DiskursGlossar

Topos

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Argumentationsmuster
Siehe auch: Autoritäts-Topos, Analogie- /Exemplum-Topos, Konsequenz-Topos, Topos der düsteren Zukunft, Topos vom wirtschaftlichen Nutzen, Be(Über)lastungs-Topos, Gerechtigkeitsargument, Differenzierungstopos, Opfer-Topos
Autor: Martin Wengeler
Version: 1.1 / Datum: 03.11.2021

Kurzzusammenfassung

Ein Topos (Plural: Topoi) ist als Argumentationsmuster ein allgemeines Formprinzip, nach dem Argumente gebildet werden können. Als allgemeiner bzw. kontextabstrakter Topos kann er für oder gegen jede in Frage stehende Position angeführt werden. Topoi gehören zum kollektiven Wissen aller, die sich argumentativ äußern. Neben den allgemeinen Topoi gibt es besondere, kontextspezifische Topoi als solche Muster, die inhaltlich bestimmt sind, nur für bestimmte Themenfelder, Wissensdomänen oder Lebensbereiche gelten und entsprechend mit Inhalten aus diesen gefüllt werden.

Erweiterte Begriffsklärung

Der Begriff Topos stammt aus der antiken Rhetorik und ist in der modernen Rhetorik insbesondere in seinem Gebrauch durch Aristoteles wiederaufgenommen worden (vgl. Bornscheuer 1976, Kienpointner 2017). Er wird zumeist gleichbedeutend mit dem Begriff Argumentationsmuster verwendet. Topoi sind wie auch das lateinische Pendant loci wörtlich übersetzt ,Orte‘ und im rhetorischen Zusammenhang solche Orte, an denen RednerInnen Argumente auffinden können (Topoi als ,Suchformeln‘) bzw. anhand derer Zuhörende/LeserInnen die Überzeugungskraft eines Arguments für eine Schlussfolgerung (Topoi als ,Beweisformeln‘) bemessen können. Sie entsprechen den ,Schlussregeln‘ Stephen Toulmins (1975), ein Begriff, mit dem klargemacht werden soll, dass damit nicht der Anspruch eines Beweises im strengen logischen Sinn erhoben wird. Es handelt sich vielmehr um „alltagslogisch“ (vgl. Kienpointner 1992) hergestellte ,wenn-dann‘-Zusammenhänge, mit denen Konklusionen plausibel gemacht werden.

Auf einer allgemeinen formalen Ebene steht Argumentierenden eine endliche Menge solcher alltags- oder quasilogischer Schlussverfahren zur Verfügung. Sie werden seit der Antike in Topos-Katalogen gesammelt und sind in den letzten 40 Jahren in der Nouvelle Rhetorique/der Neuen Rhetorik vor allem von Kienpointner (1992/1996) für Alltagsargumentationen systematisch unterschieden worden. Neben dem ebenfalls schon seit der Antike beschriebenen Autoritäts-Topos gehören zu solchen „plausiblen Mustern der Alltagsargumentation“ (Kienpointner 1996: 83 ff.) z.B. Schlüsse von Ursachen auf Wirkungen bzw. von Gründen auf die Folgen, auch Konsequenz-Topos oder das pragmatische Argument genannt, Vergleichsschlüsse wie das Gerechtigkeitsargument (Gleiches muss gleich behandelt werden), das a maiore-Schema (wenn schon das Wahrscheinlichere nicht der Fall ist, dann ist erst recht das weniger Wahrscheinliche nicht der Fall) oder die Argumentation mit Analogien oder Beispielen. Solche Topoi werden „als zwar sehr allgemeine, aber auf semantischer Plausibilität und nicht auf formallogischer Gültigkeit beruhende inhaltliche Schlussschemata angesehen“ (Kienpointner 2017: 192), was nicht heißt, dass sie nicht formallogisch gültig sind, der „passende inhaltliche Aufbau von Prämissen und Konklusion“ (ebd.) muss aber hinzukommen.

Als kontextspezifische oder materiale Topoi werden demgegenüber solche Argumentationsmuster bezeichnet, deren Formprinzip den allgemeinen Topoi entspricht, die aber „aufgefüllt“ sind mit Inhalten, ,Material‘ aus dem jeweiligen Wissens- oder Themengebiet, in dem mit ihnen argumentiert wird. Solche materialen Topoi können unterschiedlich weit gefasst bzw. differenziert werden und stellen insofern keine abgeschlossene Menge von Mustern dar. In diskurslinguistischen Studien sind sie z.B. für Wirtschaftskrisen- und für Migrationsdiskurse definiert und analysiert worden.

Beispiele

(1) Ein Beispiel aus dem Migrationsdiskurs, das über Jahrzehnte hinweg genutzt wird, ist eine inhaltliche ,Füllung‘ des Konsequenz-Topos bzw. des pragmatischen Arguments. Aus diagnostizierten oder prognostizierten Folgen von etwas wird auf die Bewertung von etwas Bestehendem geschlossen oder die Befürwortung bzw. Ablehnung von Handlungen/Entscheidungen gefolgert. Der Topos vom wirtschaftlichen Nutzen kann wie folgt definiert werden: Weil eine Handlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen / keinen Nutzen bzw. Schaden erbringt, sollte sie ausgeführt / nicht ausgeführt werden. Auch für andere Themenfelder dürfte dieser Topos in den letzten Jahrzehnten der Ökonomisierung aller Lebensbereiche zunehmend wichtig geworden sein. Mit den folgenden Pressetextbeispielen wird zu verschiedenen Zeiten dafür plädiert, Zuwanderung gutzuheißen oder hinzunehmen, weil sie nützlich für die deutsche Wirtschaft oder Gesellschaft sei:

Ausländische Arbeitskräfte sind heute für viele Betriebe, für unsere ganze Wirtschaft unentbehrlich geworden. Ohne sie könnte die Leistung der Industrie wie der verschiedensten Dienstleistungsbereiche nicht erhalten werden. (DIE WELT 22.4.1964)

Es scheint sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, daß unser Lebens-standard ohne ausländische Arbeitskräfte nicht zu halten wäre. […] Oder wie sähe es im Dienstleistungsgewerbe ohne die vielen Ausländer aus? (DIE ZEIT 23.4.1971)

Wer durch menschliche und moralische Appelle nicht zu überzeugen ist, sollte wenigstens auf wirtschaftliche Argumente hören. Nichts läuft mehr ohne die Gastarbeiter in den Betrieben. Setzt man sie vor die Tür, gehen ganze Wirtschaftszweige baden […]. (KÖLNER STADT-ANZEIGER 10.9.1980)

(2) Auch im zweiten Beispiel wird der Konsequenz-Topos genutzt, um dieses Mal aufgrund von negativen zu erwartenden Folgen auf die Bewertung der aktuellen Lage oder auf die Befürwortung dringend zu ergreifender Maßnahmen zu schließen. In den drei Presseausschnitten aus verschiedenen Jahrzehnten wird eine düstere Zukunft prognostiziert, was im weiteren Zusammenhang dazu dient, Gegenmaßnahmen einzufordern/zu legitimieren, damit diese nicht eintrifft: Weil die zukünftige Lage ausgesprochen schlecht sein wird, muss dringend etwas Bestimmtes getan werden (um noch Schlimmeres zu verhüten). Man kann dies als Topos der düsteren Zukunftsprognose (vgl. Römer 2017: 165) bezeichnen:

Willy Brandts Perspektive ist düster. Der Westen, so prophezeite der Kanzler am letzten Freitag am Rande der EG-Gipfelkonferenz in Kopenhagen, stehe ‚vor der größten
Belastungsprobe seit der Weltwirtschaftskrise‘. (SPIEGEL, 17.12.1973, Arbeitslose: So
knüppeldick war’s noch nie)

Stehen wir am Vorabend einer ähnlichen Wirtschaftskrise, wie sie Anfang der dreißiger Jahre die ganze Welt erschütterte? Gewisse Parallelen sind nicht zu übersehen:
Überall steigende Arbeitslosenzahlen, weltweit stockende Wirtschaftstätigkeit, allenthalben anschwellende Pleitenwellen. (SZ, 3.9.1982, Krise wie vor 50 Jahren?)

Rezessions-Alarm in Deutschland! […] Für das laufende Jahr sieht es ähnlich düster aus. Das DIW rechnet für das 1. Quartal mit ‚Stagnation‘ (Stillstand). ‚Gegenwärtig ist die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland kraftlos und droht in eine Rezession abzugleiten‘, so die Experten. (BILD, 20.2.2003, Rezessions-Alarm Deutsche Wirtschaft schrumpft!)

(3) Als letztes Beispiel soll ein formaler, also ein kontextabstrakter Topos angeführt werden. Das a-minore-/a-maiore-Schema gehört zu den Vergleichsschlüssen. Das a-minore-Schema ist wie folgt definiert: „Wenn sogar p, und d.h.: wenn sogar das weniger Plausible gilt, dann gilt erst recht q bzw. das mehr Plausible“ (Kopperschmidt 1989: 182-183), Beispiel für eine normative Variante des Schemas: „Wenn sogar das arme Griechenland Tausende Flüchtlinge aufnimmt, dann sollte doch erst recht das reiche Deutschland Flüchtlingen Zuflucht gewähren“. Der a maiore-Topos lautet: „Wenn schon p, d.h. das mehr Plausible nicht gilt, dann gilt erst recht nicht q, d.h. das weniger Plausible“ (vgl. ebd., 179-180). Beispiel: „Wenn schon Bayern München nicht mehr mit den in England gezahlten Spielergehältern mithalten kann, wie sollte das dann einem anderen Bundesligaverein möglich sein“.

 

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Kienpointner, Manfred (1992): Alltagslogik. Struktur und Funktion von Argumentationsmustern. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog. S. 393–402.
  • Kienpointner, Manfred (1996): Vernünftig argumentieren. Regeln und Techniken der Diskussion. Reinbek: rororo. S. 168–176.

Zitierte Literatur

  • Bornscheuer, Lothar (1976): Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
  • Kienpointner, Manfred (1992): Alltagslogik. Struktur und Funktion von Argumentationsmustern. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog.
  • Kienpointner, Manfred (1996): Vernünftig argumentieren. Regeln und Techniken der Diskussion. Reinbek: rororo.
  • Kienpointner, Manfred (2017): Topoi. In: Roth, Kersten S.; Wengeler, Martin; Ziem, Alexander (Hrsg.): Handbuch Sprache in Politik und Gesellschaft. Berlin; Boston: de Gruyter, S. 187–211.
  • Kopperschmidt, Josef (1989): Methodik der Argumentationsanalyse. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog.
  • Römer, David (2017): Wirtschaftskrisen. Eine linguistische Diskursgeschichte. Berlin; Boston: de Gruyter.
  • Toulmin, Stephen (1975): Der Gebrauch von Argumenten. Kronberg/Ts: Scriptor-Verl.

Zitiervorschlag

Wengeler, Martin (2021): Topos. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 03.11.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/topos.

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Schlagwörter

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.