DiskursGlossar

Analogie-Topos

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Exemplum-Topos, Argumentationsmuster, Analogie, Analogieargument, (Gegen)Beispiel
Siehe auch: Topos, Autoritäts-Topos, Gefahren-Topos, Topos der düsteren Zukunftsprognose
Autor: Denis Gerner
Version: 1.0 / Datum: 07.03.2023

Kurzzusammenfassung

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken. Sachverhalte und Referenzphänomene gelten dabei als analog, wenn sie als ‚vergleichbar‘ oder ‚gleichartig‘ perspektiviert werden können. Wengeler gibt die allgemeine Form des Topos wie folgt an:

Weil in einem anderen Sachbereich / in einem anderen Land eine in relevanter
Hinsicht mit der anstehenden Handlung vergleichbare Handlung zu positiven
bzw. negativen Folgen geführt hat, sollte die in Frage stehende Handlung
ausgeführt / nicht ausgeführt werden
(Wengeler 2003: 321).

Akteure behaupten dabei in einem Diskurs mit dem Analogie-Topos die Vergleichbarkeit von zwei Sachverhalten: Die Analogie vermag eine Argumentation zu stützen, insofern der Vergleichbarkeit zugestimmt wird, scheitert aber, wenn die Vergleichbarkeit (erfolgreich) infrage gestellt werden kann. Der vergleichbare Fall kann sich auf ein reales oder auch kontrafaktisches oder fiktives Szenario beziehen. Häufig wird der Analogie-Topos in einer Argumentation von (z.B. politischen) Akteuren genutzt, um einen anderen Topos zu bekräftigen bzw. diesen zu veranschaulichen und damit bei der Zielgruppe die (un)erwünschte Handlung als eine (un)plausible Konsequenz aussehen zu lassen.

Erweiterte Begriffsklärung

In der klassischen formalen Logik der Philosophie besteht ein gültiges Argument aus einer oder mehreren Prämissen und mindestens einer Konklusion. Wenn das Argument eine gültige Form besitzt, dann ist die Konklusion zwingend. Will man ein Argument logisch entkräften, so gilt es, eine oder mehrere Prämissen zu widerlegen. Bei dem Argumentationsmuster des Analogie-Topos kann das zugrundeliegende Schema wie folgt dargestellt werden:

  1. Prämisse: Wenn Fall A analog ist zu Fall B und wenn Fall A Wirkung P hat, dann ist es erwartbar, dass Fall B ebenfalls zur Wirkung P hat.
  2. Prämisse: Fall A ist analog zu Fall B und Fall A hat zur Wirkung P.
    Konklusion: Es ist erwartbar, dass auch Fall B die Wirkung P hat.

Während die logisch-gültige Form sicherstellt, dass das Argument einem anerkannten Schlussmuster folgt (d.h. bei allen formgleichen Argumenten ebenso aus wahren Prämissen eine wahre Konklusion folgt), so sind es die Inhalte (und ihre Bewertung), die das Argument zu einem guten oder sog. ‚triftigen‘ Argument machen. Das bedeutet, eine Analogie wird dann als einleuchtend (triftig) erachtet, wenn die Fälle vergleichbar sind und erwartbar ist, dass im analogen Fall die analoge Wirkung eintritt. Oder auf das Schema bezogen, wenn den Prämissen eins und zwei zugestimmt wird. Es ist hierbei wichtig zu betonen, dass der Analogie-Topos (im Gegensatz zur logischen Argumentation) keinem z.B. aussagenlogischem Schlussmuster folgen muss, nicht einmal ,wahr‘ zu sein braucht, um zu ,funktionieren‘ und seinen (strategischen) Zweck zu erfüllen – im Gegensatz etwa zum sogenannten Analogieargument  aus der philosophischen Logik.

Der Gebrauch des Argumentationsmusters findet sich in der Alltagskommunikation in trivialen Kontexten (Stell dir vor, wir wären in dieser Situation) und reicht bis zu den Debatten im Bundestag oder in Expertenausschüssen. Die Anwendung von Analogie- und anderen Topoi setzt zwar Weltwissen voraus, bedarf aber keiner expliziten Kenntnisse der impliziten Argumentationsstrukturen, da diese von Sprechern intuitiv angewandt werden.

Ein konkretes Beispiel: In der Debatte um die Legalisierung von Cannabis finden sich regelmäßig Analogien. Eine dieser Analogien wird häufig von Cannabis-Befürwortern vorgebracht und hat folgendes prototypisches Muster:

  1. Alkohol ist schädlich(er als Cannabis), aber legal.
  2. Cannabis ist weniger schädlich (als Alkohol), aber verboten.

    Also: Cannabis sollte ebenfalls legal sein.

Die implizite Voraussetzung ist hierbei, dass der Status der Legalität abhängig von der Schädlichkeit einer Droge sei. In der politischen Kommunikation läuft die Analogie darauf hinaus: Würde man dem Vergleich zustimmen, wäre von der Gesetzgebung nun zu erwarten, konsequent zu sein, indem der Gesetzgeber Gleiches gleichbehandelt. Hierbei wird bereits deutlich, dass der Analogie-Topos eine argumentationsstützende Funktion besitzt und häufig im Zusammenspiel mit anderen Topoi eingesetzt wird – hier mit dem Fairness/Gerechtigkeits-Topos. Nach Wengeler fungiert der Analogie-Topos i.d.R. „als zusätzliche Stütze eines bereits hergestellten Sachverhaltzusammenhangs“, häufig im Zusammenhang mit dem „Gefahren-Topos“ (Wengeler 2003: 321) oder anderen Topoi (siehe hierzu auch Beispielsektion). 

Nun ließe sich bei der Beispielargumentation anführen, dass die Analogie der Sache nicht gerecht wird: In einer beispielhaften Erwiderung könnte entgegnet werden, dass Alkohol zwar schädlich sei, aber durch die langjährige Tradition ein bedeutsames Kulturgut darstelle und deshalb legal sei. Das Argument zielt darauf ab, die Vergleichbarkeit zurückzuweisen und den Aspekt des ‚Verboten, wegen der Schädlichkeit‘ zu eliminieren und stattdessen darauf zu verweisen, dass legal ist, was auf einer Kulturtradition beruht. Eine andere Argumentationsstrategie könnte die Vergleichbarkeit akzeptieren und die Schädlichkeit in den Vordergrund rücken: Weil es so viele Probleme mit Alkohol gibt, sollte nicht auch noch Cannabis legal sein, da es dann damit (noch mehr) Probleme gibt. Hier liefe die Erwiderung auf die ungewünschten Folgen aus dem bekannten Fall hinaus (siehe Konsequenz-Topos).

Unabhängig davon, welcher Argumentation man folgen möchte, das wiederkehrende Muster des Analogie-Topos ist ein vergleichbarer Fall, welcher die gewünschten/ungewünschten Wirkungen auf den zu diskutierenden Fall erwartbar machen soll. Will man der Analogie nicht folgen, so müssen Gründe aufgezeigt werden, warum der Fall nicht vergleichbar ist und somit auch die Konsequenz nicht erwartbar (oder eine andere) ist.

In der strategischen Kommunikation werden Analogien (gezielt) als Technik eingesetzt, um bei einer Zielgruppe eine zustimmende Haltung für eine bestimmte Position zu gewinnen. Diese Strategie ist umso erfolgversprechender, je einleuchtender und intuitiver die gewählte Analogie bei der Zielgruppe ist. Dabei funktioniert der Analogie-Topos in ‚verschiedene Richtungen‘, d.h. die Analogie kann darauf abzielen, zu zeigen, warum eine nicht wünschenswerte Konsequenz erwartbar wäre, da eine ungewollte Wirkung bereits im vergleichbaren Fall auftritt oder vice versa. Ein gescheiterter Analogie-Topos kann hingegen bewirken, dass ein sonst valider Punkt entkräftet oder sogar ins Lächerliche gezogen wird. Will man nun der Analogie nicht folgen oder den strategischen Einsatz des Analogie-Topos aufdecken (siehe auch entlarven), so besteht die Möglichkeit, entweder aufzuzeigen, dass die Analogie in der Sache nicht vergleichbar ist und somit in relevanten Punkten vom zur Diskussion stehenden Fall abweicht, oder man verweist auf die Gegenargumente, welche beim analogen Fall gegen die zu erwartende Konsequenz vorgebracht werden. Schaut man sich das Schema an, so ist es entweder die erste Prämisse, welche im Fokus steht – also warum es eben nicht erwartbar ist, dass im Fall B die analoge Wirkung auftritt – oder die zweite Prämisse, warum die Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Da der Analogie-Topos häufig mit anderen Topoi zusammen auftritt, so lässt sich auch der strategische Einsatz von dem anderen eingesetzten Topos aufdecken und erwidern. Die Infragestellung des Argumentationsmusters drückt sich häufig auch in Äußerungen aus wie Der Vergleich hinkt oder in Form von Redewendungen wie Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

Beispiele

(1) Ukraine-Konflikt: Verschiebung von Grenzen

In dem folgenden Beispiel aus der Politik in einem Artikel des Bayerischen Rundfunks über den Ukraine-Konflikt findet sich ein wiederkehrend vorgetragener Analogie-Topos. Hier wird zunächst das zu entkräftende Argument paraphrasiert wiedergegeben:

„Bereits vergangenes Jahr erklärte Wladimir Putin in einem Artikel auf der Kreml-Website, dass Russen und Ukrainer historisch gesehen eigentlich ein gemeinsames Volk seien. Deshalb betont er auch jetzt, dass die Ukraine nie eine echte Staatlichkeit besessen habe. Und Putin sagt: Das Land sei eine westliche „Kolonie mit einem Marionettenregime“, in der gegen die russischsprachige Bevölkerung eine Politik der „Zwangsassimilierung“ geführt werde.“ (BR 2022)

Die daraus resultierende Konsequenz wird nun im Anschluss von einem Historiker durch einen Vergleich aufgegriffen:

„In der Tat: Russland und die Ukraine haben eine sehr miteinander verflochtene Geschichte. Beide sind aus dem ersten ostslawischen Staat entstanden, der Kiewer Rus. Allerdings hatten auch Deutschland und Frankreich im Mittelalter eine gemeinsame Geschichte, erklärt Historiker Schulze Wessel: „Niemand würde behaupten, dass deswegen Frankreich keine Nation oder Deutschland keine Nation wäre.““ (BR 2022)

Der Historiker zeigt mit seiner Analogie, dass diese eine unhaltbare Konsequenz zur Folge hätte, und zwar wäre nach der Argumentation des Kremls auch die staatliche Integrität von Deutschland oder Frankreich anzweifelbar. Durch den analogen Fall, hier die Geschichte Deutschland-Frankreich, und die unhaltbare Konsequenz, die Anzweiflung der Integrität Deutschlands und Frankreichs, kann die Plausibilität der Argumentation des Kremls abgewiesen werden.

(2) Gescheiterter Analogie-Topos im Bundestag aufgegriffen von der Heute Show

Der Moderator der Heute Show, Oliver Welke, leitet einen Beitrag aus dem Bundestag ein mit: „Hier, beklopptester Vergleich des Jahres!“. In dem daraufhin gezeigten Beitrag spricht Tino Sorge (CDU/CSU) zum Bundestag über die Corona-Impfpflicht:

„Wir sagen eben, man kann bei der Frage: Impfpflicht ja oder nein, nicht sofort und gleich, pauschal entscheiden. Ich sage Ihnen, das ist wie bei der Frage: Sind Sie/bist Du für die Ehe – ja oder nein? Da kann man nur sagen: Es kommt darauf an. Es muss die richtige Frau da sein, es muss der richtige Zeitpunkt da sein und es müssen die Umstände passen.“ (Heute Show 2022)

Während dieser Analogie-Topos von Tino Sorge vorgetragen wird, sind in der Aufnahme immer wieder schüttelnde Köpfe von Abgeordneten des Bundestags zu sehen. Die Heute Show nutzt diesen Umstand gezielt als Gegenstrategie gegen den vorgetragenen Vergleich, um zusätzlich die Lächerlichkeit des eingesetzten Vergleichs zu inszenieren. Die Reaktionen aus dem Bundestag lassen absehen, dass die Analogie als nicht erfolgreich erachtet wurde.

(3) Markus Söder: Master und Meister Analogie

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Abb. 1: Instragramm-Post von Markus Söder zum kostenlosen Meister in Bayern. Quelle: https://www.instagram.com/p/Cnj0SoBoj39/?igshid=YmMyMTA2M2Y%3D ; Zugriff: 02.03.2023.

In diesem Instagram-Post vergleicht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den Hochschul-Master mit der Meister-Ausbildung im Handwerk. Schlüsselt man die Strategie auf, so geht es darum, Zustimmung bei einer bestimmten Wählergruppe durch den kostenlosen Meister zu erzielen. Strategisch wird dabei ein Gefühl der Unfairness über einen Vergleich gegenüber dem Hochschul-Master erzeugt: Es ist unfair, dass der Master gratis ist, die Meisterausbildung dagegen viel Geld kostet. Bei der Zielgruppe (Personen und Auszubildende im Handwerk; nicht-Akademiker usw.) kann eine zustimmende Haltung für die konstatierte Unfairness und das politische Ziel eines kostenlosen Meisters antizipiert werden. Die Gegenstrategie würde sich hierbei weniger auf die Analogie beziehen – die Konsequenz, den Meister kostenlos zu machen, kann sogar für beide Seiten als durchaus wünschenswert erachtet werden – sondern auf die konstatierte Unfairness (vgl. Gerechtigkeits-Topos): Der Hochschul-Master ist keineswegs „gratis“, Studierende zahlen Semesterbeiträge, müssen teure Mieten in der Großstadt zahlen usw.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Kienpointer, Manfred (1992): Alltagslogik: Struktur und Funktion von Argumentationsmustern. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog. ISBN 9783772814624.

Zitierte Literatur

Abbildungsverzeichnis

Zitiervorschlag

Gerner, Denis (2023): Analogie-Topos. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 07.03.2023. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/analogie-topos.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Sagbarkeit

Im öffentlichen Diskurs findet sich häufig die strategische Behauptung, dass bestimmte Fakten oder Meinungen unsagbar seien. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass es Grenzen des Sagbaren gebe, die im öffentlichen Diskurs Geltung hätten.

Kulturelle Grammatik

Kulturelle Grammatik steht für ein System von Regeln und/oder etablierten Regelmäßigkeiten, die Formen richtiger und/oder normaler Kommunikation und Interaktion auszeichnen.

Begriffe besetzen

In der Linguistik wird von ‚Begriffe besetzen‘ oder von ‚semantischen Kämpfen‘ gesprochen, wenn Akteure versuchen, Wörter oder Phrasen mit bestimmten, meist parteispezifischen Bedeutungen zu prägen, oder umgekehrt für einen bestimmten Sachverhalt eine prägnante Bezeichnung zu finden. Diese Bezeichnungspolitik zielt darauf, die eigene (politische) Position zu stärken und meistens auch gleichzeitig die gegnerische Position zu schwächen.

Techniken

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Wahlkampf

Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.

Wir

Das Pronomen wir erfüllt aber noch eine weitere diskursive Funktion: Ein Fundament des politischen Diskurses sind dynamische politische Ideologien: Glaubens- und Wissenssysteme von politischen und sozialen Gruppen.

Petition

Petitionen sind eine der am meisten genutzten Partizipationsformen nach Wahlen. Sie sind sowohl ein Mittel der politischen Beteiligung als auch ein Protestmittel und damit Zwitterwesen in der politischen Landschaft. Durch die Digitalisierung haben sich Petitionen zudem maßgeblich verändert, ihre Zahl hat zugenommen, ebenso wie die Zahl der Plattformen, auf denen sich Petitionen starten lassen.

Influencer / Influencerin

Influencer:innen sind Personen, die auf Social-Media-Plattformen regelmäßig selbst produzierte Inhalte publizieren und damit eine öffentliche Reichweite über ihre Follower:innen aufbauen. Influencer:innen haben das Potenzial, Rezipient:innen in ihrem Wissen, Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen (engl. to influence).

Litigation PR

Der Begriff Litigation PR kombiniert das englische Wort litigation, das auf lat. ,lītigātiō‘ zurückgeht und für Rechtsstreitigkeit bzw. (Gerichts )Verfahren/Prozess steht, mit dem bekannten Begriff PR (Public Relations).

Memes

Der Begriff des Internet-Memes fasst eine relativ heterogene Gruppe digitaler – und zumeist multimodaler – Texte zusammen (zum Beispiel Videos, GIFs, Image Macros), die sich durch formale oder inhaltliche Gemeinsamkeiten auszeichnen und durch Imitations- und Aneignungsprozesse verbreiten.

Aufwertung/Meliorisierung

Von Aufwertung/Meliorisierung wird in der Linguistik dann gesprochen, wenn ein Wort, das ursprünglich als Fremdbezeichnung der Diffamierung einer bestimmten Volks- oder Personengruppe diente, von dieser selbst dann als positive Eigenbezeichnung verwendet wird.

Schlagwörter

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Geschlechtergerechte Sprache

Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.

Identitätspolitik

Der Ausdruck steht heute für eine politische Konstellation, in der konkurrierende Wir-Gemeinschaften mit einer Diskriminierungs- und Benachteiligungsgeschichte in der Öffentlichkeit um Anerkennung konkurrieren. An der Oberfläche geht es ‚identitären‘ Wir-Gemeinschaften darum, die eigene Diskriminierung als Ermächtigungsmotiv an die Öffentlichkeit zu tragen.

Cancel Culture

Cancel Culture ist ein Kampf- und Stigmawort, das sich in skandalisierender Absicht gegen die Praxis (und oft auch bereits gegen die Forderung) des Absagens, Ausladens, Boykottierens moralisch missliebiger und politisch bekämpfter Personen, Organisationen und Positionen in Wissenschaft, Kultur und Politik wendet.

Elite

Einmal wird unter Elite eine Auswahl der Besten und Leistungsfähigsten verstanden, einmal in distanzierender Weise eine abgehobene ‚Kaste‘ der Reichen und Mächtigen im Gegensatz zum Volk. Erstere Variante wird in der Regel zur Verteidigung der etablierten Ordnung verwendet, letztere vor allem von Rechtspopulisten.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Satzsemantik von Vorhersage und Nutzen-Risiko-Abwägung: Die STIKO-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige vom 18. August 2021

“Die Forschung muss… sich in die Lage versetzen, die politischen Implikationen, die sie hat, anzunehmen und auszuforschen, um nicht beim ersten Knall der Peitsche durch alle ihr vorgehaltenen Reifen zu springen. Diese Integrität kann die Wissenschaft gerade dadurch unter Beweis stellen, dass sie dem herrschenden Druck, praktische Tabus in theoretische umzuwandeln, widersteht” (Beck 1986, 283)

Review-Rückblick

In dieser Rubrik veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen kurze Notizen zu Ereignissen oder Phänomenen, die in den vergangenen Wochen in der strategischen und öffentlichen Kommunikation zu beobachten waren. Die Texte kommentieren subjektiv, unsystematisch, teils widersprüchlich und hoffentlich pointiert. Sie erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, beobachten ihren Gegenstand aber von einer diskursanalytischen und -interventionistischen Position aus und sollen zum Widerspruch einladen. Sie repräsentieren nicht die Position der Redaktion des Diskursmonitors, sondern ihrer jeweiligen Autorinnen und Autoren.

Rasse, Rassismus

1) Zu Beginn drei exemplarische Medienereignisse aus der jüngsten Vergangenheit, in denen es um den Komplex Rasse, Rassismus ging…

Freund-Feind-Begriffe: Zum diskurssemantischen Feld soziopolitischer Kollektivierung

Mit jeder sprachlichen Äußerung (und das schließt das Nicht-Äußern mit ein) positioniert sich der Sprecher oder Schreiber sowohl innerhalb eines von ihm intersubjektiv (re)konstruierten als auch eines objektiven (d.h. objektivierbaren) diskursiven Raum sozialer Gruppen. Möglich ist dies nur aufgrund der sozialsymbolischen (indexikalischen) Bedeutung kommunikativer Zeichen im Bühlerschen Sinne…

PR, Punk oder Provinz: Wie Corona-Forschung die Öffentlichkeit (nicht) erregt.

Jeden Tag erreichen uns neue Nachrichten, neue Zahlen, neue Grafiken zur laufenden Corona-Pandemie. Wer erinnert sich da noch daran, was vor zwei oder drei Monaten oder vor einer Woche öffentlich diskutiert wurde? Vielleicht sind nur zwei Debatten wirklich in unserem öffentlichen Gedächtnis hängen geblieben, unter anderem, weil sie es zu eigenen Twitter-Hashtags gebracht haben: #HeinsbergProtokoll und #IchHabeBesseresZuTun…