DiskursGlossar

AutoritÀts-Topos

Kategorie: Techniken
Verwandte AusdrĂŒcke: Experten-Topos, Argumentationsmuster
Siehe auch: Topos, Analogie- /Exemplum-Topos, Konsequenz-Topos, Topos der dĂŒsteren Zukunft, Topos vom wirtschaftlichen Nutzen, Be(Über)lastungs-Topos, Gerechtigkeitsargument, Differenzierungstopos, Opfer-Topos
Autor: Martin Wengeler
Version: 1.1 / Datum: 18.10.2021

Kurzzusammenfassung

Mit dem AutoritĂ€ts-Topos wird – angelehnt an formallogische Darstellungen von Argumentationen (OberprĂ€misse plus UnterprĂ€misse ergeben die Konklusion) – mit Bezug oder unter Berufung auf AutoritĂ€ten, oft auf Wissenschaftlerinnen/Experten, in politischen Debatten hĂ€ufig argumentiert, in diesem Fall bezĂŒglich der Richtigkeit/Angemessenheit einer Bewertung:

Was die AutoritĂ€t X ĂŒber die normative These Y sagt, stimmt.
X sagt, daß Y anzunehmen/abzulehnen ist.
Also: Y ist anzunehmen/abzulehnen.
(Kienpointner 1996: 168 f.)

Übertragbar ist das Schema auch auf die Rechtfertigung der Wahrheit eines Sachverhalts: Wenn oder weil AutoritĂ€t X ĂŒber den Sachverhalt Y aussagt, dass er wahr/wahrscheinlich ist, ist der Sachverhalt Y wahr/wahrscheinlich. In den letzten Jahren ist die Leerstelle X oft gefĂŒllt gewesen mit dem Virologen A, dem Robert Koch-Institut, der Klimawissenschaftlerin B oder dem Weltklimarat. Aber AutoritĂ€tsargumentationen sind nicht unumstritten. Denn oft gibt es nicht ,die Wissenschaft‘, auf die man sich berufen kann, wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht allgemein anerkannt, es gibt Expertinnen und Gegenexperten. Insofern wird politisch darum gestritten, auf welche AutoritĂ€t sich zu Recht berufen werden kann. Und es gibt – geschichtlich wie aktuell – AutoritĂ€ten jenseits des wissenschaftlich-aufgeklĂ€rten Weltbildes, auf die sich berufen werden kann, z.B. auf die Bibel oder auf den Koran. Gerade bezĂŒglich der aktuellen Themen Corona und Klima aber ist der AutoritĂ€ts-Topos allgegenwĂ€rtig.

Erweiterte BegriffsklÀrung

Beim AutoritĂ€ts-Topos nun werden AutoritĂ€ten/Experten angefĂŒhrt, um von der Wahrheit oder Richtigkeit einer Aussage oder einer Bewertung zu ĂŒberzeugen: Wenn AutoritĂ€t X etwas sagt oder etwas so und so bewertet, dann ist das der Fall bzw. dann ist die Bewertung richtig. WĂ€hrend etwa im christlichen Mittelalter und in der frĂŒhen Neuzeit vieles unter Berufung auf die AutoritĂ€t der Bibel behauptet oder fĂŒr richtig oder falsch bewertet werden konnte (vgl. Schwitalla 1983 fĂŒr Flugschriften der Reformationszeit oder Klein 2003 fĂŒr die Rechtfertigung von KreuzzĂŒgen), ist heute die Berufung auf wissenschaftliche Erkenntnisse, auf bestimmte WissenschaftlerInnen bzw. ,die Wissenschaft‘ im europĂ€ischen Kulturraum die hĂ€ufigste AusprĂ€gung einer Argumentation mit AutoritĂ€ten. Insbesondere bezĂŒglich der Corona- und der Klima-Krise ist der AutoritĂ€ts-Topos in den letzten Jahren omniprĂ€sent und weithin als wesentliche Berufungsinstanz fĂŒr die BegrĂŒndung/Rechtfertigung politischer Entscheidungen anerkannt – von Angela Merkels „Wir hören auf die Wissenschaft“ und der damit einhergehenden öffentlichen Wahrnehmung von VirologInnen und des Robert Koch-Instituts als politische EntscheidungstrĂ€ger bis hin zu Greta Thunbergs und Fridays For Futures zentraler Argumentation, dass die Klimawissenschaft oder der Weltklimarat bestimmte Diagnosen und Prognosen bereithalten, aus denen politische Entscheidungen/Handlungen etc. quasi-logisch abzuleiten seien: ‚Weil der Weltklimarat sagt, dass die ErderwĂ€rmung im Jahre X so und so hoch sein wird und daraus bestimmte Gefahren erwachsen, denen mit einem schnelleren Kohleausstieg begegnet werden muss, soll die Politik den Kohleausstieg bis 2030 beschließen‘ [oder Ă€hnlich im Original: „[
] braucht es einen Kohleausstieg im Jahr 2030 – der laut zahlreichen Studien eindeutig möglich und zwingend notwendig ist.“ (Fridays For Future 2020)] Und gerade populĂ€re wissenschaftsjournalistische Formate und ErklĂ€rer wie Harald Lesch, Ranga Yogeshwar, Quarks oder maiLab, aber auch ,Influencer‘ als Politik-ErklĂ€rer wie Rezo nutzen intensiv den AutoritĂ€ts-Topos, insofern immer wieder Bezug genommen wird darauf, dass Studien das Gesagte belegt hĂ€tten, etwas wissenschaftlich erwiesen sei oder dass Gutachten, UntersuchungsausschĂŒsse o.Ä. das Gesagte/Behauptete/die Bewertung des Gesagten so herausgefunden oder bestĂ€tigt hĂ€tten. Wichtig ist: Damit soll diese Argumentation weder inhaltlich noch grundsĂ€tzlich beurteilt, sondern nur angedeutet werden, wie zentral gerade in Krisen-Diskussionen der Gegenwart vor allem der Experten-Topos ist.

Wie etwas, das jahrelang u.a. auch mit Berufung auf Experten als wahr und richtig in einem Bereich öffentlich vermittelt worden ist, politische Entscheidungen legitimiert, zeigt David Römer (2017) in seiner Arbeit ĂŒber Wirtschaftskrisendiskurse. Es wird deutlich, wie hier WissenschaftlerInnen, in dem Fall ÖkonomInnen, durchaus unterschiedliche Wahrheiten/Erkenntnisse/Studien/Forschungsergebnisse haben, dass sich aber eine Sichtweise, die auch mit Berufung auf die Wissenschaft als ,wahr‘ und ,richtig‘ begrĂŒndet wird, fĂŒr die Rechtfertigung z.B. der Agenda 2010 durchgesetzt hat: Der dabei mit vermittelte Glaube an einen angeblich ausgeuferten Sozialstaat, daran, dass Staatsverschuldung des Teufels ist, und somit an die sog. ,Schwarze Null‘ wird z.B. im Podcast Wohlstand fĂŒr alle von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt seit einiger Zeit mit Berufung auf eine alternative AutoritĂ€t, eine andere ökonomische Theorie, die modern monetary theory, infrage gestellt (fĂŒr den Podcast siehe hier). Und so gibt es auch bezĂŒglich Corona und Klima (leider) z.T. alternative Experten, auf die sich gerade in Netzformaten mit dem gleichen Argumentations-Topos berufen wird.

Neben einzelnen Experten oder einer Wissenschaft sowie den genannten religiösen AutoritĂ€ten können Argumentierende sich auch auf allgemein anerkannte Texte wie Verfassungen, Vorschriften, die UN-Charta der Menschenrechte, die Genfer FlĂŒchtlingskonvention oder kanonische Werke von Luther ĂŒber Kant bis zu Marx oder Habermas berufen sowie auch auf unbestimmte AutoritĂ€ten wie ,die Mehrheit‘, ,alle politisch Verantwortlichen‘ oder ,die Ökonomen‘. Ottmers (1996: 111 f.) erwĂ€hnt auch fiktive AutoritĂ€ten wie Verstorbene (wenn X mich jetzt hören könnte, wĂŒrde sie mich unterstĂŒtzen) oder Tiere (Katzen wĂŒrden Whiskas kaufen) oder die argumentierende Person selbst als AutoritĂ€t (weil ich das erfahren/selbst gesehen habe/mich da besonders gut auskenne).

Das zuletzt Angesprochene fĂŒhrt zur Frage, inwieweit solche AutoritĂ€ts-Argumentationen kritisch hinterfragt werden können und wie zu erkennen oder zu beurteilen ist, ob Argumentationen mit Berufung auf (wissenschaftliche) AutoritĂ€ten anzuerkennen sind. Die Tatsache etwa, dass sich in den Debatten um angemessene Maßnahmen zur BekĂ€mpfung des Corona-Virus die einen schon einmal auf den Virologen X, die anderen auf Virologin Y berufen haben, zeigt die Notwendigkeit solcher Überlegungen.

GrundsĂ€tzlich gibt es in der Theorie der FehlschlĂŒsse, wie sie auch schon seit der Antike in der Rhetorik entwickelt wird und in der Neuen Rhetorik systematischer u.a. von van Eemeren/Grootendorst (2016) und Reisigl (2007) ausgearbeitet wird, das ,argumentum ad verecundiam‘, also den ,Appell an die Ehrfurcht‘ gegenĂŒber angefĂŒhrten AutoritĂ€ten, bei dem durch die Nennung von Titeln, Verdiensten, gesellschaftlichen (Macht-)Positionen u.Ä. allein schon die Wahrheit oder Richtigkeit eines Arguments beglaubigt, ĂŒberzeugungskrĂ€ftig gemacht werden soll. „Die blinde und uneingeschrĂ€nkt autoritĂ€tsglĂ€ubige Berufung auf das Wissen von Fachleuten oder die moralische Kompetenz von Respektspersonen wird zu Recht als Trugschluß eingestuft“, leitet Kienpointner (1996: 170) in seiner populĂ€rwissenschaftlichen Anleitung „VernĂŒnftig argumentieren“ seine Überlegungen dazu ein, was plausible von trugschlĂŒssigen AutoritĂ€tsargumenten unterscheide. Ich referiere seine Kriterien, weil ich sie als Leitfaden fĂŒr eine Beurteilung von AutoritĂ€tsargumenten fĂŒr sinnvoll halte, auch wenn sie keine endgĂŒltige Klarheit darĂŒber geben (können), wessen AutoritĂ€ts-Topos Zuhörende zu Recht ĂŒberzeugen kann: Die AutoritĂ€tsperson mĂŒsse „korrekt zitiert werden“, „sollte auf ihrem Fachgebiet anerkannt sein“, „sollte das betreffende Urteil auf ihrem Fachgebiet abge[ge]ben [haben]“, „ihr Urteil unvoreingenommen abge[ge]ben [haben]“, „durch andere AutoritĂ€ten ĂŒberprĂŒfbar sein“ und „durch das Einholen von Ansichten von GegenautoritĂ€ten ĂŒberprĂŒft werden“ (ebd.: 170 f.).

Beispiele

(1) Es mĂŒsse bei den Koalitionsverhandlungen, sagt ein FDP-Politiker, „die Bepreisung von Kohlendioxid in den Vordergrund gerĂŒckt werden [
]. Er bezog sich dabei ausdrĂŒcklich auf den Direktor des Potsdam-Instituts fĂŒr Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer. Dieser schlĂ€gt vor, den CO2-Preis fĂŒr Gas, Heizöl, Benzin und Diesel in mehreren Schritten deutlich zu erhöhen und zugleich Ă€rmere Haushalte zu entlasten.“ (Frankfurter Rundschau 28.9.2021: 3) In prototypischer Weise fĂŒr den Klimadiskurs spricht sich ein FDP-Politiker fĂŒr etwas aus, weil ein renommierter Klimaforscher dies vorgeschlagen hat. Prototypisch fĂŒr politische Debatten ist auch, dass der AutoritĂ€ts-Topos (wie andere Topoi auch) nicht ausdrĂŒcklich ausgefĂŒhrt wird, sondern dass der Bezug auf Aussagen eines Klimaforschers ausreicht, um das implikatierte Muster (Vorwissen) beim Rezipienten abzurufen. Auf der Startseite der Fridays For Future ist der AutoritĂ€ts-Topos zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels weitaus prominenter platziert: „Wissenschaftler*innen sagen: Kohleausstieg muss schneller passieren“ (Fridays For Future 2020). Sie sagen dies auf der Grundlage von ,Studien‘ und deshalb muss, so die Argumentation der Fridays For Future, der Kohleausstieg auch frĂŒher erfolgen – eine doppelte AutoritĂ€tsargumentation mit Berufung auf die Personen, also die Experten, die sich wiederum auf ihre ,Studien‘ berufen. WĂ€hrend in diesem Themenfeld die allen politischen Entscheidungen zugrundeliegende Tatsache des menschengemachten Klimawandels nur von wenigen Experten, auf die sich AfD und andere Rechtspopulisten berufen, bestritten wird, geht die politische Auseinandersetzung darum, welche politischen Maßnahmen zur BekĂ€mpfung des Klimawandels beschlossen werden mĂŒssen – und da können sich verschiedene Positionen wiederum auf konkurrierende ExpertInnen berufen.

(2) Dies war auch bezĂŒglich der Angemessenheit von Maßnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus möglich, bei der sich nicht nur das wissenschaftliche Wissen schnell Ă€nderte und daher im Zeitverlauf unterschiedliche Maßnahmen unter Berufung auf ,die Virologen‘ gerechtfertigt wurden, sondern auch zeitgleich aus ,der Wissenschaft‘ unterschiedliche RatschlĂ€ge kamen. Bemerkenswert war hier jedenfalls, dass – anders als beim Thema ‚Maßnahmen zum Klimaschutz‘ – maßgebliche politische AkteurInnen von Beginn an auf die Wissenschaft, die VirologInnen beriefen, um ihre Entscheidungen und Empfehlungen zu rechtfertigen – prototypisch bereits in Angela Merkels Fernsehansprache zu Beginn der Pandemie am 18.3.2020:

„Zur Epidemie – und alles was ich Ihnen dazu sage, kommt aus den stĂ€ndigen Beratungen der Bundesregierung mit den Experten des Robert-Koch-Instituts und anderen Wissenschaftlern und Virologen [
]. Der Rat der Virologen ist ja eindeutig: Kein Handschlag mehr, grĂŒndlich und oft die HĂ€nde waschen, mindestens eineinhalb Meter Abstand zum NĂ€chsten und am besten kaum noch Kontakte zu den ganz Alten, weil sie eben besonders gefĂ€hrdet sind.“ (nwzonline 2020)

Dieses eindeutige „Wir hören auf die Wissenschaft“ der Kanzlerin bzw. der Bundesregierung hatten und haben viele bezĂŒglich Entscheidungen zur Abwendung der Klimakatastrophe vermisst, aber auch hinsichtlich der BewĂ€ltigung der Corona-Krise wurde in der öffentlich-politischen Diskussion immer wieder klar, dass solche Berufungen auf eine scheinbar eindeutige Stimme ,der Wissenschaft‘ auch diskutabel sind. Nicht nur gibt es andere Wissenschaften als die Virologie, die etwas zur BewĂ€ltigung der Probleme beitragen können, sondern auch die Virologie konnte oft nicht mit eindeutigen Ergebnissen, aus denen sich unmittelbar politische Entscheidungen ableiten ließen, aufwarten.

(3) Ein dritter Bereich, in dem sich aktuell fĂŒr verschiedene Positionen auf Expertise berufen wird, ist die Frage gendergerechter Sprache. Diejenigen, die das generische Maskulinum fĂŒr problematisch halten, die also alternative grammatische Formen zur Referenz auf gemischtgeschlechtliche Personengruppen bevorzugen bzw. fordern, um Frauen und in den letzten Jahren auch nicht-binĂ€r zuzuordnende Personen sprachlich mitzureprĂ€sentieren, also nicht nur implizit mitzumeinen, sondern sie auch explizit zu benennen – die also neben Doppelschreibungen wie Lehrerinnen und Lehrer auch das Binnen-I (AnhĂ€ngerInnen) oder Zeichen, mit denen alle geschlechtlichen IdentitĂ€ten sichtbar gemacht werden sollen, also etwa den Stern, den Unterstrich oder den Doppelpunkt (Student*innen, Student_innen, Student:innen) –, berufen sich, zumindest was die Ablehnung des generischen Maskulinums angeht, ebenfalls auf wissenschaftliche Studien: Psycholinguistische Experimente/Studien/Untersuchungen bewiesen, dass mit der grammatischen Form Maskulinum Frauen nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße wie MĂ€nner mitgemeint oder mitgedacht wĂŒrden. Ein beliebiges prototypisches Beispiel: „Auch psychologische Experimente zeigen, dass mĂ€nnliche Personenbezeichnungen und Maskulina allgemein zunĂ€chst mĂ€nnlich interpretiert werden [
].“ (Stefanowitsch 2018: 36) Auf der anderen Seite berufen sich GegnerInnen bestimmter VorschlĂ€ge zu gendergerechten Schreibweisen hĂ€ufig auf die AutoritĂ€t des Duden oder des Rats fĂŒr deutsche Rechtschreibung, um bestimmte Schreibweisen als falsch, nicht erlaubt oder als zu kompliziert abzulehnen. Das geht bis hin zu behördlichen Vorschriften, gendergerechte Sprache nicht zu verwenden, weil der Rat fĂŒr deutsche Rechtschreibung sie nicht erlaube: „Laut Karin Prien (CDU), Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, darf in SchulaufsĂ€tzen und Klassenarbeiten keine Gendersprache benutzt werden. [
] Gendersternchen, Binnen-I und Unterstrich entsprĂ€chen nicht den Regeln des Rates fĂŒr deutsche Rechtschreibung und seien daher nicht korrekt [
].“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland 2021).

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Kienpointner, Manfred (1992): Alltagslogik. Struktur und Funktion von Argumentationsmustern. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog. S. 393–402.

  • Kienpointner, Manfred (1996): VernĂŒnftig argumentieren. Regeln und Techniken der Diskussion. Reinbek: rororo. S. 168–176.

Zitierte Literatur und Belege

  • Bornscheuer, Lothar (1976): Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft. Frankfurt a.M.: suhrkamp.

  • Frankfurter Rundschau (2021): Knackpunkte und Schnittmengen. Online unter: https://www.fr.de/politik/knackpunkte-und-schnittmengen-91017657.html ; Zugriff: 04.03.2023.

  • Fridays for Future (2020): Wissenschaftler*innen sagen: Kohleausstieg muss schneller passieren. Online unter: https://fridaysforfuture.de/sff-statement-kohleeinstieg/ ; Zugriff: 04.10.2021.

  • Kienpointner, Manfred (1992): Alltagslogik. Struktur und Funktion von Argumentationsmustern. Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog.

  • Kienpointner, Manfred (1996): VernĂŒnftig argumentieren. Regeln und Techniken der Diskussion. Reinbek: rororo.

  • Kienpointner, Manfred (2017): Topoi. In: Roth, Kersten S.; Wengeler, Martin; Ziem, Alexander (Hrsg.): Handbuch Sprache in Politik und Gesellschaft. Berlin, Boston: de Gruyter, S. 187–211.

  • Klein, Josef (2003): Politische Rede. In: Ueding, Gert (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. TĂŒbingen: Niemeyer, S. 1469–1517.

  • Nymoen, Ole; Schmitt, Wolfgang M.: Modern Monetary Theory (2020): Warum ein Staat nie pleite geht – WOHLSTAND FÜR ALLE Ep. 25. Podcast. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=N6q0UWgdmbQ ; Zugriff: 14.10.2021.

  • Nordwest-Zeitung Online (2020): Corona-Rede im Wortlaut. Online unter: https://www.nwzonline.de/politik/berlin-corona-rede-im-wortlaut-lesen-sie-hier-merkels-ansprache-an-die-nation_a_50,7,2821516659.html# ; Zugriff: 14.10.2021.

  • Ottmers, Clemens (1996): Rhetorik. Stuttgart; Weimar: Metzler.

  • Redaktionsnetzwerk Deutschland (2021): Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Prien: Gendern in der Schule ist falsch. Online unter: https://www.rnd.de/politik/schleswig-holsteins-bildungsministerin-prien-gendern-in-der-schule-ist-falsch-NLJ3TGNOCJCTPFNR2Y7IYTNB2E.html ; Zugriff: 04.10.2021.

  • Reisigl, Martin (2007): Nationale Rhetorik in Fest- und Gedenkreden. Eine diskursanalytische Studie zum â€˜Ă¶sterreichischen Millenium’ in den Jahren 1946 und 1996. TĂŒbingen: Stauffenburg.

  • Römer, David (2017): Wirtschaftskrisen. Eine linguistische Diskursgeschichte. Berlin, Boston: de Gruyter.

  • Schwitalla, Johannes (1983): Deutsche Flugschriften 1460-1525. Textsortengeschichtliche Studien. TĂŒbingen: Niemeyer.

  • Stefanowitsch, Anatol (2018): Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen. Berlin: Duden.

  • Toulmin, Stephen (1975): Der Gebrauch von Argumenten. Kronberg/Ts: Scriptor-Verl.

  • van Eemeren, Frans H.; Gootendorst, Rob (2016): Argumentation, Communication, and Fallacies. A pragma-dialectical approach. London, New York: Routledge.

     

Zitiervorschlag

Wengeler, Martin (2021): AutoritÀts-Topos. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 18.10.2021. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/Autoritaets-Topos/.

Grundbegriffe

Kontextualisieren

Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.

Narrativ

Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche TĂ€tigkeit, in der man sich mithilfe von GrĂŒnden darum bemĂŒht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klĂ€ren.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung fĂŒr FĂŒhrung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative FĂ€higkeit, lĂ€ngere zusammenhĂ€ngende sprachliche Äußerungen wie ErzĂ€hlungen, ErklĂ€rungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, mĂŒssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage fĂŒr Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die FĂ€higkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhĂ€ngig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, KrĂ€fteverhĂ€ltnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf WahrheitsansprĂŒche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Metapher

In der politischen Berichterstattung ist oft davon die Rede, dass eine bestimmte Partei einen Gesetzesentwurf blockiert. Weil das Wort in diesem Zusammenhang so konventionell ist, kann man leicht ĂŒbersehen, dass es sich dabei um eine Metapher handelt.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff fĂŒr die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers JĂŒrgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚NormalitĂ€t‘ und ‚AnormalitĂ€t‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Techniken

Distanzieren

Distanzieren bezeichnet die Abgrenzung eines individuellen oder organisationalen Akteurs von einem anderen Akteur. Eine Distanzierung kann kommunikativ oder operativ vollzogen werden, d. h. die Abgrenzung findet verbal oder unter AufkĂŒndigung eines ArbeitsverhĂ€ltnisses statt.

Kontaktschuld-Topos

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Schlagbilder

Der Terminus Schlagbild bezeichnet mehr oder weniger inszenierte Bilder. Ihre Bedeutung beruht nicht nur auf ihren sichtbaren (ikonischen) Formen, sondern vielmehr auf den symbolischen Inhalten, die sich durch vielfache mediale Wiederholung und Konventionen gefestigt haben.

InvektivitÀt / MetainvektivitÀt

InvektivitĂ€t ist ein Überbegriff fĂŒr den PhĂ€nomenbereich der Herabsetzung und Ausschließung mittels symbolischer Praktiken. In Invektiven (z.B. Spott, Beleidigung, sprachliche Aggression, Diskriminierung, Hassrede) werden Einzelnen oder Gruppen marginalisierte oder niedrige soziale Positionen zugeschrieben, Zugehörigkeiten zu Gemeinschaften abgesprochen oder IdentitĂ€ten negiert.

Parole

Die Parole ist ein kleines, potentes sprachliches Werkzeug, das in der politischen Kommunikation unerlÀsslich ist und zweckgebunden in politischen Mobilisierungen eingesetzt wird.

Komposita

. In der politischen Rhetorik tragen Komposita zur PrĂ€gnanz und EmotionalitĂ€t von Botschaften bei, indem sie komplexe Sachverhalte und politische Themen in zentralen Begriffen bĂŒndeln, in griffige Schlagworte packen und diese fĂŒr den gesellschaftlichen Diskurs zur VerfĂŒgung stellen (zum Beispiel Krisenmodus, Zeitenwende oder RĂŒckfĂŒhrungspatenschaften).

Nicht-Entschuldigen / Nonpology

Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.

Liken

Die eigentliche Funktion des Likens geht jedoch ĂŒber das Signalisieren von Zustimmung hinaus und ist konstitutiv fĂŒr das Funktionieren sozialer Medienplattformen und das Aushandeln von verschiedenen Formen der SozialitĂ€t auf diesen.

Hashtag

Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbĂŒndelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).

Diminutiv

Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale NĂ€he zu konstruieren (unser LĂ€ndle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein SchĂ€tzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurĂŒckzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).

Schlagwörter

Radikalisierung

Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas ‚tief Verwurzeltes‘ oder ‚Grundlegendes‘. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu Ă€ndern sucht.

BĂŒrokratie

BĂŒrokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender AusdrĂŒcke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen BĂŒrokratisierung, BĂŒrokratismus und Komposita, als wichtigstes BĂŒrokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.

Politisch korrekt / Politische Korrektheit

Der Ausdruck politisch korrekt / Politische Korrektheit und die amerikanischen Vorbilder politically correct /P.C. / Political Correctness (Gegenteile, etwa politisch unkorrekt etc., sind mitzudenken) reprĂ€sentieren ein seit den frĂŒhen Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts populĂ€res Deutungsmuster, mit dem weltanschauliche, Ă€sthetische und politische Konflikte berichtet/bewertet werden, meist zuungunsten der als politisch korrekt bezeichneten Positionen, denen man eine ĂŒberzogene, sowohl lĂ€cherliche als auch gefĂ€hrliche Moralisierung unterstellt.

Kipppunkt

Als öffentliches Schlagwort ist Kipppunkt Teil eines Argumentationsmusters: es behauptet ein ‚Herannahen und baldiges Überschreiten einer unumkehrbaren SachverhaltsĂ€nderung, die fatale bzw. dystopische FolgeschĂ€den auslöst, wenn nicht umgehend bestimmte Maßnahmen eingeleitet oder unterlassen werden.‘

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht fĂŒr die höchste und letzte normative und LegitimitĂ€t setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen GrĂŒndungsakt eine Verfassung gibt.

ToxizitÀt / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lĂ€sst sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schĂ€dlich‘ erweitert hat, doch die UmstĂ€nde, unter denen etwas fĂŒr jemanden toxisch, d. h. schĂ€dlich ist, mĂŒssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwÀrtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezÀhlt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient hĂ€ufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die IllegitimitÀt dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre AnhĂ€nger wechselseitig der LĂŒge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Verschiebungen

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen SicherheitsverstĂ€ndnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurĂŒckzufĂŒhren ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlĂ€ssig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwĂ€rtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-KalkĂŒle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche ĂŒbertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die SphÀre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Partizipatorischer Diskurs

Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, fĂŒr (mehr) Partizipation zu sorgen.

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsĂ€chlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.