
DiskursGlossar
Wiederholen
Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Repetitio
Siehe auch: Memes, Wahlplakat
Autor/in: Helmut Ebert
Version: 1.0 / Datum: 10.06.2025
Kurzzusammenfassung
Das Wiederholen von Äußerungen in öffentlichen (politischen) Diskursen zielt darauf, das Denken anderer zu beeinflussen, Wissen zu popularisieren, einseitige (z. B. fanatisierende, beschwörende, hysterische, ablenkende, pseudosachliche) Konstruktionen von Wahrheit zu erzeugen, um die soziale Wirklichkeit als intersubjektiven Konsens im einseitigen Interesse des ‚Senders‘ zu verändern. Grundvoraussetzung ist die Annahme, dass das kollektive Denken stets mächtiger als das individuelle Denken ist.
Wiederholungen sind ein massenkommunikatives Phänomen im Kontext von politischer Macht und diskursiver Dominanz, die sich weigert, Handlungslogiken aus der Sicht Dritter zur Kenntnis zu nehmen. Wiederholungen wollen eine generalisierte Vorstellung erzeugen, die selbst- und/oder fremdverpflichtend verhaltenswirksam werden soll. Wir haben es, um es in einem Sprachbild zu zeigen, mit einem Kleinkind zu tun, das Zeter und Mordio schreit („Nein, meine Suppe ess ich nicht“), wenn es nicht nach seinem Sinn geht. Dieser Mechanismus wird verdeckt durch zahlreiche logische, grammatische und semantische Probleme der Erwachsenen-Kommunikation, welche die ‚Beobachter‘ irritieren, die oft verhängnisvoll auf der Suche nach dem Sinn der ‚Kleinkind-Schreie‘ (Hitler, Putin, Trump) sind, um Sinn zu finden, wo keiner ist außer Willensdurchsetzung.
Die Wiederholung generalisierter Vorstellungen erlaubt es, verschieden-ausdeutbare Situationen gedanklich kurzzuschließen und eine neue quasi-eindeutige Struktur zu etablieren, um Unklarheit abzubauen bzw. ein Bekenntnis zur Eindeutigkeit abzugeben oder zu erzwingen. Das dient nur vordergründig dem Abbau von Ängsten und hintergründig der Etablierung von Machtverhältnissen. Wiederholungen im hier gemeinten Sinne sind nicht das kommunikative Ergebnis eines rational-dialogischen Urteils. Wiederholungen im hier gemeinten Sinn entstehen durch kolonialisierendes oder imperialistisches monologisches Sprechen: (a) systemisch im Sinne einer sozialen Verbreitung: Mit der D-Mark stünde Deutschland besser da als Mythos von Nostalgikern, die der D-Mark hinterhertrauern; Bill Gates sei für das Corona-Virus verantwortlich als Teil einer Corona-Verschwörungstheorie, (b) strategisch im Sinne parteiischer Vorstellungen: Adolf Hitler sei Kommunist als versuchter Geschichtsrevisionismus durch rechtsradikale Positionen; In einer Notlage wünschten sich Taiwanesen, sie wären Chinesen als Teil eines Narrativs der KP Chinas oder (c) totalitär im Sinne repressiver Mechanismen: militärische Spezialoperation als Kreml-Vorgabe für den ‚Angriffskrieg‘ gegen die Ukraine.
Zu den wichtigsten rhetorischen Figuren des Wiederholens zählen Wortfiguren (Wiederholung eines Wortes oder von Wortgruppen: z. B. Auge um Auge, Zahn um Zahn; Altes Testament) und Gedankenfiguren (Wer hat die Bündnisse oft gebrochen? Die Carthager. Wer hat einen grausamen Krieg in Italien geführt? Die Charthager. Wer hat Italien verunstaltet? Die Chartager!; Rhetorik ad Herennius). Über die rhetorischen Figuren hinaus gehört das ständige Wiederholen von Meldungen, Ankündigungen, Rechtfertigungen, Selbstlob etc. zum Hauptstilmittel der totalitären Propaganda. Schwer davon zu trennen ist die (Pseudo-)Kommunikation von Menschen, die die Wirklichkeit ihren Projektionen, Illusionen oder Wunsch- und Feindvorstellungen um jeden Preis – auch um den Preis des eigenen Untergangs – anpassen wollen. Wir sprechen also beim Nachdenken über Wiederholungen über den Wirklichkeitssinn und über das, was man gemeinhin ein untrügliches Gefühl für Wahrheit nennt bzw. für das, was man als tiefere Wahrheit erspürt.
Erweiterte Begriffsklärung
Wiederholungen (repetitio) existieren als Laut-, Form- und Bedeutungswiederholungen. Betrachtet werden primär Bedeutungswiederholungen auf der Ebene des Sprachgebrauchs, soweit sie eine epistemische, d. h. wahrnehmungs-, wissens- und wahrheitsprägende Funktion haben. Wissen meint primär Erfahrungswissen, aber auch Annahmen, Kausalvermutungen und Grundüberzeugungen. Wiederholungen können systemisch (nicht-intentional), strategisch (parteiisch-intentional) oder totalitär (repressiv) motiviert sein.
Wiederholungen können ganz unterschiedlichen Zwecken dienen, die nur mittelbar mit systemischer, strategischer oder totalitärer (Nicht-)Kommunikation zu tun haben. Die folgenden Arten von Wiederholungen werden daher im Weiteren ausgeklammert:
- Wiederholungen zur Förderung der Verständlichkeit in informierenden oder direktiven Funktionalstilen (Wissenschaft, Recht, Presse),
- Wiederholungen zur Verbesserung der Merkbarkeit (Lehr-Lern-Situationen),
- Wiederholungen und Variationen mit rein ästhetischer Stilwirkung, wie wir sie aus Poesie, Werbung und Selbstdarstellungen kennen (vgl. Besch 1989: 83–101),
- natürliche Wiederholungen als Voraussetzung der Bedeutungsorganisation, -entstehung und -tradition in Sprach- bzw. Denk- und Wissensgemeinschaften (vgl. Fleck 2019),
- Wiederholungen als Ausdruck von Weitschweifigkeit und Unkonzentriertheit des Redners (vgl. Schneider 2006: 85–98).
Rhetorische Figuren der Wiederholung in politischer Kommunikation werfen das Problem auf, unterscheiden zu müssen zwischen dem manipulativen Potenzial und der Steigerung der Wirksamkeit von Reden. Entsprechend zu meinen Ausführungen in Ebert (2022) verweise ich auf den Widerspruch zwischen Plato und Cicero sowie auf die Auflösung in Herdina (2020). Plato folgert aus der Unmöglichkeit der Wahrheitserkenntnis das Recht, das Durchsetzbare für die Wahrheit auszugeben. Wir erleben also zurzeit mit Blick auf Trump und Putin nichts anderes als eine platonische (Rück-)Wende. Cicero hingegen geht von einem möglichen Wahrheitsbegriff aus und gibt der Redekunst die Funktion, angemessen mit dem subjektiven Wahrheitsbegriff zu verfahren. Herdina (2020) verweist in Abgrenzung von universalistischen und aprioristisch empiriefremden Gedankenspielereien eines Jürgen Habermas auf die Idee der Hypergestaltenbildung nach Josef Zelger (2019), wonach Hypergestalten Meinungen (Wissen erster Ordnung) in intersubjektives Wissen (Wissen zweiter Ordnung) transformieren. Vulgo: das Kleinkind gerät an seine Grenzen, wenn es mit der Weltsicht vieler reifer, erwachsener Persönlichkeiten konfrontiert wird, oder anders gesagt: die manipulativ-(selbst)trügerische kommunikative Absicht erkennt man daran, dass sie sich dem Dialog verweigert.
Laut Gruber-Tokić/Adamski (2019: 588) machen Wiederholungen eine Rede mitreißender und nachdrücklicher, so dass das Publikum emotional angesprochen und stärker involviert wird. Sie machen Reden interessanter und ästhetischer, was das Wohlwollen des Publikums fördert, aber meines Erachtens um den Preis, dass der kritische Verstand ausgeschaltet wird. Weitere Funktionen sind: Hervorheben von Informationen, Steigerung der Aufmerksamkeit und Merkbarkeit. Damit ist aber noch nicht alles gesagt, weshalb wir nachfolgend einige Wirkungsmechanismen beschreiben, die insbesondere für den politischen Diskurs relevant sind, insofern sie dazu dienen, kollektive Vorstellungen jenseits des intersubjektiven Wahrheitskriteriums zu erzeugen, was wiederum mit den vorgenannten ästhetischen Qualitäten der Kommunikation zusammenhängt. Es geht letztlich immer um die Frage Logik oder Ästhetik und um das Wechselverhältnis zwischen beiden, also um das Verhältnis von konvergentem (logischen) und divergentem (assoziativen) Denken.
Wiederholungen können dazu dienen, Aussagen den Anstrich von Wahrheit zu geben (vgl. Bacon 1979) und das kollektive Denken zu beeinflussen, um soziale Verhältnisse zu verändern (vgl. Hasher et al. 1977):
Über Sprachregelungen und so festgemachte pseudosemantische Bedeutungen ist es denn auch möglich, bestimmte Worte mit eindeutigen Emotionen zu legieren – und das im Sinne der Systemerhaltung und der Kollektivierung oder Kollektivierbarkeit der Systemelemente (Personen, Gruppen). Über Sprachregelungen läßt sich ein hohes Maß an Gleichschaltung im Denken erreichen. (Lay 1980: 138)
Das Zitat betrifft beispielsweise diskursives (unbewusstes oder absichtsvolles) Missverstehen der semantischen Bedeutung von nomina agentis bis hin zum Bestehen darauf, dass ein Angriffskrieg als militärische Spezialoperation zu bezeichnen ist. Im ersten Fall wird angenommen, dass entgegen den Normen der Alltagssprache nomina agentis ausschließlich ‚männliche Personen‘ bezeichnen würden (zur Kontroverse siehe das Schlagwort: Geschlechtergerechte Sprache). Im zweiten Fall wird ein Ausdruck befohlen, in der Hoffnung, dass aus Angst vor Repressionen niemand wagt, einen Krieg als Krieg zu bezeichnen. Bei aller motivationaler und instrumenteller Unterschiedlichkeit geht es in beiden Fällen um Systemerhaltung: das System von sprachformalen Gender-Protagonisten11Mit Gender-Protagonisten sind nur die Protagonisten gemeint, die sich von veränderten Wortformen eine Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse erhoffen. Das Anliegen, Frauen sichtbar zu machen, ist richtig, aber das kann nicht gelingen, wenn die Verletzung alltagssprachlicher Normen gegen besseres Wissen als Mittel der Wahl in Szene gesetzt wird (vgl. auch kontraintuitive Beispiele wie „Schirmfrauschaft“). und das Kreml-System.
Wiederholungen kann man als eine Form der analogen Kommunikation auffassen. Paul Watzlawick hat die Unterscheidung zwischen analoger und digitaler Kommunikation eingeführt (vgl. Plate 2021: 23 f.). Digitale Kommunikation beruht demnach auf einer komplexen und logischen Syntax (Grammatik). Analoge Kommunikation bezieht sich auf paraverbale, extraverbale und nonverbale Kommunikationseigenschaften. Wiederholungen im hier verstandenen Sinne sind dann als paraverbale und/oder extraverbale Eigenschaften zu verstehen, welche die logisch-semantisch-syntaktische Struktur der Rede überlagern. Die analoge Funktion hat im Falle der Wiederholung Vorrang vor der inhaltlichen Dimension der Rede. Das macht Wiederholungen besonders geeignet, um mittels kollektiven Denkmustern das individuelle Denken zu blockieren. Beim manipulativen Gebrauch von Wiederholungen sollen Widersprüche in der Praxis gerade nicht verstehensreflexiv aufgelöst werden. Auf der semantischen Ebene ist es kein Zufall, dass beim manipulativen Gebrauch von Wiederholungen Dekontextualisierung, referentielle Unbestimmtheit und eine hermetisch abgeschlossene (ideologische) Semantik Hand in Hand gehen. Routinisierung und Habitualisierungseffekte sorgen dann für die größtmögliche Popularisierung manipulativer Vorstellungen, denn die Masse denkt per definitionem nicht eigenständig. Der wohl größte Effekt diskursiver Wiederholungen besteht darin, dass bestimmte Vorstellungen denkbar werden. Und was denkbar geworden ist, wird in die Tat umgesetzt – bis hin zum Krieg. Leonhard (2018: 74–82) beleuchtet diesbezüglich gängige Erklärungen für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, stimmt aber keiner Erklärung vollumfänglich zu. Er betont: „Die Krisenverdichtung machte einen Krieg aber wahrscheinlicher, weil sie das Denken der Zeitgenossen an die Möglichkeit des Krieges gewöhnte“ (Leonhard 2018: 80).
Wiederholungen sind Gegenstand der klassischen Rhetorik und werden dort als rhetorische Figur beschrieben. Rhetorische Figuren werden dabei als ausdrucksseitige Erscheinungen behandelt, die als eine Form von Schmuck die persuasive Wirkung steigern sollen. Die klassische Trichotomie von Tropen, Ausdrucks- und Inhaltsfiguren weist allerdings große Mängel auf, da keine klare Trennung zwischen den sprachlichen Ebenen erfolgt und die Unterscheidung von Ausdrucks- und Inhaltsfiguren problematisch ist. Hinzu kommt, dass sie den heutigen Erkenntnissen von epistemischer, kognitiver, pragmatischer, Text- und Neuro-Linguistik nicht Rechnung tragen (konnten), wonach rhetorische Figuren das Denken und die Wahrnehmung der Realität formen, ja sogar mithelfen, soziale Wirklichkeiten zu konstruieren. Genau das macht sie für die Untersuchung politischer Diskurse so interessant wie relevant.
Zu den hier relevanten Wortfiguren zählen:
(a) Conduplicatio: Gemeint sind Figuren, die durch die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe entstehen (vgl. Ueding/Steinbrink 1994: 302 f.):
- Gemination (Epanalepse): Aber alles ist Liebe, Liebe, Liebe! (C. Brentano); Schaun! schaun! Die Post zur Post (J. Joyce, übers. V. A. Schmidt);
- Anadiplose: Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen, // Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen (Goethe);
- Kyklos (Umrahmung einer syntaktischen Einheit): Entbehren sollst du, sollst entbehren (Goethe).
- Die Synonymie wird von Ueding/Steinbrink (vgl. 1994: 303) ebenfalls als „Wiederholung“ kategorisiert, ist aber ganz überwiegend ein Phänomen der (semantischen) Variation: Wir bekämpfen jede Form von Extremismus, Gewalt und Terror mit voller Härte (vgl. CDU 2025: 3).
(b) Anapher, Epipher und Parallelismus: Die Anapher ist die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang aufeinanderfolgender Sätze oder Satzteile. Die Wiederholung erfolgt einfach oder mehrfach. Wirkungspotenzial: Rhythmisierung und Strukturierung der Rede sowie Relevanzmarkierung der wiederholten Wörter. Risiko: Abrutschen ins Klischeehafte: They have bought their knowledge, they have bought it dear, they have bought it at our expense, but at any rate let us be duly thankful that they now at last possess it (Winston Churchill, Rede im House of Commons 12. November 1936) (vgl. Gruber-Tokić/Adamski: 2019).
Eine Epipher ist eine Wiederholung eines Wortes oder Wortpaares am Satzende, eine Symploke eine Kombination von Anapher und Epipher. Ein Parallelismus liegt vor, wenn der Satzbau wiederholt wird. Die folgenden Beispiele sind dem Wahlprogramm von CDU/CSU zur Bundestagswahl 2025 (vgl. CDU 2025) entnommen. Die Zusammenfassung der drei Hauptziele geschieht mit Hilfe einer Anapher, die signalisiert, dass man einen Plan hat: Unser Plan für ein Land, das […] // Unser Plan für ein Land, das […] // Unser Plan für ein Land, das […] // Mit einem anaphorischen Ja zu wird in allen Unterkapiteln ein Wertebekenntnis abgelegt: Ja zu Familie und Verantwortung […] Ja zu Aufstieg und Bildung etc. Die Aufzählung der Maßnahmen erfolgt in allen Sätzen mit wir in Subjektposition: Wir fördern die Vorsorge […] // Wir unterstützen die Ukraine […] etc.
Der Parallelismus wird ebenfalls häufig in politischen Reden eingesetzt (vgl. Gruber-Tokić/Adamski 2019). In zwei oder mehreren aufeinander folgenden Sätzen oder Satzteilen wird derselbe Satzbau verwendet. Dieser sogenannte syntaktische Parallelismus kann durch lexikalische Wiederholungsfiguren (Anapher, Epipher, Epanalepse) verstärkt werden und gilt daher als Grundmuster. Neben dem syntaktischen Parallelismus ist der semantische Parallelismus ein bevorzugt eingesetztes Mittel der politischen Rede. Dabei kann das zweite Glied eine Fortführung des ersten sein (synonymer Parallelismus) oder im Gegensatz dazu stehen (antithetischer Parallelismus). Wirkungspotenzial: Rhythmisierung und Strukturierung der Rede sowie Relevanzmarkierung der wiederholten Elemente. Risiko: Monotonie und Schwerfälligkeit des Stils. Der Parallelismus erleichtert die Informationsverarbeitung, wenn er wie in unserem Wahlprogramm-Beispiel konstitutiv für das Textmuster ‚Katalog‘ ist (ähnlich in Wertekatalogen/Leitbildern). Aber auch in Wahlplakaten der Weimarer Republik: Was ist des Arbeitsmannes Lage? Er arbeitet Tag für Tag und leidet Not. Er schafft Waren über Waren […] und seine Frau und Kinder hungern […] Er sitzt in dürftigen Wohnungen und die, die nichts tun, sitzen in Palästen (vgl. Ebert 1998: 57).
(c) Wortwiederholungen als phraseologische Wendungen: Ein Beispiel für eine solche Wortwiederholung mit pragmatischer, nicht wörtlicher Bedeutung ist der alttestamentarische Rechtssatz als Ausdruck einer Rachekultur: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ueding/Steinbrink (1994: 304) sprechen hier missverständlich von „Unterscheidung […]: dasselbe Wort wird mehrmals in einer jeweils anderen Bedeutung verwendet“.
(d) Wort- und Phrasenwiederholungen als textsortenkonstitutive Merkmale wie im Falle der Litanei- und Rosenkranzgebete.
Zu den für Wiederholungen relevanten Gedankenfiguren zählen:
(a) Subiectio: Die subiectio ist ein parteiisches, fingiertes Frage-und-Antwort-Spiel, in dem der Redner vorgebliche, selbst gestellte Fragen und Einwände auch selbst beantwortet (vgl. Ueding/Steinbrink 1994: 311). Eine suggestive Form der Wiederholung ist auch „die Umformung einer Aussagenfolge in ein Frage-und-Antwort-Spiel, das parteiisch gesteigert wird: Wer hat die Bündnisse oft gebrochen? Die Carthager. Wer hat einen grausamen Krieg in Italien geführt? Die Charthager. Wer hat Italien verunstaltet? Die Chartager!“ (Rhetorik ad Herennius, Ueding/Steinbring 1994: 312).
(b) Commoratio una in re, repetitio crebra sententiae: Gemeint ist die innertextliche „Wiederholung eines Gedankens, damit er eindringlicher wirkt und sich einprägt, dadurch eine größere affektische Wirkung erzielt“ (Ueding/Steinbrink 1994: 314). Sie kann in wörtlicher Wiederholung, synonymischer Variation oder in tropischer Ausdrucksweise geschehen: Will denn meine Stube heute gar nicht leer werden? Bald ist der das, bald jener; bald die, bald jene. Soll ich denn nicht einen Augenblick allein sein? (Lessing).
Gruber-Tokić/Adamski (2019) unterscheiden in politischen Reden weitere Figuren:
(a) die Epanalepse: Sie entsteht durch Wiederholung eines oder mehrerer Wörter am Satzanfang, am Satzende oder innerhalb eines Satzes, wobei zwischen den Wiederholungen ein gewisser Abstand liegt:
Ein friedliches Zusammenleben setzt … voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger … das Gefühl haben, dass der Staat eine Schutzfunktion für sie dort ausübt, wo sie es brauchen; eine Schutzfunktion dort ausübt, wo … Menschen … eine Chance bekommen, … Rüstzeug für ihr Leben zu erhalten; eine Schutzfunktion auch dahingehend ausübt, dass ältere Menschen von ihren Pensionen leben können… (Werner Faymann, Regierungserklärung, 17. Dezember 2013, vgl. Parlament Österreich 2013: 21-28).
Folgen die Wiederholungen unmittelbar aufeinander, wird von Gemination gesprochen. Da die Definition der Epanalepse weit gefasst ist, bestehen Überschneidungen mit anderen rhetorischen Figuren.
(b) Chiasmus: Er tritt oft als syntaktische Form der Antithese auf. Zusammenhängende Wortgruppen oder Satzteile werden dabei wiederholt und über Kreuz gestellt (A-B-B-A). Wir werten den Chiasmus auch als Wiederholungsfigur, zumal diese Figur Satzgrenzen überschreitet und von mehr als einem Sprecher (z. B. im fiktiven Dialog) gebildet wird. Das Beispiel, das Gruber-Tokić/Adamski (2019: 599) nennen, entstammt „zwar nicht direkt einer politischen Rede“, sei „aber trotzdem sehr passend“. Wir zitieren das Beispiel deshalb, weil es einen dialogisch-diskursiven Charakter hat: „Wer herrscht hier?“ // fragte ich // Sie sagten: // „Das Volk (A) natürlich (B)“ // Ich sagte: „Natürlich (B) das Volk (A) // aber wer herrscht wirklich?“ (Erich Fried, In der Hauptstadt, vgl. Fried 1978: 44).
Die Beschäftigung mit Wiederholungen macht darauf aufmerksam, dass Zeit und Musterentstehung grundlegende kommunikative Phänomene sind, welche unmittelbar die Bedeutungskonstitution und Bedeutungskonstruktion betreffen. Um sich dem suggestiven Potenzial manipulativer Wiederholungen zu entziehen, muss man (sprach-)kritisches Denkvermögen haben und die Alltagssprache als Institution pflegen und fördern. Überhaupt ist die Alltagssprache als Institution eine der wenigen noch verbliebenen Institutionen, die einen Grundkonsens in der Gesellschaft sichern. Die Alltagssprache ist daher ein hohes, wenn nicht das höchste Gut demokratischer Gesellschaften. Insbesondere Journalisten und Publizisten, aber auch Lexikographen stehen hier in der Verantwortung, manipulative epistemische Wiederholungen (z. B. illiberale Demokratie) stets in Verbindung mit metasprachlichen Distanzierungssignalen zu verwenden. Es sei noch verwiesen auf die Annäherung des Stils politischer Werbung und der Konsumgüterwerbung (Persil, da weiß man, was man hat, pragmasemantisch synonym mit politischen Slogans wie Keine Experimente, von der Adenauer-CDU in 1957 benutzt: Konrad Adenauer soll die Werbekampagne laut Werbefachmann Huber Strauf wie folgt kommentiert haben: „Wenn die Reklamefritzen dat meinen, dann machen wa dat so“, vgl. Schindelbeck 2009: 113). Mit dem Mere-Exposure-Effekt bezeichnet man den Befund, dass allein die wiederholte Wahrnehmung einer anfangs neutral beurteilten Sache ihre positivere Bewertung zur Folge hat. Dieser Effekt tritt auch bei unterschwelliger Wahrnehmung auf. Man bezeichnet diesen Effekt auch als „Effekt des bloßen Kontakts“. Auch das Skandieren von Parolen wäre zu erwähnen oder die Sprechchöre und Spruchbänder, wie von Victor Klemperer (2019: 278) mit Blick auf die „beschwörenden Hacksätze der Nazis“ notiert:
„wieso der Sprechchor stärker, brutaler wirkt als das gemeinsame Lied. Ich glaube, aus diesen Gründen: die Sprache ist Ausdruck des Gedankens, der Sprechchor schlägt unmittelbar, mit nackter Faust, auf die Vernunft des Angerufenen ein und will sie unterjochen […] ‚Deutschland erwache! Juda verrecke! Führer befiehl.‘“ (Klemperer 2019: 278)
Beispiele
(1) Wiederholung in Kriegspropaganda: Militärische Spezialoperation
Das Beispiel steht für eine propagandistische Sprachregelung und meint in der Sprache Putins und des Kremls ‚Krieg‘. Solche Sprachregelungen (Framings) werden konsequent wiederholt, und dies in der Absicht, glauben zu machen, es herrsche kein Krieg, und Angst vor den Akteuren zu erzeugen, die denen, die es nicht glauben, nach dem Leben trachten. Solche Beispiele sind beliebig vermehrbar (illiberale Demokratie, Rasse, Remigration). Besonders wenn alltagssprachliche Ausdrücke umgedeutet und wiederholt werden, läuft das Denken Gefahr, die sprachliche Falle zu übersehen (Kultur, Identität, Volk, Staat, Politik, Heimat, Geschlecht, Familie, Freiheit etc., vgl. Hufer 2018).
(2) Wiederholungen im Wahlprogramm von CDU/CSU 2025
[ZUSAMMENFASSUNG] Unser Plan für ein Land, das …// Unser Plan für ein Land, das … etc.; [WERTEKATALOG] Ja zu Familie und Verantwortung … Ja zu Aufstieg und Bildung … etc. // [MAßNAHMENKATALOG] Wir fördern die Vorsorge … // Wir unterstützen die Ukraine … etc.
(vgl. CDU 2025)
Das Beispiel zeigt, dass die Wiederholung textmusterkonstitutiv sein kann, hier für das Wahlprogramm von CDU/CSU zur Bundestagswahl 2025: Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang (Anapher) und am Ende (Epipher) eines Satzes sowie Wiederholung des Satzbaus (Parallelismus) gehen hier eine enge Verbindung ein. Die kommunikationsstrategische Funktion solcher Wiederholungen besteht in der selbstbehauptenden Aussage, dass man weiß, was man tut. So gesehen kann man solche Wiederholungen auch als eine Form der strategischen analogen Metakommunikation auffassen.
(3) Cetero censeo carthaginem esse delendam
Der diskursiven Wiederholung kommt besonders in manipulativen Kontexten eine große und weithin unterschätzte Bedeutung zu. Das klassisch gewordene Beispiel ist der Ausspruch Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss (Cetero censeo carthaginem esse delendam). Mit diesem Satz beendete der römische Feldherr Cato Censorius angeblich alle seine Reden, auch wenn es nicht um Karthago ging. Der Ausspruch soll schließlich zum Dritten Punischen Krieg und damit zur tatsächlichen Zerstörung Karthagos geführt haben. Der Satz gilt bis heute als Beispiel für die wirklichkeitsverändernde Wirkung von Wiederholungen. Ein aktuelles Beispiel berichtet Applebaum (2024: 92):
Wer sich in dieser Echokammer befand, hörte die Geschichte der Biolabors [d. h. die Lügen über angebliche US-amerikanische Biolabore in der Ukraine, HE] immer und immer wieder von verschiedenen Seiten, und jede Wiederholung verstärkte den Eindruck ihrer Richtigkeit.
McQuarrie und Mick (1996) sprechen hier von „exzessive[r] Regelmäßigkeit“ (zit. n. Hoeken et al. 2009: 185). Ähnlich begegnet uns beim populistischen Denken ein „Exzess der Positionierung“ in Folge einer dogmatischen Setzung. Gemeint ist der Versuch, sich durch endlose Wiederholung, mit endlosen ‚Beweisen‘ auf allen Kanälen durchzusetzen (vgl. Zorn 2017: 43).
Literatur
Zum Weiterlesen
- Bacon, Frederick T. (1979): Credibility of repeated statements: Memory for trivia. In: Journal of Experimental Psychology: Human Learning and Memory, Jg. 5, Heft 3, S. 241–252.
- Gruber-Tokić, Elisabeth; Adamski, Irina (2019): Für die politische Rede typische rhetorische Figuren. In: Burkhardt, Armin (Hrsg.): Handbuch Politische Rhetorik. Berlin, Boston: de Gruyter, S. 583–602.
Zitierte Literatur und Belege
- Applebaum, Anne (2024): Die Achse der Autokraten. München: Siedler.
- Bacon, Frederick T. (1979): Credibility of repeated statements: Memory for trivia. In: Journal of Experimental Psychology: Human Learning and Memory, Jg. 5, Heft 3, S. 241–252.
- Besch, Elmar (1989): Wiederholung und Variation. Untersuchung ihrer stilistischen Funktionen in der deutschen Gegenwartssprache. Frankfurt a. M.: Peter Lang.
- Burkhardt, Armin (Hrsg.)(2019): Handbuch Politische Rhetorik. Berlin, Boston: de Gruyter.
- CDU (2025): Politikwechsel für Deutschland. Bundestagswahlprogramm. Online unter: https://www.politikwechsel.cdu.de/sites/www.politikwechsel.cdu.de/files/downloads/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf ; Zugriff: 06.06.2025.
- Ebert, Helmut (1998): Wahlplakate aus der Weimarer Republik (1919–1933) und der Bundesrepublik (1949-1994). In: Muttersprache, Jg. 108, Heft 1, S. 54–66.
- Ebert, Helmut (2014): PR-Texte. Konstanz, München: UVK.
- Ebert, Helmut (2022): Über Gefahren der Ausdruckslosigkeit und den schönen Schein. In: Rhetorik, Jg. 41, Heft 1, S. 18–26.
- Fleck, Ludwik (2019): Denkstile und Tatsachen. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
- Fried, Erich (1978): In der Hauptstadt. In: 100 Gedichte ohne Vaterland. Berlin: Wagenburg.
- Gruber-Tokić, Elisabeth; Adamski, Irina (2019): Für die politische Rede typische rhetorische Figuren. In: Burkhardt, Armin (Hrsg.): Handbuch Politische Rhetorik. Berlin, Boston: de Gruyter, S. 583–602.
- Hasher, Lynn; Goldstein, David; Toppino, Thomas (1977): Frequency and the conference of referential validity. In: Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, Jg. 16, Heft 1, S. 107–122,
- Herdina, Philip (2020): Gabek als Methode der Wissenskonstruktion. In: Raich, Margit; Müller-Seeger, Julia; Ebert, Helmut (Hrsg.): Symposium Qualitative Sozialforschung 2019. Dialoge, Denken, Durchbrüche. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 155–170.
- Hoeken, Hans; Hornikx, Jos; Hustinx, Lettica (2009): Overtuigende Teksten. Onderzoek en Ontwerp. Bussum: uitgeverij coutinho.
- Hufer, Klaus-Peter (2018): Neue Rechte, altes Denken. Ideologie, Kernbegriffe und Vordenker. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
- Klemperer, Victor [1947] (2019): LTI. Notizbuch eines Philologen. Ditzingen: Reclam.
- Lay, Rupert (1980): Krisen und Konflikte. München: Heyne.
- Leonhard, Jörn (2018): Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs. München: Beck.
- McQuarrie, Edward F.; Mick, David G. (1996): Figures of Rhetoric in Advertising Language. In: Journal of Consumer Research, Jg. 22, Heft 4, S. 425–438.
- Parlament Österreich (2013): 7. Sitzung des Nationalrats der XXV. GP am 17.12.2013. Stenographisches Protokoll. Online unter: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXV/NRSITZ/7 ; Zugriff: 06.06.2025.
- Plate, Markus (2021): Grundlagen der Kommunikation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht UTB.
- Schneider, Wolf (2006): Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde. 2. Aufl. München: Piper.
- Ueding, Gert; Steinbrink, Bernd (1994): Grundriß der Rhetorik. Geschichte, Technik, Methode. 3. Aufl. Stuttgart, Weimar: Metzler.
- Zorn, Daniel-Pascal (2019): Logik für Demokraten. Eine Anleitung. 4. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta.
- Zelger, Josef (2019): Erforschung und Entwicklung von Communities. Handbuch zur qualitativen Textanalyse und Wissensorganisation mit GABEK. Wiesbaden: Springer Vieweg.
Zitiervorschlag
Ebert, Helmut (2025): Wiederholen (repetitio). In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 10.06.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/wiederholen.
DiskursGlossar
Grundbegriffe
Kontextualisieren
Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.
Narrativ
Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.
Argumentation
Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.
Hegemonie
Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.
Diskurskompetenz
Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Medien
Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.
Macht
Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.
Metapher
In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht übersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.
Normalismus
Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.
Techniken
Ironie
Ironie (altgriechisch εἰρωνεία (eirōneía), wörtlich ‚Verstellung‘, ‚Vortäuschung‘) ist in unserer unmittelbaren und massenmedialen Kommunikationskultur sehr bedeutsam. Sie arbeitet mit einem Bewertungsgegensatz zwischen Gesagtem und Gemeintem.
Diskreditieren
Das Diskreditieren ist eine Praktik, mit der Diskursakteure durch verschiedenste Strategien, die von Verunglimpfungen und Verleumdungen bis hin zu rufschädigenden Äußerungen reichen, abgewertet und herabgesetzt werden.
Nähe inszenieren
Die Inszenierung von Nähe beschreibt eine Kommunikations>>praktik, bei der Akteur:innen Techniken einsetzen, um Vertrautheit, Sympathie und Authentizität zu vermitteln (z.B. das Angebot einer:s Vorgesetzten, zu duzen).
Diplomatie
Diplomatie bezeichnet im engeren Sinne eine Form der Kommunikation zwischen offiziellen Vertretern von Staaten, die die Aufgabe haben, zwischenstaatliche Beziehungen durch und für Verhandlungen aufrecht zu erhalten. Diese Vertreter können Politiker oder Beamte, insbesondere des diplomatischen Dienstes, sowie Vertreter internationaler Organisationen sein.
Typografie
Typografie bezeichnet im modernen Gebrauch generell die Gestaltung und visuelle Darstellung von Schrift, Text und (in einem erweiterten Sinne) auch die Dokument-Gesamtgestaltung (inklusive visueller Formen wie Abbildungen, Tabellen, Taxono-mien usw.) im Bereich maschinell hergestellter Texte (sowohl im Druck als auch auf dem Bildschirm)
Fact Checking
Fact Checking ist eine kommunikationsstrategische Interventionstechnik, bei der eine Diskursaussage auf Bild oder Textbasis unter dem Gesichtspunkt der Faktizität bewertet wird. Sie ist überwiegend in journalistische Formate eingebettet, die als Faktencheck bezeichnet werden.
Distanzieren
Distanzieren bezeichnet die Abgrenzung eines individuellen oder organisationalen Akteurs von einem anderen Akteur. Eine Distanzierung kann kommunikativ oder operativ vollzogen werden, d. h. die Abgrenzung findet verbal oder unter Aufkündigung eines Arbeitsverhältnisses statt.
Kontaktschuld-Topos
« Zurück zur ArtikelübersichtKontaktschuld-Topos Kategorie: TechnikenVerwandte Ausdrücke: Assoziationsschuld, Applaus von falscher Seite, ad hominem, Guilt by AssociationSiehe auch: Verschwörungstheorie, Moralisierung, Freund-Feind-Begriffe, Topos, Opfer-ToposAutoren:...
Schlagbilder
Der Terminus Schlagbild bezeichnet mehr oder weniger inszenierte Bilder. Ihre Bedeutung beruht nicht nur auf ihren sichtbaren (ikonischen) Formen, sondern vielmehr auf den symbolischen Inhalten, die sich durch vielfache mediale Wiederholung und Konventionen gefestigt haben.
Invektivität / Metainvektivität
Invektivität ist ein Überbegriff für den Phänomenbereich der Herabsetzung und Ausschließung mittels symbolischer Praktiken. In Invektiven (z.B. Spott, Beleidigung, sprachliche Aggression, Diskriminierung, Hassrede) werden Einzelnen oder Gruppen marginalisierte oder niedrige soziale Positionen zugeschrieben, Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften abgesprochen oder Identitäten negiert.
Schlagwörter
Wohlstand
Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.
Remigration
Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.
Radikalisierung
Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.
Bürokratie
Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.
Politisch korrekt / Politische Korrektheit
Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.
Kipppunkt
Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘
Verfassung
Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.
Toxizität / das Toxische
Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.
Zivilgesellschaft
Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.
Demokratie
Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.
Verschiebungen
Versicherheitlichung
In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Partizipatorischer Diskurs
Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.
DiskursReview
Review-Artikel
Musk, Zuckerberg, Döpfner – Wie digitale Monopole die Demokratie bedrohen und wie könnte eine demokratische Alternative dazu aussehen?
Die Tech-Milliardäre Musk (Tesla, X,xAI) Zuckerberg (Meta), Bezos (Amazon) oder Pichai (Alphabet) sind nicht Spielball der Märkte, sondern umgekehrt sind die Märkte Spielball der Tech-Oligopolisten geworden.
Beobachtung zum Begriff „Diplomatie“ beim Thema Ukraine im Europäischen Parlament
Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto „as long as it takes“ beziehungsweise „so lange wie nötig“ für die Erweiterung der militärischen Ausstattung und der Verlängerung des Krieges aussprachen. Vorschläge oder Vorstöße auf dem Gebiet der „Diplomatie“ im Sinne von ‚Verhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteien‘ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)
Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit
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Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen
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Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe
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Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen
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Relativieren – kontextualisieren – differenzieren
Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.
Wehrhafte Demokratie: Vom Wirtschaftskrieg zur Kriegswirtschaft
Weitgehend ohne Öffentlichkeit und situiert in rechtlichen Grauzonen findet derzeit die Militarisierung der ursprünglich als „Friedensprojekt“ gedachten EU statt.
Tagung 2025: „Das geht zu weit!“ Sprachlich-kommunikative Strategien der Legitimierung und Delegitimierung von Protest in öffentlichen, medialen und politischen Diskursen
„Das geht zu weit!“ Sprachlich-kommunikative Strategien der Legitimierung undDelegitimierung von Protest in öffentlichen, medialen und politischen Diskursen Tagung der Forschungsgruppe Diskursmonitor Tagung: 04. bis 5. Juni 2025 | Ort: Freie Universität Berlin...
„Remigration“ – Ein Riss im Schleier der Vagheit. Diskursive Strategien rund um das Remigrationskonzept und die Correctiv-Recherchen
Die am 10. Januar veröffentlichte Correctiv-Recherche über ein rechtes Vernetzungstreffen in Potsdam sorgte für erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit und die größten Demonstrationen gegen Rechtsaußen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Im Fokus der Kritik…