DiskursGlossar

Kriegsmüdigkeit

Kategorie: Schlagwörter
Verwandte Ausdrücke: Kriegserschöpfung, Kriegsresignation, Friedenssehnsucht, Konfliktmüdigkeit, Demoralisierung, Erschöpfungskrieg, gesellschaftliche Ermüdung, Ukrainemüdigkeit
Siehe auch: Stigmawort, Kriegsdiskurs, Friedensbewegung, Medienframing, strategische (politische) Kommunikation
Autorin: Khrystyna Dyakiv
Version: 1.0 / Datum: 29.08.2025

Kurzzusammenfassung

Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische Ermüdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch für das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Öffentlichkeit genutzt.

Das Schlagwort wird oft strategisch eingesetzt – etwa zur Begründung von politischen Kurswechseln oder zur Kritik an nachlassender Solidarität (z. B. Ukrainemüdigkeit). Es erscheint häufig in Medien, Politik und öffentlicher Debatte und ist mit starken emotionalen, politischen und diskursiven Funktionen verbunden. Als Gegenschlagwort tritt Kriegstüchtigkeit auf, die gesellschaftliche Widerstandskraft (und militärische Einsatzbereitschaft) symbolisiert.

Erweiterte Begriffsklärung

Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit ist in der strategischen Kommunikation ein Schlagwort, das sowohl in der öffentlichen Debatte als auch in politischen und medialen Diskursen eine wichtige Rolle spielt. In jüngster Zeit ist seine Verwendung deutlich angestiegen. Als Schlagwort – zumeist gebraucht als Stigmawort (vgl. Vogel 2022) – ist der Ausdruck selten wertfrei; er wird vielmehr strategisch eingesetzt und ist mit spezifischen kommunikativen Zielsetzungen verbunden.

Im Kleinen Lexikon „Krieg und Sprache: Russland Ukraine“ der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) werden zwei Bedeutungsvarianten unterschieden:

Kriegsmüdigkeit, die:

Bezeichnet a) den durch verschiedene Aspekte (z. B. Kriegsdauer, Witterungsverhältnisse wie strenge Wintermonate u. a. m.) bedingten nachlassenden Kampfeswillen (Kriegsmoral) der Streitmächte.

Meint jedoch auch b) das sich oft schleichend ausbreitende Desinteresse von Menschen/Ländern zu anhaltender militärischer, finanzieller oder humanitärer Unterstützung kriegführender Nationen (Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS); Zugriff: 05.05.2025)

Im deskriptiven Sinne beschreibt Kriegsmüdigkeit die emotionale, psychische und oft auch physische Erschöpfung von Personen, die einen Krieg direkt erleben. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, das besonders in lang andauernden Konflikten auftritt, wenn die psychischen, physischen und wirtschaftlichen Belastungen für Zivilbevölkerung und Soldaten kontinuierlich steigen (vgl. Florkin n.d.). Der Ausdruck bezieht sich sowohl auf individuelle als auch gesellschaftliche und politische Dimensionen von Erschöpfung, Desillusionierung und Überforderung angesichts eines endlos scheinenden Krieges:

  • Politische VerhandlungenKriegsmüdigkeit bezieht sich zuweilen auf eine diskursive Verschiebung in mehreren europäischen Ländern: Politiker fordern zunehmend diplomatische Lösungen, anstatt militärisches Engagement weiter auszubauen. Diese rhetorische Neuausrichtung wird dahingehend gedeutet, dass der politische Wille zur direkten Konfrontation mit Russland sowohl in Europa als auch in den USA zunehmend fragmentiert ist.
  • Öffentliche MeinungKriegsmüdigkeit bezieht sich etwa auf Meinungsumfragen (Klapsa 2025), die berichten, dass die anfänglich ausgeprägte Solidarität mit der Ukraine in einigen Ländern nachlasse. Viele Menschen sehen sich mit eigenen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen konfrontiert und betrachten den Krieg zunehmend als ein zwar tragisches, jedoch entferntes Geschehen, das sie nicht unmittelbar betreffe. Im alltäglichen Sprachgebrauch spiegeln sich Anzeichen gesellschaftlicher Erschöpfung wider – etwa in Aussagen wie: „Ich kann nichts mehr über den Krieg hören“, „Ich schaue keine Nachrichten mehr“, „Ich habe es satt“ oder „Wann hat das endlich ein Ende?“ Mit dem Ausdruck Kriegsmüdigkeit werden solche Äußerungen als Symptom zunehmender psychischer Ermüdung einer allgemein zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Menschen, die nicht dem unmittelbaren eigenen Umfeld angehören, gedeutet.
  • Wirtschaftlicher KontextKriegsmüdigkeit bezieht sich auf steigende ökonomische Kosten des Krieges sowie deren Auswirkungen auf Staatshaushalte, Energiepreise und den Alltag der Bürger. Diskussionen über die langfristige finanzielle Belastung tragen ebenfalls zur Kriegsmüdigkeit bei und beeinflussen politische Entscheidungsprozesse wie auch die gesellschaftliche Stimmung.

Diskursive Kriegserschöpfung ist also nicht nur ein emotionaler Zustand, sondern auch ein politisches und mediales Phänomen, das die Diskurse über Krieg und dessen Legitimität maßgeblich beeinflusst. Die Ermüdung äußert sich in nachlassender Aufmerksamkeit für das Kriegsgeschehen, sinkender Bereitschaft zur Unterstützung von Kriegsparteien sowie in einer wachsenden Sehnsucht nach diplomatischen Lösungen oder nach einer Rückkehr zur Neutralität. Militärische und politische Akteure reagieren darauf häufig mit gezielter Propaganda oder strategischer Kommunikation, um die Unterstützung für militärische Interventionen aufrechtzuerhalten oder zurückzugewinnen.

In Gesellschaften, die nicht unmittelbar vom Krieg betroffen sind, bezeichnet der metaphorische Ausdruck weniger ‚Erschöpfung‘, sondern häufig eine wachsende Überdrüssigkeit gegenüber der medialen Berichterstattung oder der politischen Auseinandersetzung mit Kriegsthemen. Diese übertragene Bedeutung führt zu einer semantischen Unschärfe, wodurch der Ausdruck zum vielseitig einsetzbaren Schlagwort und diskursstrategisch besonders wirksam wird.

Neben der deskriptiven Verwendung wird Kriegsmüdigkeit im medialen und politischen Diskurs vor allem deontisch (appellativ) und moralisierend verwendet. So kritisiert im Kontext des ersten Weltkriegs schon der österreichische Publizist Karl Kraus in Die Fackel (Nr. 474, Mai 1918) explizit die Stellung zur diskursiven Funktion des Ausdrucks und plädiert für eine fundamentale, präventive Kriegsskepsis:

Kriegsmüde – das ist das dümmste von allen Worten, die die Zeit hat. Kriegsmüde sein, das heißt müde sein des Mordes, müde des Raubes, müde der Lüge, müde der Dummheit, müde des Hungers, müde der Krankheit, müde des Schmutzes, müde des Chaos. War man je zu all dem frisch und munter? […] Kriegsmüde hat man immer zu sein, das heißt, nicht nachdem, sondern ehe man den Krieg begonnen hat (Kraus 1918).

Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde Kriegsmüdigkeit von der NS-Propaganda als Stigmawort eingesetzt. Hier wird Kriegsmüdigkeit mit Feigheit oder mangelnder Vaterlandsliebe gleichgesetzt – ein Versuch, Erschöpfung zu stigmatisieren und Loyalität zu erzwingen:

In der Zeitschrift Die SA vom 30. Mai 1941 wird der Dichter Gorch Fock wie folgt zitiert: „Wer kriegsmüde ist, der ist heimatmüde, ist deutschmüde“, und die Deutschen müssten „starke, aufrechte Menschen in großer, eherner Zeit“ sein (https://www.sueddeutsche.de/kolumne/sprachlabor-deutsche-sprache-kriegsmuedigkeit-li.3138669, 01.11.2024 (Unterstöger 2024)).

Der Ausdruck Kriegsmüdigkeit erfährt in den 2020er Jahren eine verstärkte mediale Präsenz im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie dem Israel-Gaza-Krieg. Daten aus dem Tool OWIDplusLIVE (2021) – einer webbasierten Anwendung zur tagesaktuellen Analyse von Wortfrequenzen und N-Grammen in deutschsprachigen Online-Medien – belegen die zunehmende Verwendung dieses Ausdrucks:

Abb. 1: Auszug aus OWIDplusLIVE zu dem Wort Kriegsmüdigkeit.

Als bedeutungsähnliche Wörter werden häufig Kriegserschöpfung, Konfliktmüdigkeit sowie – je nach Kontext – Demoralisierung, Kriegsresignation, gesellschaftliche bzw. moralische Ermüdung oder sogar Friedenssehnsucht verwendet. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ist zudem der Neologismus Ukrainemüdigkeit entstanden, der noch stärker als Stigmawort fungiert und eine klare politische Positionierung – nämlich die Distanzierung von der nachlassenden Unterstützung für die Ukraine – impliziert:

Nach 100 Tagen Krieg wird eine makabre Spaltung spürbar: Das Leid der Ukraine wächst, das Mitleid des Westens lässt gleichzeitig nach. Ukraine-Müdigkeit heißt das Phänomen, das der Nato zunehmend Sorge macht – und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin politisch in die Hände spielt. (https://www.rnd.de/politik/krieg-in-der-ukraine-die-kriegsmuedigkeit-des-westens-ist-putins-maechtigste-waffe-6Q26KCGKCFGMBLTBOB5Q4KFFC4.html, 02.06.2022 (Dunz 2022)).

Das Zitat von Dunz (2022) verdeutlicht in kompakter Form die diskursive Konstruktion des Schlagworts Ukraine-Müdigkeit als alarmierendes Phänomen. Die Formulierung makabre Spaltung impliziert eine moralische Asymmetrie zwischen dem wachsenden Leid der Ukraine und dem abnehmenden Mitleid des Westens. Diese diskursive Gegenüberstellung erzeugt eine moralisch aufgeladene Spannung zwischen Opfererfahrung und westlicher Reaktionsträgheit. Die Bezeichnung Ukraine-Müdigkeit wird hier als diagnostisches Schlagwort (vgl. Wehling 2016) eingeführt: Es benennt nicht nur einen beobachtbaren Meinungsumschwung, sondern wertet diesen zugleich als besorgniserregend – eine Einschätzung, die durch den Verweis auf die NATO als besorgten Akteur gestützt wird (Sorge macht). Damit wird dem Ausdruck eine sicherheitspolitische Relevanz zugeschrieben. Besonders strategisch ist die abschließende Aussage: …dem russischen Präsidenten Wladimir Putin politisch in die Hände spielt. Sie rahmt die Ukraine-Müdigkeit als nicht nur moralisch fragwürdig, sondern geopolitisch gefährlich, da sie dem Aggressor indirekt nütze. Damit wird der Diskurs um Ukraine-Müdigkeit politisch und normativ aufgeladen – als Stigmawort (vgl. Wehling 2016) im Sinne einer negativen Zuschreibung für jene, die Unterstützung relativieren oder beenden wollen. Insgesamt könnte das Zitat als gewissermaßen mediale diskursive Intervention (vgl. Vogel/Deus 2020) fungieren, die zur Delegitimierung westlicher Rückzugsdiskurse beiträgt und implizit zur Stabilisierung der Solidaritätsnarrative mit der Ukraine aufruft.

Als Gegensatzwörter zur appellativen Schlagwortverwendung des Wortes Kriegsmüdigkeit lassen sich Kriegseuphorie und Kriegsbegeisterung (im Sinne von ‚Leuten, die sich emotional für ein Kriegsziel (Angriff/Verteidigung) engagieren‘) anführen. In jüngerer Zeit erfährt auch das Wort Kriegstüchtigkeit zunehmende Aufmerksamkeit. Es steht in deutlichem Kontrast zur Kriegsmüdigkeit und markiert eine gegenläufige strategische Ausrichtung – etwa im Titel des Videos Kriegstüchtig oder kriegsmüde? – Würde die NATO-Front im Kampf gegen die Russen kollabieren? (YouTube 2024). Auch in politischen Diskursen fungiert Kriegstüchtigkeit zunehmend als strategisches Leitbild (vgl. Tröger 2024). So erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am 29. Oktober 2023 in der ZDF-Sendung „Berlin direkt, Deutschland müsse kriegstüchtig werden, und präzisierte: Wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen (ZDF 2024). Diese Wortwahl steht für eine markante Verschiebung im sicherheits- und gesellschaftspolitischen Diskurs: Kriegstüchtigkeit meint dabei nicht nur militärische Einsatzbereitschaft, sondern auch eine umfassende politische, wirtschaftliche und psychologische Resilienz – verstanden als kollektive Fähigkeit, Bedrohungen entschlossen und solidarisch zu begegnen. Der Ausdruck dient somit als Indikator und Appell für politische Entschlossenheit und gesellschaftliche Mobilisierungsfähigkeit. In dieser Konstellation wird Kriegstüchtigkeit zu einem diskursiven Gegennarrativ, das der Kriegsmüdigkeit (verstanden nicht nur als Ausdruck von Erschöpfung, sondern auch als Symbol für außenpolitischen Rückzug, nachlassende Solidarität und strategische Schwäche) bewusst entgegensteht.

Als Schlagwort ist der Ausdruck Kriegsmüdigkeit in mehrfacher Hinsicht komplex – im Sinne Wehlings (2016) lässt er sich als ein kognitiv aktivierbarer, politisch aufladbarer Frame verstehen. Der Ausdruck ist

  • semantisch offen: mehrdeutig und kontextabhängig,
  • emotional besetzt: verbunden mit Gefühlen wie Angst, Trauer oder Überforderung,
  • kognitiv gerahmt: er aktiviert bestimmte Denkrahmen und Interpretationen,
  • politisch instrumentalisierbar: er kann zur Legitimierung politischer Positionen und Entscheidungen genutzt werden,
  • diskursiv anschlussfähig: er lässt sich flexibel in unterschiedlichen gesellschaftlichen Diskursen verwenden.

Sowohl die deskriptive als auch die appellative Verwendung des Ausdrucks Kriegsmüdigkeit lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Bei Cicero (1923) findet sich der Ausdruck Veientes bello fessi (‚vom Krieg ermüdet‘) – ein frühes Zeugnis für die metaphorische Verarbeitung kriegerischer Erschöpfung.

Während des Ersten Weltkriegs führte die katastrophale Versorgungslage, gepaart mit den Schrecken des Maschinenkriegs, zu Hungerkrawallen, Streiks und Revolten sowohl an der Front als auch im Hinterland. Ein zeitgenössisches Beispiel illustriert diese Situation und gewisse Desillusionierung:

[…] Die Kriegsmüdigkeit ist eine weit- und tiefgehende. Die die große Mehrheit des Landes bildende landwirtschaftliche Bevölkerung wird trotzdem infolge ihrer verhältnismäßig günstigen wirtschaftlichen Lage voraussichtlich auch weiterhin in Ruhe erhalten werden können. Anders steht es aber mit der städtischen, vor allem der industriellen Bevölkerung. […] (OÖLA, Geheime Präsidialakten 1915 – 1921).

Beispiele

Die folgenden Beispiele veranschaulichen unterschiedliche mediale Verwendungsweisen des Ausdrucks Kriegsmüdigkeit und zeigen dessen strategische Multifunktionalität im öffentlichen Diskurs auf. Im Mittelpunkt stehen die Quellen, die den Ausdruck je nach kommunikativem Kontext, Intention und ideologischer Ausrichtung unterschiedlich einsetzen. Die Analyse erfolgt entlang der Parameter Strategie, Zielsetzung, Tonalität sowie Funktion. Dabei wird deutlich, dass es vor allem um Positionierung geht – sowohl von den direkt Betroffenen (Angreifer, Opfer) als auch von außenstehenden Akteuren. Zudem lässt sich weiter differenzieren, ob sich die Müdigkeit an der Front oder im Hinterland manifestiert.

(1) Im Beitrag der taz (Oertel 2024) zur Mobilmachung in der Ukraine ist der Ausdruck durch Emotionalisierung über individuelle Schicksale eingebettet. Ziel ist es, Empathie zu erzeugen und die gesellschaftlichen Auswirkungen des Krieges aufzuzeigen. Die Tonlage ist menschlich und betroffen, der Ausdruck Kriegsmüdigkeit soll die Erschöpfung und soziale Belastung zum Ausdruck bringen:

Verschärfte Mobilmachung in der Ukraine

Zunehmend kriegsmüde

Gut zwei Jahre Krieg zermürben die Männer an der Front und ihre Familien daheim.

Selenskyjs neue Kriegsgesetze dürften kaum auf Zustimmung stoßen.

Mehrfach kam es in den vergangenen Monaten zu Kundgebungen Angehöriger von Soldaten, die in Sorge um ihre völlig erschöpften Söhne und Männer sind. Das alles sind sehr deutliche Indizien für eine wachsende Kriegsmüdigkeit. Dass der Druck im Kessel steigt und die Nervosität wächst, zeigen auch Selenskys Personalrochaden. Nach dem unfreiwilligen Abgang des Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Walery Saluschnyj, kam es zu einem Wechsel im Nationalen Sicherheitsrat.

(2) Demgegenüber verwendet domradio.de unter Rückgriff auf Aussagen von Patriarch Kyrill den Ausdruck im Rahmen religiös-ideologischer Legitimation. Kriegsmüdigkeit erscheint hier als Zeichen moralischer Schwäche und wird propagandistisch und moralisierend als rhetorischer Feindbegriff eingesetzt. Die Zielsetzung ist die Stabilisierung von Loyalität und Kriegsmoral, wobei der Ausdruck normativ aufgeladen wird. 

Bemerkenswert ist hier der Einsatz von Anführungszeichen („Kriegsmüdigkeit“), der zwar eine Zitatanzeigefunktion, aber auch — im Kontext betrachtet (heizt die Kriegsstimmung […] an) — eine Distanzierung oder Markierung des Radiosenders von der Begriffsnutzung nahelegt. Diese typografische Markierung deutet an, dass es sich um eine spezifische (und möglicherweise illegitime oder strategische) Verwendungsweise handelt, nicht um eine neutrale Zustandsbeschreibung:

Moskauer Patriarch bemängelt „Kriegsmüdigkeit“ in Russland

Russophobie und persönlicher Komfort

Kyrill I. ist ein enger Verbündeter Wladimir Putins und heizt die Kriegsstimmung gegen die Ukraine immer wieder an. Doch inzwischen bemerkt er in der russischen Bevölkerung fehlenden Elan für den „Heiligen Krieg“.

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. beklagt in der russischen Bevölkerung eine „gewisse Kriegsmüdigkeit“. […] Bei der Sitzung des Weltkonzil-Präsidiums lobte Kyrill auch die vorangegangene Versammlung des Konzils, bei der ein Dokument verabschiedet wurde, das Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als „Heiligen Krieg“ bezeichnet. Damals sei mutig die „Wahrheit“ gesagt worden.

„Westen verbreitet Russophobie“ […]

Im September 2022 hatte das Kirchenoberhaupt russischen Soldaten versprochen, sie würden von ihren Sünden reingewaschen, sollten sie im Krieg fallen. Das Sterben „bei der Erfüllung der militärischen Pflichten“ verglich er damals mit der Opferung Jesu durch Gott. (https://www.domradio.de/artikel/moskauer-patriarch-bemaengelt-kriegsmuedigkeit-russland, 10.11.2024 (Domradio.de 2024)).

(3) Der dritte Text bezieht sich auf Kriegsmüdigkeit als strategische Haltung der Trump-Regierung, die sich zunehmend aus dem Russland-Ukraine-Krieg zurückziehen wolle. Kriegsmüdigkeit wird hier nicht als gesellschaftliche Erschöpfung, sondern in kalkulierender Weise als ‚politische Ermüdung‘ dargestellt und kritisiert (Trump und seine Regierung seien der Beschäftigung [und der damit verbunden Ressourcen- und Imagekosten] mit der Ukraine/dem Krieg ‚überdrüssig‘). Ziel sei es, den Fokus auf andere Prioritäten zu lenken und Druck vor allem auf die Ukraine auszuüben. Die Tonalität ist nüchtern und resignativ, die Funktion appellativ: und legitimierend im Hinblick auf einen möglichen Abbruch der US-Vermittlungen:

Trump Administration Is Tired of War, Tired of Peace Talks with Russia, Ukraine

Joshua Arnold

April 21, 2025

(…) “We are now reaching a point where we need to decide and determine whether this is even possible or not,” related Rubio. “If it’s not possible — if we’re so far apart that this is not going to happen — then I think the President’s probably at a point where he’s going to say, ‘Well, we’re done. We’ll do what we can on the margins. We’ll be ready to help whenever you’re ready to have peace. But we’re not going to continue with this endeavor for weeks and months on-end.’”

In other words, President Trump wants to resolve the conflict “very soon — and I’m talking about a matter of days, not a matter of weeks,” he added. “The Ukraine war is a terrible thing, but it’s not our war.” […] (https://washingtonstand.com/commentary/trump-administration-is-tired-of-war-tired-of-peace-talks-with-russia-ukraine, 21.04.2025 (Arnold 2025)).

(4) Einen weiteren diskursiven Gegenpol markiert die tageszeitung (taz) mit dem Beitrag Keine Ukraine-Müdigkeit. Ziel ist die Stärkung des gesellschaftlichen und politischen Engagements durch eine positive Rahmung (Einsicht … wächst) von Hoffnung und Solidarität. Die Tonlage ist ermutigend und zuversichtlich.

Militärische Unterstützung für Kyjiw

Von Ukraine-Müdigkeit keine Spur

Die Einsicht, Kyjiw im Kampf gegen Russland unterstützen zu müssen, wächst in Deutschland. Schließlich hängt die Zukunft Europas an der Ukraine. (https://taz.de/Militaerische-Unterstuetzung-fuer-Kyjiw/!5991842/, 25.2.2024 (Johnson 2024)).

(5) Während in den ersten Monaten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine (das bezieht sich auch zugleich auf den Israel-Gaza-Konflikt) die mediale Aufmerksamkeit nahezu ausschließlich auf den Krieg gerichtet war, rückten über die Zeit andere globale Themen wie Klimawandel, Wahlen oder soziale Proteste stärker in den Vordergrund. Die zunehmende Verwendung des Ausdrucks Kriegsmüdigkeit wird als Indikator für diesen Wandel in der Berichterstattung und des Agenda Settings thematisiert:

Ein Adjektiv allerdings darf bei all dem medialen Gerede niemals fehlen: Sie nimmt stets nur zu – die vorgeblich ‚steigende‘ Kriegsmüdigkeit der Deutschen. Anderenfalls würde es als mediale Meldung nicht taugen. Ohnehin wird nicht wirklich etwas vermeldet – nichts wird beziffert, das Schlagwort bleibt undefiniert. Es ist nur Gerede. Die Gesetze des Medienmarktes besagen allerdings, wenn alle es sagen, ist es nie verkehrt, es selbst auch zu sagen. Das erzeugt Stimmung. So bewirkt die Rede von der ‚Kriegsmüdigkeit‘ bewirkt am Ende genau das, was sie lediglich vorgibt, zu vermelden: Die Gewöhnung an die Gleichgültigkeit (Walter 2025).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ausdruck Kriegsmüdigkeit je nach medialem Kontext vielfältig funktionalisiert wird: mal als Analyseobjekt, mal als Warnsignal, mal als empathisches Ausdrucksmittel oder propagandistisches Schlagwort. Diese diskursive Vieldeutigkeit macht ihn zu einem komplexen Schlagwort, das unterschiedliche Deutungsrahmen aktiviert und sowohl politische als auch emotionale Positionierungen ermöglicht.

Literatur

Zitierte Literatur und Belege

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1.: Auszug aus OWIDplusLIVE zu dem Wort Kriegsmüdigkeit. Online unter: https://www.owid.de/plus/live-2021/ ; Zugriff: 05.05.2025.

Zitiervorschlag

Dyakiv, Khrystyna (2025): Kriegsmüdigkeit. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 29.08.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/kriegsmuedigkeit/.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Sinnformel

‚Wer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?‘ Auf diese und ähnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.

Praktik

Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes Bündel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrücken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, Fußballspielen).

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Techniken

Inszenierte Kontroverse

Inszenierte Kontroversen liegen vor, wenn Politiker, Vertreter von Interessengruppen, Aktivisten, Journalisten, Influencer oder andere öffentlich wirksame Akteure potentiell strittige Themen möglichst effektvoll in einen Diskurs einbringen oder einen entsprechenden Diskurs auslösen, und zwar um entsprechende Perspektivierungen bestimmter Konfliktlagen im eigenen Interesse konfrontativ zu prägen.

-ismus

Bei Ismen geht es ursprünglich um die Wortendung (sog. Suffix) -ismus (Plural -ismen), mit der Substantive mit substantivischem oder adjektivischem Wortstamm (Basis) gebildet werden (z.B. Vulkan-ismus oder Aktiv-ismus).

Persuasion

Persuasion kommt vom lateinischen Verb persuadere und bedeutet ‚überzeugen, überreden‘ (gebildet aus suadere ‚raten, empfehlen‘ und per ‚durch, über‘).‘). Der Begriff stammt aus der Rhetorik, in der es vor allem darum geht, wie man Hörer:innen oder Leser:innen auf seine Seite bringt: wie man sie zum Beispiel in einem Gerichtsprozess von der Schuld oder Unschuld eines/einer Angeklagten überzeugt, wie man sie politisch zur Parteinahme überredet oder wie man sie ganz allgemein für sich selbst oder einen bestimmten Gegenstand/Sachverhalt einnimmt.

Zensur

Zensur sowie die Praktik des Zensierens sind Machtpraktiken der Einschränkung, Kontrolle und des Verbots von Besitz oder Rezeption von Kunstwerken, Medien, aber auch von Äußerungen bzw. einzelnen Sätzen, Sprüchen, Phrasen bis hin zu Wörtern.

Ironie

Ironie (altgriechisch εἰρωνεία (eirōneía), wörtlich ‚Verstellung‘, ‚Vortäuschung‘) ist in unserer unmittelbaren und massenmedialen Kommunikationskultur sehr bedeutsam. Sie arbeitet mit einem Bewertungsgegensatz zwischen Gesagtem und Gemeintem.

Wiederholen

Das Wiederholen von Äußerungen in öffentlichen (politischen) Diskursen zielt darauf, das Denken anderer zu beeinflussen, Wissen zu popularisieren, einseitige (z. B. fanatisierende, beschwörende, hysterische, ablenkende, pseudosachliche) Konstruktionen von Wahrheit zu erzeugen, um die soziale Wirklichkeit als intersubjektiven Konsens im einseitigen Interesse des „Senders“ zu verändern. Grundvoraussetzung ist die Annahme, dass das kollektive Denken stets mächtiger als das individuelle Denken ist.

Diskreditieren

Das Diskreditieren ist eine Praktik, mit der Diskursakteure durch verschiedenste Strategien, die von Verunglimpfungen und Verleumdungen bis hin zu rufschädigenden Äußerungen reichen, abgewertet und herabgesetzt werden.

Nähe inszenieren

Die Inszenierung von Nähe beschreibt eine Kommunikations>>praktik, bei der Akteur:innen Techniken einsetzen, um Vertrautheit, Sympathie und Authentizität zu vermitteln (z.B. das Angebot einer:s Vorgesetzten, zu duzen).

Diplomatie

Diplomatie bezeichnet im engeren Sinne eine Form der Kommunikation zwischen offiziellen Vertretern von Staaten, die die Aufgabe haben, zwischenstaatliche Beziehungen durch und für Verhandlungen aufrecht zu erhalten. Diese Vertreter können Politiker oder Beamte, insbesondere des diplomatischen Dienstes, sowie Vertreter internationaler Organisationen sein.

Typografie

Typografie bezeichnet im modernen Gebrauch generell die Gestaltung und visuelle Darstellung von Schrift, Text und (in einem erweiterten Sinne) auch die Dokument-Gesamtgestaltung (inklusive visueller Formen wie Abbildungen, Tabellen, Taxono-mien usw.) im Bereich maschinell hergestellter Texte (sowohl im Druck als auch auf dem Bildschirm)

Schlagwörter

Social Bots

Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.

Woke

Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunächst den Bewusstseinszustand der Aufgeklärtheit über die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.

Identität

Unter Identität versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven – etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen – als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.

Wohlstand

Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darüber geben sollen, was ein ‚gutes Leben‘ ausmacht.

Remigration

Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die Rückkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf Rechtsaußendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu ändern sucht.

Bürokratie

Bürokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender Ausdrücke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen Bürokratisierung, Bürokratismus und Komposita, als wichtigstes Bürokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.

Politisch korrekt / Politische Korrektheit

Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) repräsentieren ein seit den frühen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populäres Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, ästhetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine überzogene, sowohl lächerliche als auch gefährliche Moralisierung unterstellt.

Kipppunkt

Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren Sachverhaltsänderung, die fatale bzw. dystopische Folgeschäden auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Verschiebungen

Kriminalisierung

Kriminalität meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstößt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird – indem Gesetze geschaffen werden.

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, für (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Beobachtung zum Begriff „Diplomatie“ beim Thema Ukraine im Europäischen Parlament

Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto „as long as it takes“ beziehungsweise „so lange wie nötig“ für die Erweiterung der militärischen Ausstattung und der Verlängerung des Krieges aussprachen. Vorschläge oder Vorstöße auf dem Gebiet der „Diplomatie“ im Sinne von ‚Verhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteien‘ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)

Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit

DiskursReview Die Macht der Worte (4/4):So geht kultivierter Streit Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen

DiskursReview Die Macht der Worte (3/4):Sprachliche Denkschablonen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe

DiskursReview Die Macht der Worte (2/4): Freund-Feind-Begriffe Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...

Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen

DiskursReviewDie Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 / 06.03.2025...

Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.