DiskursGlossar

Adbusting

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Wahlplakatbusting, Sniping, Culture Jamming, Brandalism, Rebranding, Subvertising, Demarketing, De/Montage, Collage, Rekomposition, Brandjacking
Siehe auch: Subversion, Guerillakommunikation, Fake, Entlarven, Werbung
Autor: Steffen Pappert
Version: 1.3 / 27.04.2021

Kurzzusammenfassung

Adbusting (Englisch: aus ‚ad‘ – Kurzform von ‚advertisement‘ = ‚Werbung‘ und ‚to bust‘ = ugs. ‚zerschlagen‘) ist die Bezeichnung für eine Reihe von kommunikativen Praktiken, die zur Verfremdung kommerzieller und politischer Werbung im öffentlichen Raum eingesetzt werden. Heutzutage spielen die Sozialen Medien eine zunehmende Rolle, da erstens digitale Bearbeitungstechniken eingesetzt werden können und zweitens durch jene ein ungleich größeres Publikum erreicht wird. Prinzipiell geht es beim Adbusting um die Demaskierung vorherrschender Machtverhältnisse innerhalb öffentlicher Kommunikationsräume. Dazu werden Sehflächen, in der Regel Werbeplakate, insofern umgedeutet, als durch die Modifikation bereits vorhandener Zeichen jedweder Ausprägung diesen eine andere als die ursprüngliche Bedeutung eingeschrieben wird. Solcherlei Aktionen können gegen Konzerne, Parteien bzw. Politiker:innen oder staatliche Institutionen gerichtet sein. Für die einen ist Adbusting eine kreative Ausdrucksform politisch-gesellschaftlichen Protests, für die derart Angegriffenen und die Ermittlungsbehörden hingegen erfüllt Adbusting nicht selten den Tatbestand zumindest einer Sachbeschädigung.

Erweiterte Begriffsklärung

Adbusting ist eine Spielart des Cultural Jamming (Lasn 2000), worunter man „symbolische Strategien der Subversion [versteht], mit der alltägliche, durch hegemoniale Konsum- und Medienkulturen geprägte Wahrnehmungen und Einstellungen durch medienaktivistische Praxen kommunikativer Störungen irritiert werden“ (Baringhorst 2012: 106). Ziel dieser übergeordneten Strategien ist es, die hegemoniale ‚Ordnung des Diskurses‘ (Foucault) partiell zu unterwandern. Das zentrale Regelsystem, das durch unterschiedliche Arten von Bewusstmachung entlarvt werden soll, umfasst alle Form- und Normsysteme, mit denen gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsbeziehungen manifest und somit von jedem erfahrbar werden. Beim Adbusting geht es aber weniger um die Etablierung von Gegendiskursen, sondern vielmehr um kreative Umdeutung bereits vorhandener Werbekommunikate, die als Zeichen der herrschenden Ordnung angesehen werden. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um „Umgestaltungen von Werbeplakaten […], die von anonymen Urhebern in einem agonal-spielerischen, mithin kommunikativen Prozess im urbanen Raum sichtbar eingebracht werden“ (Smolarski 2013: 2). Auf diese Weise kann man die im öffentlichen Raum präsenten Ausdrucksformen für eigene Zwecke nutzen, instrumentalisieren oder in sein Gegenteil verkehren, indem man sie verändert, umdeutet oder in andere Nutzungskontexte stellt. Die hierzu verwendeten Verfahren lassen sich durch eine Reihe von Methoden und Techniken umsetzen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Techniken der Verfremdung, also um verändernde Zeichenpraktiken, mit denen bestehende Formen, kommunikative Räume und Sehflächen, Bilder, Symbole und Vorstellungen in oft verstörender Weise umgedeutet werden. Dazu wird „der Kommunikationsversuch der entscheidungs- und/oder handlungsmächtigen Instanz unterwandert, um durch diese Störung bzw. Dekonstruktion die eigentliche Botschaft lächerlich zu machen und so die Kritik zu artikulieren“ (Gherairi 2015: 504).

Häufig verwendete Techniken beim Adbusting sind das Faken, das Sniping und das Subvertising. So spielt Faken mit der Zuordnung von Produzent:in und Text und ist vor allem dann erfolgreich, „wenn sich keine eindeutige Beziehung zwischen beiden mehr herstellten lässt“ (Autonome a.f.r.i.k.a. gruppe/Blisset/Brünzels 2001: 67). Entscheidend ist dabei: „Das Fake muß aufgedeckt werden. Kurzgefaßt lautet die Formel: Fake = Fälschung + Aufdeckung/Dementi/Bekenntnis.“ (Autonome a.f.r.i.k.a. gruppe/Blisset/Brünzels 2001: 68-69). Bevorzugt benutzt wird das Faken in der digitalen Bearbeitung von Werbeplakaten mittels akribischer Simulation der formalen Plakat-Bausteine, die aufgrund der visuellen Ähnlichkeit die modifizierten und teils absurden Aussagen des Adbustingprodukts oftmals erst auf den zweiten Blick erkennen lassen.

Sniping nennt man „die Veränderung, Kommentierung, Korrektur oder Verdeutlichung der (häufig unausgesprochenen) Aussagen von Plakaten“ (Autonome a.f.r.i.k.a. gruppe/Blisset/Brünzels 2001: 94). So kursieren in den Wahlkämpfen immer wieder bearbeitete Plakate, auf denen die verbalen Bestandteile überschrieben bzw. ersetzt werden, sodass die eigentliche Aussage ad absurdum geführt wird.

Subvertising hingegen meint „die Produktion und Verbreitung von Anti-Werbung oder Werbeparodien“ (Autonome a.f.r.i.k.a. gruppe/Blisset/Brünzels 2001: 104), indem durch die Verfremdung von Text- und/oder Bildelementen die (Wahl-)Werbung dekonstruiert wird. Wie auch immer die Praktiken benannt werden, letztlich ist es das Ziel, die multimodalen Persuasionsversuche der Konzerne oder der Parteien zu verfremden, zu entfremden oder umzukodieren, wobei sowohl die Produkte oder die Unternehmen, als auch die politischen Inhalte oder die jeweils abgebildeten Politiker:innen bzw. Parteien angegriffen werden können.

Mit welchen Mitteln welche Zeichen in welcher Weise verändert werden, ist zweifellos abhängig zum einen vom ‚Professionalisierungsgrad‘ der Akteure, d.h. Verfremdungen kritischer Künstler:innenkollektive und Medienaktivist:innen sehen sicherlich anders aus und erfüllen in den meisten Fällen wohl auch andere Funktionen als die von nachtaktiven ‚Einzelkämpfern‘, die sich an den Plakaten unliebsamer Parteien abarbeiten. Zum anderen ist es ein großer Unterschied, ob die Werbeplakate ‚vor Ort‘ oder digital verändert werden. Dies betrifft einerseits die vom Original zur Verfügung gestellten Ressourcen (Papier/Pixel) und andererseits den Verfremdungsakt, der im ungeschützten öffentlichen Raum aufgrund der Illegalität nicht nur im Verborgenen und zügig erfolgen muss, sondern sich auch dadurch auszeichnet, dass die zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel zur Bearbeitung (Pinsel, Stifte, Klingen, Farbe, Aufkleber, Spray) eher begrenzt sind bzw. sich für eine elaborierte oder gar gestalterisch ansprechende Auseinandersetzung mit dem Original wohl kaum eignen. Demgegenüber bieten ‚sichere‘ Räume und die nahezu grenzenlosen Potenziale digitaler Adaption nicht nur mehr Zeit, sondern ermöglichen – zumindest auf formaler Ebene – die Produktion von täuschend echt aussehenden Fakes, die anschließend im Zuge einer viralen Vervielfältigung potenziell weltweit distribuiert werden können.

Beispiele

1) Adbustings von Künstler:innenkollektiven, die nahezu professionell geplant und durchgeführt werden, laufen oft als eine Art konzertierte Aktion ab und werden von Anfang an in die Sozialen Medien eingespeist. Darüber hinaus erregen sie – wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen, nämlich Kunst vs. Kriminalität – auch die Aufmerksamkeit der massenmedialen Berichterstattung. So zum Beispiel die #wirzuerst Fake-SPD-Plakatkampagne, hinter der vermutlich das Künstlerkollektiv Rocco und seine Brüder steht. In Berlin, Frankfurt/Main sowie in mehreren Städten Nordrhein-Westfalens tauchten Plakate auf, die täuschend echt aussahen, beim zweiten Hinsehen aber für Verwirrung sorgten, denn die darauf zu lesenden Textbausteine waren eher populistischer bzw. satirischer Natur, womit die Urheber:innen offensichtlich die Politik der SPD anprangerten. Auch die Adbustings des anonymen Künstler- und Aktionskollektivs Dies Irae oder des Peng-Kollektivs sorgen des Öfteren für massenmediale Aufmerksamkeit. Seien es gefakte Plakate gegen den AfD-Politiker Björn Höcke, der als nationalistischer Rattenfänger abgebildet wird, die entlarvenden Anti-RWE-Plakate vor dem Konzernsitz in Essen oder die täuschend echt nachgemachten Bundeswehr-Plakate, die nicht nur in den Medien, sondern auch bei Polizei und Gerichten für ziemlichen Wirbel sorgten.
Vgl. z.B.:
www.sueddeutsche.de/kultur/adbusting-unverhaeltnismaessigkeit-der-mittel
taz.de/Repression-gegen-Adbusting oder
www.focus.de/politik/deutschland/adbusting-in-berlin
Einige solcher Kampagnen sind knapp dokumentiert unter:
urbanshit.de/category/adbusting/.

2) Adbustings von Unbekannten, die vor allem in Wahlkämpfen ein bekanntes Phänomen darstellen, sind ob mangelnder technischer Hilfsmittel oder aufgrund ihrer Spontaneität zwar unprofessioneller, vermitteln mitunter aber ähnliche Botschaften, wie die unter 1) aufgeführten. Sie sind weniger subtil, oftmals erwecken sie eher den Eindruck von Vandalismus. Beim manuellen Wahlplakatbusting zielen die verwendeten Praktiken wohl nicht in erster Linie auf diskursive Auseinandersetzung, sondern auf Aufmerksamkeit, die durch das Umformen, das Umdeuten und das Umnutzen der öffentlich-staatlichen Zeichenwelt hervorgerufen wird. Gleichwohl scheint die Annahme plausibel, dass sich die individuell-analogen Praktiken – die ja definitiv an die Wahlplakate und nicht an andere öffentliche Sehflächen gebunden sind – einerseits gegen die Besetzung des öffentlichen Raumes durch die Parteien während der Wahlkämpfe, andererseits – meist eher diffus als konkret – gegen die Politik und ihre Akteure richten. Das folgende Beispiel mag das verdeutlichen. Zwar handwerklich unbeholfen, aber inhaltlich recht deutlich.

Bild1 Adbusting AFD
Abb. 1: Adbusting von Afd-Wahlplakat. Quelle: Steffen Pappert.

Durch die Überschreibung/Übersprühung des zweiten Teils des AfD-Slogans „Unser Programm heißt Realität“ wird, ob beabsichtigt oder nicht, im Grunde zweierlei erreicht, und zwar abhängig davon, ob man den Originalslogan kennt. Zum einen wird der AfD offensichtlich unterstellt, rassistisch zu sein, zum anderen wird das Realitätsverständnis der AfD in Frage gestellt. Zusätzlich zum Akt der Überschreibung finden wir im Beispiel auch eine Praktik, die bei vielen Betrachter:innen wahrscheinlich als pure Zerstörung gilt. So sehen wir unten links das Ergebnis eines (gescheiterten) Versuchs, das Plakat abzureißen. Wenn man nun davon ausgeht, dass der/die Handelnde bewusst dieses Plakat gewählt hat, so könnten das abgerissene Plakatteil darauf hindeuten, dass sich die Aktion gegen die abgebildete Person bzw. die Partei, die die Person vertritt, richtet und wäre demnach auch ein Akt der Verfremdung inklusive Botschaft. Ob hier mehrere Personen am Werke waren, ist nicht nachzuweisen. Was man aber mitunter beobachten kann, ist, dass Parteien oder Passant:innen auf die Verfremdungen reagieren und somit versuchen, den Angriff der Adbuster:innen abzuwehren, was bisweilen dazu führt, dass der Verlauf der Auseinandersetzung für die Betrachtenden nur noch schwerlich nachvollziehbar ist.

Bild 2 Adbusting
Abb. 2: Adbusting von Wahlplakaten. Quelle: http://www.heute.de/vor-der-wahl-in-mecklenburg-vorpommern-sehnsucht-nach-den-wendetagen-bei-anhaengern-der-afd-44926382.html ; Zugriff; 20.09.16.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Beaugrand, Andreas; Smolarski, Pierre (Hrsg.) (2016): Adbusting. Ein designrhetorisches Strategiehandbuch. Bielefeld: Transcript.
  • Michel, Sascha; Pappert, Steffen (2018): Wahlplakat-Busting. Formen und Funktionen einer (neuen) Textmustermischung. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik, Band. 68, S. 3-33.

Zitierte Literatur

  • Autonome a.f.r.i.k.a. gruppe; Blisset, Luther; Brünzels, Sonja (2001): Handbuch der Kommunikationsguerilla. 4. Auflage. Berlin, Hamburg & Göttingen: Assoziation A.
  • Baringhorst, Sigrid (2012): Culture Jamming – Dekonstruktion kommerzieller Marken im politischen Protest. In: Besand, Anja (Hrsg.): Politik trifft Kunst. Zum Verhältnis von politischer und kultureller Bildung. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 105-117.
  • Gherairi, Jasmina (2015): Persuasion durch Protest. Protest als Form erfolgsorientierter, strategischer Kommunikation. Wiesbaden: Springer VS.
  • Lasn, Kalle (2000): Culture Jam: How to reverse America’s suicidal consumer binge – and why we must. New York: HarperCollins.
  • Smolarski, Pierre (2013): Crossing Codes. Zur Rhetorik des Adbust. In Sprache für die Form. Ausgabe 2. 2013, S. 1-6. Online unter: http://www.designrhetorik.de/crossing-codes-zur-rhetorik-des-adbust/ ; Zugriff: 14.04.2021.

Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1: Adbusting von Afd-Wahlplakat. Quelle: Steffen Pappert.

  • Abb. 2: Adbusting von Wahlplakaten. Quelle: http://www.heute.de/vor-der-wahl-in-mecklenburg-vorpommern-sehnsucht-nach-den-wendetagen-bei-anhaengern-der-afd-44926382.html ; Zugriff; 20.09.16.

Zitiervorschlag

Pappert, Steffen (2021): Adbusting. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 27.04.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/adbusting.

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Schlagwörter

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.