DiskursGlossar

Pressemitteilung

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Aussendung, Medienmitteilung, Presseerklärung, Presseinformation, Pressemeldung, Communiqué, Kommuniqué
Siehe auch: Agenda Setting, Medien, Framing, Strategische Kommunikation
Autorinnen: Cathrin Christoph, Merle Steimke
Version: 1.0 / Datum: 03.11.2025

Kurzzusammenfassung

Pressemitteilungen sind standardisierte Mitteilungen von Organisationen, die sich an Journalist:innen und andere Multiplikator:innen richten. Sie dienen der offiziellen und zitierfähigen Informationsweitergabe und übernehmen zugleich strategische Funktionen in der öffentlichen Kommunikation und Meinungssteuerung.

Erweiterte Begriffsklärung

Politische Entscheidungen, neue Produkte oder Unternehmensankündigungen – Pressemitteilungen sind ein zentrales Instrument strategischer Kommunikation (vgl. Ruisinger 2021: 147) und können als das Herzstück der Public Relations bezeichnet werden (vgl. Schach 2022: 231). Als standardisierte Textform dienen sie der Informationsvermittlung an Journalist:innen und andere Multiplikator:innen. Sie sind offizielle und zitierfähige Informationsquellen, die für Absender:innen und Empfänger:innen verbindlich sind. Gute Pressemitteilungen werden von Redaktionen oft nahezu unverändert übernommen und veröffentlicht (vgl. Szyszka/Christoph 2015: 801). Dabei ist die Pressemitteilung nicht nur ein Werkzeug zur bloßen Berichterstattung, sondern ist auch ein Mittel zur Steuerung öffentlicher Wahrnehmung und Meinungsbildung (vgl. Schach 2022: 231 ff).

Die Pressemitteilung hat ihre Wurzeln im frühen 20. Jahrhundert. Als einer der ersten Meilensteine gilt die Mitteilung der Eisenbahngesellschaft Pennsylvania Railroad im Jahr 1906, die nach einem schweren Unfall schnell und kontrolliert Informationen an die Öffentlichkeit geben wollte. Unterstützt vom PR-Pionier Ivy Lee wurde sie an die Medien verteilt – ein Novum in der damaligen Krisenkommunikation.

Seitdem entwickelte sich die Pressemitteilung von einem reinen Informationsblatt zu einem festen Bestandteil professioneller Öffentlichkeitsarbeit. Besonders im Zuge der Massenmedialisierung im 20. Jahrhundert wurde sie zu einem standardisierten Werkzeug, um Nachrichten zielgerichtet und mediengerecht aufzubereiten. Mit der Digitalisierung erweiterte sich ihr Einsatzfeld nochmals: Heute werden Pressemitteilungen nicht mehr nur an Redaktionen versandt, sondern oft direkt online veröffentlicht, über Social Media verbreitet und für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) aufbereitet. Damit blieb die Pressemitteilung über die Jahrzehnte ein zentrales Bindeglied zwischen Organisationen, Medien und Öffentlichkeit — wenn auch mit wandelnder Form und Funktion.

Ein zentraler Aspekt ist die professionelle Einbettung. Pressemitteilungen werden häufig von spezialisierten Kommunikationsabteilungen oder PR-Agenturen erstellt. Zielgruppen sind Journalist:innen, politische Akteur:innen oder direkt die Öffentlichkeit (z. B. via Online-Presseportale). Erfolgreiche Veröffentlichungen hängen von dem Thema einer Pressemitteilung und den redaktionellen Anforderungen ab. In der Praxis zeigt sich, dass Mitteilungen mit einem klar abgegrenzten Thema besser funktionieren, weil Journalist:innen Informationen schneller einordnen und verarbeiten können. Enthält eine Mitteilung hingegen mehrere Themen, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Übernahme, da Redaktionen häufig nur den für sie relevanten Teil aufgreifen. Daher sollte pro Mitteilung nur ein klar abgegrenztes Thema im Fokus stehen. Für Pressemitteilungen gelten dabei dieselben Nachrichtenfaktoren (Aktualität, Nähe, Prominenz, Relevanz, Konflikt, Überraschung und Identifikation) wie in der journalistischen Arbeit.

Pressemitteilungen werden als Angebot zur Veröffentlichung meist an zahlreiche Medien versendet. Die Journalist:innen können die Inhalte redaktionell anpassen, wenn sie sie übernehmen. Die Texte werden zwar im Interesse der absendenden Organisation erstellt und können somit werbliche und parteiische Elemente enthalten. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Mitteilungen, die stark nach Werbung klingen, seltener von Redaktionen aufgegriffen werden. Erfolgreiche Pressemitteilungen orientieren sich daher am journalistischen Standard und wirken möglichst neutral (vgl. Schach 2022: 232). Um dennoch Wertungen und Meinungen einzubringen, hat es sich etabliert, diese über Zitate zu transportieren (vgl. ebd: 237).

Ein weiteres typisches Merkmal einer guten Pressemitteilung, die (nahezu) vollständig übernommen wird, ist ihre standardisierte und klare Struktur, die es ermöglicht Informationen präzise und medienwirksam zu vermitteln.

  • Zunächst spielt die Überschrift eine zentrale Rolle: Sie sollte präzise formuliert sein und den Nachrichtenwert zum Ausdruck bringen, um bereits im ersten Moment das Interesse der Medienvertreter:innen zu wecken (vgl. Ruisinger 2021: 145).
  • In der Regel folgt nach der Überschrift die Einleitung, die oft auch als Teaser bezeichnet wird. Auf einem Blick sollten hier die zentralen W-Fragen („Wer? Was? Wann? Wo? Warum?“) beantwortet werden, um den Leser:innen alle wesentlichen Informationen schnell und prägnant zu vermitteln.
  • Im anschließenden Hauptteil erfährt der Rezipierende detailliertere Informationen mit Hintergrund und Zitaten. Bei längeren Pressemitteilungen sollte zusätzlich mit Absätzen und Zwischenüberschriften gearbeitet werden (vgl. Schach 2022: 236 f.).
  • Den Abschluss bildet der Abbinder, in dem die Organisation samt wichtiger Daten kompakt vorgestellt wird, gefolgt von ausführlichen Kontaktdaten des Pressekontakts, sodass interessierte Journalist:innen bei Bedarf schnell und unkompliziert Rückfragen stellen können (vgl. Ruisinger 2021: 147).
  • Als Anhang zur Pressemitteilung sind Bilder üblich, die den praktischen Anforderungen redaktioneller Nutzung entsprechen. Dazu gehören zum Beispiel passende Motive, die von Medien gerne aufgegriffen werden (z. B. Porträts der zitierten Personen, Bilder von Produkten, Gebäuden oder Veranstaltungen) sowie eine ausreichende technische Qualität, etwa hohe Auflösung und Druckfähigkeit.

Pressemitteilungen übernehmen auf den unterschiedlichen Ebenen der Gestaltung Merkmale der journalistischen Nachrichtentextsorten. Das bezieht sich auf die Themenwahl, den Aufbau und die sprachliche Gestaltung (vgl. Christoph 2009: 162 f.). So wird es den Redaktionen erleichtert, den Text zu übernehmen. Übernahmen geschehen mitunter wortwörtlich. Sofern sich die Redaktion zur Veröffentlichung entscheidet, kann sie aber auch Änderungen vornehmen. Zumeist handelt es sich dabei um Kürzungen. Beobachtungen aus der Praxis deuten zudem darauf hin, dass die wortgetreue Übernahme von Pressemitteilungen in den letzten Jahren zugenommen hat, unter anderem, weil Redaktionen durch knapper werdende Ressourcen stärker auf vorgefertigte Texte zurückgreifen.

Pressemitteilungen sind weit mehr als reine Informationsdokumente. Sie sind Teil strategischer Kommunikationsplanung und verfolgen oft mehrere Ziele gleichzeitig: Durch die Veröffentlichung von Pressemitteilungen können Organisationen bestimmte Themen oder Probleme gezielt auf die mediale und politische Agenda setzen. Indem sie ein Thema in den Fokus rücken, wird es in den Medien stärker thematisiert und gewinnt so an gesellschaftlicher Relevanz. Dies entspricht auch dem klassischen Agenda-Setting-Modell, wonach Medien durch ihre Auswahl und Gewichtung von Themen die öffentliche Wahrnehmung prägen (vgl. McCombs und Shaw 1972: 176 f.). Unternehmen und Organisationen nutzen beispielsweise Pressemitteilungen, um ihre öffentliche Wahrnehmung aktiv zu kontrollieren und zu verbessern. Insbesondere in Krisenzeiten dienen sie dazu, Schadenbegrenzung zu betreiben und die eigene Sichtweise zu präsentieren, bevor alternative Darstellungen in den Medien Fuß fassen. Darüber hinaus werden Pressemitteilungen dazu genutzt, die Vertriebsziele von Unternehmen zu unterstützen – wenn sie zum Beispiel über bestimmte Produkte oder Leistungen informieren.

Journalist:innen und kritische Leser:innen greifen auf verschiedene Maßnahmen und Strategien zurück, um Pressemitteilungen einordnen zu können:

  • Faktencheck und Kontextanalyse: Auch die Aussagen offizieller Pressemitteilungen sollten hinterfragt, die Quellen geprüft und die Informationen in einen größeren Zusammenhang gesetzt werden.
  • Gegenkommunikation: NGOs oder politische Gegner:innen setzen eigene Pressemitteilungen oder Kampagnen ein, um alternative Perspektiven zu präsentieren.

Unabhängige Expert:innenmeinung: Fachleute können helfen, Sachverhalte objektiver einzuordnen und mögliche Manipulationen aufzudecken.

Beispiele

Im Folgenden werden einige fiktive Fallbeispiele präsentiert, die die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Pressemitteilungen veranschaulichen.

(1) Politische Reformen

Eine Regierung hat eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie neue Maßnahmen zur Klimapolitik ankündigt. Neben der Beschreibung der Maßnahmen werden auch konkrete Zielvorgaben und Zeitpläne genannt. Durch gezielt gewählte Formulierungen wird das Thema Klimaschutz in den Vordergrund gerückt und als dringliche Notwendigkeit dargestellt.

(2) Krisenkommunikation in Unternehmen

Nach einem Datenleck veröffentlicht ein Unternehmen eine Pressemitteilung, in der es den Vorfall transparent darstellt, Maßnahmen zur Schadensbegrenzung skizziert und zukünftige Sicherheitsvorkehrungen ankündigt. Ziel dieser Maßnahme ist es, das Vertrauen der Kundschaft zu erhalten und den Krisenherd zu entschärfen, bevor mediale Reaktionen das Narrativ übernehmen.

(3) Themensetzung durch NGOs

Eine Umweltorganisation nutzt eine Pressemitteilung, um Forschungsergebnisse zum Artensterben zu verbreiten. Die Veröffentlichung ist so gestaltet, dass sie auch für allgemeine Medien anschlussfähig ist. Pressemitteilungen übernehmen hier eine Transferfunktion: Sie übersetzen komplexe wissenschaftliche Ergebnisse oder institutionelle Expertise in eine verständliche Sprache und stellen damit sicher, dass diese Inhalte nicht nur innerhalb der Fachwelt, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden können.

Pressemitteilungen bieten die Möglichkeit, Botschaften gezielt zu platzieren, Themen auf die Agenda zu setzen und Reputationen in der Öffentlichkeit zu stärken. Mit einer klaren Struktur, präzisen Informationen und professioneller Aufbereitung können sie die Medienlandschaft aktiv gestalten und zur ausgewogenen Meinungsbildung beitragen.

(4) Praxisbeispiel: Pressemitteilung des BFW Landesverbands Nord

Als Praxisbeispiel für den typischen Aufbau, das Thema und die Tonalität kann diese Pressemitteilung des BFW Landesverbands Nord vom 10.01.2025 gelten:

Pressemitteilung

 

„Von einer Trendwende am Wohnungsmarkt kann keine Rede sein“

 

Hamburg, 10. Januar 2025 – Im Jahr 2024 wurden in Hamburg insgesamt 6.710 neue Wohnungen genehmigt – davon 3.092 öffentlich gefördert. Eine Trendwende sei das nicht, sagt der BFW Landesverband Nord. Insbesondere der frei finanzierte Wohnungsbau befinde sich weiterhin in der Krise. 

 

„Mit 6.710 genehmigten Wohnungen sind wir weit entfernt von den 10.000, die wir uns im Bündnis für das Wohnen vorgenommen haben. Außerdem sagen die Genehmigungen nichts darüber aus, wie viel tatsächlich gebaut wird“, sagt Kay Brahmst, der Vorstandsvorsitzende des BFW Landesverbands Nord. „Viele unserer Mitglieder bauen momentan wenig und nutzen die Zeit für die Planung zukünftiger Projekte. Das schlägt sich in der Zahl der Baugenehmigungen nieder. Angesichts der weiterhin viel zu hohen Baukosten können viele Projekte momentan aber gar nicht umgesetzt werden. Von einer Trendwende am Wohnungsmarkt kann also nicht die Rede sein.“

 

Positiv bewertet der BFW Landesverband Nord die hohe Genehmigungszahl der geförderten Wohnungen. „Diese Wohnungen brauchen wir dringend und es ist gut, dass die Genehmigungszahlen in diesem Sektor steigen. Hier zahlt sich die gute Förderung durch die Stadt Hamburg aus“, so Kay Brahmst. „Allerdings bedeutet das auch, dass nur 3.618 frei finanzierte Miet- und Eigentumswohnungen genehmigt wurden. So werden wir eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt nicht erreichen. Denn ohne diese Segmente, die in früheren Zeiten den Löwenanteil der jährlichen Neubauwohnungen ausgemacht haben, ist eine Wende nicht erreichbar.“ 

 

Neubaumonitoring: Zahlen aus der Praxis

Der BFW Landesverband Nord befragt seine Mitglieder einmal jährlich zu den Fertigstellungszahlen sowie geplanten und erfolgten Baubeginnen im Wohnungsbau. Die Ergebnisse seines diesjährigen Neubaumonitorings präsentiert er auf dem Landesverbandstag am 20.02.2025 im Volksparkstadion.

 

BFW Landesverband e.V.

Der BFW Landesverband Nord e.V. spricht für rund 230 Mitglieder, die ca. 180.000 Wohnungen in Norddeutschland im eigenen Bestand verwalten und weitere 3,4 Millionen Quadratmeter an Büro- und Gewerbeflächen im Bestand halten. Die BFW–Mitgliedsunternehmen erstellen über 60 Prozent des Neubauvolumens in Hamburg. Als Spitzenverband der unternehmerischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft gehören dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen derzeit rund 1.600 Mitglieder und verbundene Unternehmen an. 

Medienkontakt:

BFW Landesverband Nord e. V.

Dr. Sabine Mustermann

E-Mail

Telefon

(BFW Landesverband Nord 2025)

Die Pressemitteilung des BFW Landesverbands Nord weist eine für Pressemitteilungen typischen Aufbau auf: Nach der Überschrift und dem Datum folgt ein einleitender Absatz, der die zentralen Fakten (Ort, Zeit, Zahlen, Bewertung) knapp zusammenfasst. Im Hauptteil werden Zitate des Vorstandsvorsitzenden eingebunden, die einerseits kritische Einschätzungen enthalten („keine Trendwende erkennbar“), anderseits positive Aspekte hervorheben („mehr geförderte Wohnungen“). Damit kombiniert die Mitteilung Information und Deutung, wie es für diese Textsorte charakteristisch ist.

Funktional zeigt sich ebenfalls das typische Muster dadurch, dass die Pressemitteilung aktuelle Zahlen liefert (Nachrichtenwert: Aktualität, Relevanz), gleichzeitig die Themenperspektive der Organisation (Wohnungsbaukrise) setzt und die Rolle des BFW als Branchenstimme stärkt. Am Ende stehen Hintergrundinformationen zur Organisation sowie der Medienkontakt, welche ebenfalls klassische Strukturelemente sind. Dieser Abschnitt dient nicht nur als eine reine Informationsquelle, sondern auch als Relevanzausweis: Indem die Größe und die Bedeutung des Verbands hervorgehoben wird, wird der implizite Appell an die Redaktion verstärkt die Einschätzungen des BFW als aussagekräftig und berichtenswert zu betrachten.

Aktuelle Pressemitteilungen unterschiedlichster Organisationen sind zum Beispiel unter www.presseportal.de, das von einem Tochterunternehmen der dpa betrieben wird, einzusehen. Darüber hinaus veröffentlichen Organisationen ihre Pressemitteilungen üblicherweise auf der eigenen Website.

Literatur

  • Christoph, Cathrin (2009). „Textsorte Pressemitteilung. Zwischen Wirtschaft und Journalismus.” Konstanz: UVK.

Zitierte Literatur und Belege

  • BFW Landesverband Nord (2025): „Von einer Trendwende am Wohnungsmarkt kann keine
    Rede sein“. Pressemitteilung. In: BFW Landesverband Nord. Online unter: https://www.bfw-nord.de/pressemitteilungen/von-einer-trendwende-am-wohnungsmarkt-kann-keine-rede-sein/ ; Zugriff: 19.09.2025.
  • Christoph, Cathrin (2009): Textsorte Pressemitteilung. Zwischen Wirtschaft und Journalismus. Konstanz: UVK.
  • Entman, Robert M. (1993): Framing: Toward Clarification of a Fractured Paradigm. Journal of Communication, Jg. 43, Heft 4, S. 51–58.
  • McCombs, Maxwell E.; L. Shaw, Donald (1972): The Agenda-Setting Function of Mass Media. In: The Public Opinion Quarterly, Jg. 36, Heft 2, S. 176–187.
  • Ruisinger, Dominik (2021): Die Pressemitteilung. In: Ruisinger, Dominik; Jorzik, Oliver (Hrsg.):  Public Relations: Leitfaden für ein modernes Kommunikationsmanagement. Freiburg: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 143–149. 
  • Schach, Annika (2022): Starke Texte der Unternehmenskommunikation: Grundlagen und Anwendungsbeispiele von Public Relations bis Social Media. Wiesbaden: Springer Fachmedien
  • Szyszka, Peter; Christoph, Cathrin (2015): „Medienarbeit (Presse-/Medienarbeit)“. In: Fröhlich, Romy et al. (Hrsg.): Handuch der Public Relations: Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Wiesbaden: Springer, S. 796–813.

Zitiervorschlag

Christoph, Cathrin; Steimke, Merle (2025): Pressemitteilung. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 03.11.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/pressemitteilung.  

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Positionieren

Positionieren ist Grundbestandteil menschlicher Kommunikation. Wann immer wir miteinander interagieren und kommunizieren, bringen wir uns selbst, andere und die Objekte, über die wir sprechen, in bestimmte Relationen zueinander.

Deutungsmuster

Unter einem Deutungsmuster wird die problem- und lösungsbezogene Interpretation gesellschaftlicher und politischer Tatbestände verstanden, die Aussicht auf Akzeptanz in sozialen Gruppen hat. Der Begriff des Deutungsmusters hat Ähnlichkeit mit den Begriffen der Theorie und Ideologie. Meist werden gesellschaftlich verbreitete Leitdeutungen, die oft mit Schlagwörtern und Argumentationsmustern einhergehen (wie Globalisierung, Kapitalismus, Leistungsgesellschaft, Chancengleichheit etc.) als Beispiele für Deutungsmuster genannt.

Sinnformel

‚Wer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?‘ Auf diese und ähnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.

Praktik

Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes Bündel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrücken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, Fußballspielen).

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Techniken

Aus dem Zusammenhang reißen

Das Aus-dem-Zusammenhang-Reißen gehört in den Funktionskreis der Redewiedergabe bzw. der Wiedergabe kommunikativer Ereignisse. Es kann (1) als intentionale argumentativ-polemische Strategie für ganz unterschiedliche diskursive Zielsetzungen von Akteuren genutzt werden, oder (2) es kann SprecherInnen und SchreiberInnen in unbeabsichtigter, fehlerhafter Weise unterlaufen.

Lobbying

Lobbying ist eine Form strategischer Kommunikation, die sich primär an Akteure in der Politik richtet. Beim Lobbying wird ein Bündel von kommunikativen Tätigkeiten mit dem Ziel eingesetzt, die Entscheidungen von Personen mit politischem Mandat oder den Entstehungsprozess von neuen Gesetzestexten interessengeleitet zu beeinflussen.

Shitstorm

Der Begriff Shitstorm beschreibt eine relativ junge Diskurskonstellation, die seit den 2010er Jahren an Bedeutung gewonnen hat und gemeinhin als Online-Wutausbruch bezeichnet wer-den kann.

Tarnschrift

Als Tarnschrift bezeichnet man unter den Bedingungen von Zensur und Verfolgungsrisiko veröffentliche Texte, die insbesondere in der strategischen Kommunikation des NS-Widerstands eine zentrale Rolle spielten.

Ortsbenennung

Die Benennung von Orten dient in erster Linie dazu, den jeweiligen geografischen Ort zu lokalisieren und ihn zu identifizieren. Doch Ortsnamen besitzen eine soziale Dimension und spielen eine entscheidende Rolle bei der sprachlich-kulturellen Identitätskonstruktion.

Finanz-Topos

Mit dem Finanz-Topos werden im Diskurs Argumente gebildet, mit denen Akteure bestimmte Maßnahmen als finanziell sinnvoll befürworten oder als unrentabel zurückzuweisen.

Strategische Prozessführung

Der Begriff strategische Prozessführung kombiniert die Worte Strategie im Sinne von Plan und Taktik‘ und Prozessführung im Sinne von ‚Klage vor Gericht‘. Eine einheitliche Definition des Konzepts existiert bislang nicht. Meist werden hierunter (Muster)Klagen von NGOs und Bürgerrechtsorganisationen verstanden, mit denen über den Einzelfall hinausgehende soziale und gesellschaftspolitische Ziele verfolgt werden.

Inszenierte Kontroverse

Inszenierte Kontroversen liegen vor, wenn Politiker, Vertreter von Interessengruppen, Aktivisten, Journalisten, Influencer oder andere öffentlich wirksame Akteure potentiell strittige Themen möglichst effektvoll in einen Diskurs einbringen oder einen entsprechenden Diskurs auslösen, und zwar um entsprechende Perspektivierungen bestimmter Konfliktlagen im eigenen Interesse konfrontativ zu prägen.

-ismus

Bei Ismen geht es ursprünglich um die Wortendung (sog. Suffix) -ismus (Plural -ismen), mit der Substantive mit substantivischem oder adjektivischem Wortstamm (Basis) gebildet werden (z.B. Vulkan-ismus oder Aktiv-ismus).

Persuasion

Persuasion kommt vom lateinischen Verb persuadere und bedeutet ‚überzeugen, überreden‘ (gebildet aus suadere ‚raten, empfehlen‘ und per ‚durch, über‘).‘). Der Begriff stammt aus der Rhetorik, in der es vor allem darum geht, wie man Hörer:innen oder Leser:innen auf seine Seite bringt: wie man sie zum Beispiel in einem Gerichtsprozess von der Schuld oder Unschuld eines/einer Angeklagten überzeugt, wie man sie politisch zur Parteinahme überredet oder wie man sie ganz allgemein für sich selbst oder einen bestimmten Gegenstand/Sachverhalt einnimmt.

Schlagwörter

Relativieren

Der Ausdruck relativieren besitzt zwei zentrale Bedeutungsvarianten: In bildungssprachlichen und wissenschaftlichen Kontexten bezeichnet er eine analytische Praxis, bei der Aussagen, Begriffe oder Phänomene durch Bezugnahme auf andere Sachverhalte eingeordnet, differen-ziert und in ihrer Geltung präzisiert werden.

Massendemokratie

Geprägt wurde der Begriff Massendemokratie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von völkisch-konservativen Akteuren (prominent darunter Carl Schmitt 1926). Der Ausdruck Masse hatte damals bei den bürgerlichen Eliten eine rundum bedrohliche Assoziation.

Social Bots

Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.

Kriegsmüdigkeit

Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische Ermüdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch für das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Öffentlichkeit genutzt.

Woke

Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunächst den Bewusstseinszustand der Aufgeklärtheit über die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.

Identität

Unter Identität versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven – etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen – als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.

Wohlstand

Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.

Remigration

Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.

Bürokratie

Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.

Verschiebungen

Dehumanisierung

Mit Dehumanisierung bzw. Anthropomorphisierung werden solche kommunikativen Techniken und Praktiken bezeichnet, die Personen, Sachverhalten oder Gegenständen menschliche Eigenschaften ab- bzw. zusprechen. Dehumanisierung und Anthropomorphisierung können sowohl durch sprachliche Mittel als auch durch andere, z. B. bildliche, Zeichen vollzogen werden.

Kriminalisierung

Kriminalität meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstößt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird – indem Gesetze geschaffen werden.

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Beobachtung zum Begriff „Diplomatie“ beim Thema Ukraine im Europäischen Parlament

Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto „as long as it takes“ beziehungsweise „so lange wie nötig“ für die Erweiterung der militärischen Ausstattung und der Verlängerung des Krieges aussprachen. Vorschläge oder Vorstöße auf dem Gebiet der „Diplomatie“ im Sinne von ‚Verhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteien‘ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)

Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit

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Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen

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Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe

DiskursReview Die Macht der Worte (2/4): Freund-Feind-Begriffe Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen

DiskursReviewDie Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 / 06.03.2025...

Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.