DiskursGlossar

Jargon

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Argot, Slang, Register, Szenesprache, Fachsprache, sozialer Stil
Siehe auch: Kulturelle Grammatik, Schlagwort, Euphemismus, Sprachpolitik, Indexikalität
Autor: Jürgen Spitzmüller
Version: 1.2 / Datum: 24.03.2022

Kurzzusammenfassung

Jargon (aus frz. jargon nach altfrz. gargun ‚Zwitschern‘) bezeichnet eine Sprachgebrauchsform, die mit bestimmten Praxisgemeinschaften (Gruppen, die berufliche oder andere Interessen teilen) assoziiert wird. Jargons werden als ‚typisch‘ für die Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe und für deren Interessen und soziale Positionen angesehen und dienen somit nach innen wie nach außen als sprachliches Erkennungs- und Abgrenzungsmerkmal. Im alltagsweltlichen Diskurs ist Jargon in der Regel ein wertendes (sprachideologisches) Konzept, das den Sprachgebrauch bzw. das soziale Auftreten anderer – oft distanzierend und abwertend – charakterisiert oder im Sinne einer ironisch-distanzierenden (Selbst-)Charakterisierung Einsatz findet.

Erweiterte Begriffsklärung

Jargon ist eine von mehreren metasprachlichen Bezeichnungen, die sowohl als sprachwissenschaftlicher Terminus als auch als alltagssprachlicher Ausdruck verwendet werden (andere Bezeichnungen, auf die das zutrifft, sind etwa Slang, Pidgin, Floskel, Dialekt, Diskurs sowie auch Sprache). Entsprechend ist der Begriff sehr schillernd und differiert stark abhängig davon, ob man auf eine der wissenschaftlichen oder der alltagssprachlichen Bedeutungen Bezug nimmt. Generell lässt sich festhalten, dass mit Jargon im sprachwissenschaftlichen Sinne eher spezifische Formen gruppengebundener Sprache mit sozial-integrativer (‚indexikalischer‘) Funktion (Indexikalität) bezeichnet werden, während Jargon im alltagssprachlichen Sinn ein genereller mit sozialen Gruppen assoziierter, stark wertbeladener Ausdruck ist, der häufig als Kampfwort (Schlagwort) zur Bewertung und Abgrenzung von Sprachstilen und Sprecher*innengruppen eingesetzt wird.

Der Ausdruck wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo er die Bedeutung ‚Geschwätz‘ (aus altfrz. gargun ‚Gezwitscher‘) hatte und mit ‚Unverständlichkeit‘ und ‚sozialer Tiefe‘ assoziiert war (vgl. Kalivoda 1998: 714–716). Eingang in die sprachwissenschaftliche Terminologie fand der Ausdruck über die sog. Sondersprachenforschung, die sich mit dem Sprachgebrauch bestimmter sozialer Gruppen befasst. In Abgrenzung zu Argot (Geheimsprachen) und Slang (expressiver Stil) bezeichnet Jargon dort den Sprachgebrauch von sozialen Gruppen, die entweder durch gemeinsame berufliche Tätigkeit oder durch andere soziale Parameter (wie Alter, soziale Schicht, gemeinsame Freizeitinteressen) zusammengehalten werden, von Sprecher*innen also, „die eine gemeinsame berufliche oder außerberufliche Betätigung ausüben, die ständig miteinander verkehren oder enger zusammenleben“ (Domaschnev 1987: 313). Entsprechend dieser beiden sozialen Bereiche unterscheidet man vielfach Fachjargon und Gruppenjargon (vgl. Domaschnev 1987: 314). Jargons zeichnen sich nach dieser soziolinguistischen Fassung dadurch aus, dass Konzepte, die im sozialen Leben der betreffenden Gruppen zentral sind, spezifische (häufig metaphorische) Bezeichnungen bekommen (bspw. Pille für Fußball), die den Status der Konzepte in der Lebenswelt der Gruppenangehörigen markieren und dabei für die Gruppe verbindende Funktion bekommen. Fachjargons in diesem Sinne sind nicht äquivalent zu Fachsprachen, da es ihnen weniger als diesen um terminologische Präzisierung und mehr um soziale Werte geht, die durch die Jargonismen zum Ausdruck gebracht werden. Von Argots werden Jargons dadurch abgegrenzt, dass sie nach außen weniger abschließend (nicht notwendigerweise esoterisch) sind, von Slang bisweilen dadurch, dass dieser auf „den nicht fachspezifischen Wortschatz anzuwenden [sei], der eine in humoristischer, spöttischer oder gar verächtlicher Weise ‚herabgesetzte‘ Färbung aufweist“ (Domaschnev 1987: 314), also spezifische Stileffekte intendiert. Allerdings ist anzumerken, dass diese Differenzierung auch in der Sondersprachenforschung nicht immer trennscharf gemacht wird und die Konzepte teilweise stark ineinander übergehen. Dies gilt insbesondere für Jargon und Slang (vgl. Dittmar 1997: 218–221).

In der neueren Soziolinguistik wird der Terminus kaum noch (terminologisch) gebraucht. Stattdessen spricht man (je nach soziolinguistischer Schule) allgemeiner von Varietäten (Sprachgebrauchsformen, die typisch für bestimmte soziale, regionale oder situative Konstellationen sind), sozialen oder funktionalen Stilen (Sprachgebrauchsformen, die von bestimmten Personen mit bestimmten sozialen oder anderen Funktionen verwendet werden) oder Registern (Sprachgebrauchsformen, die mit bestimmten Personen und Situationen assoziiert werden) (vgl. Neuland/Schlobinski 2018; Spitzmüller 2022). Das hat einerseits damit zu tun, dass sich das Postulat klar identifizierbarer Jargons (wie etwa eines ‚Jargons der Jugend‘) empirisch als nicht tragbar erwiesen hat (vgl. etwa Androutsopoulos 2006), andererseits aber auch mit der sozialen Bedeutung des Ausdrucks in der Alltagswelt, die sich als schwer aus der terminologischen Verwendung herauszuhalten gezeigt hat.

Im alltäglichen Sprachgebrauch hat Jargon häufig eine negative Bewertungskomponente, die sich etwa in Wortpartnern ausdrückt, mit denen das Nomen überzufällig häufig vorkommt. Das zeigt ein Blick in die großen Korpora (Textsammlungen) des Deutschen. Das überwiegend aus Zeitungstexten bestehende Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) etwa listet als typische Adjektivpartner von Jargon: schnoddrig, kanalisiert, neulink, verquast, verdrückt, branchenüblich, flapsig, salopp, unverständlich, rüd und als typische Präpositionalgruppen: verfallen in, verkommen zum (DWDS-Wortprofil für „Jargon“, erstellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache). Jedenfalls verweist der Ausdruck auf eine (aus Sicht der Sprechenden oder ‚normaler‘ Sprachteilhabender) ‚unübliche‘ Sprachgebrauchsform einer bestimmten Personengruppe (meist sind dabei spezifische Wörter gemeint), die nicht notwendigerweise als ‚unverständlich‘ dargestellt werden, vielfach aber als ‚schräg‘ und häufig auch als ‚bezeichnend‘ für eine bestimmte (häufig kritisierte) Haltung dieser Personengruppen. Dies lässt sich bereits in der syntaktischen Form erahnen, die im größten deutschsprachigen Korpus, dem Deutschen Referenzkorpus des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (Teilkorpus W-öffentlich), als typischste Form im Zusammenhang mit Jargon genannt wird: wie es im Jargon von <X> heißt (Deutsches Referenzkorpus DeReKo-2021-I; s. dazu die Beispiele unten). Der Bewertungsaspekt des Ausdrucks zeigt sich auch in Buchtiteln – von Adornos ideologiekritischem Jargon der Eigentlichkeit“ (Adorno 1964) über das sprachkritische „‚Wer oder was ist schief gelaufen?‘: Fehler, Jargon und falsche Grammatik im schriftlichen und mündlichen Gegenwartsdeutsch“ (Deterding 2018) bis hin zum neurechten Jargon der Weltoffenheit: Was sind unsere Werte noch wert?“ (Böckelmann 2014).

Entsprechend dieser breiten Semantik ist auch die Funktion von Jargon in gesellschaftlichen und politischen Diskursen in mindestens zweierlei Hinsicht zu unterscheiden: Als Jargon (im soziolinguistischen Sinn) dient der spezifische Sprachgebrauch sozialer Gruppen dazu, nach außen und innen Zusammengehörigkeit (Identität) zu markieren, indem auf geteilte Wissensbestände häufig in sprachspielerischer Form Bezug genommen wird – dies mitunter auch mit (bewusst oder unbewusst) ausgrenzender oder für Gruppenfremde sachverhaltsverschleiernder Wirkung (Euphemismus). Jargon dient hier also primär der Darstellung eigener sozialer Positionierung und Profilierung, wozu auch die Darstellung bzw. Behauptung von Expertise gehört (vgl. Carr 2010). Als Jargon (im Sinne eines Schlag- und Kampfworts) dient der Ausdruck dazu, zur (nicht selten auch unterstellten) Rede- und Schreibweise anderer eine kritische Position einzunehmen (also eine Position zu Positionen einzunehmen) und diese als wenigstens ‚seltsam‘, vielfach auch als ‚irreführend‘ zu markieren. In beiden Fällen hat Jargon eine wesentliche und ambivalente (verbindende und zugleich trennende) soziale Kraft, die man soziolinguistisch (in ihrer sozialen Funktionalität) beschreiben, aber (in ihren gesellschaftlichen Konsequenzen wie Ausgrenzung und Stigmatisierung) durchaus auch kritisch diskutieren kann.

Beispiele

(1) Als Jargons im soziolinguistischen Sinne gelten beispielsweise die sogenannten Szenesprachen (genauer: Szenestile), also die Sprachgebrauchsformen, die sich innerhalb von gesellschaftlichen Gruppen herausbilden, die gemeinsame Interessen (wie Musikstile und andere popkulturelle Formen oder auch Aktivitäten wie das ‚Hacking‘) verfolgen (vgl. Androutsopoulos 2005; Hitzler/Niederbacher 2010). Neben Kleidung, Symbolen und bestimmten Medien gelten spezifische Sprachgebrauchsformen hierbei als zentrale Mittel, um innerhalb dieser Gruppen Zusammengehörigkeit herzustellen und zu signalisieren. Gleichzeitig werden dadurch Abgrenzungen nach außen, aber auch gruppeninterne Hierarchien und Differenzierungen markiert. Jargonismen wie bombardieren, Tags, Crews (Graffiti-Szene), Bank, Hammer und Combo (Skater-Szene) oder mumbeln, Lautis und hönkeln (Antifa-Szene) bezeichnen (und bewerten vielfach gleichzeitig auch) zentrale Praktiken, Ideen und Gegenstände der jeweiligen Szene (vgl. www.jugendszenen.com; zur Antifa-Szene ausführlicher Wallrodt/Seibert 2016). Dabei signalisieren sie auch szenespezifisches Wissen. Dieser Aspekt ist auch zentral bei der Verwendung von Jargonismen von Akteur*innen, die in bestimmten Diskurszusammenhängen Expertise beanspruchen. Wie Carr (2010: 20) betont, geht es hierbei vielfach weniger um die sprachliche Verschleierung als um die Markierung (einer Beanspruchung) von Wissen. Eine strategische Zweitverwertung solcher Jargons findet man vielfach in der Werbung, die durch die inszenierte Verwendung entweder die Anhänger einer bestimmten Szene bzw. sozialen Gruppe anzusprechen oder aber von deren Image zu profitieren versucht, wie das folgende Beispiel einer Kampagne der Arbeiterkammer Kärnten illustriert (vgl. auch Androutsopoulos 2005 zum Beispiel chillen).

https://diskursmonitor.de/glossar/kampagne/
Abb. 1 :„WTF? – Der Jugendpreis der IGKA 2020“ (Quelle: https://www.creos.at/details-46/wtf-der-jugendpreis-der-igka-2020.html ; Zugriff: 22.02.2022)

(2) Wenn man in medialen Diskursen nach dem Ausdruck Jargon sucht, findet man vor allem Verwendungen im Sinne von (distanzierenden) Sprachgebrauchsbewertungen. Hier einige Beispiele aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo-2021-I):

„Wir brauchen einen Abbaupfad“, beschrieb Möllring das niedersächsische Konzept, die Kreditaufnahme Jahr für Jahr zu senken – bis zur „Null“ schon 2017. „Sinkflug“ heißt das im Jargon der Koalition, „Sturzflug“ die Politik der SPD. (Braunschweiger Zeitung 22.03.2012)

So viele Namen gibt es für die Hauptschule. Vom „Deppendepot“ sprechen manche Jugendliche. Im Jargon der Politiker heißt sie mitunter „Aufbewahrungsanstalt“ und „Pädagogen“ sehen in ihr auch schon mal die Resteschule. (FOCUS 27.07.2009: 66–71)

Doch die Art, wie Widersprüche und alte Kampflyrik mit den – wie es im modischen Jargon heißt – „neuen Herausforderungen“ verknüpft sind und wie Funktionärspositionen des Status quo festgezurrt werden, mündet nur in eine sprachliche Katastrophe. (Kleine Zeitung 30.10.1998)

Die Organisation hatte dem sächsischen Innenministerium zufolge das Ziel, eine – wie es im rechtsextremen Jargon heißt – „national befreite Zone“ zu schaffen. (Nürnberger Zeitung 07.08.2008: 6)

Die Professoren verkriechen sich in ihren Spezialgebieten, was sich etwa in den Geisteswissenschaften darin zeigt, dass der Jargon, die Terminologie, stark zugenommen hat. Die Neuphilologen schmücken sich gerne mit einer übertriebenen Fachsprache, die der Linguistik entnommen ist. Dahinter steckt das Bedürfnis, Schutz zu suchen. Wenn man sich mit Fachwissen panzert, bleibt man unangreifbar. Wer hingegen allgemein verständlich spricht, exponiert sich. Doch wo kommen wir hin, wenn der Linguist den Historiker und der Philosoph den Philologen nicht mehr versteht? (Tages-Anzeiger 24.06.2002: 49)

Eine wichtige soziale Funktion solcher Bewertungen ist die Markierung eines kritischen Standpunkts durch die, die den Jargon-Vorwurf äußern, gegenüber denen, die der Vorwurf trifft. Die Kritik kann sich dabei darauf richten, dass die kritisierten Personen nicht in der Lage sind, Dinge ‚normal‘ oder ‚klar‘ zu äußern (Fachiditotenvorwurf), dass sie Dinge in Jargon ‚verkleiden‘, um ihre Banalität zu kaschieren (Imponiervorwurf) oder sie der Kritik zu entziehen (Esoterikvorwurf), oder dass durch den Jargon Dinge weniger problematisch dargestellt werden als sie sind (Verschleierungsvorwurf siehe Euphemismus). Personen, die den Vorwurf äußern, unterstellen dadurch nicht nur anderen ‚unangemessenen‘ Sprachgebrauch, von dem sie sich distanzieren, sie weisen sich selbst durch das Jargon-Verdikt auch die Fähigkeit zu, das sprachliche ‚Fehlverhalten‘ anderer zu durchschauen und zu wissen, wie man es ‚angemessener‘ ausgedrückt hätte. Jargonvorwürfe sind somit häufig auch Behauptungen von Expertise.

 

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Neuland, Eva; Schlobinski, Peter (Hrsg.) (2018): Handbuch Sprache in sozialen Gruppen. Handbücher Sprachwissen 9. Berlin & Boston: De Gruyter.
  • Spitzmüller, Jürgen (2022): Soziolinguistik: Eine Einführung. Heidelberg: J. B. Metzler.

Zitierte Literatur

  • Adorno, Theodor W. (1964): Jargon der Eigentlichkeit: Zur deutschen Ideologie. Edition Suhrkamp. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Androutsopoulos, Jannis. (2005): „… und jetzt gehe ich chillen“: Jugend- und Szenesprachen als Erneuerungsquellen des Standards. In: Eichinger; Ludwig; Kallmeyer, Werner (Hrsg.): Standardvariation: Wie viel Variation verträgt die deutsche Standardsprache? (Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 2004). Berlin & New York: de Gruyter, S. 171–206.
  • Androutsopoulos, Jannis (2006): Jugendsprachen als kommunikative soziale Stile: Schnittstellen zwischen Mannheimer Soziostilistik und Jugendsprachenforschung. Deutsche Sprache 34 (1–2), S. 106–121.
  • Böckelmann, Frank (2014): Jargon der Weltoffenheit: Was sind unsere Werte noch wert? Edition Sonderwege. Waltrop: Manuscriptum.
  • Carr, E. Summerson (2010): Enactments of expertise. Annual Review of Anthropology, 39, S. 17– 32.
  • Deterding, Klaus (2018): „Wer oder was ist schief gelaufen?“ Fehler, Jargon und falsche Grammatik im schriftlichen und mündlichen Gegenwartsdeutsch. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag.
  • Dittmar, Norbert (1997): Grundlagen der Soziolinguistik: Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben. Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 57. Tübingen: Niemeyer.
  • Domaschnev, Anatoli I. (1987): Umgangssprache/Slang/Jargon. In: Ammon, Ulrich; Dittmar Norbert; Mattheier, Klaus J. (Hrsg.): Soziolinguistik: Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. Bd. 1. Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 3.1. Berlin & New York: de Gruyter, S. 308–315. 
  • DWDS (o.J.): Wortprofil für „Jargon“, erstellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache. Online unter: https://www.dwds.de/wp/Jargon ; Zugriff: 24.01.2022
  • Hitzler, Ronald & Arne Niederbacher (2010): Leben in Szenen: Formen juveniler Vergemeinschaftung heute. 3., vollst. überarb. Aufl. (Erlebniswelten 3). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Jugendszenen.com (o.J.): Jugendszenen.com – Das Portal für Jugendszenen“. Online unter: http://www.jugendszenen.com/ ; Zugriff: 22.02.2022.
  • Kalivoda, Gregor (1998): Jargon. In: Ueding, Gert (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 4: Hu—K, 712–717. Tübingen: Niemeyer.
  • Neuland, Eva; Schlobinski, Peter (Hrsg.) (2018): Handbuch Sprache in sozialen Gruppen. Handbücher Sprachwissen 9. Berlin & Boston: De Gruyter.
  • Spitzmüller, Jürgen (2022): Soziolinguistik: Eine Einführung. Heidelberg: J. B. Metzler.
  • Wallrodt, Ines; Seibert Niels (2016): Murmeln, Mumbeln, Flüstertüte: Lexikon der Bewegungssprache. Münster: Unrast.

Abbildungsverzeichnis

Zitiervorschlag

Spitzmüller, Jürgen (2022): Jargon. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 24.03.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/jargon.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Sagbarkeit

Im öffentlichen Diskurs findet sich häufig die strategische Behauptung, dass bestimmte Fakten oder Meinungen unsagbar seien. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass es Grenzen des Sagbaren gebe, die im öffentlichen Diskurs Geltung hätten.

Kulturelle Grammatik

Kulturelle Grammatik steht für ein System von Regeln und/oder etablierten Regelmäßigkeiten, die Formen richtiger und/oder normaler Kommunikation und Interaktion auszeichnen.

Techniken

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Wir

Das Pronomen wir erfüllt aber noch eine weitere diskursive Funktion: Ein Fundament des politischen Diskurses sind dynamische politische Ideologien: Glaubens- und Wissenssysteme von politischen und sozialen Gruppen.

Petition

Petitionen sind eine der am meisten genutzten Partizipationsformen nach Wahlen. Sie sind sowohl ein Mittel der politischen Beteiligung als auch ein Protestmittel und damit Zwitterwesen in der politischen Landschaft. Durch die Digitalisierung haben sich Petitionen zudem maßgeblich verändert, ihre Zahl hat zugenommen, ebenso wie die Zahl der Plattformen, auf denen sich Petitionen starten lassen.

Influencer / Influencerin

Influencer:innen sind Personen, die auf Social-Media-Plattformen regelmäßig selbst produzierte Inhalte publizieren und damit eine öffentliche Reichweite über ihre Follower:innen aufbauen. Influencer:innen haben das Potenzial, Rezipient:innen in ihrem Wissen, Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen (engl. to influence).

Schlagwörter

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Identitätspolitik

Der Ausdruck steht heute für eine politische Konstellation, in der konkurrierende Wir-Gemeinschaften mit einer Diskriminierungs- und Benachteiligungsgeschichte in der Öffentlichkeit um Anerkennung konkurrieren. An der Oberfläche geht es ‚identitären‘ Wir-Gemeinschaften darum, die eigene Diskriminierung als Ermächtigungsmotiv an die Öffentlichkeit zu tragen.

Cancel Culture

Cancel Culture ist ein Kampf- und Stigmawort, das sich in skandalisierender Absicht gegen die Praxis (und oft auch bereits gegen die Forderung) des Absagens, Ausladens, Boykottierens moralisch missliebiger und politisch bekämpfter Personen, Organisationen und Positionen in Wissenschaft, Kultur und Politik wendet.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…

Satzsemantik von Vorhersage und Nutzen-Risiko-Abwägung: Die STIKO-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige vom 18. August 2021

“Die Forschung muss… sich in die Lage versetzen, die politischen Implikationen, die sie hat, anzunehmen und auszuforschen, um nicht beim ersten Knall der Peitsche durch alle ihr vorgehaltenen Reifen zu springen. Diese Integrität kann die Wissenschaft gerade dadurch unter Beweis stellen, dass sie dem herrschenden Druck, praktische Tabus in theoretische umzuwandeln, widersteht” (Beck 1986, 283)

Review-Rückblick

In dieser Rubrik veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen kurze Notizen zu Ereignissen oder Phänomenen, die in den vergangenen Wochen in der strategischen und öffentlichen Kommunikation zu beobachten waren. Die Texte kommentieren subjektiv, unsystematisch, teils widersprüchlich und hoffentlich pointiert. Sie erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, beobachten ihren Gegenstand aber von einer diskursanalytischen und -interventionistischen Position aus und sollen zum Widerspruch einladen. Sie repräsentieren nicht die Position der Redaktion des Diskursmonitors, sondern ihrer jeweiligen Autorinnen und Autoren.

Rasse, Rassismus

1) Zu Beginn drei exemplarische Medienereignisse aus der jüngsten Vergangenheit, in denen es um den Komplex Rasse, Rassismus ging…

Freund-Feind-Begriffe: Zum diskurssemantischen Feld soziopolitischer Kollektivierung

Mit jeder sprachlichen Äußerung (und das schließt das Nicht-Äußern mit ein) positioniert sich der Sprecher oder Schreiber sowohl innerhalb eines von ihm intersubjektiv (re)konstruierten als auch eines objektiven (d.h. objektivierbaren) diskursiven Raum sozialer Gruppen. Möglich ist dies nur aufgrund der sozialsymbolischen (indexikalischen) Bedeutung kommunikativer Zeichen im Bühlerschen Sinne…

PR, Punk oder Provinz: Wie Corona-Forschung die Öffentlichkeit (nicht) erregt.

Jeden Tag erreichen uns neue Nachrichten, neue Zahlen, neue Grafiken zur laufenden Corona-Pandemie. Wer erinnert sich da noch daran, was vor zwei oder drei Monaten oder vor einer Woche öffentlich diskutiert wurde? Vielleicht sind nur zwei Debatten wirklich in unserem öffentlichen Gedächtnis hängen geblieben, unter anderem, weil sie es zu eigenen Twitter-Hashtags gebracht haben: #HeinsbergProtokoll und #IchHabeBesseresZuTun…