
DiskursGlossar
Politische Aktion
Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte AusdrĂŒcke: Handeln, Intervention, Engagement, Protest, Aktivismus
Siehe auch: Agenda Setting, Aufopferungs-Topos, Demokratie, Gewaltaufruf, Guerillakommunikation, Inszenierung, Kampagne, Macht, Parole, Politische Bildung, Protest, Shitstorm
Autor: Sven RöĂler
Version: 1.0 / Datum: 09.11.2025
Kurzzusammenfassung
Politische Aktionen versuchen, Ăberzeugungen in Fragen des Zusammenlebens durch in der Regel öffentlichkeitswirksame Handlungen anschaulich werden zu lassen. Sie zielen entweder direkt auf einzelne Entscheidungen (Deutsche Wohnen enteignen!; AfD-Verbot jetzt!) oder sollen auf institutionelle (#IchBinHanna) oder gesellschaftliche Grundhaltungen einwirken (#MeToo, #BLM). Eine Politische Aktion kann sich individuell â vom SocialMedia-Kommentar ĂŒbers Sprayen bis zur Selbstverbrennung â oder kollektiv (Petition, Blockade), synchron (Demonstration) oder als Kampagne vollziehen.
Diese Praktiken wirken zugleich als Erfahrung zurĂŒck auf die Akteur:innen (âEs hat sich gut/schlecht angefĂŒhlt.â/âUnd dann hat die Polizei TrĂ€nengas eingesetzt, obwohl wir gar nichts gemacht haben!â). Sie stellen also eine bildsame politische Urteils- wie Handlungsform dar: Welche DemosprĂŒche werden skandiert und was bedeuten sie? Was und wen adressieren warum FlugblĂ€tter? Welche sprachlichen/Kleidungs-Codes werden in den Szenen verwendet? Wie ist der Rechtsrahmen z. B. zivilen Ungehorsams? Welche WiderstĂ€nde erlebe ich, wo und von wem Solidarisierung?
Als symbolische Ressource erfĂŒllt die Praktik der Politischen Aktion neben diskursiven Funktionen des Agenda Settings (âMeine Sicht auf die Dinge soll wahr-/ernstgenommen werden!â) ebenfalls â und stets ambivalente â subjektive Funktionen wie Vergewisserung (âAndere sehen es genauso wie ich!â) oder auch soziale des Prestiges oder der Abgrenzung (âAlso ich habe ja daran teilgenommen/Mir ist es ein Anliegen â und was machst du eigentlich dafĂŒr/dagegen?â).
Erweiterte BegriffsklÀrung
Zu den offensichtlichen strategischen und organisatorischen KlĂ€rungsbedarfen, die sich in (der Vorbereitung von) Politischen Aktionen ergeben, lĂ€sst sich leicht eine unĂŒberschaubare Vielzahl von Tutorials, Handreichungen und Ratgebern bei jenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und ZusammenhĂ€ngen finden, fĂŒr deren eigene politische Praxis sie wesentlich sind (vgl. bpsw.: Schmitt et al. o. J.). Im Folgenden soll daher vor allem auf die eher untergrĂŒndig wirksamen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hingewiesen werden, aus denen Politische Aktionen hervorgehen und die daher auch dann in ihnen relevant werden, wenn sie nicht von den Akteur:innen intendiert oder diesen bewusst sind:
Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde in Wissenschaft und Gesellschaft unter dem Schlagwort Politikverdrossenheit noch darum gerungen, inwiefern sich insbesondere âjunge Menschenâ nun von der Verantwortung fĂŒr das demokratische Gemeinwesen selbst distanzieren (âLeider gar keine Lust!â) oder sich lediglich von traditionelleren Formen der Mitgestaltung â einer Parteimitgliedschaft etwa â weniger angesprochen fĂŒhlen. Heute hat die Normalisierung âhistorischerâ ZĂ€suren â eine âZeitenwendeâ folgt auf die nĂ€chste â sowohl die subjektive Erfahrung von Ohnmacht (âWas kann ich als Einzelne:r schon gegen den Klimawandel/einen imperialistischen Angriffskrieg/die gesellschaftliche Verrohung tun?â) verallgemeinert wie aber auch in breiteren Bevölkerungsteilen das BedĂŒrfnis und die Bereitschaft geweckt, einem Ausgeliefertsein entgegenzutreten (âJetzt muss auch ich mich engagieren!â). Selbst die politischen Parteien berichten nach Ereignissen wie dem Scheitern der Ampel-Koalition im Herbst 2024 oder den investigativen Recherchen zu rechtsextremistischen âRemigrationsâ-Phantasien wieder von Eintrittswellen.
Solche gut beschreibbaren OberflĂ€chenphĂ€nomene grĂŒnden tief in den gesellschaftlichen VerhĂ€ltnissen, deren VerstĂ€ndnis zugleich verstellt ist vom Umstand, dass sie uns alle betreffen, wenn auch nicht gleichermaĂen. Durch einen Perspektivenwechsel können wir uns zumindest zeitweise von dieser eigenen Unmittelbarkeit distanzieren. Das ist â ganz praktisch â der Sinn von Theorie; und eine durch âTheorieâ informierte Einordnung insofern auch Gelingensbedingung von âAktionâ, zumal einer politischen.
In der SpĂ€tmoderne verdichten sich die im Kern immer gewaltförmigen WidersprĂŒche der bĂŒrgerlichen Gesellschaft tatsĂ€chlich objektiv zur âkatastrophischen Kriseâ (DemiroviÄ 2022: 40). Auch in den globalen Zentren können beispielsweise Umweltzerstörung und Ausbeutung nicht mehr durch Auslagerung in Randbereiche oder eine unbestimmte Zukunft abgeschwĂ€cht werden. In solchen Situationen gewinnen Politische Aktionen an Bedeutung: Ihr intervenierender Charakter unterbricht oder irritiert das AlltĂ€gliche. Im Anschluss an radikaldemokratische Einsichten sind sie in der âOffenlegung des Dissens als Anwesenheit von zwei Welten in einerâ (RanciĂšre 2018: 35) als Handlungen bereits der Form nach wesentlich âpolitischâ, weil sie Alternativen zum Bestehenden aufzeigen, das eben nicht âso ist, wie es istâ, sondern Folge von Entscheidungen, die auch anders getroffen hĂ€tten werden können. Dagegen wird
[i]nformellen und selbstgesteuerten Formen gesellschaftlicher Mitgestaltung [âŠ] vom etablierten politischen Feld vielfach die Legitimation abgesprochen. Damit steht nicht das politische Subjekt, sondern eine stimmlose Masse des Wahlvolkes im Fokus von Partizipationsprozessen. [âŠ] Politische Partizipation im Konzept âBĂŒrgerschaftliche[n] [sic] Engagementsâ stellt sich so als ein Handeln der BĂŒrger in verfassten und damit kontrollierbaren Formen dar, das durch seine âAktivitĂ€tâ nur vorgibt dem jeweils Einzelnen politische HandlungsspielrĂ€ume zu bieten. Damit wird eine SchlieĂung des etablierten politischen Feldes vollzogen und politische Partizipation erschwert oder gar verhindert statt erleichtert. (Trumann 2013: 10, 12)
Wenn aber das gewohnte und in der Alltagserfahrung erworbene VerstĂ€ndnis des âPolitischenâ gar nicht âpolitischâ ist, bleibt dies nicht folgenlos, wo Politik âgemachtâ wird: Der weltweite Siegeszug einer antiliberalen Internationalen des (prĂ€-)faschistisch AutoritĂ€ren bestĂ€tigt eindrucksvoll den durch Colin Crouch (2008) in den Nullerjahren popularisierten Befund einer âPostdemokratieâ. Die Sorge vor einer unvermittelten Herrschaft der âVielenâ lĂ€sst sich daher nur allzu gut begrĂŒnden: Gerade in der Bundesrepublik schlĂ€gt sie historisch wie gegenwĂ€rtig immer wieder identitĂ€ts- also antipolitisch ins Völkische (âDeutschland den Deutschen!â) um â ein Hauptargument auch in der EinschĂ€tzung der AfD als gesichert rechtsextrem. Das von dieser als âPass-Deutscheâ denunzierte tatsĂ€chlich politische âVolkâ als SouverĂ€n der Demokratie hingegen wird eben nicht irgendwie ethnisch, sondern bloĂ formal, nĂ€mlich ĂŒber die (staats-)bĂŒrgerliche Zugehörigkeit zum Gemeinwesen bestimmt.
Wird Menschen allerdings als vermeintlich âAnderenâ diese Zugehörigkeit kategorisch abgesprochen aufgrund von abstrakt zugeschriebenen Eigenschaften statt durch ihr konkretes Handeln, das sie selbst verantworten können, ist letztlich die demokratische Gleichheit ĂŒberhaupt infrage gestellt. Die entschiedene ZurĂŒckweisung solcher Essenzialisierung ist dabei nicht nur vernĂŒnftigerweise die erste Voraussetzung fĂŒr einen zivilen Umgang miteinander, sondern letztlich auch bitterste Konsequenz aus der Erfahrung des Zivilisationsbruchs im singulĂ€ren nationalsozialistischen Genozid. Dass dieser wirklich stattgefunden hat, zeugt von der realen Möglichkeit â und den Folgen â der Erosion politischer Urteilskraft.
Demokratie ist also gleichzeitig sowohl formal (in ihren Verfahren) wie durch das Gegenteil, nĂ€mlich inhaltlich (in ihren Entscheidungen) bestimmt. Um sich in dieser eigentĂŒmlichen Dialektik orientieren und angeben zu können, inwiefern je konkret etwas unter das eine oder das andere Kriterium fĂ€llt, bedarf es gerade jener Urteilskraft, die daher auch nicht einfach durch vermeintlich eindeutige Regeln oder Definitionen ersetzt werden kann â solche Uneindeutigkeit ist vielmehr Teil der notwendigen Zumutung von Demokratie.
Hannah Arendt (vgl. 2000: 657â725) erkennt im Verlust von politischer Urteilskraft, wie er sich auch im entpolitisierten Alltag (siehe oben) zeigt, das wesentliche Merkmal einer Krise der Moderne im historischen Ăbergang einer an kollektiv verbindenden Interessen orientierten Klassen- zur Massengesellschaft, in welcher nur vermeintlich individuelle Lebensstile kulturell diffundieren â die grundlegenden strukturellen WidersprĂŒche jedoch trotzdem weiter fortbestehen. Unbeschadet der konstitutiven PluralitĂ€t der Menschen fĂŒhrt dies politisch dann zu jener Vereinzelung, in deren Einsamkeit kein mit anderen aushandelbares Urteilen in den gemeinsamen Angelegenheiten mehr möglich ist:
Wo [âŠ] alles Tun im Sinne von Aufbauen nutzlose MĂŒhe wĂ€re â es erinnert sich spĂ€ter ohnehin keiner daran â, bleibt dem Einzelnen, der sich verewigen will, nur das Vernichten. (Pohrt 2000: 211)
Auch symbolische Gewaltakte, nicht nur eines Massenmörders wie Anders Breivik oder in der Bundesrepublik die AnschlĂ€ge von Halle (2019) oder Hanau (2020) in dessen Nachfolge, sind eben keine âEinzeltatenâ. Es sind Varianten Politischer Aktion in der Gestalt âstochastischen Terrorsâ (vgl. Mason 2021: 31â60): Wenn ein Diskurs (z. B. ĂŒber âMigrationâ als âMutter aller Problemeâ) das gesellschaftliche Klima nur hinreichend dominiert, findet sich auch immer jemand, die oder der bereit ist, in den (Aktions-)Formen weiterzugehen als diejenigen, auf deren prinzipielle Zustimmung in der Sache dabei vertraut wird.
Entsprechend verwundert kaum die Wiederkehr des nihilistisch enthemmten âSpieĂersâ im Typus des âregressive[n] Rebellenâ (vgl. Nachtwey/Heumann 2019), des KleinbĂŒrgertums, das auch schon im Nationalsozialismus die soziale Massenbasis bildete, etwa einer âJana aus Kasselâ, die sich auf einer verschwörungsmythologischen Versammlung wie Sophie Scholl âfĂŒhltâ (vgl. Burghardt 2020) und damit ebenso zur Politischen Aktion ĂŒbergeht wie jene Bewegungen, auf denen die zunehmend verzweifelte Hoffnung einer sozial-ökologischen Transformation wirklich beruhen muss im Angesicht des menschengemachten Klimawandels. Solche widersprĂŒchliche Gleichzeitigkeit von Fortschritt und Regression ist typisch fĂŒr âdas Politischeâ, denn auch die autoritĂ€re Sehnsucht nach dem imaginierten (volks-)gemeinschaftlichen âGlĂŒckâ und vulgĂ€rer Libertarismus sind eine fĂŒr tragfĂ€hige Antworten zwar untaugliche, aber eben doch verbreitete Form der KrisenbewĂ€ltigung. Ein genauso untauglicher strategischer Umgang institutioneller politischer Akteur:innen mit den sich verschĂ€rfenden Verteilungskonflikten besteht oft in der immer aufwendigeren Inszenierung einer âNormalitĂ€tâ, die letztlich ein verheerendes âWeiter so!â nur noch mehr befeuert.
Der Verlust an Vertrauen in die FĂ€higkeit des Politischen Systems und seiner gesellschaftlichen Funktionseliten zur Lösung existenzieller Probleme zeigt sich auf vielen Ebenen: Sei es als radikalisierter Irrationalismus in Form affektmobilisierter Entwurzelung (âCorona-Diktatur!!1!elfâ), die an den unvernĂŒnftigen VerhĂ€ltnissen gleichwohl nicht rĂŒhrt, oder als die gelegentlich ins wissenschaftsglĂ€ubige Gegenteil (âWarum macht âdie Politikâ nicht, was âdie Wissenschaftâ sagt?â) oder ins Moralische (âwir, âdie Gutenââ vs. ââdie Bösenâ da obenâ) entgleitende, rationale Kritik daran. Dagegen bergen Politische Aktionen sowohl Möglichkeiten einer Erfahrung von Selbstwirksamkeit wie aber auch durch ihre Dringlichkeit zu rechtfertigende eher âschlichteâ ErlebnisqualitĂ€ten:
WĂ€hrend der Friedensbewegung schon fiel Beobachtern auf, daĂ der ökologische, pazifistische und moralische Rigorismus des vermeintlich besseren Deutschlands in der Tradition von WeltherrschaftsansprĂŒchen stand, die nur diesmal nicht unter Verweis auf die militĂ€rische Potenz oder den Bedarf an âLebensraumâ, sondern auf geistige und moralische Ăberlegenheit angemeldet wurden. (Pohrt 2010: 103)
Kaum ĂŒberraschend war insofern, dass wĂ€hrend der Pandemie dennoch weiterhin als âlinksâ oder âkritischâ missverstandene âalternativeâ und oft im Freizeit- oder Kulturbereich kultivierte LebensstilversatzstĂŒcke aus Hedonismus und Homöopathie sich bruchlos anschlussfĂ€hig zeigten zu robust-völkischer âFreiheitsliebeâ. Es erklĂ€rt auch die Tragik der Metamorphosen einer auf den Schwingen des unerbittlichen medialen Diskurses und seiner personifizierenden Anrufungen zu Rechthaben und Empörung verdammten Greta Thunberg (vgl. Seidel 2024), die als bloĂes âTokenâ sich mittlerweile völlig verselbststĂ€ndigt hat gegenĂŒber dem Anliegen, dem sie ihre Prominenz einst zweifelhaft âverdankteâ.
Die SpannungsverhĂ€ltnisse, in denen Politische Aktionen intervenieren, prĂ€gen als epochale PfadabhĂ€ngigkeiten die informelle Selbstbildung der Beteiligten â und sind auch fĂŒr intentionale Bildungsprozesse bedeutsam. Zu den Paradoxien des ja immer nur mit Anderen aushandelbaren Politischen gehört allerdings, dass es erst â[d]ie politische Beziehung ermöglicht [âŠ], das politische Subjekt zu denken, und nicht umgekehrt.â (RanciĂšre 2018: 7) Konventionelle AnsĂ€tze eher kognitiv-institutionenkundlicher Praxis hingegen unterstellen, dass die als zu Belehrende vorgestellten gesellschaftlichen Subjekte zunĂ€chst vorbereitend ertĂŒchtigt werden mĂŒssten, bevor sie in politische Beziehungen treten könnten/dĂŒrften/sollten. Sie verkĂŒrzen âMĂŒndigkeitâ damit auf ihren Rechtssinn als âBerechtigungâ:
Wer immer sagt, die SchĂŒler/-innen mĂŒssten erst einmal Wissen erwerben, bevor sie mit einem Konflikt konfrontiert werden sollten, traut der lernbewegenden Kraft von Konflikten nicht und belehrt die SchĂŒler/-innen mit etwas, das hĂ€ufig nicht ihrem Lerninteresse entspricht. Manchmal ist auch bei Lehramtsstudierenden zu beobachten, dass sie sich der inneren Dynamik einer Methode nicht ĂŒberlassen, sondern an unpassender (weil fĂŒr die Lernenden fremdbestimmter) Stelle den systematischen Wissenserwerb einflechten wollen, was den Lernprozess stört. Beim Konfliktansatz regiert der Konflikt die Unterrichtsreihe und provoziert den Wissenserwerb. (Reinhardt 2022: 83)
Nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Möglichkeiten des Scheiterns ist bildungstheoretisch als bleibende Herausforderung festzuhalten â und fachdidaktischen wie sachfremd institutionellen EinwĂ€nden zu entgegnen â: Erst in einer Politischen Aktion wird jene eigenlogische Beziehung als Erfahrungsgrund gestiftet, aus welcher politische Subjekte ĂŒber ihre urwĂŒchsige Vergesellschaftung hinaus notwendig nur hervorgehen können. Das ist, was einem emphatischen, also angemessenen Sinn von âMĂŒndigkeitâ entspricht.
Beispiele
(1) GrundsĂ€tzlich besteht in folgenlosen Ritualisierungen von Protestformen eine ganz praktische âStrategieâ gegen Politische Aktionen. Das gilt nicht nur fĂŒr Flashmobs als Happenings. Die Hilflosigkeit des resonanzarmen âöffentliche[n] Kundtun[s] seiner Meinungâ (Artikel âdemonstrierenâ 2002: 188) âdemonstriertâ auch die PorositĂ€t von âDemonstrationenâ, wenn sie in den InnenstĂ€dten permanent von Konsument:innen wie in einem Hindernisparcours gleichgĂŒltig durchquert werden. Dagegen zeigt der eruptive Ausbruch von Gewalt gegen sogenannte âKlima-Kleber:innenâ nicht nur, wie dĂŒnn der Firnis der Zivilisation wirklich ist, sondern eben auch, welche nur prekĂ€r von diesem verdeckten allgemeinen GewaltverhĂ€ltnisse hier zum Durchbruch geraten.
(2) FĂŒr die Politische Aktion von Rechtsextremist:innen fallen das typische Spiel mit der Widersinnigkeit (Schweigemarsch: Wir mĂŒssen reden, vgl. Zeit online 2020) und in sogenannten âStillen Protestenâ (vgl. mdr.de 2020) die metapolitische Befreiung von jeglichem Sinn bzw. konkretem inhaltlichen Anliegen auf. Da diese Formen Politischer Aktion sich wesentlich durch Diskursverweigerung auszeichnen, können Aktionsformen der Ironisierung ihres âheiligen Ernstesâ â wie etwa der bekannte Spendenlauf âNazis gegen Nazisâ in Wunsiedel 2014 (vgl. Röder 2024) â zumindest durch Erheiterung zivilgesellschaftliche GegenkrĂ€fte ermutigen und verfasste normative Grundhaltungen eines demokratischen Gemeinwesens sozial attraktiver wirken lassen.
(3) Als historisches Beispiel fĂŒr eine erfolgreiche Politische Aktion, die tatsĂ€chlich eine politische Aktion ist, kann wohl der Hungerstreik in der GedenkstĂ€tte des Konzentrationslagers Dachau Ostern 1980 gelten. Er ist ein Meilenstein in der BĂŒrgerrechtsbewegung der Sinti und Roma (Zentralrat Deutscher Sinti und Roma o. J.). Durch die internationale mediale Begleitung konnten die nach dem nationalsozialistischen Völkermord anhaltende âZweite Verfolgungâ und (personelle) KontinuitĂ€ten insbesondere in der polizeilichen Sondererfassung der autochthonen Minderheiten nicht mehr geleugnet werden. Der öffentlichen Druck hat schlieĂlich ĂŒberhaupt erst zur offiziellen Anerkennung des Völkermords gefĂŒhrt â 33 Jahre nach GrĂŒndung der Bundesrepublik!
Literatur
Zum Weiterlesen
-
Friedrichs, Werner (2022): Schluss mit der Reinigungsarbeit â macht euch schmutzig! In: Möller, Lara; Lange, Dirk (Hg.). IntersektionalitĂ€t in der Politischen Bildung. Entangled Citizens. Wiesbaden: Springer VS, S. 21â39.
-
Widmaier, Benedikt; Nonnenmacher, Frank (2011) (Hrsg.): Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der politischen Bildung. Frankfurt a. M.: Wochenschau Verlag.
Zitierte Literatur
- Arendt, Hannah [1951/1955] (2000): Elemente und UrsprĂŒnge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus. MĂŒnchen: Piper.
- Artikel »demonstrieren« (2002). In: Kluge, Friedrich (Hrsg.): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. Berlin: De Gruyter, S. 188 f.
- Burghardt, Peter (2020): âJa, hallo, ich bin Jana aus Kasselâ. Vorfall bei âQuerdenkenâ-Demo. Online unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/hannover-sophie-scholl-querdenken-coronavirus-1.5123595 ; Zugriff: 16.09.2025.
- Crouch, Colin (2008): Postdemokratie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
- DemiroviÄ, Alex (2022): Vielfachkrise und Katastrophe. In: LuXemburg. Gesellschaftsanalyse und linke Praxis, Nr. 3: »KapitalozĂ€n«, S. 36â41.
- Mason, Paul (2021): Faschismus. Und wie man ihn stoppt. Berlin: Suhrkamp.
- mdr.de (20.07.2020): Corona-Proteste an der B96: Sehnsucht nach Kohl und Kaiserreich. Online unter: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/proteste-bundesstrasse-zittau-oderwitz-ebersbach-neugersdorf-100.html ; Zugriff: 16.09.2025.Â
- Nachtwey, Oliver; Heumann, Maurits (2019): Regressive Rebellen und autoritĂ€re Innovatoren: Typen des neuen Autoritarismus. In: Dörre, Klaus; Rosa, Hartmut; Becker, Karina; Bose, Sophie; Seyd, Benjamin (Hrsg.): GroĂe Transformation? Zur Zukunft moderner Gesellschaften. Sonderband des Berliner Journals fĂŒr Soziologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 435â453.
- Pohrt, Wolfgang [1997] (2000): SchluĂ. In: ders. (Hrsg.): Brothers in Crime. Die Menschen im Zeitalter ihrer ĂberflĂŒssigkeit. Ăber die Herkunft von Gruppen, Cliquen, Banden, Rackets und Gangs. Berlin: Edition Tiamat, S. 198â215.
- Pohrt, Wolfgang [1982/1994] (2010): Der TĂ€ter als BewĂ€hrungshelfer. In: ders.: Gewalt und Politik. AusgewĂ€hlte Reden & Schriften 1979â1993. Herausgeben von Klaus Bittermann. Berlin: Edition Tiamat, S. 101â104.
- RanciĂšre, Jacques (2018): Zehn Thesen zur Politik. Wien: Passagen.
- Reinhardt, Sibylle (2022): Politik-Didaktik. Handbuch fĂŒr die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor.
- Röder, Christoph (11.11.2024): ‚Wunsiedel ist bunt‘: JubilĂ€um fĂŒr unfreiwilligen Spendenlauf. Online unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/wunsiedel-ist-bunt-jubilaeum-fuer-unfreiwilligen-spendenlauf,UTpSqTW ; Zugriff: 16.09.2025.
- Schmitt, Eliu; Lösing, Sabine; Handtmann, Stephanie (o. J.): Aktions-Ratgeber fĂŒr Attac-Gruppen. Frankfurt a. M.: Attac. Online unter: https://www.attac.de/archive/G8%20Heiligendamm/www.attac.de/heiligendamm07/media/download_gallery/kleiner_aktivist.pdf ; Zugriff: 16.09.2025.Â
- Seidel, Jörn (09.10.2024): âGutâ gegen âBöseâ: Wie Greta Thunberg gegen Israel kĂ€mpft. Online unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/greta-thunberg-antisemitismus-100.html ; Zugriff: 16.09.2025.
- Trumann, Jana (2013): Lernen in Bewegung(en). Politische Partizipation und Bildung in BĂŒrgerinitiativen. Bielefeld: Transcript.
- Zeit online (10.10.2020): Tausende demonstrieren schweigend gegen die Corona-Politik. Corona-Demonstration in Berlin. Online unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-10/corona-demonstration-berlin-schweigemarsch-rassismus-menschenrechte ; Zugriff: 19.08.2025.
- Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (o. J.): BĂŒrgerrechtsbewegung der Sinti und Roma, verfĂŒgbar unter: https://zentralrat.sintiundroma.de/zentralrat/geschichte-der-organisation/ ; Zugriff: 16.09.2025.
Zitiervorschlag
RöĂler, Sven (2025): Politische Aktion. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 09.11.2025. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/politische-aktion/.
DiskursGlossar
Grundbegriffe
Positionieren
Positionieren ist Grundbestandteil menschlicher Kommunikation. Wann immer wir miteinander interagieren und kommunizieren, bringen wir uns selbst, andere und die Objekte, ĂŒber die wir sprechen, in bestimmte Relationen zueinander.
Deutungsmuster
Unter einem Deutungsmuster wird die problem- und lösungsbezogene Interpretation gesellschaftlicher und politischer TatbestĂ€nde verstanden, die Aussicht auf Akzeptanz in sozialen Gruppen hat. Der Begriff des Deutungsmusters hat Ăhnlichkeit mit den Begriffen der Theorie und Ideologie. Meist werden gesellschaftlich verbreitete Leitdeutungen, die oft mit Schlagwörtern und Argumentationsmustern einhergehen (wie Globalisierung, Kapitalismus, Leistungsgesellschaft, Chancengleichheit etc.) als Beispiele fĂŒr Deutungsmuster genannt.
Sinnformel
âWer sind wir? Woher kommen, wo stehen und wohin gehen wir? Wozu leben wir?â Auf diese und Ă€hnliche existentielle Fragen geben Sinnformeln kondensierte Antworten, die in privaten wie sozialen Situationen Halt und Argumenten in politischen und medialen Debatten einen sicheren Unterbau geben können.
Praktik
Eine Praktik ist ein spezifisches, situativ vollzogenes und sinnhaftes BĂŒndel von körperlichen Verhaltensweisen, an dem mehrere Menschen und Dinge beteiligt sein können (z. B. Seufzen, um Frust auszudrĂŒcken, oder einen Beschwerdebrief schreiben, FuĂballspielen).
Kontextualisieren
Kontextualisieren wird im allgemeineren bildungssprachlichen Begriffsgebrauch verwendet, um das Einordnen von etwas oder jemandem in einen bestimmten Zusammenhang zu bezeichnen.
Narrativ
Mit der diskursanalytischen Kategorie des Narrativs werden Vorstellungen von komplexen Denk- und Handlungsstrukturen erfasst. Narrative in diesem Sinne gehören wie Schlagwörter, Metaphern und Topoi zu den Grundkategorien der Analyse von Diskursen.
Argumentation
Argumentation bezeichnet jene sprachliche TĂ€tigkeit, in der man sich mithilfe von GrĂŒnden darum bemĂŒht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klĂ€ren.
Hegemonie
Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung fĂŒr FĂŒhrung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.
Diskurskompetenz
Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative FĂ€higkeit, lĂ€ngere zusammenhĂ€ngende sprachliche ĂuĂerungen wie ErzĂ€hlungen, ErklĂ€rungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, mĂŒssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Techniken
Aus dem Zusammenhang reiĂen
Das Aus-dem-Zusammenhang-ReiĂen gehört in den Funktionskreis der Redewiedergabe bzw. der Wiedergabe kommunikativer Ereignisse. Es kann (1) als intentionale argumentativ-polemische Strategie fĂŒr ganz unterschiedliche diskursive Zielsetzungen von Akteuren genutzt werden, oder (2) es kann SprecherInnen und SchreiberInnen in unbeabsichtigter, fehlerhafter Weise unterlaufen.
Lobbying
Lobbying ist eine Form strategischer Kommunikation, die sich primĂ€r an Akteure in der Politik richtet. Beim Lobbying wird ein BĂŒndel von kommunikativen TĂ€tigkeiten mit dem Ziel eingesetzt, die Entscheidungen von Personen mit politischem Mandat oder den Entstehungsprozess von neuen Gesetzestexten interessengeleitet zu beeinflussen.
Pressemitteilung
Pressemitteilungen sind standardisierte Mitteilungen von Organisationen, die sich an Journalist:innen und andere Multiplikator:innen richten. Sie dienen der offiziellen und zitierfĂ€higen Informationsweitergabe und ĂŒbernehmen zugleich strategische Funktionen in der öffentlichen Kommunikation und Meinungssteuerung.
Shitstorm
Der Begriff Shitstorm beschreibt eine relativ junge Diskurskonstellation, die seit den 2010er Jahren an Bedeutung gewonnen hat und gemeinhin als Online-Wutausbruch bezeichnet wer-den kann.
Tarnschrift
Als Tarnschrift bezeichnet man unter den Bedingungen von Zensur und Verfolgungsrisiko veröffentliche Texte, die insbesondere in der strategischen Kommunikation des NS-Widerstands eine zentrale Rolle spielten.
Ortsbenennung
Die Benennung von Orten dient in erster Linie dazu, den jeweiligen geografischen Ort zu lokalisieren und ihn zu identifizieren. Doch Ortsnamen besitzen eine soziale Dimension und spielen eine entscheidende Rolle bei der sprachlich-kulturellen IdentitÀtskonstruktion.
Finanz-Topos
Mit dem Finanz-Topos werden im Diskurs Argumente gebildet, mit denen Akteure bestimmte MaĂnahmen als finanziell sinnvoll befĂŒrworten oder als unrentabel zurĂŒckzuweisen.
Strategische ProzessfĂŒhrung
Der Begriff strategische ProzessfĂŒhrung kombiniert die Worte Strategie im Sinne von Plan und Taktikâ und ProzessfĂŒhrung im Sinne von âKlage vor Gerichtâ. Eine einheitliche Definition des Konzepts existiert bislang nicht. Meist werden hierunter (Muster)Klagen von NGOs und BĂŒrgerrechtsorganisationen verstanden, mit denen ĂŒber den Einzelfall hinausgehende soziale und gesellschaftspolitische Ziele verfolgt werden.
Inszenierte Kontroverse
Inszenierte Kontroversen liegen vor, wenn Politiker, Vertreter von Interessengruppen, Aktivisten, Journalisten, Influencer oder andere öffentlich wirksame Akteure potentiell strittige Themen möglichst effektvoll in einen Diskurs einbringen oder einen entsprechenden Diskurs auslösen, und zwar um entsprechende Perspektivierungen bestimmter Konfliktlagen im eigenen Interesse konfrontativ zu prÀgen.
-ismus
Bei Ismen geht es ursprĂŒnglich um die Wortendung (sog. Suffix) -ismus (Plural -ismen), mit der Substantive mit substantivischem oder adjektivischem Wortstamm (Basis) gebildet werden (z.B. Vulkan-ismus oder Aktiv-ismus).
Schlagwörter
Relativieren
Der Ausdruck relativieren besitzt zwei zentrale Bedeutungsvarianten: In bildungssprachlichen und wissenschaftlichen Kontexten bezeichnet er eine analytische Praxis, bei der Aussagen, Begriffe oder PhÀnomene durch Bezugnahme auf andere Sachverhalte eingeordnet, differen-ziert und in ihrer Geltung prÀzisiert werden.
Massendemokratie
GeprĂ€gt wurde der Begriff Massendemokratie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von völkisch-konservativen Akteuren (prominent darunter Carl Schmitt 1926). Der Ausdruck Masse hatte damals bei den bĂŒrgerlichen Eliten eine rundum bedrohliche Assoziation.
Social Bots
Als Social Bots werden Computerprogramme bezeichnet, die in der Lage sind, in sozialen Medien Kommunikation menschlicher Nutzer*innen (teilweise) automatisiert nachzuahmen.
KriegsmĂŒdigkeit
Der Ausdruck KriegsmĂŒdigkeit bezeichnet die emotionale und physische Erschöpfung von Menschen, die einen Krieg erleben, sowie die gesellschaftliche und politische ErmĂŒdung angesichts langanhaltender Konflikte. Er beschreibt den sinkenden Kampfeswillen bei Kriegsparteien und heute wird er auch fĂŒr das wachsende Desinteresse an Kriegsthemen in Medien und Ăffentlichkeit genutzt.
Woke
Der Ausdruck woke stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und bezeichnete dort zunĂ€chst den Bewusstseinszustand der AufgeklĂ€rtheit ĂŒber die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen und Diskriminierung unter Angehörigen ethnischer Minderheiten.
IdentitÀt
Unter IdentitĂ€t versteht man allgemein die Summe von Merkmalen, die Individuen oder sozialen Kollektiven â etwa Nationen, Organisationen oder sozialen Gruppen â als charakteristisch oder gar als angeboren zugeordnet werden.
Wohlstand
Unter Wohlstand sind verschiedene Leitbilder (regulative Ideen) zu verstehen, die allgemein den Menschen, vor allem aber den Beteiligten an politischen und wissenschaftlichen Diskursen (politisch Verantwortliche, Forschende unterschiedlicher Disziplinen usw.) eine Orientierung darĂŒber geben sollen, was ein âgutes Lebenâ ausmacht.
Remigration
Der Begriff Remigration hat zwei Verwendungsweisen. Zum einen wird er politisch neutral verwendet, um die RĂŒckkehrwanderung von Emigrant:innen in ihr Herkunftsland zu bezeichnen; die meisten Verwendungen beziehen sich heute jedoch auf RechtsauĂendiskurse, wo das Wort der euphemistischen Umschreibung einer aggressiven Politik dient, mit der nicht ethnisch deutsche Immigrant:innen und ihren Nachfahr:innen zur Ausreise bewegt oder gezwungen werden sollen.
Radikalisierung
Das Adjektiv radikal ist ein mehrdeutiges Wort, das ohne spezifischen Kontext wertneutral gebraucht wird. Sprachhistorisch bezeichnete es etwas âtief Verwurzeltesâ oder âGrundlegendesâ. Dementsprechend ist radikales Handeln auf die Ursache von etwas gerichtet, indem es beispielsweise zugrundeliegende Systeme, Strukturen oder Einstellungen infrage stellt und zu Ă€ndern sucht.
BĂŒrokratie
BĂŒrokratie ist ein Begriff, der im Rahmen aktueller strategischer Kommunikation ein dicht besetztes, polarisiertes Feld korrespondierender AusdrĂŒcke öffnet. Neben den direkten Ab-leitungen BĂŒrokratisierung, BĂŒrokratismus und Komposita, als wichtigstes BĂŒrokratieabbau, gehören dazu vor allem Flexibilisierung, Privatisierung, Deregulierung.
Verschiebungen
Dehumanisierung
Mit Dehumanisierung bzw. Anthropomorphisierung werden solche kommunikativen Techniken und Praktiken bezeichnet, die Personen, Sachverhalten oder GegenstÀnden menschliche Eigenschaften ab- bzw. zusprechen. Dehumanisierung und Anthropomorphisierung können sowohl durch sprachliche Mittel als auch durch andere, z. B. bildliche, Zeichen vollzogen werden.
Kriminalisierung
KriminalitĂ€t meint ein Verhalten, das gegen ein Gesetz verstöĂt. Folglich bedeutet Kriminalisierung im engeren Sinne den Vorgang, durch den Verhalten ungesetzlich gemacht wird â indem Gesetze geschaffen werden.
Versicherheitlichung
In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen SicherheitsverstĂ€ndnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurĂŒckzufĂŒhren ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlĂ€ssig agieren.
Ăkonomisierung
Ăkonomisierung wird in gegenwĂ€rtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-KalkĂŒle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche ĂŒbertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die SphÀre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Partizipatorischer Diskurs
Partizipation ist mittlerweile von der Forderung benachteiligter Personen und Gruppen nach mehr Beteiligung in der demokratischen Gesellschaft zu einem Begriff der Institutionen selbst geworden: Kein Programm, keine Bewilligung mehr, ohne dass bestimmte Gruppen oder Personen dazu aufgefordert werden, fĂŒr (mehr) Partizipation zu sorgen.
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsĂ€chlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als âunmoralischâ gedeutet wird.
DiskursReview
Review-Artikel
Musk, Zuckerberg, Döpfner â Wie digitale Monopole die Demokratie bedrohen und wie könnte eine demokratische Alternative dazu aussehen?
Die Tech-MilliardÀre Musk (Tesla, X,xAI) Zuckerberg (Meta), Bezos (Amazon) oder Pichai (Alphabet) sind nicht Spielball der MÀrkte, sondern umgekehrt sind die MÀrkte Spielball der Tech-Oligopolisten geworden.
Beobachtung zum Begriff âDiplomatieâ beim Thema Ukraine im EuropĂ€ischen Parlament
Von EU-Vertretern waren zur Ukraine seit 2022 vor allem Aussagen zu hören, die sich unter dem Motto âas long as it takesâ beziehungsweise âso lange wie nötigâ fĂŒr die Erweiterung der militĂ€rischen Ausstattung und der VerlĂ€ngerung des Krieges aussprachen. VorschlĂ€ge oder VorstöĂe auf dem Gebiet der âDiplomatieâ im Sinne von âVerhandeln (mit Worten) zwischen Konfliktparteienâ gab es dagegen wenige, obwohl die klare Mehrheit von Kriegen mit Diplomatie beendet wurden (vgl. z.B. Wallensteen 2015: 142)
Die Macht der Worte 4/4: So geht kultivierter Streit
DiskursReview Die Macht der Worte (4/4):So geht kultivierter Streit Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...
Die Macht der Worte 3/4: Sprachliche Denkschablonen
DiskursReview Die Macht der Worte (3/4):Sprachliche Denkschablonen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...
Die Macht der Worte 2/4: Freund-Feind-Begriffe
DiskursReview Die Macht der Worte (2/4): Freund-Feind-Begriffe Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 /...
Die Macht der Worte 1/4: Wörter als Waffen
DiskursReviewDie Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen Begleittext zum Podcast im Deutschlandfunk (1) Wörter als Waffen (2) Freund-Feind-Begriffe (3) Sprachliche Denkschablonen (4) So geht kultivierter StreitEin Text vonvon Friedemann VogelVersion: 1.0 / 06.03.2025...
Relativieren â kontextualisieren â differenzieren
Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem fĂŒr Praktiken, die das KerngeschĂ€ft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische GegenstĂ€nde miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.
Wehrhafte Demokratie: Vom Wirtschaftskrieg zur Kriegswirtschaft
Weitgehend ohne Ăffentlichkeit und situiert in rechtlichen Grauzonen findet derzeit die Militarisierung der ursprĂŒnglich als âFriedensprojektâ gedachten EU statt.
Tagung 2025: âDas geht zu weit!â Sprachlich-kommunikative Strategien der Legitimierung und Delegitimierung von Protest in öffentlichen, medialen und politischen Diskursen
âDas geht zu weit!â Sprachlich-kommunikative Strategien der Legitimierung undDelegitimierung von Protest in öffentlichen, medialen und politischen Diskursen Tagung der Forschungsgruppe Diskursmonitor Tagung: 04. bis 5. Juni 2025 | Ort: Freie UniversitĂ€t Berlin...
„Remigration“ – Ein Riss im Schleier der Vagheit. Diskursive Strategien rund um das Remigrationskonzept und die Correctiv-Recherchen
Die am 10. Januar veröffentlichte Correctiv-Recherche ĂŒber ein rechtes Vernetzungstreffen in Potsdam sorgte fĂŒr erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit und die gröĂten Demonstrationen gegen RechtsauĂen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Im Fokus der Kritik…