DiskursGlossar

Agenda Setting

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Themensetzung, Thematisierungsfunktion, Agenda-building
Siehe auch: Zivilgesellschaft, Framing, Strategische Kommunikation, Kampagne
Autorin: Charlotte Dany
Version: 1.1 / Datum: 07.06.2023

Kurzzusammenfassung

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann. In der Politikwissenschaft bezieht sich der Begriff auch auf eine frühe Phase des Politikzyklus, in der Themen auf die Tagesordnung von politischen Entscheidungsinstanzen gebracht werden, um sie einer politischen Bearbeitung näherzubringen. Vor allem in Netzwerken organisierte NGO-Aktivist*innen erfüllen diese Agenda Setting-Funktion gegenüber Staaten und internationalen Organisationen. Sie entwickeln hierzu beispielsweise Kampagnen über nationalstaatliche Grenzen hinweg. In der Kommunikationswissenschaft wird das Agenda Setting als Thematisierungs- und Strukturierungsfunktion der Massenmedien gegenüber der Öffentlichkeit beschrieben: Medien können zu einem gewissen Grad und unter bestimmten Bedingungen beeinflussen, was öffentlich als Problem wahrgenommen wird und mit welcher Dringlichkeit.

Das Agenda Setting von politischen Akteuren und Medien ist eng miteinander verknüpft und bedingt sich gegenseitig; diese Interaktionseffekte werden als ,Agenda-building‘ bezeichnet. Häufig wird Agenda Setting als eine ermächtigende und emanzipatorische Diskursstrategie beschrieben, da sie marginalisierten Interessen politische Aufmerksamkeit verschaffen und politische Entscheidungsprozesse vorbereiten kann. Kritische Perspektiven verweisen hingegen auf das Problem einer zu engen Verbindung zwischen Medienagenda und politischer Agenda, was die Bildung einer informierten Öffentlichkeit verhindert (Stichworte: ,Politainment‘ oder ,Mediokratie‘). Dabei konzentriert sich die Agenda Setting-Macht auf einige wenige Akteure, die Zugang zu den Ressourcen und Kanälen haben. Im Alltagsgebrauch gibt es auch negative Verwendung, in dem Sinne, dass Themen aus politischem Kalkül unverhältnismäßig stark thematisiert werden, obwohl sie für nur wenige Menschen von Relevanz sind. Grundsätzlich problematisch sind Verzerrungen und Ausschlüsse, die mit Agenda Setting einhergehen: Agenda Setting ist notwendigerweise immer eine Entscheidung gegen das Sichtbarmachen von anderen Themen, und kann Diskurse einschränken oder gar verhindern.

Erweiterte Begriffsklärung

Agenda Setting sei notwendig, da politische Eliten dazu neigten, marginalisierten Gruppen und ihren Problemen den Zugang zum politischen Diskurs zu verweigern und daher gesellschaftlich relevante Themen ignorierten (vgl. Kersting 2022: 222). Durch Agenda Setting sollen solche Ausschlüsse vermieden und Themen auf die politische Tagungsordnung gebracht werden. Dafür lenken politische Akteure mithilfe der Medien Aufmerksamkeit auf ein Thema und deuten es auf eine bestimmte Art (framing). Sie sammeln Informationen und stellen sie bereit, skandalisieren das Thema und strukturieren es, um öffentlichen Druck zu erzeugen und politische Instanzen dazu zu drängen, politische Entscheidungen zu formulieren und sie umzusetzen. Inwiefern sie damit erreichen, dass marginalisierte Interessen dadurch tatsächlich stärker Gehör finden ist jedoch fraglich. Denn Agenda Setting geht gleichzeitig mit einer Engführung des Diskurses einher, der eher dazu geneigt scheint, ohnehin dominante Sichtweisen zu verstärken.

Ein wichtiger Bestandteil des Agenda Setting sind neben diesen kommunikativen Aktivitäten politische Strategien der Vernetzung. Denn für erfolgreiches Agenda Setting ist es wichtig, Verbündete zu haben. Beispielsweise greifen in transnationalen Netzwerken organisierte NGOs ein bis dahin als unproblematisch oder irrelevant angesehenes Thema auf, entwerfen dazu Kampagnen, vernetzen sich mit unterstützungsbereiten nationalstaatlichen politischen Akteuren und bringen sie so auf die Agenda internationaler Organisationen. Agenda Setting ist damit ein wichtiges Instrument politischer Einflussnahme für nichtstaatliche politische Akteure, wie NGOs. Um externe politische Akteure zu beeinflussen, muss jedoch auch zuerst innerhalb der NGOs ein Agenda Setting stattgefunden haben.

Aus einer Vielzahl an Problematiken und Ungerechtigkeiten entscheiden NGOs, welchen Themen sie sich zuwenden. Sie wählen solche Themen aus, die erfolgversprechend sind, weil sie sich beispielsweise gut für Kampagnen eignen. Dazu gehört, dass sie als ungerecht empfunden werden und Empörungspotential aufweisen. Sie sollten es erlauben, eine Geschichte zu erzählen, in der Gut und Böse klar bestimmbar sind. Aber nicht alle Themen, die diese Charakteristika aufweisen, werden von NGOs aufgegriffen. So haben internationale NGOs während des Bosnien-Krieges die Stigmatisierung und das Leid von Kindern, die nach Kriegsvergewaltigungen geboren wurden, nicht zum Thema gemacht, obwohl es sich dafür angeboten hätte (vgl. Carpenter 2010). Ob ein Thema auf die Agenda von NGOs kommt und zum Gegenstand von Kampagnen wird, um nationale und internationale politische Prozesse zu beeinflussen, ist abhängig von komplexen Dynamiken innerhalb der NGO-Netzwerke. Agenda Setting ist somit auch immer die Entscheidung gegen die Thematisierung anderer Themen. 

Zum Agenda Setting in NGOs gehört nicht nur, zu entscheiden, welche Themen überhaupt in Kampagnen kommen, sondern auch wie: also mit Verweis auf welche Prinzipien und mithilfe welcher Strategien internationale Diplomat*innen, Journalist*innen oder Staatsoberhäupter beispielsweise auf eine Menschenrechtsproblematik aufmerksam gemacht werden (vgl. Wong 2014: 80). NGOs sind dann besonders erfolgreich, wenn das interne Agenda Setting in den Händen einiger weniger Personen zentralisiert ist, die für die gesamte Organisation sprechen können (vgl. Wong 2014: 76). Wenige Führungspersonen haben dann innerhalb der Organisationen viel informelle Macht für die Themensetzung. Insofern bestimmt nicht so sehr die Wichtigkeit der Themen oder das Ausmaß der Ungerechtigkeit, welche Themen auf die Agenda kommen. Ausschlaggebend ist eher die interne Organisationsstruktur der NGOs sowie die Entscheidungsmacht Einzelner.

Es wird diskutiert, welche Auswirkungen die Nutzung sozialer Medien auf Agenda Setting hat. Einerseits wird befürchtet, dass die Möglichkeiten „direkter, ungefilterter online Kommunikationsformate“ das klassische Agenda Setting der Massenmedien und politischer Akteure unter Druck setzen könnte (Korte/Richter 2022: 151). Soziale Medien bieten jedoch auch Potential für Agenda Setting, wenn auch auf andere Weise. Die Agenda Setting-Macht scheint sich eher zu vervielfältigen, wenn Menschen sich zu Themenkomplexen leichter zusammenschließen und darüber ohne Kosten oder Zeitaufwand direkt berichten und viele anderen Menschen erreichen können. Auch bedienen sich politische Akteure verstärkt sozialen Medien: NGOs nutzen zunehmend Facebook oder Instagram, um Themen mehr Öffentlichkeit zu geben und Druck auf politische Entscheidungsinstanzen auszuüben. So nutzen beispielsweise humanitäre NGOs soziale Medien, um auf das Leid der Flüchtlinge und Migrant*innen aufmerksam zu machen, die seit 2014 verstärkt über gefährliche Routen nach Europa kommen. Auch rechtspopulistische Gruppen nutzen gezielt soziale Medien, eigene Online-Medien sowie Messenger-Dienste, um Themen zu setzen und ihnen öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Jenseits der ,Lügenpresse dienen ihnen soziale Medien als wichtige Komponente einer rechtspopulistischen Kommunikationsstrategie, was die Verbreitung von Desinformationen erleichtert.

Beispiele

Eindeutige empirische Belege für die Wirkungen der Medien auf die öffentliche Agenda sind rar. Es gibt jedoch eindrucksvolle historische und aktuelle Beispiele für erfolgreiches Agenda Setting durch politische Akteure.

(1) So haben NGOs zur Abschaffung der Sklaverei beigetragen und das Frauenwahlrecht mit durchgesetzt, indem sie die menschenrechtlichen Problematiken von Sklaverei und den Ausschluss von Frauen von politischer Teilhabe durch Kampagnen öffentlich skandalisiert haben (vgl. Keck und Sikkink 1998: 40 f.). Eindrucksvoll sind diese Beispiele, weil hier etwas, was vorher als völlig normal und unproblematisch galt, international geächtet wurde. Das illustriert die ermächtigende und emanzipatorische Funktion des Agenda Setting über Grenzen hinweg.

(2) Ein aktuelleres Beispiel, dessen historische Bedeutung sich erst noch zeigen muss, ist eine NGO-Kampagne, die ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene vorbereitete. In der Initiative Lieferkettengesetz schlossen sich 130 NGOs zusammen, um ein EU-weites Lieferkettengesetz zu fordern. Das soll im gesamten Produktions- und Lieferprozess Umwelt- und Menschenrechtsstandards garantieren. Erste Erfolge sind zu verzeichnen: Die Europäische Kommission hat 2022 eine Richtlinie als Vorschlag erarbeitet und in Deutschland ist 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft getreten. Auch wenn das Gesetz gegenwärtig von verschiedenen Seiten kritisiert wird, weil es nicht das erreicht, was es soll, so ist das Agenda Setting doch gelungen: Die Kampagne stellte Öffentlichkeit und Druck her zu einem eigentlich sehr sperrigen Thema. Sie fokussierte die Diskussion auf die Notwendigkeit, einen gesetzlichen Rahmen in der EU zu schaffen. Der Ruf nach einem ,gesetzlichen Rahmen‘ wurde zum Kernthema der Social Media und Straßenprotestkampagne, der mit emotional zugänglicheren Themen kombiniert werden konnte. Der gesetzliche Rahmen werde gebraucht ,gegen Gewinne ohne Gewissen‘, ,für Fashion ohne Victims‘ oder ,damit Menschenrechte nicht durch den Kakao gezogen werden‘. Das Agenda Setting wurde in diesem Fall begünstigt durch einen bereits vorhandenen politischen Willen, der jedoch in der Umsetzung durch ökonomische und unternehmerische Interessen begrenzt war. Gleichzeitig illustriert dieses Beispiel Grenzen des Agenda Setting: Wie die politischen Instanzen das Thema bearbeiten, kann nur bedingt beeinflusst werden, und auch in der Öffentlichkeit kann sich ein Thema nur über einen kurzen Zeitraum halten.

(3) Problematisch wird Agenda Setting dann, wenn Themen aus politischem Kalkül gesetzt werden, und in Bezug auf ihre tatsächliche Relevanz zeitweise übermäßig viel Aufmerksamkeit erhalten. Hierzu gehören das unter anderem von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien geforderte Niqab- oder Burka-Verbot in Deutschland, Österreich und der Schweiz, welches viel mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat, obwohl es nur sehr wenige Menschen betrifft. Auf diese Weise kann Agenda Setting zu einem Instrument im neu-rechten Kulturkampf durch das Setzen von ,Kampfbegriffen‘ werden. 

Literatur

Zum Weiterlesen

  • McCombs, Maxwell; Valenzuela, Sebastian (2020): Setting the Agenda: Mass Media and Public Opinion, 3. Aufl., Cambridge: Polity.

  • Weimann, Gabriel; Brosius, Hans-Bernd (2017): Redirecting the agenda. Agenda-Setting in the online Era, Agenda Setting Journal 1:1, S. 63-101.

Zitierte Literatur

  • Carpenter, R. Charli (2010): Forgetting children born of war. Setting the human rights agenda in Bosnia and beyond. New York: Columbia University Press.

  • Keck, Margaret Elizabeth; Sikkink, Kathryn (1998): Activists beyond borders. Advocacy networks in international politics. Ithaca: Cornell University Press.

  • Kersting, Norbert (2022): Öffentlichkeit und deliberative und direkte Demokratie. In: Borucki, Isabelle; Kleinen-von Königslöw, Katharina; Marschall, Stefan; Zerback, Thomas (Hrsg.): Handbuch Politische Kommunikation. Wiesbaden, Heidelberg: Springer VS, S. 219–233.

  • Korte, Karl-Rudolf; Richter, Philipp (2022): Politische Akteure und Institutionen der politischen Kommunikation. In: Borucki, Isabelle; Kleinen-von Königslöw, Katharina; Marschall, Stefan; Zerback, Thomas (Hrsg.): Handbuch Politische Kommunikation. Wiesbaden, Heidelberg: Springer VS, S. 147–158.

  • Wong, Wendy H. (2014): Internal affairs. How the structure of NGOs transforms human rights. Ithaca: Cornell University Press.

Zitiervorschlag

Dany, Charlotte (2023): Agenda Setting. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 07.06.2023. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/agenda-setting.  

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Grundbegriffe

Techniken

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Wir

Das Pronomen wir erfüllt aber noch eine weitere diskursive Funktion: Ein Fundament des politischen Diskurses sind dynamische politische Ideologien: Glaubens- und Wissenssysteme von politischen und sozialen Gruppen.

Petition

Petitionen sind eine der am meisten genutzten Partizipationsformen nach Wahlen. Sie sind sowohl ein Mittel der politischen Beteiligung als auch ein Protestmittel und damit Zwitterwesen in der politischen Landschaft. Durch die Digitalisierung haben sich Petitionen zudem maßgeblich verändert, ihre Zahl hat zugenommen, ebenso wie die Zahl der Plattformen, auf denen sich Petitionen starten lassen.

Influencer / Influencerin

Influencer:innen sind Personen, die auf Social-Media-Plattformen regelmäßig selbst produzierte Inhalte publizieren und damit eine öffentliche Reichweite über ihre Follower:innen aufbauen. Influencer:innen haben das Potenzial, Rezipient:innen in ihrem Wissen, Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen (engl. to influence).

Schlagwörter

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Identitätspolitik

Der Ausdruck steht heute für eine politische Konstellation, in der konkurrierende Wir-Gemeinschaften mit einer Diskriminierungs- und Benachteiligungsgeschichte in der Öffentlichkeit um Anerkennung konkurrieren. An der Oberfläche geht es ‚identitären‘ Wir-Gemeinschaften darum, die eigene Diskriminierung als Ermächtigungsmotiv an die Öffentlichkeit zu tragen.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Tagung: Zur Politisierung des Alltags – Strategische Kommunikation in öffentlichen Diskursen (01.–03.02.2023)

Die (krisenbedingt verschärfte) Politisierung der Alltagsdiskurse stehen im Zentrum der hier geplanten Tagung. Antworten auf folgende Leitfragen sollen dabei diskutiert werden: Was sind die sozialen, medial-räumlichen und sprachlichen Konstitutionsbedingungen für politische Kommunikation in außerorganisationellen, lokalen Diskursstrukturen und welche Bedeutung haben dabei diskurssemantische Verschiebungen (mithin Verunsicherung, vgl. Vogel/Deus 2022), Polarisierung und Fragmentierung?

Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein? Was könnten sinnvolle Praktiken, Formen und Ziele der Diskursintervention sein? Diese und ähnliche Fragen waren Gegenstand des Workshops, der vom 31.01. bis 01.02.2019 an der Universität Siegen stattfand.

Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…

Satzsemantik von Vorhersage und Nutzen-Risiko-Abwägung: Die STIKO-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige vom 18. August 2021

“Die Forschung muss… sich in die Lage versetzen, die politischen Implikationen, die sie hat, anzunehmen und auszuforschen, um nicht beim ersten Knall der Peitsche durch alle ihr vorgehaltenen Reifen zu springen. Diese Integrität kann die Wissenschaft gerade dadurch unter Beweis stellen, dass sie dem herrschenden Druck, praktische Tabus in theoretische umzuwandeln, widersteht” (Beck 1986, 283)

Review-Rückblick

In dieser Rubrik veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen kurze Notizen zu Ereignissen oder Phänomenen, die in den vergangenen Wochen in der strategischen und öffentlichen Kommunikation zu beobachten waren. Die Texte kommentieren subjektiv, unsystematisch, teils widersprüchlich und hoffentlich pointiert. Sie erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, beobachten ihren Gegenstand aber von einer diskursanalytischen und -interventionistischen Position aus und sollen zum Widerspruch einladen. Sie repräsentieren nicht die Position der Redaktion des Diskursmonitors, sondern ihrer jeweiligen Autorinnen und Autoren.

Rasse, Rassismus

1) Zu Beginn drei exemplarische Medienereignisse aus der jüngsten Vergangenheit, in denen es um den Komplex Rasse, Rassismus ging…