DiskursGlossar

Wissen

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Episteme, Frame, Ideologie, Kontextmodell, Konzept, Schema, Stereotyp, Vorurteil, Script
Siehe auch: Framing, Diskurs, Macht
Autor: Friedemann Vogel
Version: 1.1 / Datum: 13.02.2023

Kurzzusammenfassung

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

„Wissen ist Macht“ (Bacon): Wissen ist die Voraussetzung für menschliches Handeln, für das Wahrnehmen und Ergreifen von Handlungsalternativen. Wer Einfluss nehmen möchte auf das Denken und Handeln von Kollektiven (Gruppen oder ganze Gesellschaften), versucht das Wissen, das heißt die Wahrheitsannahmen dieser Kollektive in seinem Interesse zu verändern. Kollektives Wissen ist darum eine umkämpfte Ressource und für Eliten ein lohnenswertes Ziel, denn seine Kontrolle verspricht eine stabilere Beherrschung von Gruppen als dies durch äußere Zwänge (etwa Gewaltandrohung) der Fall ist.

Als wissenschaftlicher Terminus ist der Wissens-Begriff heute so omnipräsent wie auch vieldeutig. Die Ansätze der verschiedenen Disziplinen ähneln sich aber. Weitestgehend Konsens ist heute, dass menschliches Wissen einerseits die Wahrnehmung der Welt durch Stereotype (erlerntes ‚Vorwissen‘) vorstrukturiert und Erwartungen modellhaft steuert, andererseits offen ist für neue Wahrnehmungsinhalte (Lernen). In der Diskursforschung wird der Zusammenhang von Wissen, Sprache und Macht empirisch untersucht.

Erweiterte Begriffsklärung

Der Wissensbegriff spielt ähnlich wie der Begriff der Macht in den heutigen Wissenschaften eine zentrale Rolle, wird jedoch je nach Disziplin (etwa in der Soziologie, Sprachwissenschaft, Psychologie und Kognitionswissenschaft) sehr unterschiedlich konkretisiert. Die Diskursforschung – insbesondere jene, die sich auf den Diskurstheoretiker Michel Foucault beruft – bemüht sich um eine theoretische Modellierung des Wissensbegriffs sowie darauf aufbauend um die empirische Analyse und Beschreibung von historischen oder gegenwärtigen Wissensstrukturen bzw. Wissenskämpfen in verschiedenen Domänen (Tätigkeitsbereiche wie Politik, Wirtschaft, Alltag usw.). Vor dem Hintergrund verschiedener Theorietraditionen finden sich in diskursanalytischen Publikationen auch unterschiedliche Ausdrücke und Begriffe für Wissensstrukturen. Fast alle haben gemein, dass sie – mangels direkter Beobachtbarkeit – in modellhafter Weise Annahmen darüber treffen, wie menschliche Kognition, Wahrnehmung und Sprachverarbeitung funktionieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Gedanke, dass individuelles Wissen strukturhaft (schematisiert) ist, durch sinnliche und medial vermittelte Erfahrung geprägt wird und musterhaftes, reziprokes (das heißt wechselseitig erwartbares) Verhalten und Handeln ermöglicht. Wissen in diesem Sinne sind erlernte Wahrheitsannahmen, Annahmen darüber, wie die soziale wie materielle Welt ‚funktioniert‘ und wie man sich in ‚dieser‘ Welt orientieren und verhalten kann.

In der Strategischen Kommunikation steht vor allem die Frage im Vordergrund, wie durch sprachliche und andere Zeichen Einfluss auf kollektives Wissen genommen wird und wie (und warum) sich gesellschaftliches Wissen verändert. Die Akteure in der Praxis (zum Beispiel in Werbeagenturen, Presseabteilungen von Unternehmen oder militärischen Propagandastabstellen) sowie auch in der Forschung untersuchen dabei Alltagsroutinen und Praktiken, durch die Menschen in sozialen Gruppen ihr allgemeines oder auch fachliches Weltwissen generieren, woran (z.B. an welchen Autoritäten oder Medienkanälen) sie sich dabei orientieren und wie sich daraus strategisch-operative Techniken der Handlungsbeeinflussung entwickeln lassen.

In öffentlichen medialen Debatten westlicher Gesellschaften ist Wissen nicht zuletzt auch ein Hochwertwort (vgl. auch: die Wissensgesellschaft), das vor allem an den Diskurs um den ökonomischen Wert der Ressource ‚Ausbildung‘ und dessen Vermarktung (Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit u.ä.) verweist.

Die nachfolgende unvollständige Übersicht zeigt sowohl die Ähnlichkeit als auch die verschiedenen Betrachtungsperspektiven häufig verwendeter Wissensbegriffe:

  • Episteme: Michael Foucault hat diesen aus der aristotelischen Philosophie der Antike stammenden Begriff aufgenommen. Er bezeichnet damit die historisch geltenden bzw. konsensuell geteilten Annahmen über die Produktion von Wahrheit (z.B. Regeln, nach denen kausale Schlüsse gebildet werden dürfen) bzw. wissenschaftlicher Erkenntnis in einer Gesellschaft oder Disziplin: „In einer Kultur, und in einem bestimmten Augenblick, gibt es immer nur eine episteme, die die Bedingungen definiert, unter denen jegliches Wissen möglich ist“ (Foucault 1974: 213). Die ,Epistemologie‘ ist in der Philosophie die Wissenschaft von historischen Epistemen (Erkenntnistheorie).
  • Frame: Der „Frame“-Begriff (,Wissensrahmen‘) stammt aus der kognitionspsychologischen und kognitionslinguistischen Forschung (insb. Minsky 1975; Fillmore 1982; Überblick bei Ziem 2008; Busse 2012), und wird von zahlreichen diskursanalytischen Arbeiten aufgegriffen. ,Frames‘ sind komplexe, durch Erfahrung geprägte Wissensstrukturen aus wechselseitigen und nach Prototypikalität gewichteten Eigenschaftszuschreibungen, die sich auch als Netzwerk vorstellen lassen. Diese vernetzten Wissensrahmen stellen Informationen bereit, um die immer beschränkt bleibenden Eindrücke aus sinnlicher Wahrnehmung (z.B. auch das Lesen einzelner Wörter oder Sätze) einordnen und in einem größeren Zusammenhang verstehen zu können. So genügt das Sehen einer Geburtstagskarte, um Wissen über deren typischen Inhalte, sprachliche und visuelle Gestaltung, den Absender, dem damit verbundenen Ereignis, den erwartbaren Handlungen usw. mental zu aktivieren und damit individuelles Handeln anzuleiten.

    „A frame is a data structure for representing a stereotyped situation, like being in a certain kind of living room, or going to a child’s birthday party. Attached to each frame are several kinds of information. Some is about what can be expected to happen next.“ (Minsky 1975: 212)

    Der Soziologe Erving Goffman verwendete 1974 den Begriff Frame in einem soziokognitiven Ansatz der „Frame“- oder „Rahmen-“ Analyse, um die (soziale) Konstruktion und oft auch strategische Vorstrukturierung von Alltagserfahrungen in Gesellschaften zu beschreiben.

  • Ideologie: Während der Ausdruck Ideologie in der Gemeinsprache vor allem als abwertendes Stigmawort verwendet wird, dient er mit Rekurs auf den Philosophen und Politiker Antonio Gramsci (vgl. 1990-2005: Heft 10, §31) in der Diskursforschung als wertneutraler Begriff zur Beschreibung global wirksamer Wissensrahmen von großen sozialen Gruppen (z.B. völkisch-nationalistische Ideologie, neoliberale Ideologie, marxistische Ideologie u.ä.). ,Ideologie‘ „ist jede Weltanschauung, jede Philosophie, die zu einer kulturellen Bewegung wird, zu einer ‚Religion‘ zu einem ‚Glauben‘ [zu einer diskursiven Realität, Anm. d. Verfass.]“ (Hall 1989: 80; vgl. auch van Dijk 1995).
  • Kontextmodell: Sogenannte (kognitive) ,Kontext- oder Situationsmodelle‘ sind Konzepte aus der Kognitionspsychologie (grundlegend: Johnson-Laird 1990; van Dijk/Kintsch 1983), die vor allem von dem Diskurslinguist Teun van Dijk zur Beschreibung der Möglichkeitsbedingungen für Gespräche und die Reproduktion von Vorurteilen herangezogen werden. Kontext-Modelle stellen für das kommunikative Handeln des Einzelnen kohärente und kollektiv geprägte Kenntnisse über soziale Domänen (Politik, Bildung, Recht u.ä.), Situationen (Ort, Zeit, Umstände), Ereignisse und die dabei beteiligten Akteure (in ihren sozialen und kommunikativen Rollen), Handlungen und Kognitionen (Ziele, Sachkenntnisse, Einstellungen und Emotionen) bereit.

    „Such context models are the mental representations of the subjective interpretations language users construct of the relevant features of the communicative situation. Among many other things, they explain what information of situation or event models are to be included in the meaning of a discourse, and how, conversely, event models are derived from discourse. Moreover, they specify the many pragmatic, stylistic, and other context-sensitive properties of text and talk that are still too often ignored in much psychology of discourse processing.” (van Dijk 1999: 142)

  • Konzept: Der vielfach auch unspezifisch aufgegriffene Begriff (kognitives) Konzept (,Concept‘) geht auf den Psychologen Lawrence Barsalou zurück:

    „By concept I mean the descriptive information that people represent cognitively for a category, including definitional information, prototypical information, functionally important information, and probably other types of information as well. In this regard, my use of concept vaguely resembles intension and sense.” (Barsalou 1992: 31)

  • Konzept, handlungsleitendes: Ekkehard Felder (1995: 3, 47 ff.) führt diesen Begriff im Anschluss an Barsalou in seine diskurslinguistischen Arbeiten ein. Er meint damit von Diskursakteuren wiederholt verwendete sprachliche Prägungen oder Perspektivierungen von Sachverhalten, die Rückschlüsse auf zugrundeliegende – das beobachtbare verbale wie nonverbale Handeln anleitende – Denkmuster und Interessen erlauben. Es handelt sich um „Konzepte bzw. Begriffe der sprachlichen Inhaltsseite, welche die Textproduzenten bei der Konstituierung und Vermittlung von Sachverhalten unbewusst verwenden oder bewusst versuchen durchzusetzen“ (Felder 2006: 18).

  • Schema: Der Begriff (kognitives) Schema (Pl. Schemata) geht auf Frederic Barlett (1932) und David Rumelhard (1975) zurück und wird in der Diskursforschung vielfach unspezifisch als Oberbegriff für Wissensbestände, teilweise auch synonym zu den Ausdrücken Stereotyp und Frame verwendet. In ihm ist der Gedanke relativ stabiler, bewusster oder unbewusster Grundannahmen ausgedrückt, die Prozesse der Informationsverarbeitung und (alltägliches) Verhalten steuern.
  • Stereotype/Vorurteil: Die Begriffe wurden vor allem in der Sozialpsychologie geprägt und werden in Diskursanalysen für die Beschreibung und Erklärung von muster- oder formelhaftem Sprachgebrauch und zur Image-Analyse herangezogen (vgl. Vogel 2010). Unter (kognitiven) ,Stereotypen‘ versteht man dabei – im wertneutralen Sinne – jegliches abstrahierendes, generalisierendes Wissen über einen Sachverhalt, ein Objekt oder eine Personengruppe, das Erwartungen und Wahrnehmung beeinflusst. Stereotype werden vor allem soziokulturell gebildet und sind – einmal gebildet – relativ immun gegen Veränderungen (vgl. Merkens 2000; Todd 2006). Als (kognitive) ,Vorurteile‘ werden solche stereotype Wissensrahmen bezeichnet, die einen Sachverhalt oder eine Personengruppe in pejorativer (negativ bewertender) Weise mental aufrufen.
  • Script: Der auf Roger Schank und Robert Abelson zurückgehende Begriff bezeichnet ein „Ablaufswissen“, also ein Wissen über typische Vorgänge und situationstypische Handlungsabläufe (wie etwa Wissen zu einem Restaurantbesuch).

    „A script is a structure that describes appropriate sequences of events in a particular context. […] Scripts handle stylized everyday situations. They are not subject to much change, nor do they provide the apparatus for handling totally novel situations. Thus a script is a predetermined, sterotyped sequence of actions that defines a well-known situation.” (Schank und Abelson 1977: 41)

Beispiele

(1) Wie wichtig kollektives Wissen für die staatliche Steuerung von Gesellschaften ist, erkennt man leicht an den umfassenden Kontroll- und Regulierungsmechanismen im Bildungssystem: Nicht nur wird Wissen von Lernenden geprüft und zertifiziert (also der Wissensstatus des Einzelnen symbolisch identifiziert und identifizierbar gemacht), sondern auch die Einrichtung neuer Bildungsinstitutionen und die Ausbildung bzw. Auswahl von Lehrkräften unterliegt strengen Kontrollpraktiken. In Deutschland geht der Staat so weit, dass er zumindest den Großteil seiner Lehrkräfte an Schulen und Universitäten durch Verbeamtung besonders stark an sich zu binden versucht. Andererseits versucht das Grundgesetz in Artikel 5 (Absatz 3) die HochschullehrerInnen in ihrer Lehrfreiheit gegenüber staatlichen Eingriffen zu schützen, um eine erneute Instrumentalisierung der Universitäten und ihrer Lehrkräfte wie zu Zeiten des dritten Reiches zu erschweren. Dagegen kaum reguliert sind Versuche der indirekten Einflussnahme durch nichtstaatliche Akteure: Interessensgruppen, Lobbyisten und Thinktanks bieten heutzutage vielfach kostenloses Lehrmaterial vor allem für Schulen im Internet an, ohne dessen strategische Aufbereitung transparent zu machen.

(2) Besonders in Krisenzeiten – globalen Pandemien, Energiekrisen, Kriege – wird kollektives Wissen besonderem Stress ausgesetzt: Erlernte Stereotype, Alltagsroutinen der Wahrnehmung und Wissensverarbeitung funktionieren nur eingeschränkt, die Informationslage ist oft ungesichert und/oder durch ressourcenstarke Interessensgruppen (z.B. globale Konzerne, politische und militärische Gruppen) hohem Druck ausgesetzt. Die Folge ist große Unsicherheit und eine verstärkte Orientierung an etablierten ‚Wissens-Autoritäten‘ (je nach Situation: Eltern, engster Freundeskreis, Prominente, WissenschafterInnen usw.). Doch umso länger eine Krisensituation anhält, desto stärker ‚normalisiert‘ sich die Krisenwahrnehmung und etabliert sich ein neuer Wissens-Status-quo (z.B. ein Bauchgefühl über die Bedeutung steigender oder sinkende Inzidenzzahlen in einer Pandemie). Mit anderen Worten: (Kollektive) Wissensstrukturen tragen sowohl Züge des Statischen und Beharrens, als auch dynamische Züge, um sich an verändernde Lebensbedingungen anzupassen. Je nach Situation hat beides Vor- und Nachteile und kann von strategisch operierenden Akteuren adressiert werden.

(3) Über die Menschheitsgeschichte verteilt haben sich das globale gesellschaftliche Wissen und seine Wahrheitsannahmen wiederholt grundlegend verändert: Galt die Erde (vor Kopernikus) als Scheibe, war an Fernweh jenseits des Meereshorizonts kaum zu denken; die Entdeckung des ‚Erdballs‘ war eine Voraussetzung für die Expansion europäischer Machtexpansion. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts (vor Sigmund Freud) widersprach jegliche frühkindliche Sexualität der ‚Unschuld des Kindes‘ und musste gegebenenfalls ‚geheilt‘ werden; das gleiche gilt im Grunde für manche Teile der Bevölkerung noch heute für gleichgeschlechtliche Sexualität – es dauert(e) Jahrzehnte, bis sich die Akzeptanz dieses Wissens auch in der Gesetzgebung niederschlägt. Besonders einschlagend für die Entwicklung der gesellschaftlichen, ja der globalen Wissensstrukturen waren außerdem medientechnologische Innovationen: die Entwicklung der Schriftkultur (die Wissen ‚speicherbar‘ machte), die Erfindung des Buchdrucks (der die Vervielfältigung von in Schrift ‚gespeichertem Wissen‘ revolutionierte) und der elektronischen Medien (die Wissensverteilung quasi in Echtzeit ermöglichte), schließlich die Erfindung des Internets als heute globaler Raum kollektiver, raum- und zeitübergreifender Wissensverarbeitung.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Merkens, Annette (2000): Stereotype und Personwahrnehmung. Landau: Verlag Empirische Pädagogik.
  • Felder, Ekkehard (2009): Sprache – das Tor zur Welt!? Perspektiven und Tendenzen in sprachlichen Äußerungen. In: Felder, Ekkehard (Hrsg.): Sprache. Berlin; Heidelberg: Springer, S. 13–58.

Zitierte Literatur

  • Barsalou, Lawrence W. (1992): Frames, Concepts, and Conceptual Fields. In: Lehrer, Adrienne; Feder Kittay, Eva (Hrsg.): Frames, fields, and contrasts. New essays in semantic and lexical organization. Hillsdale, New Jersey: Lawrence Erlbaum Associates, S. 21–74.
  • Bartlett, Frederic C. (1932): Remembering. Cambridge: University Press.
  • Busse, Dietrich (2012): Frame-Semantik. Ein Kompendium. Berlin; Boston: De Gruyter.
  • Felder, Ekkehard (1995): Kognitive Muster der politischen Sprache. Eine linguistische Untersuchung zur Korrelation zwischen sprachlich gefaßter Wirklichkeit und Denkmustern am Beispiel der Reden von Theodor Heuss und Konrad Adenauer. Berlin; Bern; Frankfurt am Main; Wien: Lang.
  • Felder, Ekkehard (2006): Semantische Kämpfe in Wissensdomänen. Eine Einführung in Benennungs-, Bedeutungs- und Sachverhaltsfixierungs-Konkurrenzen. In: Felder, Ekkehard (Hrsg.): Semantische Kämpfe. Macht und Sprache in den Wissenschaften. Berlin; New York: De Gruyter, S. 13–46.
  • Fillmore, Charles J. (1982): Frame Semantics. In: The Linguistic Society of Korea (Hrsg.): Linguistics in the morning calm. Selected papers from SICOL. Seoul: Hanshin Publ., S. 111–137.
  • Goffman, Erving (1974): Frame analysis. An essay on the organization of experience: New York: Harper & Row.
  • Gramsci, Antonio (1990-2005): Die Gefängnishefte. Fritz H., Wolfgang; Jehle, Peter; Graf, Ruedi (Übersetzt und Hrsg.). Berlin: Argument-Verlag.
  • Hall, Stuart; Räthzel, Nora (1989): Ideologie, Kultur, Medien, Neue Rechte, Rassismus. Ausgewählte Schriften. Hamburg: Argument-Verl.
  • Johnson-Laird, Philip N. (1990): Mental models. Towards a cognitive science of language, inference, and consciousness. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
  • Merkens, Annette (2000): Stereotype und Personenwahrnehmung. Landau: Verlag Empirische Pädagogik.
  • Minsky, Marvin (1975): A framework for representing knowledge. In: Winston, Patrick H.; Horn, Berthold (Hrsg.): The psychology of computer vision. New York: McGraw-Hill, S. 211–277.
  • Nelson, Todd D. (2006): The psychology of prejudice. Boston, Massachusetts: Pearson Education.
  • Rumelhart, David E. (1975): Notes on a Schema for Stories. In: Bobrow, Daniel G. (Hrsg.): Representation and understanding. Studies in cognitive science. New York: Academic Press, S. 211–236.
  • Schank, Roger C.; Abelson, Robert P. (1977): Scripts, plans, goals and understanding. An inquiry into human knowledge structures. New York: Taylor & Francis.
  • van Dijk, Teun A.; Kintsch, Walter (1983): Strategies of Discourse Comprehension. New York: Academic Press.
  • van Dijk, Teun A. (1995): Discourse Semantics and Ideology. In: Discourse & Society, Heft 2, Jg. 6, London: Sage, S. 243–289.
  • van Dijk, Teun A. (1999): Context Models in Discourse Processing. In: van Oostendorp, Herre; Goldman, Susan R. (Hrsg.): The construction of mental representations during reading. Mahwah, N.J: Erlbaum, S. 124–148.
  • Vogel, Friedemann (2010): Linguistische Imageanalyse (LIma). Grundlegende Überlegungen und exemplifizierende Studie zum öffentlichen Image von Türken und Türkei in deutschsprachigen Medien. In: Lobin, Henning; Habermann, Mechthild (Hrsg.) Deutsche Sprache, Heft 4, Jg. 38. Berlin: Schmidt Verlag, S. 345–377.
  • Ziem, Alexander (2008): Frames und sprachliches Wissen. Kognitive Aspekte der semantischen Kompetenz. Berlin: De Gruyter.

Zitiervorschlag

Vogel, Friedemann (2023): Wissen. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 13.02.2023. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/wissen.  

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Sagbarkeit

Im öffentlichen Diskurs findet sich häufig die strategische Behauptung, dass bestimmte Fakten oder Meinungen unsagbar seien. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass es Grenzen des Sagbaren gebe, die im öffentlichen Diskurs Geltung hätten.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein?

Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…