DiskursGlossar

Verschwörungstheorie

Kategorie: Schlagwörter
Verwandte Ausdrücke:
Konspiration, Verschwörungserzählung, Verschwörungsmythen
Siehe auch: Stigmawort, Elite
Autor: Clemens Knobloch
Version: 1.2 / 25.05.2020

Kurzzusammenfassung

Der Ausdruck gibt sich in der medialen Öffentlichkeit als analytisches Konzept, ist aber zugleich performativ hoch wirksam als Ausschluss aller erfolgreich so benannten Konzepte aus der rationalen öffentlichen Kommunikation. Was als Verschwörungstheorie markiert ist, das ist immer zugleich als lächerlich und als paranoid aus dem rationalen Diskurs verbannt. Das denotative Modell für Verschwörungstheorien liefert offenkundig absurde Annahmen wie die einer systematischen Vergiftung der Bevölkerung durch die Kondensstreifen der Flieger oder groteske Konstruktionen wie die der globalen Freimaurerverschwörung oder der jüdischen Weltverschwörung (Die Weisen von Zion). Verschwörungstheorie ist ein performativer Feindbegriff und zugleich ein zwingender Identifikationsbegriff: Wer Sympathien mit einem Deutungsmuster äußert, das erfolgreich als ,verschwörungstheoretisch‘ markiert ist, der schließt sich ebenfalls aus der Kommunikation aus. Insofern handelt es sich um einen Kontaminationstopos: Er infiziert die solchermaßen etikettierten Positionen (und die Personen, die sie einnehmen) mit Lächerlichkeit und Paranoia, was dazu führt, dass jede Berührung mit ihnen vermieden wird.

Erweiterte Begriffsklärung

Wer den Ausdruck verwendet, macht die pragmatische Präsupposition, dass es keine realen Verschwörungen in der wirtschaftlichen und politischen Elite gebe. Diese Präsupposition ist offenkundig falsch: Es gibt immer wieder solche Verschwörungen. Die reale Schwierigkeit besteht in jedem einzelnen Falle darin, zwischen paranoiden Wahnbildern und ganz realen Machttechniken zu unterscheiden. Jeder Sozialwissenschaftler wird zwischen der (sichtbaren) Vorderbühne und der (verborgenen) Hinterbühne des Machtgeschehens differenzieren. Ist er dann bereits verschwörungstheoretisch infiziert? Rational ist es darum, stets abzuwägen (a) zwischen der Möglichkeit realer Konspiration, wie sie jeder investigative Journalismus unterstellt und unterstellen muss; (b) zwischen unterschiedlichen sprachlichen Formeln für strategische Tatbestände (die rechte Propaganda unterstellt der Merkelregierung, sie beabsichtige einen ,Bevölkerungsaustausch‘, das ist die leicht als verschwörungstheoretisch markierbare Variante der durchaus realistischen Vermutung, die neoliberale Elite sei interessiert an wild globalisierten Arbeitsmärkten und schätze offene Grenzen vor allem darum, weil sie die Konkurrenz zwischen Arbeitskräften verschärfen und internationalisieren und den Sozialstaat aushebeln); und (c) der wahnhaften Vereinfachungsillusion, die hinter allen Ereignissen und zufälligen Effekten koordinierte Strategie wittert.

Der Topos ist uralt, die Literatur unübersichtlich (populär zuletzt Butter 2018). Wer mit dem Ausdruck operiert, sollte auch dessen jüngere, massendemokratische Geschichte kennen. In den USA geht die erste Konjunktur von conspiracy theory zurück auf den (hierzulande kaum noch erinnerlichen) Bericht der Warrenkommission, wonach die Ermordung von John F. Kennedy 1961 tatsächlich Ergebnis des berüchtigten lone gunman, des isolierten Einzeltäters, gewesen sei. Das erschien damals vielen als unglaubwürdig. Damals startete das CIA eine internationale Medienkampagne, in der jedermann als Anhänger einer lächerlichen und paranoiden conspiracy theory denunziert wurde, der das Deutungsmuster der Warrenkommission für unglaubwürdig hielt. Dazu gehörte die Rahmung durch den Kalten Krieg: Wer der Warrenkommission nicht glaubte, der war natürlich ein Opfer kommunistischer Propaganda. Diese Kampagne ist das Modell aller nachfolgenden Konjunkturen des Verschwörungsvorwurfs geworden (vgl. deHaven-Smith 2013). Vor diesem Hintergrund handelt es sich um einen Topos, der Normalitätsgrenzen verschieben hilft: Wer erfolgreich mit dem Topos ,Verschwörungstheorie‘ infiziert werden kann, ist fortan aus der normalen Kommunikation ausgeschlossen. DeHaven-Smith (2013) argumentiert, dass der Verschwörungsvorwurf immer dann Konjunktur hat, wenn es darum geht, strategische Optionen der ökonomisch-politischen Elite zu decken: die Iran-Contra-Affaire, die Unklarheiten in der Bush-Wahl 2004, die ,Massenvernichtungswaffen‘ des Irak im Vorfeld des Golfkriegs 2003 etc. Da niemand wünschen kann, mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht werden zu können, ist der Vorwurf hocheffektiv und einwandsimmun.

Da Hinweise auf Elitenverschwörungen aufmerksamkeitspolitische Selbstläufer in der Massendemokratie sind, indiziert ihre Häufigkeit die Stärke des öffentlichen Misstrauens gegenüber den Eliten. Daher die hohe Koinzidenz von Verschwörungstheorie und Populismus. Je mehr dieses Misstrauen wächst, desto eher wird auch das strategische Lancieren von verschwörungstheoretischen Deutungsmustern attraktiv. Im Extremfall kann es schon darum erfolgversprechend sein, Verschwörungstheorien in die Zirkulation zu bringen, weil der Elitendiskurs sie grundsätzlich stigmatisiert (Butter 2018: 178). So verstärken sie tendenziell das Misstrauen gegen die Elitenund ihre eigene Glaubwürdigkeit.

Ihre psychologische Attraktivität in atomisierten Gesellschaften ist dadurch bedingt, dass sie ihre Anhänger zu engen und exklusiven Gemeinschaften Gleichgesinnter zusammenschweißen (darin anderen, ebenfalls um Exklusivität konkurrierenden Identitätsgemeinschaften nicht unähnlich). Die Illusion eines exklusiven und überlegenen Wissens, die mit Verschwörungslehren verbunden ist, gleicht durchaus der geteilten Illusion einer moralischen Überlegenheit. Beide können auf ihre Anhänger enthemmend wirken.

Dass man gegen ,echte Verschwörungstheorien (die Freimaurer greifen nach der Weltherrschaft, Frau Merkel ist ein Reptil etc.) argumentativ wenig ausrichten kann, ist notorisch. Die fließenden Übergänge zum Wahn gehören ja zu den strategischen Wirkungsbedingungen des Ausdrucks. Geht es um die Stigmatisierung von Kritik an den herrschenden Eliten, dann ist der Verweis auf die zahlreichen erwiesenen Macht- und Geldkomplotte hilfreich. Man sollte also Verschwörungstheorien und Verschwörungen zusammen behandeln (wie jüngst Le Monde diplomatique). Die fließenden Übergänge zum investigativen Journalismus sind gegenstrategisch wichtig.

Wie stark die Angst, in eine verschwörungstheoretische Ecke gestellt zu werden, das Redeverhalten beeinflusst, merkt man an der häufigen Eröffnungsfloskel: Das klingt jetzt wie eine Verschwörungstheorie, aber…

Beispiele

Paradigmatisch ist die große Bandbreite dessen, was als typische Verschwörungstheorie gehandelt wird. Von der US-Mondlandung 1969, die angeblich nicht stattgefunden hat, sondern in Hollywood gefilmt worden sei, über die Annahme, die US-Regierung selbst sei in die Anschläge auf das WTC im Jahr 2001 verwickelt, bis zum angeblich geplanten ,Bevölkerungsaustausch‘ in Europa. Von der allenthalben gewitterten kommunistischen Verschwörung in den USA der 1950er Jahre bis zur ,jüdischen Weltverschwörung‘ im Antisemitismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gemeinsam ist all diesen Fällen lediglich, dass zentral koordinierte Planmäßigkeit und Täuschungsabsicht unterstellt werden, wo andere eine Fülle kontingenter Ereignisse, Absichten und Interessen sehen.

Literatur

  • Aptum (2018): Themenheft über „Verschwörungstheorien. Linguistische Perspektiven“, Heft 3, Jg. 14.
  • Butter, Michael (2018): „Nichts ist, wie es scheint“. Über Verschwörungstheorien. Berlin: Suhrkamp.
  • deHaven-Smith, Lance (2013): Conspiracy Theory in America. Austin: University of Texas Press.
  • Knobloch, Clemens (2018): „Wer hat Angst vor Verschwörungstheorie?“. In: Ders.: Das sogenannte Gute. Zur Selbstmoralisierung der Meinungsmacht. Siegen: universi. S. 103–133.
  • Lobo, Sascha (2016): Das Ende der Gesellschaft. Digitaler Furor und das Erblühen der Verschwörungstheorien. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 10, Jg. 61, S. 59–74.

Zitiervorschlag

Knobloch, Clemens (2020): Verschwörungstheorie. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 25.05.2020. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/verschwoerungstheorie.

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Schlagwörter

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.