DiskursGlossar

Indexikalität

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Anzeichen, Symptom, Spur, Indiz
Siehe auch: Perspektive, Kontextualisieren
Autor: Jan Gerwinski
Version: 1.0 / Datum: 22.09.2025

Inhaltsübersicht
Kurzzusammenfassung
Erweiterte Begriffserklärung
Beispiele
Literatur
Zitiervorschlag

Kurzzusammenfassung

Mit Indexikalität wird in der Linguistik vornehmlich auf das Potenzial von sprachlichen Äußerungen verwiesen, HörerInnen oder LeserInnen Rückschlüsse über den sprachlichen Inhalt der Äußerungen hinaus zu ermöglichen. Denn sprachliche Äußerungen tragen immer Spuren ihrer Entstehung mit sich, mit denen man
z. B. auf die Einstellungen, Werte und Bewertungen von SprecherInnen und/oder auf den (z. B. förmlichen oder informellen) Äußerungskontext schließen kann. Mit Blick auf strategische Kommunikation können so Sprecher- und SchreiberInnen auch bewusst indirekte Verstehenshinweise mitliefern.

Erweiterte Begriffsklärung

Unter indexikalischen Zeichen wird nach Charles S. Peirce in der Linguistik einer von drei grundlegenden Zeichentypen verstanden. Dabei ist jedes Zeichen nach Peirce durch folgende triadische Relation gekennzeichnet: Ein Zeichen steht in einer Beziehung zu einem Objekt und einem das Sprachzeichen interpretierend verstehenden Akteur.

Der erste Zeichentyp ist das abbildende Ikon, das hinsichtlich (z. B. visuell) wahrnehmbarer Merkmale mit dem zu bezeichnenden Objekt übereinstimmt (vgl. Glück/Rödel 2016: 280). Z. B. wird auf Verkehrszeichen, die einen Fahrradweg kennzeichnen, ein Piktogramm verwendet, das ein einfaches Fahrrad visuell reduziert nachbildet.

Der zweite Zeichentyp ist das arbiträre Symbol, „dessen zeichenkonstitutive Beschaffenheit ausschließlich in der Tatsache besteht, daß es so interpretiert werden wird“ (Peirce 1983 [1903]: 64 f.). Das heißt, eine Sprachgemeinschaft verständigt sich auf ein willkürliches Zeichen und konventionalisiert es damit fortan. So ist z. B. die Verwendung eines blauen Kreises mit dem weißen ikonischen Fahrrad eine willkürliche und damit arbiträre Festlegung (also Konventionalisierung) für die Kennzeichnung eines Weges, der ausschließlich mit Fahrrädern befahren werden darf.

Der dritte Zeichentyp ist das anzeigende Index (oder auch ,Anzeichen‘), das nach Peirce in „einer existentiellen Relation zu seinem Objekt [steht]. Ein Index erfordert deshalb, daß sein Objekt und er selbst individuelle Existenz besitzen müssen“ (Peirce 1983 [1903]: 64 f.). Nach Glück/Rödel (2016: 284) handelt es sich bei dieser Relation um ein „Verhältnis der Kontiguität in mehreren, u. a. kausalen Spielarten.“ D. h. – um ein in der Linguistik übliches Beispiel aufzugreifen – Rauch steht als Index für Feuer, da Feuer (kausal) Rauch verursacht. Und weiter heißt es, Indizes

sind ubiquitär; jedes Verhalten kann indexikal[isch] interpretiert werden. So ist auch jede sprachl[iche] Äußerung, selbst wenn man nur deren verbal-symbol[ische] Anteile berücksichtigt, nach K[arl] Bühler […] zugleich ‚Symptom (Anzeichen, Indicium)‘ für die ‚Innerlichkeit‘ des Senders und indiziert darüber hinaus auch dessen Herkunft, Bildung etc. […] sowie das Ensemble kommunikativer Bedingungen, durch die die Äußerung geprägt ist. (ebd.)

Das macht den Zeichentyp Index für viele linguistische Teildisziplinen und Fragestellungen interessant. In ethnomethodologisch geprägten Untersuchungen zu den methodischen Grundlagen gegenseitigen Verstehens werden indexikalische Ausdrücke als „jene[…] sprachlichen Elemente […in den Blick genommen], die isoliert (ohne ihren Kontext) betrachtet nicht eindeutig, klar und fraglos eine konkrete Bedeutung haben“ (Auer 2013: 134; vgl. auch Garfinkel/Sacks 1976 [1970]). Prototypisch können hier deiktische Ausdrücke (wie ich, hier und jetzt) herangezogen werden (aber auch Namen und Fachausdrücke; siehe auch Scollon/Scollon 2003: 205).

In soziolinguistischen Untersuchungen wird

die Fähigkeit sprachlicher Zeichen, soziale Werte, Akteurstypen und Lebensformen zu evozieren bzw. zu kontextualisieren“ [in den Fokus gerückt]. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sprachliche Zeichen nicht nur auf bestimmte Sachverhalte referieren, sondern dass sie immer auch bestimmte Werte (bzw. Ideologien) indizieren. (Spitzmüller 2013: 265, in Anlehnung an Silverstein 2003)

Es sind damit „situative Referenzmittel, mit denen wir zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung ein bestimmter Kontext für uns hat“ (Abels 2010: 132f.; siehe auch für eine vertiefte Darstellung Bergmann/Meyer 2021). Und somit sind sie prinzipiell ebenso für BeobachterInnen (Analysierende, Dritte etc.) und damit auch (sprach-)wissenschaftliche Untersuchungen zugänglich. Jedenfalls solange diese den Kontext und den weiteren Interaktionsverlauf mit erfassen (können). Letzteres ist insofern wichtig, als dass „[s]prachliche Handlungen […] in verschiedenen Kontexten und von verschiedenen Akteuren unterschiedlich bewertet [werden]“ (Spitzmüller 2013: 265, mit Verweis auf Silverstein 2003: 193).

In Anlehnung an Silverstein (2003; der sich wiederum an Labov 1971 orientiert) differenziert Spitzmüller drei Formen „sozialer Indizes“, die Auskunft geben über die soziale Herkunft der SprecherInnen (vgl. Spitzmüller 2022: 127). Er führt das zwar eng auf sprachliche Formen zurück, aber der Geltungsbereich umfasst auch nicht-sprachliche Zeichen (wie z. B. Kleidung oder Gesten).

Indexikalität 1. Ordnung: Das sind „Bezugsetzungen von sprachlichen Formen zu einem bestimmten soziodemographischen Kontext, die von ›außen‹ […] vorgenommen werden, ohne dass den Sprechern selbst bewusst ist, dass sie ›spezifisch‹ sprechen.“ (Spitzmüller 2013: 265). Hier kann von entlarvenden sprachlichen (und nicht-sprachlichen) Formen gesprochen werden, die möglicherweise ungewollte Rückschlüsse erlauben. Ein gestisches Zeichen in der fiktionalen Popkultur findet Verwendung in Quentin Tarantinos Inglorious Basterds von 2009. In dem Film wird ein sich als Deutscher ausgebender Engländer dadurch enttarnt, dass er drei Bier mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger bestellt, anstatt, wie es suggeriert wird, als Deutscher Daumen, Zeige- und Mittelfinger als Emblem für die Zahl drei zu verwenden. 

Indexikalität 2. Ordnung: Dabei handelt es sich um „Bezugsetzungen, welche von den Akteuren selbst vorgenommen werden. Sie ermöglicht, dass sprachliche Formen selbst Kontexte signalisieren, also als Kontextualisierungshinweise […] dienen können.“ (Spitzmüller 2013: 266). Auf diese Weise können Positionierungen und Gruppenzuordnungen ohne Explizierungen, ggf. nur mittels spezifischer Ausdrücke oder anderer (sprachlicher und nicht-sprachlicher) Formen vorgenommen werden.

Indexikalität 3. Ordnung: Das sind „sprachliche Formen, die als so ›typisch‹ für einen bestimmten Kontext angesehen werden, dass sie etwa in Stilisierungen einer bestimmten Personengruppe […] verwendet werden können.“ (Spitzmüller 2013: 266). KarikaturistInnen und ParodistInnen greifen genau wie viele PolitikerInnen darauf zurück, wenn sie auf spezifische Personen oder Akteursgruppen referieren möchten. Die implizite negative Bewertung, die mit Parodien und Persiflagen einhergeht, basiert darauf, dass man sich

auf vorausgesetzt geglaubte Assoziationen zwischen Sprachgebrauch und Personentypen bzw. Verhaltensformen bezieh[t]. Ein mit Sprache reflexiv bewerteter Sprach-/Kommunikationsgebrauch bzw. eine bewertete Sprach-/Kommunikationsform indiziert also […] über das Lokale hinaus sozial typisierte Personen und Verhaltensformen, die mit diesem sozial registriert sind. Diese Personen- und Verhaltenstypen werden aufgrund dieser Indexikalität durch den Gebrauch evoziert […], das heißt: Sie werden durch die Verwendung und aufgrund von Indexikalität höherer Ordnung […] zum Teil des Kontexts, innerhalb dessen evaluiert wird. (Spitzmüller 2023: 49 f.)

Für alle drei gesellschaftlich und linguistisch relevanten Indexikalitätstypen sollen im folgenden Abschnitt je ein bis zwei kleine Beispiele zur Veranschaulichung dienen. Die Beispiele zeigen zugleich im Ansatz auf, wie (das Wissen um) Indexikalität auch für die Analyse von Diskursen und damit ggf. auch praktisch-kommunikationsstrategisch genutzt werden kann. Denn die Dekonstruktion von sowohl unbewusst verwendeter als auch von strategisch genutzter Sozialsymbolik (wie z. B. Rollenbilder in der Werbung oder sog. ‚dog whistling‘ in der Politik) ist eine wichtige Bedingung für eine faktenbasierte konstruktiv-kritische gesamtgesellschaftliche Diskussion.

Beispiele

(1) Beispiele für Indexikalität 1. Ordnung (bewusst und unbewusst verwendete Zeichen sozialer Herkunft):

Unter anderem in der forensischen Linguistik wird auf Indexikalität 1. Ordnung zurückgegriffen, um z. B. AutorInnen zu entlarven (‚Autorenerkennung‘), die möglicherweise nicht erkannt werden möchten. Dies kann daran liegen, dass sie z. B. eine Erpressungshandlung durchgeführt haben oder einen Text unter anderem Namen veröffentlichen. Ggf. geben sich diese aber durch spezifische Formulierungen oder Ausdrücke oder andere Zeichen (mehr oder weniger eindeutig) zu erkennen. Oder sie geben zumindest (unbeabsichtigte) Hinweise auf AutorInnenmerkmale, wie Geschlecht, Alter, regionale Herkunft, Bildungsstand etc. Oder sie geben unbeabsichtigte Hinweise auf missglückte Verstellungshandlungen, wenn z. B. ein migrantischer oder wenig sprachgebildeter Schreiber zu imitieren versucht wird, aber stilistische Hinweise wie bildungssprachliche Ausdrücke oder Satzkonstruktionen diesen Versuch konterkarieren.

Ein Beispiel findet sich bei Kniffka (1990: 438448): Bei der Suche nach dem Autor von Schmähschriften an die Geschäfts- und Konzernleitung eines großen Unternehmens konnte der Verdächtige als deutscher Muttersprachler aufgrund von Vergleichsschriften ausgeschlossen werden, da sich in den Schmähschriften viele v. a. grammatische und orthographische Abweichungen fanden: zum Beispiel

  • diese Maßnahmen werden mit … begegnet statt diesen Maßnahmen wird mit … begegnet
  • Sie können doch dem Kollegen X in keiner Weise auch nur das Wasser reichen statt Sie können doch dem Kollegen X nicht das Wasser reichen
  • Eine Krähe hackt einer anderen nicht in die Augen statt Eine Krähe hackt einer anderen kein Auge aus
  • Pfüi Teufel statt Pfui Teufel, Aüßerung statt Äußerung und die drei-Affen statt die drei Affen.

Diese Abweichungen ließen auf einen Nicht-Muttersprachler schließen, wobei einige als (nicht gebräuchliche) Anglizismen spezifisch auf einen Englisch-Muttersprachler hindeuteten: So werden z. B. im „amerikanischen Englischen […] häufig Bindestriche bei Zahlenangaben verwendet“ (Kniffka 1990: 445, auch zu weiteren konkreten Formulierungen).

(2) Indexikalität 2. Ordnung (bewusst verwendete Zeichen sozialer Selbstverortung):

a) Als ein (mittlerweile veraltendes) Beispiel mag hier die Verwendung von Kernkraftwerk oder Atomkraftwerk dienen. Die beiden Ausdrücke dienten vor 1975 vornehmlich als Erkennungsmarker für Fachsprache versus Laiensprache (vgl. Jung 1994). Nach 1975 wurden sie zunehmend „zu politischen Bekenntniswörtern und Erkennungszeichen“ (Hermanns 1995: 5), mit denen sich Befürworter und Gegner identifizieren ließen (Indexikalität 1. Ordnung), aber auch sprachlich bewusst gruppierten bzw. abgrenzten (Indexikalität 2. Ordnung). Befürworter der Technologie präferierten den Ausdruck Kernkraft, die Gegner verwendeten Atomkraft.

b) Als zweites Beispiel kann hier sog. ‚gendergerechte Sprache‘ zur Veranschaulichung herangezogen werden. 1991 bezeichnete Gallmann die Verwendung von Paarformeln für weibliche und männliche Personen(gruppen) als Gruppenzugehörigkeitsmarkierung:

Die Verwendung von Paarformeln ist in der Tat schon weitgehend zu einem Schibboleth geworden, zu einem Kommunikationsmittel, an dem die Zugehörigkeit zur Gruppe der Fortschrittlichen, Gerechtigkeit Anstrebenden oder zur Gruppe der Rückständigen, Frauenfeindlichen abgelesen wird. Schreibende können deswegen nicht mehr frei wählen, wie sie mit Personenbezeichnungen umgehen je nach ihrer Entscheidung werden sie zwangsläufig der einen oder der anderen Gruppe zugeordnet. (Gallmann 1991: 159 f.)

Heute ist die Verwendung von Paarformeln bereits üblicher geworden, wird aber je nach Kommunikationskreis nach wie vor als Schibboleth verhandelt. Anders ist es allerdings mit neueren Formen, wie z. B. der gesprochenen Leerstelle (Lehrer_innen), die in aktuellen öffentlichen Diskursen sehr kontrovers diskutiert wird (Gegner sog. ‚gendergerechter Sprache‘ nutzen u. a. in dem Kommunikationszusammenhang auch häufig das Kompositum Genderwahn, mit dem – sofern es nicht in distanzierende Anführungszeichen gesetzt wird und dadurch zum Erkennungszeichen für Befürworter wird – diese Diskursposition bereits angezeigt wird).

(3) Beispiele für Indexikalität 3. Ordnung (bewusst stilisierende Zeichen sozialer Stereotype:

Im folgenden Auszug aus „Rotkäppchen in Jugendsprache“ werden eine Reihe von sprachstilistischen Formen und (popkulturellen oder modernen) Verweisen verwendet, die die VerfasserInnen jugendsprachlichem Sprechen zuordnen.

Es war einmal 1 nice Mädchen, was Rotkäppchen genannt wurde, weil sie immer mit ner sytlischen [sic!] roten Samtmütze rumlief, die ihre Großmutter ihr mal verpasst hatte. Als sie gerade in ihrem Zimmer chillte, sagt ihre Muddern: „Yo Rotkäppchen, geh mal bitte zu Omma, hab jetzt echt kein Bock zu der ollen rüber zu fahren. Ein Sixpack und ein Big Mac sind im Korb, die soll vor ihrem Abgang nochmal was gutes kriegen.“ Nett wie Rotkäppchen war, holte sie sich ihr Fahrrad und cruiste los, mit dem Satz ihrer Mutter im Ohr: „Lass dich bloß nicht dumm von der Seite anquatschen!“ Da stand auf einmal der Wolf vor ihr. „Ey yo schnegge, ganz allein unterwegs?“ […] („Rotkäppchen in Jugendsprache (I)“; Online unter: https://fichtenblatt.de/?p=659)

Zu den „sozial registrierten“ (Spitzmüller 2023: 49) sprachstilistischen Formen zählen die Verwendung von Ziffern für unbestimmte Artikel (1 für ein), die Häufung aus dem Englischen entlehnter Adjektive (nice, stylischen) und Verben (chillte, cruiste), Verschleifungen (ner statt einer, hab statt ich habe), umgangssprachlichen (mündlichen) Phrasen in Schriftform (die ihre Großmutter ihr mal verpasst hatte, Muddern, Omma, hab jetzt echt kein Bock zu der ollen rüber zu fahren, Lass dich bloß nicht dumm von der Seite anquatschen!, schnegge), despektierliche Formulierungen (zu der ollen, vor ihrem Abgang) und flapsige Begrüßungsformeln (Yo, Ey yo).

Ein parodistischer oder persiflierender Effekt wird dabei a) mittels Häufung sprachstilistischer Formen, die von einem standardsprachlichen Sprachgebrauch abweichen und b) mittels stilistischer Abweichung von der Textsorte ‚Märchen‘ erreicht.

Gleichzeitig erfolgt hier eine hyperstilisierte Stereotypisierung jugendsprachlicher SprecherInnen, die in dieser (hyperbolischen, d. h. überzeichneten) Form als implizite negative Bewertung dieses Sprachhandelns und in einem weiteren übertragenden Interpretationsschritt auch der Stereotypisierten selbst gelesen werden kann. Dies kann aber natürlich jederzeit von den AutorInnen zurückgewiesen werden, was solche Sprachhandlungen, wie alle Formen des Impliziten (wie auch sogenannte Präsuppositionen und Implikaturen), für strategische Kommunikation so wertvoll macht.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Auer, Peter (2013): Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern. 2., aktualisierte Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.
  • Spitzmüller, Jürgen (2013): Metapragmatik, Indexikalität, soziale Registrierung. Zeitschrift für Diskursforschung, Jg. 2013, Heft 3, S. 263–287.

Zitierte Literatur

  • Abels, Heinz (2010): Interaktion, Identität, Präsentation. Kleine Einführung in interpretative Theorien der Soziologie. 5. Auflage. Wiesbaden: VS.
  • Auer, Peter (2013): Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern. 2., aktualisierte Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.
  • Bergmann, Jörg R.; Meyer, Christian (2021): Reflexivity, Indexicality, Accountability. Zur theoretisch-programmatischen Grundlegung der Ethnomethodologie. In: Bergmann, Jörg R.; Meyer, Christian (Hrsg.): Ethnomethodologie reloaded. Neue Werkinterpretationen und Theoriebeiträge zu Harold Garfinkels Programm. Bielefeld: Transcript, S. 37–56.
  • Gallmann, Peter (1991): Bezeichnungen für männliche und weibliche Personen In: Sprachspiegel. Bern: Schweizerischer Verein für die deutsche Sprache (SVDS), Jg. 47, S. 5–6, S. 150–160.
  • Garfinkel, Harold; Sacks, Harvey [1970] (1976): On formal structures of practical actions, In: McKinney, John C.; Tiryakian, Edward A. (Hrsg.): Theoretical sociology. New York: Appleton-Century-Crofts, S. 337–366; dt.: Über formale Strukturen praktischer Handlungen. In: Weingarten, Elmar; Sack, Fritz; Schenkein, Jim (Hrsg.): Ethnomethodologie: Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 130–176.
  • Glück, Helmut; Rödel, Michael (Hrsg.) (2016): Metzler Lexikon Sprache. 5., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Stuttgart: Metzler.
  • Hermanns, Fritz (1995): „Kernkraft“ und „Atomkraft“. In: Sprachreport. Mannheim: Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Jg. 11, Heft 4, S. 5–6.
  • Jung, Matthias (1994). Öffentlichkeit und Sprachwandel: zur Geschichte des Diskurses über die Atomenergie. Opladen: Westdt. Verl.
  • Kniffka, Hannes (1990): Autorschafts-Auschluss: Ein ‚Liquet‘ und ein ‚Non-Liquet‘. In: Kniffka, Hannes (Hrsg.): Texte zu Theorie und Praxis forensischer Linguistik. Tübingen: Niemeyer, S. 437–456.
  • Labov, William (1971): The study of language in its social context. In: Fishman, Joshua A. (Hrsg.): Advances in the Sociology of Language. Band 1. Basic Concepts, Theory and Problems. Den Haag: Mouton, S. 152–216.
  • Peirce, Charles S. [1903] (1983): Phänomen und Logik der Zeichen. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Pape. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Scollon, Ronald; Scollon, Suzanne B. K. (2003): Discourses in place: Language in the material world. London u. a.: Routledge.
  • Silverstein, Michael (2003): Indexical order and the dialectics of sociolinguistic life. In: Language and Communication, Jg. 23, Heft 3–4, S. 193229.
  • Spitzmüller, Jürgen (2013): Metapragmatik, Indexikalität, soziale Registrierung. In: Zeitschrift für Diskursforschung, Jg. 1, Heft 3, S. 263–287.
  • Spitzmüller, Jürgen (2022): Soziolinguistik. Eine Einführung. Heidelberg: Metzler.
  • Spitzmüller, Jürgen (2023): Metapragmatische Positionierung. Reflexive Verortung zwischen Interaktion und Ideologie. In: Dang-Anh, Mark (Hrsg.): Politisches Positionieren. Sprachliche und soziale Praktiken. Heidelberg: Winter, S. 39–66.

Zitiervorschlag

Gerwinski, Jan (2025): Indexikalität. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 22.09.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/indexikalitaet.

Grundbegriffe

Sinnformel

‚Wer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?‘ Auf diese und ähnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.

Praktik

Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes Bündel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrücken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, Fußballspielen).

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Techniken

Inszenierte Kontroverse

Inszenierte Kontroversen liegen vor, wenn Politiker, Vertreter von Interessengruppen, Aktivisten, Journalisten, Influencer oder andere öffentlich wirksame Akteure potentiell strittige Themen möglichst effektvoll in einen Diskurs einbringen oder einen entsprechenden Diskurs auslösen, und zwar um entsprechende Perspektivierungen bestimmter Konfliktlagen im eigenen Interesse konfrontativ zu prägen.

-ismus

Bei Ismen geht es ursprünglich um die Wortendung (sog. Suffix) -ismus (Plural -ismen), mit der Substantive mit substantivischem oder adjektivischem Wortstamm (Basis) gebildet werden (z.B. Vulkan-ismus oder Aktiv-ismus).

Persuasion

Persuasion kommt vom lateinischen Verb persuadere und bedeutet ‚überzeugen, überreden‘ (gebildet aus suadere ‚raten, empfehlen‘ und per ‚durch, über‘).‘). Der Begriff stammt aus der Rhetorik, in der es vor allem darum geht, wie man Hörer:innen oder Leser:innen auf seine Seite bringt: wie man sie zum Beispiel in einem Gerichtsprozess von der Schuld oder Unschuld eines/einer Angeklagten überzeugt, wie man sie politisch zur Parteinahme überredet oder wie man sie ganz allgemein für sich selbst oder einen bestimmten Gegenstand/Sachverhalt einnimmt.

Zensur

Zensur sowie die Praktik des Zensierens sind Machtpraktiken der Einschränkung, Kontrolle und des Verbots von Besitz oder Rezeption von Kunstwerken, Medien, aber auch von Äußerungen bzw. einzelnen Sätzen, Sprüchen, Phrasen bis hin zu Wörtern.

Ironie

Ironie (altgriechisch εἰρωνεία (eirōneía), wörtlich ‚Verstellung‘, ‚Vortäuschung‘) ist in unserer unmittelbaren und massenmedialen Kommunikationskultur sehr bedeutsam. Sie arbeitet mit einem Bewertungsgegensatz zwischen Gesagtem und Gemeintem.

Wiederholen

Das Wiederholen von Äußerungen in öffentlichen (politischen) Diskursen zielt darauf, das Denken anderer zu beeinflussen, Wissen zu popularisieren, einseitige (z. B. fanatisierende, beschwörende, hysterische, ablenkende, pseudosachliche) Konstruktionen von Wahrheit zu erzeugen, um die soziale Wirklichkeit als intersubjektiven Konsens im einseitigen Interesse des „Senders“ zu verändern. Grundvoraussetzung ist die Annahme, dass das kollektive Denken stets mächtiger als das individuelle Denken ist.

Diskreditieren

Das Diskreditieren ist eine Praktik, mit der Diskursakteure durch verschiedenste Strategien, die von Verunglimpfungen und Verleumdungen bis hin zu rufschädigenden Äußerungen reichen, abgewertet und herabgesetzt werden.

Nähe inszenieren

Die Inszenierung von Nähe beschreibt eine Kommunikations>>praktik, bei der Akteur:innen Techniken einsetzen, um Vertrautheit, Sympathie und Authentizität zu vermitteln (z.B. das Angebot einer:s Vorgesetzten, zu duzen).

Diplomatie

Diplomatie bezeichnet im engeren Sinne eine Form der Kommunikation zwischen offiziellen Vertretern von Staaten, die die Aufgabe haben, zwischenstaatliche Beziehungen durch und für Verhandlungen aufrecht zu erhalten. Diese Vertreter können Politiker oder Beamte, insbesondere des diplomatischen Dienstes, sowie Vertreter internationaler Organisationen sein.

Typografie

Typografie bezeichnet im modernen Gebrauch generell die Gestaltung und visuelle Darstellung von Schrift, Text und (in einem erweiterten Sinne) auch die Dokument-Gesamtgestaltung (inklusive visueller Formen wie Abbildungen, Tabellen, Taxono-mien usw.) im Bereich maschinell hergestellter Texte (sowohl im Druck als auch auf dem Bildschirm)

Schlagwörter

Social Bots

Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.

Kriegsmüdigkeit

Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische Ermüdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch für das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Öffentlichkeit genutzt.

Woke

Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunächst den Bewusstseinszustand der Aufgeklärtheit über die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.

Identität

Unter Identität versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven – etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen – als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.

Wohlstand

Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.

Remigration

Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.

Bürokratie

Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.

Politisch korrekt / Politische Korrektheit

Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.

Kipppunkt

Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘

Verschiebungen

Kriminalisierung

Kriminalität meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstößt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird – indem Gesetze geschaffen werden.

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.