollzogen werden.

    Kriminalisierung

    Kriminalität meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstößt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird – indem Gesetze geschaffen werden.

    Versicherheitlichung

    In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

    Ökonomisierung

    Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

    Moralisierung

    Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

    Konstellationen

    Partizipatorischer Diskurs

    Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.

    Skandal

    Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

    DiskursReview

    Review-Artikel

    Beobachtung zum Begriff „Diplomatie“ beim Thema Ukraine im Europäischen Parlament

    Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto „as long as it takes“ beziehungsweise „so lange wie nötig“ für die Erweiterung der militärischen Ausstattung und der Verlängerung des Krieges aussprachen. Vorschläge oder Vorstöße auf dem Gebiet der „Diplomatie“ im Sinne von ‚Verhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteien‘ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)

    Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit

    DiskursReview Die Macht der Worte (4/4):So geht kultivierter Streit Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

    Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen

    DiskursReview Die Macht der Worte (3/4):Sprachliche Denkschablonen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

    Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe

    DiskursReview Die Macht der Worte (2/4): Freund-Feind-Begriffe Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

    Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen

    DiskursReviewDie Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 / 06.03.2025...

    Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

    Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.