DiskursGlossar

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Dystopie, Dystopiesierung, Schreckens-, Bedrohungs-, Zukunftsszenario
Siehe auch: Krise, Topos, Be-/Überlastungs-Topos, Autoritäts-Topos, Analogie-Topos
Autor/in: Hauke Peters und Svenja Gorzel
Version: 1.0 / Datum: 04.04.2024

Kurzzusammenfassung

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird. David Römer paraphrasiert den kontextspezifischen Topos folgendermaßen:

Weil die zukünftige Lage ausgesprochen schlecht sein wird, muss dringend etwas Bestimmtes getan werden (um noch Schlimmeres zu verhüten) (Römer 2017: 126).

Das Bedrohungsszenario zielt darauf ab, Angst bzw. Zukunftsängste zu konstruieren und Handlungs- oder Entscheidungsdruck aufzubauen. Auf dieser Grundlage erfolgt dann der Legitimationsversuch, meist präventiv angelegter, politischer Handlungsempfehlungen. Von diesen wird behauptet, die prognostizierte ‚düstere Zukunft‘ zu verhindern. Würden diese Handlungsaufforderungen nicht umgesetzt, folge (so die topische Implikation) zwangsläufig die prognostizierte düstere Zukunft.

Erweiterte Begriffsklärung

Topoi sind Argumentationsmuster, die auf gemeinsamen, kollektiven Wissensbeständen basieren und Adressaten durch Alltagslogik und Plausibilität überzeugen sollen (vgl. Wengeler 2021). Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt konkret ein Argumentationsmuster, bei dem die Argumentation auf behaupteten Folgen einer Krise oder gesellschaftlichen Unsicherheiten aufbaut und/oder auf allgemeine Gefahren für bevorstehende schlechte Zeiten hinweist. Dabei zielen die implizit im Argument verankerten Positionen oder Einstellungen darauf ab, zunächst Ängste vor dem prognostizierten Schreckensszenario zu schüren und darauf aufbauend spezifische Lösungsansätze nicht nur als dringend erforderlich, sondern auch als alternativlos darzustellen, um so die Zustimmung der Adressaten nahezu zu erzwingen. Mit anderen Worten: Das Bedrohungsszenario zielt darauf ab, Zukunftsängste zu evozieren und Handlungs- oder Entscheidungsdruck aufzubauen. Auf dieser Grundlage erfolgt dann eine Legitimation verschiedenster, meist als ‚präventiv‘ behaupteter, politischer Handlungen, die der Verhinderung der prognostizierten düsteren Zukunft dienen sollen. Werden diese Handlungsaufforderungen nicht umgesetzt, folgt (nach dem Topos) beinahe zwangsläufig die prognostizierte düstere Zukunft oder Schlimmeres. Dieser Schluss von Ursache und Wirkung entspricht dem kontextabstrakten Topos des Konsequenz-Topos, dem wiederum der Topos der düsteren Zukunftsprognose als kontextspezifischer Topos zugeordnet werden kann. Als kontextspezifischer Topos ergibt sich die inhaltliche Fülle des Topos somit aus der kontextabhängigen Verwendung in bestimmten Themenfeldern. Umfassend untersucht wurde der Topos unter anderem von David Römer in seiner Arbeit zur linguistischen Diskursgeschichte von Wirtschaftskrisen (vgl. Römer 2017) oder von Milena Belosevic im Kontext ihrer Arbeit zu sogenannten Flüchtlingskrisen (vgl. Belosevic 2021).

Zentraler Aspekt für das Gelingen des Topos, und daraus folgend die Legitimation der politischen Maßnahme, ist der Prognosemodus und die beinhaltete Angstkonstruktion, die mit der Prognostizierung der düsteren Zukunft vorgenommen wird. Der Topos basiert somit auf der Antizipation von kollektiven Ängsten. Christopher Georgi beschreibt dies mit dem Begriff der Angstkultur und verdeutlicht, dass Angst keine anthropologische Konstante sei, sondern als eine Konstruktion durch Äußerungen von Wissen, Vorstellungen oder Konzeptualisierung in der jeweiligen Kultur gebildet werde. Für die Konstruktion von Angst bedeute dies, dass sie sowohl diachron als auch in Abhängigkeit von verschiedenen Sprachen und Kulturen variieren könne (vgl. Georgi: 222 f.). Filatkina und Bergmann (2017) führen zusätzlich das Merkmal der Multimodalität der Konstruktion an, so erfolge die Angstkonstruktion nicht nur auf der verbalen Ebene, sondern auch durch grafische Mittel, Typografie oder Textstrukturen. Zuletzt müsse zwischen explizit benannter und implizit gemeinter Angst unterschieden werden (vgl. Filatkina/Bergmann 2021: 9 f.). Auf Basis dieser Grundlagen unterteilen Filatkina und Bergmann die Konstruktion von Angst in drei verschiedenen sprachlichen Mechanismen: die lexikalisch-semantischen, die morpho-syntaktischen und die textuellen und (vgl. Filatkina/Bergmann 2021: 10 ff.):

    • Die lexikalisch-semantischen Mechanismen umfassen die Wörter, die den Wortschatz der ‚Angst‘ bilden. Dieser beinhaltet jene Wörter, die die Emotion der Angst benennen und darstellen. In Bezug auf das Lexem Zukunftsangst konnte festgestellt werden, dass es vor allem im Zusammenhang mit finanziellen Krisen, Arbeitslosigkeit und der Politik verwendet wird (Filatkina/Bergmann 2021: 11 f.)
    • In Bezug auf morphosyntaktische Mechanismen zeigt sich, dass ‚Angst‘ auffällig oft zusammen mit Verbalphrasen und Nominalphrasen beschrieben wird. Dabei werden Verben verwendet, die dynamische Vorgänge beschreiben und keinen Kulminations- oder Endpunkt voraussetzen (treiben, herrschen, sich ausbreiten, grassieren, plagen, peinigen) bzw. graduelle Änderungen versprachlichen (wachsen, zunehmen)“ (Filatkina/Bergmann 2021: 13). Das Verwenden von Verbalphrasen ohne Kulminations- oder Endpunkt unterstützt die Angstkonstruktion zusätzlich, da die zukunftsbezogene Angstkonstruktion größeres Potenzial bietet, umso abstrakter und weiter entfernt die Zukunft liegt. Bei der Verwendung von Nominalphrasen handelt es sich vor allem um dramatisierende und übertreibende Aufzählungen schlimmer Ereignisse wie Kriege, Umweltkatastrophen oder Wirtschaftskrisen.
    • Bei den textuellen und diskursiven Mechanismen stehen vor allem Metaphern und Bezüge zu anderen Topoi im Mittelpunkt. Im Migrationsdiskurs ist es unter anderem die Metapher der Flüchtlingskrise als Naturkatastrophe, die Ängste bei den Rezipient*innen erzeugen soll:

      „Flüchtlinge sind Wasser- und Schneemassen. Eine Flüchtlingswelle hat uns 2015 überrollt, kann kaum bewältigt, muss gestoppt werden. Berichtet wird vom Flüchtlingsandrang, Zustrom von Migranten oder einer Lawine. Eine Flüchtlingsflut oder die Flüchtlingsströme werden nur langsam abebben.“ (Filatkina/Bergmann 2021: 17)

Allgemein können eine Vielzahl an unterschiedlichen Metaphern ausgemacht werden, die sich allesamt durch ihren dramatisierenden Charakter auszeichnen (am Abgrund stehen oder Stagnation) und darüber hinaus verdeutlichen, dass die gezeichnete Krise mit dem Handeln von Akteuren zusammenhängt (Lähmung oder Atem erstickend).

Neben den Metaphern können auch andere Topoi herangezogen werden, die dazu dienen, den Topos der düsteren Zukunftsprognose zu stützen. Oft belegt sind der Singularitäts– (eine Katastrophe noch nie dagewesenen Ausmaßes) oder der Autoritäts-Topos (haben Forscher festgestellt). Wird die düstere Zukunftsprognose so sehr gesteigert, dass zum Schluss ein Endpunkt beschrieben wird, kann zusätzlich der Endpunkt-Topos festgestellt werden (das Ende der Demokratie… oder Zeitenende). Im Fall des Migrationsdiskurses führt der durch das Bedrohungsszenario entstandene Handlungsdruck zu einer Diskussion, die zwischen dem optimistischen „Wir schaffen das!“-Topos und dem skeptischen „(Wie) Können wir das schaffen?“ in der Form des Überlastungs-Topos Topos stattfindet (Filatkina/Bergmann 2021: 18).

Um den Topos der düsteren Zukunftsprognose wirksam zu begegnen, kann zunächst an der Gültigkeit der prognostizierten düsteren Zukunft angesetzt werden. Dies erfordert eine Analyse und Reflexion der zugrundeliegenden Prämissen sowie die Erörterung von alternativen Szenarien und Perspektiven, die eine nuancierte Sicht auf die prognostizierte Entwicklung bieten. Eine derartige Vorgehensweise kann es ermöglichen, die oftmals als alternativlos präsentierten Zukunftsvisionen zu relativieren und den Diskursraum für potenzielle Lösungsansätze zu erweitern. Zusätzlich ist es essenziell, insbesondere wenn die prognostizierte Krisensituation, wie etwa das Beispiel der Klimakrise, allgemeine Anerkennung findet und durch eine umfassende Datengrundlage gestützt wird, die Notwendigkeit und Wirksamkeit der geforderten Maßnahmen zu evaluieren. Dies schließt eine kritische Betrachtung der mit den vorgeschlagenen Interventionen assoziierten Interessen, Intentionen und Kontexte der involvierten Akteure ein. Durch diese doppelte Strategie kann nicht nur die Glaubwürdigkeit der düsteren Zukunftsprognosen hinterfragt, sondern ebenso die Legitimität und Wirksamkeit der avisierten Lösungsvorschläge umfassend evaluiert werden.

Beispiele

(1) „Armageddon“

Mit deutlichen Worten hat US-Präsident Joe Biden vor der Gefahr einer atomaren Konfrontation mit Russland gewarnt. Nach Drohungen aus dem Kreml sei die Gefahr einer Eskalation mit dramatischen Folgen so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr, sagte Biden am Donnerstagabend (Ortszeit) laut mitreisenden Journalisten bei einem Auftritt in New York. Die Welt habe seit der Kubakrise im Jahr 1962 nicht vor der Aussicht auf ein »Armageddon« gestanden, so Biden. Die Nato muss nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten die Möglichkeit eines russischen Atomwaffeneinsatzes verhindern – notfalls mit Präventivschlägen. (Spiegel 2022)

Deutlich tritt der Topos der düsteren Zukunftsprognose in dem Beispiel hervor, in welchem der US-Präsident Joe Biden vor einem atomaren Krieg ausgehend von Russland warnt, dem laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch sogenannte Präventivschläge vorzubeugen sei (‚Angriff ist die beste Verteidigung‘).

Die Prämisse dieses Beispiels gründet auf der unmittelbaren Bedrohung einer Eskalation zwischen den USA und Russland, welche potenziell katastrophale Konsequenzen zur Folge haben könnte. Das handlungsleitende Konzept drückt sich in der Notwendigkeit aus, durch präventive Maßnahmen, einschließlich der Bereitschaft zu Präventivschlägen als letztes Mittel, einen möglichen atomaren Konflikt abzuwenden. Diese Strategie unterstreicht die Dringlichkeit der Situation und die entschlossene Haltung, um jeden Preis eine düstere Zukunft zu verhindern.

Auf der lexikalischen Ebene manifestiert sich der Topos mit Begriffen wie Armageddon und Eskalation durch einen speziellen Wortschatz der Angst, der eine starke emotionale Reaktion hervorruft und die Ernsthaftigkeit der Gefahr verdeutlicht. Die Warnung von US-Präsident Joe Biden, untermauert durch den Vergleich mit der Kubakrise, bildet sowohl den Autoritäts-Topos, der die Bedeutung der amtlichen Aussage hervorhebt, als auch den Analogie-Topos, der historische Parallelen zieht, ab.

(2) Überlastung der sozialen Infrastruktur

Das nachfolgende Zitat entstammt einem Interview von T-Online mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz:

Dieses Jahr sind so viele Menschen zu uns gekommen wie seit 2015 nicht mehr. In Deutschland leben nun mehr als 84 Millionen Menschen, mehr als je zuvor. Darauf ist die Infrastruktur dieses Landes schlicht nicht ausgerichtet. Deutschland nimmt sehr viele Menschen auf. Im europäischen Vergleich ist das soziale Netz, das wir spannen, aber auch sehr groß. Mit der zukünftig „Bürgergeld“ genannten Sozialleistung lohnt es sich auch für Zuwanderer häufig nicht mehr, eine einfache Tätigkeit aufzunehmen. Und genau das zieht die Menschen aus vielen Ländern erst richtig an, es schafft einen sogenannten Pull-Faktor. (T-Online 2022)

Merz befindet sich zum Zeitpunkt des Interviews in der Opposition zur regierenden Ampel-Koalition, was es bei seiner Argumentationsstrategie zu beachten gilt, da er sich somit in einer kritisierenden Position befindet und keine direkte Handlungsmacht ausüben kann. Obertitel und Titel des Interviews lauten Friedrich Merz über Flüchtlinge: Damit verschärft sich das Problem. Bereits der Titel weist den zu untersuchenden Topos auf, indem eine Verschärfung des sogenannten Problems prognostiziert wird. Im Laufe des Interviews ‚warnt‘ Merz vor geflüchteten Menschen und konstruiert so ein düsteres Bedrohungsszenario von ‚Menschenmassen‘, welche in Deutschland Sozialleistungen erhielten, keiner Arbeit nachgingen und somit mittelbar die deutsche Gesellschaft bedrohen würden.

Die Prämisse in diesem Beispiel ist die deutliche Zunahme der Zuwanderung nach Deutschland und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Infrastruktur und das Sozialsystem. Das von Merz vermittelte zentrale Anliegen ist die Notwendigkeit, die Migrations- und Sozialpolitik zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um die prognostizierten negativen Konsequenzen zu vermeiden. Lexikalisch erfolgt die Konstruktion des Topos durch Begriffe wie so viele Menschen, mehr als je zuvor, und Pull-Faktor, welche die Dringlichkeit der Situation und die potenzielle Überforderung der deutschen Infrastruktur und Gesellschaft hervorheben.

(3) Überlastung der medizinischen Infrastruktur

Der SPD-Abgeordnete und aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist während der Coronapandemie dafür bekannt geworden, stets vor einem düsteren Pandemieszenario zu warnen und dadurch die Bevölkerung zur Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen zu bewegen. So warnte er bspw. vor steigenden Fallzahlen, Überlastungen der Kliniken und Krankenhäusern, vielen Todesfällen oder Long-Covid bei nicht Geimpften. Besonders deutlich trat die Warnung vor dieser düsteren Zukunft hervor, als Lauterbach vor dem Corona-Herbst warnte und somit argumentierte, die Pandemie sei noch nicht bekämpft und man dürfe nicht alle Maßnahmen fallen lassen.

Die Überschrift des Beispiel-Artikels lautet: Lauterbach warnt vor Corona-Herbst: ‚Es stehen schwierige Zeiten bevor‘. Weiter geht der Artikel folgendermaßen:

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Deutschen wegen steigender Fallzahlen auf einen schwierigen Corona-Herbst eingestimmt. Mit der Omikron-Subvariante BA.5 werde man zumindest am Anfang des Herbstes einen Anstieg der Fallzahlen erleben, sagte der SPD-Politiker der ‚Welt am Sonntag‘. „Es wird dann zu Ausfällen in den Betrieben und der kritischen Infrastruktur kommen, etwa in Krankenhäusern. Es stehen uns also schwierige Zeiten bevor.“ Dies sei besonders dann der Fall, wenn der Aufenthalt in Innenräumen wegen der kalten Temperaturen zur Regel werde. (RND 2022)

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Römer, David (2017): Wirtschaftskrisen. Eine linguistische Diskursgeschichte. Berlin/Boston, S. 220–334

  • Belosevic, Milena (2021): Die Stimmung kippt (nicht von allein): Sprachliche Angstkonstruktion im Flüchtlingsdiskurs. In: Filatkina, Natalia; Bergmann, Franziska (Hrsg.): Angstkonstruktionen: Kulturwissenschaftliche Annäherungen an eine Zeitdiagnose. Berlin, Bonston: De Gruyter, S. 291–318.

Zitierte Literatur

  • Belosevic, Milena (2021): Die Stimmung kippt (nicht von allein): Sprachliche Angstkonstruktion im Flüchtlingsdiskurs. In: Filatkina, Natalia; Bergmann, Franziska (Hrsg.): Angstkonstruktionen: Kulturwissenschaftliche Annäherungen an eine Zeitdiagnose. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 291–318.
  • Filatkina, Natalia; Bergmann, Franziska (2021): Angstkonstruktion: Interdisziplinäre Annäherungen an eine Zeitdiagnose und ein Versuch ihrer linguistischen und literaturwissenschaftlichen Präzisierung. In: Filatkina, Natalia; Bergmann, Franziska (Hrsg.): Angstkonstruktionen: Kulturwissenschaftliche Annäherungen an eine Zeitdiagnose. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 1–30.
  • Georgi, Christopher (2021): Angstkonstruktionen zwischen „sinnvoller Vorsicht und sinnloser Panik“: Eine korpuspragmatische Studie zu Sprachgebrauchsmustern im Umfeld des Lexems Angst in Online-Zeitungen. In: Filatkina, Natalia; Bergmann, Franziska (Hrsg.): Angstkonstruktionen: Kulturwissenschaftliche Annäherungen an eine Zeitdiagnose. Berlin, Boston: De Gruyter, S. 219–264.
  • Römer, David (2017): Wirtschaftskrisen. Eine linguistische Diskursgeschichte. Berlin, Boston: De Gruyter.

  • RND (2022): Lauterbach warnt vor Corona-Herbst: „Es stehen schwierige Zeiten bevor“. In: RND.de. Online unter: https://www.rnd.de/politik/karl-lauterbach-warnung-vor-corona-herbst-es-stehen-schwierige-zeiten-bevor-PFTRQWP5CQYKLCRRVRAEBBI4IA.html ; Zugriff: 03.04.2024.

  • Spiegel (2022): Biden warnt vor »Armageddon«. In: Spiegel.de. Online unter: https://www.spiegel.de/ausland/joe-biden-warnt-vor-armageddon-konfrontation-mit-russland-a-ffa0eead-9edf-4075-897e-30d3bb6af3dd ; Zugriff: 03.04.2024.

  • T-Online (2022): Friedrich Merz über Flüchtlinge „Damit verschärft sich das Problem“. In: t-online.de. Online unter: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100060980/ukraine-krieg-cdu-chef-friedrich-merz-warnt-vor-vielen-fluechtlingen.html ; Zugriff: 03.04.2024.

  • Wengeler, Martin (2003): Topos und Diskurs. Begründung einer argumentationsanalytischen Methode und ihre Anwendung auf den Migrationsdiskurs (1960–1985). Tübingen: Niemeyer.

  • Wengeler, Martin (2021): Topos. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 03.11.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/topos ; Zugriff: 03.04.2024.

Zitiervorschlag

Peters, Hauke und Gorzel, Svenja (2024): Topos der düsteren Zukunftsprognose. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 04.04.2024. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/topos-der-duesteren-zukunftsprognose.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

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Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

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Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…