
DiskursGlossar
Framing
Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Deutungsrahmen, Rahmen, Umdeuten, Manipulation
Siehe auch: Begriffe besetzen, Bedeutung, Euphemismus, Konnotation
Autor: Clemens Knobloch
Version: 1.3 / 23.05.2020
Kurzzusammenfassung
Kommunikationswissenschaftlicher Fachausdruck für den Deutungs- und Bewertungsrahmen, der durch einen politischen Begriff aufgerufen oder ihm fallweise beigegeben wird. Framing steht dabei für die Beobachtung, dass sprachliche Ausdrücke selbst einen Wert- und Deutungsakzent mitbringen und durch beigegebene zusätzliche Rahmungen (Kontexte, Platzierungen etc.) neu und anders akzentuiert werden können. In jüngster Zeit ist der Ausdruck framing auch im Mediendiskurs heimisch geworden durch seine Popularisierung bei Wehling (2018).
Framing zählt zu den Grundbegriffen, weil es unmöglich ist, sprachliche Ausdrücke zu verwenden, ohne dass ein Deutungs- und Wertungsrahmen aufgerufen würde. Die populäre Vorstellung, mit jedem sprachlichen Ausdruck sei ein fester, konstanter Rahmen verbunden, ist unterkomplex, weil sie der Kontextempfindlichkeit sprachlicher Ausdrücke nicht gerecht wird. Jeder Ausdruck kann neu und anders gerahmt werden (,reframing‘). Framing ist dafür selbst ein Beispiel, weil die Vorgeschichte seiner Popularisierung (Imageberatung für die ARD) dazu beiträgt, dass in der öffentlichen Kommunikation nicht der Rahmen ‚Fachausdruck‘, sondern der Rahmen ‚sprachliche Manipulation‘ aufgerufen wird.
Erweiterte Begriffsklärung
Im sozialwissenschaftlichen Gebrauch geht framing weit über den Wert- und Deutungsrahmen einzelner sprachlicher Ausdrücke hinaus und umfasst Geschehens- und Deutungsrahmen ganz unterschiedlicher Reichweite und Korngröße, von deutungsrelevanten Makrokontexten wie Alltagswelt, Theater, Vorlesung, Tagtraum, Spiel über konventionalisierte Handlungssituationen wie ‚an der Supermarktkasse‘, ‚im Restaurant‘, ‚nach dem Weg fragen‘ etc. Besonders interessant werden framings da, wo sie von den Teilnehmern hergestellt und verändert werden: A sagt etwas zu B und auf dessen erschrockene Reaktion dann: War nur ein Scherz!. Framings können rückwirkend modifiziert, vorausschauend angekündigt oder gemeinsam verabredet werden.
Strategisches politisches framing hat die Funktion, den Adressaten dazu zu bringen, die Deutungen und Bewertung des Sprechers zu übernehmen. In aller Regel gibt es in politischen Kontexten mehrere konkurrierende Wert- und Interpretationsweisen. Ob ich Migration in den Rahmen ‚Fachkräftemangel‘, in den Rahmen ‚Klimawandel‘, in den Rahmen ‚überforderte Sozialsysteme‘ oder in den Rahmen ‚Islamismus‘ stelle, ist von Fall zu Fall aushandelbar. Programmbegriffe mit weitgehend konsensuellen frames machen es leicht, allgemeine Zustimmung zu organisieren. Dass sich Schulen, Betriebe, Staaten auf ,die Digitalisierung‘ vorbereiten müssen, wird kaum jemand öffentlich bestreiten.
Eine Beschränkung von framing-Praktiken auf bestimmte Themenfelder oder Domänen gibt es nicht. Da politische Äußerungen ohne irgendeine Form von Deutungsrahmen gar nicht verarbeitet werden können, ist framing unhintergehbar. Das aber wiederum nicht in dem mechanischen neurologischen Sinne von Wehling (2018), denn jede politische Auseinandersetzung belegt, dass Produzenten-frame und Rezipienten-frame oft nicht übereinstimmen. Für die einen ist ‚politisch korrekte Sprache‘ ein moralisches Programm, für die anderen ein abschreckendes Stigmawort. Auch im politischen Alltag wimmelt es von „frame disputes“ (Goffman 1974: 323). Akzeptierte Wertungs- und Deutungsrahmen stehen in enger Wechselwirkung mit den Symbolen akzeptierter Autorität (wissenschaftlicher, moralischer, religiöser etc.: vgl. schon [Burke 1964 70 ff.]). Die als framing zusammengefassten Praktiken spielen jedenfalls auf kulturell-semiotischer Ebene. Man kann ihnen zwar sprachlich einen neurologischen Rahmen verpassen, neurologisch abbilden kann man sie nicht.
In massendemokratischen Öffentlichkeiten werden darum von den Meinungsführern framings bevorzugt, die auf möglichst breite Zustimmung (in Deutung und Wertung) setzen können. So sind ökologische Deutungsrahmen fast einwandsimmun, weshalb sie auf allen Ebenen der persuasiven Kommunikation (von der Warenwerbung bis zur großen Politik) eingesetzt werden. Von oppositionellen Gruppen hingegen werden eher provokante Deutungsrahmen bevorzugt, die Aufmerksamkeit und (mediale) Empörung maximieren, also z.B. anti-ökologische wie die Leugnung des Klimawandels etc.
Im Prinzip sind auch Theorien frames, explizierte Deutungsmuster, deren Reichweite jedoch auf die scientific community begrenzt ist, die sie verwendet. Massendemokratisch wirksam werden sie nur in vereinfachten, interdiskursiven Formen. Die framing-Theorie ist dafür selbst ein Beispiel.
Komplementär- und Gegenstrategien setzen vor allem auf die Störung der intendierten Rahmung, durch Um-Rahmung (,reframing‘), durch alternative sprachliche Fassung, durch übertreibende Vorführung gebräuchlicher Deutungs- und Wertungsmuster, durch ironische Brechung des angebotenen Rahmens. Als ‚keying‘ (etwa ‚Vorzeichen setzen‘ bzw. ‚Vorzeichen ändern‘) bezeichnet Goffman (1974: 40 ff.) semiotische Praktiken, die geeignet sind, die laufende Rahmung eines (sprachlichen oder sonstigen) Geschehens zu verändern, etwa wenn ich einen Experten als ‚selbsternannten Experten‘ einführe.
Für die Geschichte des framing-Konzeptes (außerhalb der Sphäre der politischen Kommunikation) wichtig waren die Untersuchungen Gregory Batesons darüber, wie manche Tierarten ihren Artgenossen signalisieren, dass eigentlich aggressive Akte wie Drohen, Schnappen, Jagen etc. als ‚Spiel‘ zu werten sind (und ergo nicht zu wirklich ernsten Verletzungen führen). Hierzu Goffman (1974: 40 ff.). Als ,keying‘ gilt ein Zeichen, das die Rahmung eines laufenden Geschehens (etwa von ,Ernst‘ zu ,Spiel‘) verändert. Selbstverständlich findet man solche Umdefinitionen laufend auch im Sprachverhalten, etwa durch Ironie- oder Distanzsignale, durch begleitende Gesten, durch Kombination mit anders konnotierten Ausdrücken (von ,Moral‘ zu ,Moralkeule‘) etc.
Als Vorläufer der gegenwärtigen framing-Modelle werden oft Lakoff & Johnson (1980) mit ihrer Metapherntheorie genannt. Das suggeriert, dass vielfach nur die kognitive und evaluative Projektion von einer Spender- auf eine Empfängersphäre gemeint ist, also lediglich die Rahmung des Gemeinten durch ein passendes Sprachbild – zweifellos eine, aber bei weitem nicht die einzige Rahmungstechnik.
Die sprachtheoretischen Fundamente der neueren framing-Theorien (vor allem für Goffman [1974]) finden sich in den Arbeiten Kenneth Burkes (1964; 1984). Sehr viel technischer angelegt ist die Frame-Semantik von Charles Fillmore, die in diesem Zusammenhang auch oft genannt wird. Ihr Kern ist die Erkenntnis, dass Prädikate nur zusammen mit dem von ihnen definierten Kasus- und Argumentrahmen interpretiert werden können. So aktiviert die Frage „Wer gibt?“ den Rahmen Kartenspiel, die Aussage „Paul gibt Gas“ den Rahmen Autofahren, „Peter gibt mir Geld“ den Rahmen Besitzwechsel.
Beispiele
Die populäre Literatur (allen voran Wehling [2018]) erweckt den Eindruck, framing sei lediglich sprachliche Bezeichnungspolitik und gleichzusetzen mit der Auswahl euphemistischer Ausdrücke, die eine erwünschte Deutung und Bewertung nahelegen. Etwa ,Gemeinschaftsabgaben‘ statt ,Steuern‘. Die Vorstellung, ein aufgeklärtes und sprachpolitisch erfahrenes Publikum sei so leicht zu manipulieren, ist unplausibel, weil Rahmungen grundsätzlich von Kontexten beeinflusst sind. Das gilt auch für die (etwas komplexeren) eigenen framing-Praktiken von Wehling (2018), die ihren Thesen Plausibilität zu verleihen sucht, indem sie ihnen einen neurologisch-kognitionswissenschaftlichen (moderne szientifische Forschung konnotierenden) Deutungsrahmen beigibt. Die Berufung auf wissenschaftliche Expertise ist ein höchst beweglicher Wert- und Deutungsrahmen.
Literatur
- Burke, Kenneth (1984): Attitudes Toward History. Berkeley, L.A.: University of California Press.
- Burke, Kenneth (1964): Terms for Order. Bloomington, Ind.: Indiana UP.
- Goffman, Erving (1974): Frame Analysis. London: Harper & Row.
- Lakoff, George; Johnson, M. (1980): Metaphors we Live by. Chicago: University of Chicago Press.
- Wehling, Elisabeth (2018): Politisches Framing. Ullstein.
Zitiervorschlag
Knobloch, Clemens (2020): Framing. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 23.05.2020. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/framing.
Grundbegriffe
Positionieren
Positionieren ist Grundbestandteil menschlicher Kommunikation. Wann immer wir miteinander interagieren und kommunizieren, bringen wir uns selbst, andere und die Objekte, über die wir sprechen, in bestimmte Relationen zueinander.
Deutungsmuster
Unter einem Deutungsmuster wird die problem- und lösungsbezogene Interpretation gesellschaftlicher und politischer Tatbestände verstanden, die Aussicht auf Akzeptanz in sozialen Gruppen hat. Der Begriff des Deutungsmusters hat Ähnlichkeit mit den Begriffen der Theorie und Ideologie. Meist werden gesellschaftlich verbreitete Leitdeutungen, die oft mit Schlagwörtern und Argumentationsmustern einhergehen (wie Globalisierung, Kapitalismus, Leistungsgesellschaft, Chancengleichheit etc.) als Beispiele für Deutungsmuster genannt.
Sinnformel
‚Wer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?‘ Auf diese und ähnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.
Praktik
Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes Bündel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrücken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, Fußballspielen).
Kontextualisieren
Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.
Narrativ
Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.
Argumentation
Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.
Hegemonie
Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.
Diskurskompetenz
Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Techniken
Tarnschrift
Als Tarnschrift bezeichnet man unter den Bedingungen von Zensur und Verfolgungsrisiko veröffentliche Texte, die insbesondere in der strategischen Kommunikation des NS-Widerstands eine zentrale Rolle spielten.
Ortsbenennung
Die Benennung von Orten dient in erster Linie dazu, den jeweiligen geografischen Ort zu lokalisieren und ihn zu identifizieren. Doch Ortsnamen besitzen eine soziale Dimension und spielen eine entscheidende Rolle bei der sprachlich-kulturellen Identitätskonstruktion.
Finanz-Topos
Mit dem Finanz-Topos werden im Diskurs Argumente gebildet, mit denen Akteure bestimmte Maßnahmen als finanziell sinnvoll befürworten oder als unrentabel zurückzuweisen.
Strategische Prozessführung
Der Begriff strategische Prozessführung kombiniert die Worte Strategie im Sinne von Plan und Taktik‘ und Prozessführung im Sinne von ‚Klage vor Gericht‘. Eine einheitliche Definition des Konzepts existiert bislang nicht. Meist werden hierunter (Muster)Klagen von NGOs und Bürgerrechtsorganisationen verstanden, mit denen über den Einzelfall hinausgehende soziale und gesellschaftspolitische Ziele verfolgt werden.
Inszenierte Kontroverse
Inszenierte Kontroversen liegen vor, wenn Politiker, Vertreter von Interessengruppen, Aktivisten, Journalisten, Influencer oder andere öffentlich wirksame Akteure potentiell strittige Themen möglichst effektvoll in einen Diskurs einbringen oder einen entsprechenden Diskurs auslösen, und zwar um entsprechende Perspektivierungen bestimmter Konfliktlagen im eigenen Interesse konfrontativ zu prägen.
-ismus
Bei Ismen geht es ursprünglich um die Wortendung (sog. Suffix) -ismus (Plural -ismen), mit der Substantive mit substantivischem oder adjektivischem Wortstamm (Basis) gebildet werden (z.B. Vulkan-ismus oder Aktiv-ismus).
Persuasion
Persuasion kommt vom lateinischen Verb persuadere und bedeutet ‚überzeugen, überreden‘ (gebildet aus suadere ‚raten, empfehlen‘ und per ‚durch, über‘).‘). Der Begriff stammt aus der Rhetorik, in der es vor allem darum geht, wie man Hörer:innen oder Leser:innen auf seine Seite bringt: wie man sie zum Beispiel in einem Gerichtsprozess von der Schuld oder Unschuld eines/einer Angeklagten überzeugt, wie man sie politisch zur Parteinahme überredet oder wie man sie ganz allgemein für sich selbst oder einen bestimmten Gegenstand/Sachverhalt einnimmt.
Zensur
Zensur sowie die Praktik des Zensierens sind Machtpraktiken der Einschränkung, Kontrolle und des Verbots von Besitz oder Rezeption von Kunstwerken, Medien, aber auch von Äußerungen bzw. einzelnen Sätzen, Sprüchen, Phrasen bis hin zu Wörtern.
Ironie
Ironie (altgriechisch εἰρωνεία (eirōneía), wörtlich ‚Verstellung‘, ‚Vortäuschung‘) ist in unserer unmittelbaren und massenmedialen Kommunikationskultur sehr bedeutsam. Sie arbeitet mit einem Bewertungsgegensatz zwischen Gesagtem und Gemeintem.
Wiederholen
Das Wiederholen von Äußerungen in öffentlichen (politischen) Diskursen zielt darauf, das Denken anderer zu beeinflussen, Wissen zu popularisieren, einseitige (z. B. fanatisierende, beschwörende, hysterische, ablenkende, pseudosachliche) Konstruktionen von Wahrheit zu erzeugen, um die soziale Wirklichkeit als intersubjektiven Konsens im einseitigen Interesse des „Senders“ zu verändern. Grundvoraussetzung ist die Annahme, dass das kollektive Denken stets mächtiger als das individuelle Denken ist.
Schlagwörter
Massendemokratie
Geprägt wurde der Begriff Massendemokratie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von völkisch-konservativen Akteuren (prominent darunter Carl Schmitt 1926). Der Ausdruck Masse hatte damals bei den bürgerlichen Eliten eine rundum bedrohliche Assoziation.
Social Bots
Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.
Kriegsmüdigkeit
Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische Ermüdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch für das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Öffentlichkeit genutzt.
Woke
Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunächst den Bewusstseinszustand der Aufgeklärtheit über die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.
Identität
Unter Identität versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven – etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen – als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.
Wohlstand
Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.
Remigration
Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.
Radikalisierung
Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.
Bürokratie
Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.
Politisch korrekt / Politische Korrektheit
Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.
Verschiebungen
Dehumanisierung
Mit Dehumanisierung bzw. Anthropomorphisierung werden solche kommunikativen Techniken und Praktiken bezeichnet, die Personen, Sachverhalten oder Gegenständen menschliche Eigenschaften ab- bzw. zusprechen. Dehumanisierung und Anthropomorphisierung können sowohl durch sprachliche Mittel als auch durch andere, z. B. bildliche, Zeichen vollzogen werden.
Kriminalisierung
Kriminalität meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstößt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird – indem Gesetze geschaffen werden.
Versicherheitlichung
In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Partizipatorischer Diskurs
Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.