
DiskursGlossar
Guerillakommunikation
Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Diskursguerilla, Kommunikationsguerilla, Medienguerilla, Spaßguerilla, Guerillamarketing
Siehe auch: Subversion, Adbusting, Astroturfing, Camouflage, Doxing, Fake, Flashmob, Protest
Autor: Hagen Schölzel
Version: 1.2 / 17.04.2020
Kurzzusammenfassung
Guerillakommunikation steht für die Beobachtung, dass es Formen der Kommunikation gibt, die von normalen bzw. als normal geltenden Kommunikationsformen abweichen und mit diesen in Konflikt stehen. Die Markierung als Guerillakommunikation (von span. ,guerrilla‘ = ,Kleinkrieg‘) verweist dabei auf asymmetrische Konflikte, die aus einer unterlegenen Position heraus kommunikativ ausgetragen werden. Guerillakommunikation wird als irritierende, d.h. störende und/oder innovative Kommunikationsform wahrgenommen und ihre Erscheinungen lassen sich häufig nur schwer in etablierte Deutungsmuster einordnen. Ein Ziel der Guerillakommunikation ist es, etablierte und normalerweise nicht hinterfragte Regeln der Kommunikation bewusst zu machen, um sie zu hinterfragen und ggf. zu verändern. Dabei wird davon ausgegangen, dass Kommunikations- und Sprachpraktiken bestimmten Regeln folgen, die jedoch nicht endgültig festgelegt sind und die verändert werden können. Es handelt sich bei Guerillakommunikation zumeist um situationsbezogene bzw. kontextgebundene Einzelaktionen, die allerdings Teil eines größeren Konflikts sein können. Ihre regelmäßige Wiederholung kann zu einer Konventionalisierung führen, durch die Formen von Guerillakommunikation in anerkannte, etablierte Kommunikationsformen übergehen können.
Erweiterte Begriffsklärung
Die semantische Verknüpfung der Begriffe Kommunikation und Guerilla lässt sich historisch auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts datieren, als beinahe zeitgleich politische Protestformen und -konzepte der sog. Spaßguerilla, Kommunikationsguerilla oder Medienguerilla (Autonome Afrika Gruppe et al. 2012; Teufel/Jarowoy 1980; vgl. Kleiner 2005, 314-366; Teune 2008, 39-67) sowie Formen und Konzepte der kreativen oder unerwarteten Werbung als Teil des sog. Guerilla-Marketings (Levinson 2008) entstanden. Auch in wissenschaftlichen Abhandlungen wurden seit den 1960er Jahren verschiedene Verknüpfungen der Guerilla-Metapher mit Phänomenen der Kommunikation, der Medien und der (Alltags-)Kultur hergestellt, bspw. durch Umberto Ecos Konzept der „semiologischen Guerilla“ als kritischer Auseinandersetzung mit Massenmedien (Eco 1968, 146-156) oder in Michel de Certeaus Theorie des Alltagshandelns (De Certeau 1988). Aufgrund dieser semantischen Verknüpfung ist Guerillakommunikation Teil eines begrifflichen und konzeptionellen Feldes, das Kommunikation als quasi-militärischen Konflikt begreift. Ähnlich wie bei den Begriffen strategische Kommunikation (von griech. ,strategos‘ = ,militärischer Führer‘) oder Kampagnenkommunikation (von frz. ,campagne‘ = ,Feldzug‘) gibt es auch im Fall der Guerillakommunikation konzeptionelle und praktische Verbindungen zum Militärischen (insb. Huffschmid 2004; Schölzel 2013; Nothhaft/Schölzel 2015, 18-33). Vor diesem Hintergrund lässt sich Guerillakommunikation (von span. ,guerrilla‘ = ,Kleinkrieg‘) definieren als Erscheinung irregulärer Formen der (politischen) Kommunikation, die in Auseinandersetzung steht mit regulären Formen der (strategischen bzw. Kampagnen-)Kommunikation. Irreguläre Kommunikationsformen existieren als eigenständige Guerillakommunikation, bei der kommunikative Konflikte aus einer unterlegenen Position heraus ausgetragen werden, oder sie treten in Zusammenhang mit regulärer (Kampagnen-)Kommunikation als ergänzende Techniken des kommunikativen Kleinkriegs auf.
Die kulturellen (symbolischen bzw. sprachlichen) Techniken der Guerillakommunikation sind u.a. durch verschiedene künstlerische Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts inspiriert, auf die zahlreiche kulturelle Innovationen zurückzuführen sind, die in Guerillakommunikation eingegangen sind (z.B. Collage- und Montagetechniken). Die Techniken der Guerillakommunikation sind aus systematischen Gründen nicht abschließend zu definieren, sondern nur im Sinne einer Meta-Definition als Irritationen, als Regelbruch oder als „Abweichen von der Norm“ (Gaede 2002). Solche Abweichungen sind von orthographischen, grammatischen oder syntaktischen Regeln genauso möglich, wie von semantischen, gestalterischen, technischen, juristischen und Verhaltensregeln oder -regelmäßigkeiten. Aufgrund des Prinzips der Abweichung bzw. des Regelbruchs ist Guerillakommunikation auf das Vorhandensein einigermaßen etablierter Regeln oder Regelmäßigkeiten konventioneller Kommunikation angewiesen, gegen die sie sich richtet.
Die Praxis der Guerillakommunikation und das wissenschaftliche Konzept sind vor allem an dem Zusammenhang von sozialen Regeln bzw. Ordnungsmustern und diskursiven Regeln bzw. Mustern interessiert. Es wird davon ausgegangen, dass sich bestimmte typische Ordnungsmuster in der Gesellschaft (z.B. hierarchische Beziehungen oder die Konvention eines respektvollen Umgangs) in korrespondierenden Regeln der Kommunikation spiegeln (z.B. dass eine Sprecherin von einem erhöhten, privilegierten Standort aus spricht oder dass man jemanden ausreden lässt). Für die Bezeichnung dieses Zusammenhangs wurde in der Praxisliteratur der Begriff der ,Kulturellen Grammatik‘ eingeführt (Autonome Afrika Gruppe 2012). Annahme ist, dass eine Kulturelle Grammatik im Hintergrund alltäglicher, konventioneller Kommunikationspraktiken unbewusst wirksam ist und diese Praktiken anleitet. Das erklärte Ziel der Protestform der Kommunikationsguerilla besteht darin, die Wirkungsweise einer Kulturellen Grammatik offen zu legen und sie mit emanzipatorischem Anspruch zu transformieren, z.B. eine hierarchische Kommunikationsbeziehung bewusst zu machen und in eine nicht-hierarchische bzw. symmetrische zu verwandeln. Im Fall des Guerilla-Marketings geht es zuerst um die Verbesserung der Wettbewerbsposition eines Unternehmens, wobei mögliche Änderungen gesellschaftlicher Ordnungsmuster diesem Primat unterworfen sind, z.B. wenn Kundenbeziehungen so geändert werden, dass Konsumenten in sog. Prosumers verwandelt werden.
Das für ein Verständnis der Guerillakommunikation wichtige theoretische Konzept der Kulturellen Grammatik weist Ähnlichkeiten zum Konzept der diskursiven Ordnung auf, wobei vor allem der Aspekt der historischen Wandelbarkeit Kultureller Grammatiken bzw. diskursiver Muster betont wird (Schölzel 2013). Formationsregeln oder -konventionen für Sprach- und Kommunikationspraktiken existieren zwar, doch sind gezielte Abweichungen von etablierten, konventionellen Kommunikationsformen stets möglich. Guerillakommunikation problematisiert diese Formationsregeln sprachlicher oder anderer Kommunikationsformen, indem sie gebrochen werden. Sie ist aber zugleich an die etablierten kulturellen Konventionen bestimmter Praxissituationen geknüpft, von denen sie abweicht. Werden Erwartungen an normale Kommunikation enttäuscht, dann liegt möglicherweise eine Form von Guerillakommunikation vor. Guerillakommunikation weist Ähnlichkeiten zu den sozialwissenschaftlichen Krisenexperimenten der Ethnomethodologie auf, die implizite Konventionen des Alltagshandelns durch gezielte Regelbrüche sichtbar machen sollen und dadurch deren wissenschaftliche Problematisierung und Reflexion ermöglichen (Garfinkel 1984, 35-55).
Obwohl das Konzept der Guerillakommunikation zuerst im Kontext einer emanzipatorischen, linken Weltanschauung entwickelt wurde, ist die Anwendung der Techniken der Guerillakommunikation nicht auf ein bestimmtes politisches Spektrum oder Milieu beschränkt. Irritierende, regelbrechende und unkonventionelle Kommunikationsformen werden auch von rechten Politikern oder Gruppierungen genutzt, bspw. in der Wahlkampf- und Regierungskommunikation Donald Trumps. Vergleichbare Techniken existieren manchmal auch als institutionalisierte Formen der Obstruktion (oder des Fillibuster) in etablierten Foren der politischen Kommunikation, z.B. als Recht der endlosen Rede im amerikanischen Senat, durch das Entscheidungsprozesse ausgehebelt werden können.
Beispiele
1. Störung öffentlicher Reden
Eine typisches Beispiel für Guerillakommunikation ist die Störung öffentlicher Reden durch Applaus zum falschen Zeitpunkt (oder durch sachfremde Fragen o.ä.). Öffentliche Reden sind, wie viele andere Kommunikationssituationen, durch eine starke Asymmetrie zwischen der Person, die das Wort hat, und dem Publikum, das zuhört, gekennzeichnet. Das hierarchische Gefälle zwischen beiden wird durch architektonische und technische Arrangements unterstrichen, z.B. durch den Aufbau einer Bühne, eines Rednerpultes und eines Mikrophons auf der einen Seite und einen Zuschauerraum auf der anderen. Zu den Konventionen einer solchen Situation gehört, dass nur eine Person spricht, während alle anderen nur ihre Unterstützung des Gesagten durch Applaus kundtun können. Applaus an der falschen Stelle, z.B. immer genau dann, wenn die Rednerin zu sprechen beginnt, durchbricht diese kulturelle Grammatik und kann dazu beitragen das hierarchische Gefälle bewusst zu machen und zu problematisieren. Die Person am Rednerpult wird in ihrer Rede gestört, womöglich sogar daran gehindert. Überwinden lässt sich diese Störung, indem man die störenden Personen aus dem Saal entfernt, womit die implizite Gewaltsamkeit der etablierten kulturellen Grammatik der Hierarchie sichtbar gemacht würde. Oder man löst die Störung auf, indem man die störenden Personen zu Wort kommen lässt, um zu erfahren, weshalb sie an der falschen Stelle applaudieren. Damit würde das hierarchische Gefälle zwischen Rednerin und Publikum aufgelöst und die kulturelle Grammatik der öffentlichen Rede transformiert.
2. The Yes Men
Das folgende Beispiel aus der Praxis stammt von der Gruppe The Yes Men, die v.a. in den 2000er Jahren eine international bekannte Kommunikationsguerilla waren. Sie arbeitete u.a. mit Mitteln der Image-Korrektur auf der Basis entwendeter Identitäten. In einer ihrer Aktionen gaben sie sich als Sprecher der US-amerikanischen Handelskammer aus und erklärten einen politischen Richtungswechsel weg von einer Unterstützung der Kohleindustrie und hin zu mehr Klimaschutz. Die Handelskammer hatte sich zuvor als Lobby für eine saubere Energieerzeugung aus Kohle unter dem Motto ,Clean Coal‘ stark gemacht. Noch während der gefälschten Pressekonferenz trat ein autorisierter, echter Sprecher der Handelskammer in Erscheinung und versuchte klarzustellen, dass dies eine gefälschte Pressekonferenz sei. In der Folge entspann sich eine Auseinandersetzung um Wahrheit und Wahrhaftigkeit als grundlegende Charakteristika einer öffentlichen Verlautbarung. Der wahre Sprecher der Handelskammer insistierte darauf, dass der falsche Sprecher, der ein Yes Men war, kein legitimer Sprecher der Handelskammer sei und ihm daher nicht zu glauben sei. Zugleich vermied der wahre Sprecher jede Stellungnahme zu dem durch den falschen Sprecher dargelegten Sachverhalt, dass ,Clean Coal‘ nicht existiere und also ein nicht wahrhaftiges Politikprogramm der Lobbyorganisation sei, denn diese Sachaussage konnte er nicht widerlegen. In der darauffolgenden öffentlichen Berichterstattung zu dem Vorfall wurden beide Wahrheitsprobleme thematisiert, wodurch ,Wahrheit‘ als ein grundlegendes Merkmal einer kulturellen Grammatik öffentlicher Rede in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte (vgl. Schölzel 2013, 308-309).
Literatur
Zitierte Literatur und Belege
- Autonome Afrika Gruppe; Blissett, Luther; Brünzels, Sonja (2012): Handbuch der Kommunikationsguerilla. Hamburg: Assoziation A.
- Eco, Umberto (2007): Für eine semiologische Guerilla. In: Ders.: Über Gott und die Welt. Essays und Glossen. München: dtv, S. 146–156.
- De Certeau, Michel (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve.
- Gaede, Werner (2002): Abweichen … von der Norm. Enzyklopädie kreativer Werbung. München: Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbing.
- Garfinkel, Harold (1984): Studies of the routine grounds of everyday activities. In: Ders.: Studies in ethnomethodology. Cambridge: Polity Press, S. 35–55.
- Huffschmid, Anne (2004): Diskursguerilla: Wortergreifung und Widersinn. Die Zapatistas im Spiegel der mexikanischen und internationalen Öffentlichkeit. Heidelberg: Synchron.
- Kleiner, Marcus S. (2005): Semiotischer Widerstand. Zur Gesellschafts- und Medienkritik der Kommunikationsguerilla. In: Hallenberger, Gerd; Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.): Neue Kritik der Medienkritik. Werkanalyse, Nutzerservice, Sales Promotion oder Kulturkritik? Köln: Herbert von Halem, S. 314–366.
- Levinson, Jay C. (2008): Guerilla-Marketing des 21. Jahrhunderts. Clever werben mit jedem Budget. Frankfurt a. M.: Campus.
- Nothhaft, Howard; Schölzel, Hagen (2015): (Re-)Reading Clausewitz: The Strategy Discourse and its Implications for Strategic Communication. In: Holtzhausen, Derina; Zerfaß, Ansgar (Hrsg.): The Routledge Handbook of Strategic Communication. New York: Routledge, S. 18–33.
- Schölzel, Hagen (2013): Guerillakommunikation. Genealogie einer politischen Konfliktform. Bielefeld: transcript.
- Teufel, Fritz; Jarowoy, Robert (1980): Märchen aus der Spaßgerilja. Hamburg; Bremen: Libertäre Assoziation/Roter Funke.
- Teune, Simon (2008): Wie ein Fisch im Wasser der Zeichenwelt. Spaßguerilla seit den 1960er Jahren. In: Psychologie & Gesellschaftskritik, Heft 4, Jg. 32, S. 39–67.
Online-Quellen
- Kommunikationsguerilla „The Yes Men“ im Internet: https://www.theyesmen.org
Zitiervorschlag
Schölzel, Hagen (2020): Guerillakommunikation. In: Diskursmonitor. Online-Plattform zur Aufklärung und Dokumentation von strategischer Kommunikation. Veröffentlicht am 17.04.2020. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/guerillakommunikation.
Grundbegriffe
Kontextualisieren
Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.
Narrativ
Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.
Argumentation
Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.
Hegemonie
Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.
Diskurskompetenz
Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Medien
Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.
Macht
Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.
Metapher
In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht übersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.
Normalismus
Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.
Techniken
Ironie
Ironie (altgriechisch εἰρωνεία (eirōneía), wörtlich ‚Verstellung‘, ‚Vortäuschung‘) ist in unserer unmittelbaren und massenmedialen Kommunikationskultur sehr bedeutsam. Sie arbeitet mit einem Bewertungsgegensatz zwischen Gesagtem und Gemeintem.
Wiederholen
Das Wiederholen von Äußerungen in öffentlichen (politischen) Diskursen zielt darauf, das Denken anderer zu beeinflussen, Wissen zu popularisieren, einseitige (z. B. fanatisierende, beschwörende, hysterische, ablenkende, pseudosachliche) Konstruktionen von Wahrheit zu erzeugen, um die soziale Wirklichkeit als intersubjektiven Konsens im einseitigen Interesse des „Senders“ zu verändern. Grundvoraussetzung ist die Annahme, dass das kollektive Denken stets mächtiger als das individuelle Denken ist.
Diskreditieren
Das Diskreditieren ist eine Praktik, mit der Diskursakteure durch verschiedenste Strategien, die von Verunglimpfungen und Verleumdungen bis hin zu rufschädigenden Äußerungen reichen, abgewertet und herabgesetzt werden.
Nähe inszenieren
Die Inszenierung von Nähe beschreibt eine Kommunikations>>praktik, bei der Akteur:innen Techniken einsetzen, um Vertrautheit, Sympathie und Authentizität zu vermitteln (z.B. das Angebot einer:s Vorgesetzten, zu duzen).
Diplomatie
Diplomatie bezeichnet im engeren Sinne eine Form der Kommunikation zwischen offiziellen Vertretern von Staaten, die die Aufgabe haben, zwischenstaatliche Beziehungen durch und für Verhandlungen aufrecht zu erhalten. Diese Vertreter können Politiker oder Beamte, insbesondere des diplomatischen Dienstes, sowie Vertreter internationaler Organisationen sein.
Typografie
Typografie bezeichnet im modernen Gebrauch generell die Gestaltung und visuelle Darstellung von Schrift, Text und (in einem erweiterten Sinne) auch die Dokument-Gesamtgestaltung (inklusive visueller Formen wie Abbildungen, Tabellen, Taxono-mien usw.) im Bereich maschinell hergestellter Texte (sowohl im Druck als auch auf dem Bildschirm)
Fact Checking
Fact Checking ist eine kommunikationsstrategische Interventionstechnik, bei der eine Diskursaussage auf Bild oder Textbasis unter dem Gesichtspunkt der Faktizität bewertet wird. Sie ist überwiegend in journalistische Formate eingebettet, die als Faktencheck bezeichnet werden.
Distanzieren
Distanzieren bezeichnet die Abgrenzung eines individuellen oder organisationalen Akteurs von einem anderen Akteur. Eine Distanzierung kann kommunikativ oder operativ vollzogen werden, d. h. die Abgrenzung findet verbal oder unter Aufkündigung eines Arbeitsverhältnisses statt.
Kontaktschuld-Topos
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Schlagbilder
Der Terminus Schlagbild bezeichnet mehr oder weniger inszenierte Bilder. Ihre Bedeutung beruht nicht nur auf ihren sichtbaren (ikonischen) Formen, sondern vielmehr auf den symbolischen Inhalten, die sich durch vielfache mediale Wiederholung und Konventionen gefestigt haben.
Schlagwörter
Wohlstand
Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.
Remigration
Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.
Radikalisierung
Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.
Bürokratie
Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.
Politisch korrekt / Politische Korrektheit
Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.
Kipppunkt
Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘
Verfassung
Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.
Toxizität / das Toxische
Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.
Zivilgesellschaft
Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.
Demokratie
Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.
Verschiebungen
Versicherheitlichung
In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Partizipatorischer Diskurs
Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.