DiskursGlossar

Propaganda

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke:
Werbung, Reklame, Marketing, Public (Customer) Relations (PR), Öffentlichkeitsarbeit, Agitation
Siehe auch: Manipulation, Agenda Setting, Werbung, Kampagne
Autorin: Susanna Weber
Version: 1.3 / 23.04.2020

Kurzzusammenfassung

Propaganda als Kommunikationstechnik und -praxis umfasst eine Vielzahl von sprachlichen und visuellen, meist mediengestützten Formen der gezielten Beeinflussung und Steuerung des Denkens, Fühlens und Handelns von Menschen. Propaganda-Techniken beruhen vor allem auf gesteuerter Auswahl und/oder Zensur von Informationen, auf polarisierenden Zuspitzungen und Personalisierungen. Darüber hinaus werden gezielt Impulse gesetzt, die unterbewusste Bedürfnisse und Emotionen ansprechen und an vorhandene Denkmuster anknüpfen.

Unter anderen Namen ist Propaganda in den Praktiken enthalten und weiterentwickelt, die heute z.B. Werbung, Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit heißen und die jeweils neuesten Erkenntnisse aus Hirnforschung, Psychologie und Medienwissenschaften nutzen.

Erweiterte Begriffsklärung

Die Verwendungsgeschichte des Ausdrucks Propaganda zeigt markante Bedeutungsverschiebungen und Konjunkturen. Die Bewertungen wechselten mehrfach, ebenso die Hauptfelder des Wortgebrauchs: Religion, Politik, Ökonomie. Ursprünglich war Propaganda die (positiv bewertete) Bezeichnung für gegenreformatorische Missionierungsbestrebungen und eine entsprechende Institution der katholischen Kirche. In den Macht- und Meinungskämpfen der Französischen Revolution sowie späterer revolutionärer Bewegungen wurde Propaganda politisch zur gegenseitigen Kennzeichnung revolutionärer oder gegenrevolutionärer Argumentationen und Organisationen gebraucht. Im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten wurde Propaganda zum Zentralbegriff und bezeichnete die ausgefeilten Strategien der Steuerung öffentlicher Meinung und Handlungen, vor allem zur Verfolgung politischer Gegner und zur Kriegsvorbereitung. Gegenwärtig wird Propaganda überwiegend als negativ markierter historischer Beschreibungsbegriff verwendet. In der politischen Praxis wird der Gebrauch von Propaganda als Strategie in der Regel dem jeweiligen Gegner/Kontrahenten zugeschrieben.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Propaganda synonym mit Reklame als Bezeichnung für die zunehmenden und immer weiter perfektionierten Instrumente der Produkt-Werbung im Dienste der Nachfragesteigerung etabliert. Der Gebrauch im Rahmen politischer Erziehungs- und Überzeugungsarbeit war in den Hintergrund gerückt. Die Nationalsozialisten institutionalisierten Propaganda mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Die Begriffskopplung spielt taktisch geschickt mit (noch) vorhandenen positiven Ressourcen von Aufklärung. Als einflussreiche zeitgenössische deutsche Publikation ist „Propagandamittel der Staatsidee“ von Domizlaff (1932) zu nennen. Propaganda wurde als Bezeichnung für die Kommunikationstechniken der Nationalsozialisten ausdrücklich exklusiv beansprucht. Dem gegenüber sollte Reklame als Etikett für kommerzielle Werbe- und Beeinflussungstechniken verwendet werden. Die gemeinsamen Wurzeln und Grundüberzeugungen bleiben natürlich trotzdem sichtbar, angefangen von der (empirisch gestützten) Überzeugung, dass öffentliche Meinung ,gemacht‘ wird bis zu den verwendeten Techniken (vereinfachen, illustrieren, dramatisieren, wiederholen [vgl. Bernays 2007]). 

Auf Seiten der Arbeiterbewegung wurde Propaganda als Instrument der politischen Bildung und Erziehung verstanden, war aber nicht unumstritten (vgl. Münzenberg 1937). Später etablierte sich in der sozialistischen/kommunistischen Bewegung die Kopplung und gleichzeitige Unterscheidung von Agitation und Propaganda, beides wurde positiv bewertet. Mit Bezug auf Lenins Auffassung wurde Propaganda eher mit gedrucktem Material (Schriften, Plakate etc.) verbunden, Agitation mit dem gesprochenen Wort. Propaganda ist hier assoziiert mit Schulung/Erziehung, Agitation mit Mobilisierung. Auch in der DDR blieb Propaganda eine positiv besetzte Bezeichnung.

Auch ohne die ausdrückliche Kennzeichnung mit dem Namen Propaganda waren die unmittelbare Nachkriegszeit und die Zeit des folgenden Kalten Krieges Hoch-Zeiten des Propagandaeinsatzes aller relevanten Akteure: Ob in der Werbung für die Marshallplan-Maßnahmen der USA (die als rein humanitär/demokratische Aktivitäten beworben wurden, nicht aber als ökonomischen Interessen folgend und zur politischen Beeinflussung gegen ,den Kommunismus‘, in der Konstruktion von Raketenlücken und anderen Bedrohungen zur Begründung von Rüstungseskalationen – das gesamte Arsenal von Propagandatechniken wurde und wird eingesetzt.

Seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland, vor allem aber in den USA, sozialwissenschaftliche Forschung zu Propaganda (vgl. Plenge 1921; Lasswell 1927). Das schon 1928 in den USA erschienene, aber erst seit 2007 auf Deutsch verfügbare Buch von Edward Bernays (einem Neffen Sigmund Freuds) mit dem Titel „Propaganda. Die Kunst der Public Relations“ enthält in erstaunlicher Deutlichkeit die Beschreibung aller relevanten Strategien der Meinungs- und Entscheidungsmanipulation, die nach Auffassung von Bernays sowohl im politischen Raum wie in der Ökonomie zum Einsatz gebracht werden und werden sollten. Wichtige Theoretiker der modernen public relations (PR), wie Propaganda von Bernays später auch genannt wurde, stützten und stützen sich bis heute auf seine Konzepte. Grundlegend für Bernays wiederum war Walter Lippmanns Standardwerk „Die öffentliche Meinung“ von 1922.  Lippmann unterstrich z.B., dass öffentliche Meinung grundlegend durch übernommene Denkmuster und Stereotypen geprägt und durch Propaganda veränderbar sei. Bernays ging davon aus, dass die „bewusste und zielgerichtete Manipulation von Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen (…) wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften“ sei. Mehr noch, er setzt „eine stille gesellschaftliche Übereinkunft“ darüber voraus, „dass unser Blick durch den Einsatz von Propaganda lediglich auf eine reduzierte Auswahl an Gedanken und Gegenständen fällt“ und damit die Gesellschaft durch „im Hintergrund arbeitende Führungsinstanzen“ gesteuert werden kann (Bernays 2007: 20 f.). Er hielt dies für völlig legitim und nur dann für ,unethisch‘, wenn bewusst und gezielt mit Lügen gearbeitet werde.

Die zuvor schon in der Wirtschaft verwendeten erfolgreichen Strategien zur Nachfrageerzeugung empfiehlt er ausdrücklich auch für das Feld der Politik: nicht argumentieren, sondern abgestimmt auf die Zielgruppe Gefühle ansprechen (illustrieren, dramatisieren, inszenieren), einflussreiche Personen des öffentlichen Lebens als Identifikationsvorbilder und Multiplikatoren einsetzen, Informationen medienkompatibel filtern (vgl. Bernays 2007: 83 ff.). Es liegt nahe und ist seinen Argumenten abzulesen, dass er auch die modernen tiefen- und massenpsychologischen Erkenntnisse über Triebstrukturen, Verdrängung, Verschiebung etc. nutzte. Vordergründig entweder naiv oder wissenschaftlich-technokratisch argumentierend stellte sich Bernays in den 50er Jahren in den Dienst der United Fruit Company, um den demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas zu stürzen (s.u.).

Propaganda als Element strategischer Kommunikation ist besonders ausgeprägt im Feld der Sicherheits- und Militärpolitik. Hier wurde zuletzt das Konzept und die Praxis des ,embedded journalism‘ aus der Zeit des Irak-Krieges (2003) auffällig, mit dem die westlichen Kriegsparteien dezidiert und massiv die Berichterstattung ausgewählter Journalisten im Sinne eigener Interessen lenkten. Darüber hinaus findet Propaganda kontinuierlich u.a. im Rahmen verschiedener Formen von Lobbyismus und internet-basierter sogenannter ,Influencer-Portale‘ statt. Im Feld der Politikberatung werden entsprechende Praktiken, teils mit neuen Namen versehen und angepasst an die Möglichkeiten moderner Medien, massiv eingesetzt (Agenda Setting, Branding, Campaigning). Propaganda wird verdeckt oder unter Geheimhaltung betrieben, wie in der Regel bei Kriegspropaganda. Andererseits sind Handbücher und Anleitungen für kommerzielles und politisches Marketing zumindest potentiell für die Öffentlichkeit zugänglich, es gibt entsprechende Lehrstühle an Hochschulen und privaten Institutionen.

Eine spezifisch westlich-kapitalistische Variante von Propaganda-Kommunikation wurde in den 70er Jahren von Wolfgang Fritz Haug analysiert. In seiner „Kritik der Warenästhetik“ von 1971 beschrieb er eindrücklich, wie sich in der Kreation von Marken kommerzielle Verwertungsinteressen und politisches Machtstreben verschränken (auch ,der Führer‘ war Ergebnis einer solchen Intervention; politische Parteien sprechen in Selbstbeschreibungen von ihrem Markenkern). Die Marke kann als Kristallisationspunkt von Erlösungserwartungen, sexualisierten Macht- bzw. Unterwerfungsfantasien und Ängsten dienen, die als erfüllbar bzw. lösbar durch den entsprechenden Kauf- bzw. Wahlakt präsentiert werden.

Nicht zufällig wird als Ziel von politischer Propaganda von mehreren einflussreichen Autoren die Herstellung eines gesellschaftlichen Konsenses angesehen (Lippmann, Bernays, Chomsky), was in der Alltagssprache als stark positiv verstandener Wert gilt. Konsens kann jedoch auch fiktional konstruiert werden. So beruht z.B. die aktuell diskutierte sogenannte ,Widerspruchslösung‘ bei der Organentnahme zu Transplantationszwecken auf einer massiven Konsensfiktion (also Propaganda), indem sie dekretiert, dass alle Betroffenen, die nicht explizit und aktiv widersprechen, als Zustimmende einzustufen seien.

Aus der Perspektive demokratischer Öffentlichkeit ist Propaganda als Machtmittel und Herrschaftsinstrument einzuordnen. Sie gehört zum Repertoire von Konzepten weicher Führung, also zu den sprachlichen, symbolischen, szenischen Gegebenheiten, die meist ohne unmittelbare materielle Gewalt funktionieren, anders als zum Beispiel Unterwerfung unter rigide Arbeits- bzw. Ausbeutungsbedingungen (Ich-AG) – die aber subjektiv als Autonomiegewinne erlebt werden.

Als Gegenstrategien zu Propaganda werden aus unterschiedlichen Gruppierungen der demokratischen Öffentlichkeit und ihren Akteuren vor allem Mittel vorgeschlagen und erprobt, die auf Transparenz und Aufklärung setzen (Ethik-Codes, Transparenzregeln, Lobby-Register u.ä.) bzw. diese selbstständig herstellen, wenn die üblichen Instrumente nicht ausreichen (Recherche-Netzwerke, Whistleblower, Leaks, Guerilla-Kommunikation).

Beispiele

(1) 1953 hatte in Guatemala der demokratisch gewählte Präsident Jacobo Arbenz begonnen, die bisher nahezu unbeschränkte Verfügungsgewalt des US-amerikanischen Konzerns „United Fruit Company“ im Land einzudämmen. Unterstützt von der CIA wurde Arbenz in einer von Edward Bernays entworfenen Kampagne in allen Medien als Kommunist denunziert und als Bedrohung für die USA dargestellt. Der Coup gelang, die „United Fruit Company“ erhielt alle Verfügungsrechte zurück, und seither ist der Ausdruck ,Bananen-Republik‘ in der Welt Synonym für Staaten, die nicht von den gewählten Repräsentanten des eigenen Landes regiert werden, sondern von den ökonomischen Interessen meist internationaler Konzerne.

(2) Eine aktuelle (September 2019) Plakatwerbeaktion der Bundeswehr lässt sich, zumindest in Teilen, als Beispiel für Propaganda analysieren: Der Militärapparat präsentiert sich nicht nur als ,normales‘ Unternehmen, sondern auch als Ziel einer Berufung. Als Blickfang sind auf den Plakaten Personen in Halbtotale abgebildet, die zufrieden und freundlich auf den Betrachter blicken. Pro Plakat gibt es nur je ein Schlagwort: Office, Tech, Ausbildung, darunter die Zeile Folge Deiner Berufung. Außer dem offiziellen Emblem der Bundeswehr weist nichts auf den Auftraggeber hin, die hochtechnisierte Armee des Landes, die mittlerweile auch wieder an einem Angriffskrieg beteiligt war und an zahlreichen Kriegs- bzw. Kriseneinsätzen teilnimmt. Als sprachliche/szenische Mittel werden folgende eingesetzt:

  • Personalisierung (nicht der Militärapparat wird gezeigt, sondern Zivilisten)
  • Emotionalisierung (Ansprache mit intimem Du, Berufung als Wort mit religiösen Assoziationen)
  • Dekontextualisierung (keine Uniform, keine Waffen, kein Hinweis auf den Zweck eines Militärapparates oder konkrete Einsätze, Anspielen der religiös-spirituellen Sphäre durch Berufung)

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Bernays, Edward (2007): Propaganda. Kempten: Orange-Press.
  • Burke, Kenneth (1971): Die Rhetorik in Hitlers „Mein Kampf“ und andere Essays zur Strategie der Überredung. Frankfurt a.M: Suhrkamp.
  • Bussemer, Thymian (2005): Propaganda. Konzepte und Theorien. Wiesbaden VS.
  • Voigt, Gerhard (1975): Goebbels als Markentechniker. In: Haug, Wolfgang. F. (Hrsg.): Warenästhetik. Beiträge zur Diskussion, Weiterentwicklung und Vermittlung ihrer Kritik. Frankfurt: Suhrkamp, S. 231–260.

Zitierte Literatur

  • Bernays, Edward (2007): Propaganda. Die Kunst der Public Relations. Kempten: Orange-Press.
  • Chomsky, Noam; Hermann, Edward (1988): Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media. New York: Pantheon Books.
  • Domizlaff, Hans (1932): Propagandamittel der Staatsidee. Altona: Domizlaff.
  • Haug, Wolfgang F. (1971): Kritik der Warenästhetik. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Lasswell, Harold (1927): Propaganda Technique in the World War. London: Kegan.
  • Lippmann, Walter (1990): Die öffentliche Meinung. Bochum: Brockmeyer.
  • Münzenberg, Willi (1937): Propaganda als Waffe. Paris: du Carrefour.
  • Plenge, Johann (1921): Deutsche Propaganda. Die Lehre von der Propaganda als praktische Gesellschaftslehre. Bremen: Angelsachsen-Verl.

Zitiervorschlag

Weber, Susanna (2020): Propaganda. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 23.04.2020. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/propaganda.

 

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Schlagwörter

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.