DiskursGlossar

Protest

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Demonstrationen, Aufstände, Riots, Streik, (soziale) Bewegung, Öffentlichkeit, Demoktatie, Widerstand
Siehe auch: Framing, False Flag-Operation, Elite, Links-Mitte-Rechts, Kritik
Autoren: Peter Ullrich, Moritz Sommer
Version: 1.2 / Datum: 13.08.2021

Kurzzusammenfassung

Protest ist die kollektive Artikulation von Unbehagen, Kritik oder Veränderungswillen, der sich in bestimmten Handlungen außerhalb etablierter institutioneller Kanäle des politischen Systems äußert. Organisiert wird Protest meist von Initiativen, politischen Gruppierungen oder sozialen Bewegungen in Form von Petitionen, Flugblattaktionen, Demonstrationen, Blockaden, Streiks, Happenings und anderen Interventionen in der Öffentlichkeit – in direkter Präsenz, unter Einsatz des Körpers oder auch im virtuellen Raum.
In westlichen Demokratien wird dem Protestgeschehen oft eine wichtige Funktion zugeschrieben: Protest gilt als eine Artikulationsform der institutionell schwach repräsentierten Teile der Bevölkerung, als Indikator für gesellschaftliche Probleme, als Motor gesellschaftlicher Veränderung und als Innovator demokratischer Praktiken. Zugleich wird er aus ordnungspolitischer Perspektive den Ruch des Destruktiven nicht los. Protest ist umkämpft und somit selbst Gegenstand von Widerstand und Zähmung, insbesondere staatlicher Regulierung.

Erweiterte Begriffsklärung

Protest galt lange als Ausdruck niederer Instinkte, als impulsives Aufbegehren der Ausgegrenzten und Abgehängten. Auch in der Wissenschaft war die Vorstellung von Protestierenden als anonymer Masse affektgesteuerter Menschen lange vorherrschend. Spätestens seit dem Aufkommen der so genannten Neuen Sozialen Bewegungen seit den siebziger Jahren, als sich auch immer breitere Bevölkerungsteile den Protesten gegen die Atomenergie, für Abrüstung und Frieden oder die Rechte von Lesben und Schwulen anschließen und sich parallel dazu die Protest- und Bewegungsforschung als Forschungsfeld hierzulande zu etablieren begann, hat sich dieses Bild gewandelt. Heute ist Protest – insbesondere in Form von Demonstrationen als vielleicht wichtigstem Ausdrucksmittel – ein kaum mehr wegzudenkendes Element lebendiger Demokratien. Nicht umsonst ist das Recht zu demonstrieren im Artikel 8 des Grundgesetzes verbrieft und durch Verfassungsgerichtssprechung weiter gestärkt worden. Protest ist politische Beteiligung jenseits institutionalisierter Kanäle wie Wahlen und anderer formaler Gremien der Mitbestimmung oder in der Definition von Dieter Rucht „eine kollektive, öffentliche Handlung nicht-staatlicher Akteure, die Kritik oder Widerspruch zum Ausdruck bringt und mit der Formulierung eines gesellschaftlichen oder politischen Anspruchs oder Ziels verbunden ist“ (Rucht  2001: 19).
Protest kann allerdings unterschiedliche – mal mehr, mal weniger disruptive (also unterbrechende, Abläufe ‚störende‘) – Formen annehmen, von der Unterschriftensammlung und dem Tragen von Symbolen und Abzeichen über den Flashmob und die klassische Großdemonstration bis hin zu Hungerstreik, Blockaden oder anderen kollektiven Interventionen in der Öffentlichkeit, in Präsenz oder vermehrt auch im digitalen Raum. Die Grenzen von Protest sind dabei fließend und die Formen seiner Artikulation überlappen sich mit verwandten Phänomenen wie Alltagswiderständigkeiten oder plötzlich auftretenden Riots (,Unruhen‘ oder ,Aufstände‘) mit weniger stark artikulierter inhaltlicher Programmatik und oft deutlich weniger öffentlicher Anerkennung und Wertschätzung.
Protest entsteht nur selten völlig spontan und unorganisiert. Vielmehr ist er höchst voraussetzungsvoll und gerade großen Demonstrationen oder Protestkampagnen liegen eine aufwendige Organisations- und Mobilisierungsarbeit zugrunde. So werden Proteste oft von Verbänden, Initiativen oder von sozialen Bewegungen getragen, die Organisierungserfahrung mitbringen und materielle Ressourcen, technische Infrastruktur und Netzwerke bereitstellen.
In westlichen Demokratien wird dem Protestgeschehen meist eine wichtige Funktion zugeschrieben: Protest gilt als ein Indikator für gesellschaftliche Problemlagen und als Vorbote und Motor gesellschaftlicher Veränderung. Er macht politische Anliegen öffentlich sichtbar und setzt Themen auf die mediale und politische Agenda. Protest ist ein Ausdruck demokratischer Teilhabe und gleichzeitig, aus der Innenperspektive, ein Raum politischen Lernens und Empowerments sowie ein Laboratorium der Demokratie, in dem demokratische Innovationen – beispielsweise radikaldemokratische Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse – im Kleinen entwickelt werden und Menschen in einem kollektiven Prozess politische Subjektivitäten (politische Selbstverständnisse und Haltungen) ausbilden.
Parallel zur grundsätzlich steigenden gesellschaftlichen Anerkennung von Protest hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte auch seine soziale Basis gewandelt. War er lange vor allem eine Sache der Schwachen und institutionell wenig repräsentierten Teile der Bevölkerung und überwiegend mit progressiven Agenden assoziiert, so hat spätestens seit den 1980er Jahren auch das Bürgertum – versinnbildlicht in der Sozialfigur des ,Wutbürgers‘ – vermehrt zu Mitteln des Protests, mit progressiven Anliegen wie auch mit Themen der „verrohten Bürgerlichkeit” (Wilhelm Heitmeyer), gegriffen. Grundsätzlich sind die besser Gebildeten im heutigen Protestgeschehen überrepräsentiert. Im Protest wird also soziale Ungleichheit auf verschiedenen Ebenen deutlich und wie bei anderen Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung und politischen Partizipation unter Umständen sogar verstärkt.
Die Themen von Protest sind so vielfältig wie die Palette an gesellschaftlichen Konflikten und so gehören Proteste von streikenden Arbeiter*innen, Bäuer*innen und Arbeitslosen ebenso zur dynamischen Protestlandschaft in Deutschland wie die Proteste umweltbewegter Schüler*innen, ideologisch diffuser Corona-Leugner*innen, erzkonservativer Abtreibungsgegner*innen, link(sradikal)er G20-Kritiker*innen oder empörter Anwohner*innen, die sich mit Infrastrukturprojekten in ihrer Nachbarschaft konfrontiert sehen.

Umstrittener Protest: Gesellschaftliche Einbettung

Protest ist grundsätzlich geprägt von den diskursiven und materiellen Bedingungen einer Gesellschaft. Als modernes Phänomen setzt er beispielsweise die Vorstellung voraus, dass Gesellschaft gestaltbar oder Fortschritt erreichbar ist. Und er arbeitet mit zeitgenössischen technischen Mitteln, weswegen soziale Medien wie Twitter oder Telegram-Gruppen immer mehr zum Werkzeug und Medium von Protest werden.
Innerhalb dieser sehr grundlegenden Rahmenbedingungen ist Protest Bestandteil einer Konstellation, die in der Regel vier Akteurstypen beinhaltet. Der Kern der Konstellation ist meist dyadisch (ein Konflikt zwischen zwei Akteuren oder Akteursgruppen), bestehend aus den Protestierenden und ihren Konfliktgegner*innen bzw. den Adressat*innen ihres Protests (die Regierung, Unternehmen, politische Kontrahent*innen usw.). Die Medien als omnipräsenter Bezugsrahmen für Konfliktakteure machen die Konstellation zu einem Dreieck. Denn auch wenn mancher Protest darauf abzielt, die Adressat*innen direkt zu treffen – das klassische Beispiel wäre der Streik oder der organisierte Boykott, aber beispielsweise auch die Blockade einer Demonstration von Neonazis – zielen die meisten Protestformen doch auf die Erringung von Deutungshoheit auf die Beeinflussung der öffentlichen Problemwahrnehmung. Protestierende wollen Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken und ihre Problemdiagnosen verbreiten. Dies findet nur begrenzt in direkter Interaktion statt (wie beispielsweise an Infoständen), sondern überwiegend vermittelt entweder über Presseberichterstattung oder, in zunehmendem Maße, über Social-Media-Plattformen. Wessen Problemdiagnosen (‚Framing‘) dort welche Präsenz und Resonanz erreichen (‚Standing‘) ist ein entscheidender Faktor für die Mobilisierungskraft und den Erfolg oder Misserfolg von Protest. Ein vierter Akteur, beziehungsweise eine Gruppe von Akteuren, ist schließlich maßgeblich für die grundsätzliche Möglichkeit und die je konkrete Form, die Protest annehmen kann: der Staat. In Form von gesetzlichen Regelungen und konkreten Interventionen durch Ordnungsämter, Versammlungsbehörden und insbesondere die Polizei, ist er omnipräsent als Rahmensetzer für das Konfliktgeschehen. Die kritische Polizeiforschungstradition unterstreicht darüber hinaus die Pufferfunktion der Polizei. Als Stellvertreterobjekt kanalisiert sie Protestenergien und lenkt diese weg vom eigentlichen Konfliktgegner auf sich selbst. Zugleich ist die Art und Weise staatlichen Umgangs mit Protest prägend für die je typische Art des Protestierens: In Ländern mit wenig zugänglichen politischen Systemen tendieren Proteste dazu, militanter und konfrontativer zu sein (bspw. in Frankreich), während Proteste in Ländern mit leichterer Zugänglichkeit der Politik(er*innen) eher gemäßigte oder leichter kooptierbare Proteste hervorbringen.
Welche Rolle Protest im politischen Prozess spielen kann, hängt somit maßgeblich davon ab, welche Freiräume ihm gelassen werden und welche Responsivität (Aufnahme- oder Reaktionsbereitschaft) das politische System zeigt. Seit den siebziger Jahren war in der Frage der Freiräume in der Bundesrepublik, aber auch in anderen westlichen Ländern, eine Liberalisierung zu beobachten. Doch Entwicklungen der letzten Jahrzehnte setzen diese massiv unter Druck: ,Robuste‘ Einsatzstrategien (so die polizeiliche Selbstbeschreibung), hochtechnisierte Ausrüstung (,Robocops‘), ein immer größer werdendes Überwachungspotenzial und ein weiterhin oft defizitäres Verständnis für Sinn und Handlungslogik von Protest auf Seiten der Polizei machen die Versammlungsfreiheit zu einem stets prekären und umkämpften Grundrecht.

Beispiele

1. Fridays for Future (ab 2018)

Eine der größten Mobilisierungswellen der letzten Jahre waren die Proteste von Fridays for Future. Nach dem Vorbild Greta Thunbergs, die seit dem Hitzesommer 2018 zunächst allein vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm für eine Einhaltung der Klimaschutzziele demonstrierte, schlossen sich im Winter 2018/2019 tausende Schüler*innen in ganz Deutschland den freitäglichen ,Schulstreiks für das Klima‘ an. Das rasante Anwachsen der Bewegung, der sich während der global koordinierten Großkundgebungen auch immer mehr Erwachsene anschlossen, zeugt ebenso wie die zurückhaltende Polizeibegleitung und die überwiegend positiven Reaktionen der Medien und der breiten Öffentlichkeit von der hohen gesellschaftlichen Anerkennung der Proteste – und das trotz anfänglicher Versuche konservativer Kreise, die Proteste der Schüler*innen zu infantilisieren oder als naiv zu diskreditieren.

2. #NoG20HH (2017)

Die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Jahre 2017 sind ein klassischer linker Protest einer mehr oder weniger losen, breiten Koalition aus Gruppen der Kapitalismuskritik, Umweltbewegung, Friedensbewegung, Dritte-Welt-Solidarität u.a., die insbesondere in der Tradition der ,Gipfelproteste‘ der sogenannten ,Globalisierungskritik‘ stand. Entsprechend vielfältig und bunt war das Protestrepertoire: von Fahrraddemos und Raves über Blockaden und die klassische Großdemonstration bis zu Kunstaktionen, Gegengipfel und ganz niedrigschwelligen subversiven Praktiken wie dem ,Cornern‘ (loses Treffen im öffentlichen Raum). Mit vielen anderen Gipfelprotesten teilt sich #NoG20HH auch die autoritäre staatliche Reaktion: Ausweisungen von großflächigen Versammlungsverbotszonen, die Behinderung von Protestcamps, massiver Gewalteinsatz, irreführende Öffentlichkeitsarbeit und eine Vielzahl dokumentierter Rechtsbrüche durch die Inhaberin des staatlichen Gewaltmonopols sowie deren umfassende Inschutznahme durch die Politik und defizitäre Strafverfolgung führten Protest- und Polizeiforscher*innen zur Einschätzung, dass in Hamburg ein unerklärter Ausnahmezustand geherrscht habe. Das Beispiel zeigt wie bestimmte Konstellationen (hier die besondere Hochrangigkeit des Anlasses und Spezifika der lokalen Konfliktregulationsstrategien) dazu beitragen können, ein staatspolizeiliches Handlungsideal hervorzukehren, das längst eingemottet zu sein schien. Soziale Medien spielten eine zentrale Rolle in der sich im Verlauf der Protestwoche herausbildenden gewaltvollen Eskalation, die dann zunehmend Riot-ähnliche Elemente beinhaltete.

3. Proteste gegen die Hamburger Schulreform (ab 2009)

Auch wenn Befragungen bei Großdemonstrationen ein typisches Demonstrierendenprofil ergaben (links/linksliberal, gebildet usw.), ist Protest keine Domäne bestimmter Gruppen, die für die Schwachen oder den gesellschaftlichen Fortschritt eintreten. Die Bewegung gegen die Schulreform in Hamburg verdeutlicht diese Generalisierung von Protest als Ausdrucksform, die in allen Schichten und Milieus Verbreitung findet.
Die nämlichen Proteste richteten sich gegen Bemühungen des Senats und der Bürgerschaftsfraktionen, eine Primarschule und mit dieser ein längeres gemeinsames Lernen einzuführen. Die Protestierenden hingegen, dem Augenschein nach bürgerlich und besserverdienend, vertraten die Politik der frühzeitigen Trennung von vermeintlich bildungsstarken und bildungsschwachen Kindern, eines elitären Konzepts von Gymnasien, sprich: einer sozialen Spaltung. Der Protest war erfolgreich. Er resultierte in einem Volksentscheid, an dem vor allem Bewohner*innen besser situierter Stadtteile teilnahmen, und der ein klares Votum gegen die Schulreform hervorbrachte. Im weiteren Sinne kann er auch als eine Form des NIMBY-Protests (,not in my backyard) gesehen werden, die sich gegen individuelle Verantwortung oder Betroffenheit von kollektiven Fragen wenden.

 

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Roth, Roland; Rucht, Dieter (Hrsg.)(2008): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch. Frankfurt; New York: Campus.
  • Bundeszentrale für Politische Bildung (2021): Protest in Deutschland seit 1949. Zeitbilder. Bonn.
  • Della Porta, Donatella; Peterson, Abby; Reiter, Herbert. (Hrsg.)(2006): The policing of transnational protest. Aldershot: Ashgate.
  • Snow, David A. et al. (Hrsg.)(2018): The Wiley Blackwell Companion to Social Movements. Newark: John Wiley & Sons.

Zitierte Literatur

  • Rucht, Dieter (2001): Protest in der Bundesrepublik. Strukturen und Entwicklungen. Frankfurt/Main; New York: Campus.

Zitiervorschlag

Ullrich, Peter und Sommer, Moritz (2021): Protest. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 13.8.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/protest.

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.