DiskursGlossar

Kampagne

Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Strategie, Taktik, Zielgruppe, Kampagnensprache
Siehe auch: Framing, Wahlkampf, Wahlplakat, Werbung
Autor: Eric Wallis
Version: 1.2 / Datum: 23.02.2022

Kurzzusammenfassung

Eine Kampagne ist die kommunikative Verfolgung eines wirtschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Ziels, das nicht ohne andere Menschen zu erreichen ist. Kampagnen zielen auf die Beeinflussung des Denkens und Handelns von Menschen. Damit sind Kampagnen kommunikative Strategien zur Erlangung von Macht. Als Kommunikationsinstrument ist eine Kampagne eine zielgerichtete und orchestrierte Kommunikation mit dem Zweck, eine adressierte Personengruppe (Zielgruppe) innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu beeinflussen. Darum enthalten Kampagnen eine explizite oder implizite Verhaltensaufforderung, z. B. zum Mitmachen, Umdenken, Kaufen, Spenden, Wählen u.a. – einen sogenannten Call-to-Action (CtA). Eine zentrale Taktik in Kampagnen ist die Wiederholung von Botschaften und Forderungen über verschiedene Formate (Webseite, Flyer, TV-Spots u.a.) hinweg, um in die Weite und Tiefe der Zielgruppe vorzudringen. Das Spektrum reicht von professionell geplanten internationalen Kampagnen mit Millionenetats bis hin zu mit wenigen Euro und einigen Ehrenamtlichen umgesetzten Lokalkampagnen.

Gemeinsprachlich wird der Ausdruck Kampagne im politischen Diskurs auch als Schlagwort zur Diskreditierung des politischen Gegners gebraucht. Mit dem Gebrauch wird typischerweise der Vorwurf erhoben, der Gegner wende unangemessene, moralisch fragwürdige oder gar widerrechtliche Kommunikationsstrategien zur (verdeckten) Manipulation von Debatten an.

Erweiterte Begriffsklärung

Der Begriff Kampagne kommt ursprünglich aus dem Militärsprachgebrauch und bedeutet ‚Feldzug‘, meint also ein umfangreiches militärisches Unternehmen zur Erreichung militärpolitischer Ziele. Das Werk Vom Kriege (1832) und die darin ausgebreitete Kriegstheorie des preußischen Militärwissenschaftlers Carl von Clausewitz zählt zur Einstiegslektüre für Kampagnenmacher:innen.

Bis heute sind Kampagnen durch die Dimensionen ‚Zielerreichung‘ und ‚Kampf‘ definiert, wenngleich sie nicht mehr auf die Eroberung räumlicher Territorien zielen, sondern auf die öffentliche Meinung (vgl. Vowe 2006: 75). Sie sind „Instrumente der Interessenartikulation“ (Donges 2006: 125), sie sollen „Aufmerksamkeit für einzelne Interessen und Anschlusshandeln […] erzeugen“ (ebd.). Entsprechend findet der Kampf nicht mit Waffen und Gewalt statt, sondern auf sprachlich-symbolischer/diskursiver Ebene durch Worte, Bilder, Medien und deren Formate. Kampagnen als Strategien zur Erlangung oder Sicherung von Macht tragen den Charakter des Kampfes, weil in Diskursen vielfältige, oft konkurrierende Angebote zur Orientierung vorliegen. Das zeigt sich deutlich am Beispiel der Wahlkampagne, trifft jedoch ebenso auf klassische Werbekampagnen zu, in denen um Marktanteile konkurriert (,gekämpft‘) wird. Ein eindrucksvoller Beleg für die Machtansprüche, die mit Kampagnen verhandelt werden, sind die hohen Budgets professioneller Kampagnen.

Kampagnen sind darauf ausgelegt, Aufmerksamkeit zu erzeugen (vgl. Röttger 2006: 10) und die Sichtweisen ihrer Urheber als Orientierungsangebote zu verbreiten. Darum beruhen Kampagnen auf einer eigenen Symbolik, die sich als Kampagnensprache beschreiben lässt (vgl. Wallis 2016: 2). Sie ist u.a. gekennzeichnet durch 1) eigene Anders-Bezeichnungen (Gegenwörter: Pflanzenschutzmittel vs. Chemiekeule), 2) die Vermeidung des als gegnerisch wahrgenommenen Sprachgebrauchs sowie 3) durch Streits um den ,richtigen‘ Sprachgebrauch (Sprachkritik; vgl. auch Semantische Kämpfe). Weil sich durch Kampagnen alternative Bezeichnungsweisen etablieren und verbreiten, sind sie ein Auslöser und Treiber sprachlichen Wandels.

Kampagnen sind immer zielgerichtet. Das bedeutet nicht, dass Kampagnen in jedem Fall ein ausgefeilter Plan zugrunde liegen muss. Kampagnen können spontan beginnen, wenn z. B. ein gesellschaftlicher Auslöser (z.B. Skandal) vorliegt. Entscheidend ist der strategische Zugriff auf diesen Auslöser durch jemanden, der das Ereignis deutet und nutzt, um mithilfe eines Call-to-Action eine Veränderung des kollektiven Denkens und Handelns anzustreben. Nach einem solchen Auslöser verwandelt sich ein zuvor unkoordiniertes Vorgehen verschiedener Akteure teils schlagartig in eine arbeitsteilige Dynamik, in der Informationen beschafft, Wissensbestände geteilt, zu Demonstrationen aufgerufen, Flyer in Auftrag gegeben und Medienauftritte absolviert werden (Grassroots-Campaigning). Ein sich verbreitender Call-to-Action, z. B. in Form von Hashtags in den sozialen Medien, ist ein Hinweis auf Kampagnenkommunikation. Anhand des Call-to-Action und der Persistenz der Kommunikation unterscheidet sich Kampagnenkommunikation vom sogenannten ,Shitstorm‘.

Dabei entscheidet nicht nur die Lautstärke darüber, ob aus solch einem spontanen Zugriff eine Kampagne wird, sondern mehr noch die ,Diskursreife‘. Darunter lässt sich das jeweils vorliegende Debattenfundament innerhalb der Gesellschaft vorstellen, in dem bereits jeweilige Brüche vorliegen müssen, bzw. bestimmte diskursive Schneisen ,geschlagen sind‘. Die Festnahme der Afroamerikanerin Rosa Parks (1955), die sich weigerte, ihren Sitzplatz für einen weißen Fahrgast zu räumen, gilt als Auslöser der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, obgleich Ähnliches bereits häufig zuvor geschah. Auch die #MeToo-Kampagne (seit 2017) wäre 20 Jahre zuvor kaum vorstellbar gewesen.

Professionelle Kampagnenplaner haben die Diskursreife gesellschaftspolitischer Entwicklungen im Blick und versuchen ihre Kampagnen entsprechend zu optimieren, z. B. durch Vermeidung von Rassismen und Sexismen.

Kampagnen lassen sich anhand folgender Aspekte unterscheiden:

  • Nach Art des Urhebers: NGO-Kampagne, Unternehmenskampagne, staatliche Kampagne u.a.
  • Nach Art des Ziels/der Funktion: Imagekampagne, PR-Kampagne, Werbekampagne, Spendenkampagne (Fundraising-Kampagne, Benefizkampagne), Wahlkampagne, Produktkampagne, Informationskampagne bzw. Aufklärungskampagne, Mobilisierungskampagne, Mitgliederkampagne, Schmähkampagne u.a.
  • Nach Art des gewählten Formats/Mediums: Social-Media-Kampagne, Plakat-Kampagne, Anzeigen-Kampagne, TV-Kampagne, Radio-Kampagne u.a.
  • Nach Art und Umfang der Zielgruppe: Lokalkampagne, Regionalkampagne, bundesweite -, europaweite -, internationale Kampagne, Frauen-, Männerkampagne u.a.

Erzähltechnisch (siehe auch Erzählen) nutzen Kampagnen idealerweise das Grundmuster ‚Ist vs. Soll‘, also die Spannung zwischen einem schlechteren (Ist) und einem besseren Zustand (Soll). Dieses Muster wird im Verlauf einer Kampagne mit Inhalten gefüllt. Fokussiert die Kampagne inhaltlich den zu verändernden Ist-Zustand, handelt es sich um Negativ-, fokussiert sie das Soll, um Positiv-Campaigning. In Wahlkampagnen wird mittels Positiv-Campaigning die Reputation des eigenen Kandidaten oder der eigenen Partei aufgebaut, während mit Negativ-Campaigning das Ansehen des Gegners beschädigt wird (vgl. Bernhardt/Ghosh 2020: 98).

Kampagnen folgen in der Regel einer planmäßigen und/oder durch äußere Anlässe vorgegebenen Dramaturgie (Spannungsbogen). Sie haben einen Auftakt (Kick-Off), z. B. die Nominierung politischer Kandidaten. Es folgen Zwischenschritte in Form geplanter Inhalte oder als Einzelereignisse, die auf das Kampagnennarrativ hin zugeschnitten werden (Framing), z. B. Wahlkampf-Stationen, TV-Duelle u.a. Als dramaturgische Erzählung endet eine Kampagne an ihrem Höhepunkt – im Fall der Wahlkampagne am Wahltag. Idealerweise hat eine Kampagne zum Stichtag ihr Ziel erreicht.

Kampagnen sollen eine kollektive Veränderung herbeiführen, also das Denken und Handeln von Menschen beeinflussen. Darum analysieren professionelle Kampagnen zuvor ihre Zielgruppen in Bezug auf deren Werte, Ziele, Interessen, Ängste u.a. Die Wahl der Kampagnentechniken zur Herbeiführung der gewünschten Verhaltensänderung hängt vom jeweiligen Ziel, der Zielgruppe und von den zur Verfügung stehenden Ressourcen (Kampagnenbudget, Arbeitszeit von Ehrenamtlichen).

Ein einfaches Kampagnenziel aus der Produktwerbung könnte lauten: Zielgruppe A soll Joghurt B kaufen. Die Zielgruppenanalyse zeigt, dass die Zielgruppe A gesundheitsbewusst, aber hedonistisch veranlagt ist. Zur Zielerreichung setzen Kampagnen auf eine passende Strategie. Zum Beispiel: Weil die Zielgruppe A gesund und hedonistisch lebt, bieten wir ihnen den Joghurt B mit weniger Zucker/Fett an und zeigen, dass dieser trotzdem schmeckt.

Die Umsetzung der Strategie erfolgt mit verschiedenen Taktiken. Taktiken lassen sich unterscheiden in symbolische und vermittelnde Taktiken. Symbolische Taktiken sind alle Elemente der Kampagnensprache wie Schlagwörter, Stigmawörter, Bilder, rhetorische Mittel, Argumente, Topoi, Framing, Narrative u.a.

Vermittelnde Taktiken sind Textsorten (Pressemitteilungen, Werbeplakate, Zeitungsannoncen), Formate (TV-Spots, Events, Umfragen) und Medien (Flyer, Broschüren, Studien, Newsletter) aber auch Demonstrationen, NVDAs (non-violent-direct-actions, z. B. das Anketten an und Blockieren von kritisierten Einrichtungen, Sitzstreiks), direkte Ansprachen, Werbegeschenke (,Give-Aways‘) u.a. Alle Taktiken dienen dazu, das Kommunikationsziel der Kampagne zu erreichen. Im Falle des Joghurts würde sich z. B. ein TV-Spot mit einer bekannten Person eignen, mit der sich die Zielgruppe identifiziert (Autoritäts-Topos, Influencer).

Dabei ist zu unterscheiden: Das Kommunikationsziel ist nicht das Kampagnenziel, sondern dessen Voraussetzung. Das Kommunikationsziel legt fest, was die Zielgruppe verstanden haben soll. Beim Joghurt-Beispiel soll die Zielgruppe folgendes verstehen: Der neue Joghurt-Light ist gesünder und schmeckt trotzdem sehr gut. Erst wenn die Zielgruppe das verstanden hat, erwägt sie die Nachfrage bzw. den Kauf des Produktes. Kauft die Zielgruppe, ist das Kampagnenziel erreicht. Weil Werbekampagnen dieser Art mitunter aufwendig/teuer sind, wird die Zielerreichung i. d. R. ständig evaluiert (Monitoring).

Kampfbegriff Kampagne

Kampagnen sind Machtwerkzeuge. Mit ihnen wird um Stimmen, Marktanteile, Aufmerksamkeit usw. gerungen. Aus Sicht von Mitbewerber:innen werden die Kampagnen der Konkurrenz darum als aggressive Akte wahrgenommen und als solche thematisiert. So wird das Wort Kampagne in der gemeinsprachlichen Öffentlichkeit häufig nicht als wertneutraler Terminus, sondern als Kampfbegriff genutzt, um die Kommunikation eines Kontrahenten abzuwerten oder sich gegen dessen Kritik zu immunisieren.

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Abb. 1: Twitter-Nutzer am 03.06.2021, 18:33: Irre. Eine heftige Kampagne unterhalb der Gürtellinie.

Ein Beispiel dafür ist die Äußerung: Die Zeitung Z fährt/führt eine Kampagne gegen A. Der stigmatisierende Wortgebrauch löst bei Rezipient:innen Schlussfolgerungen (Topos) aus, nach dem Muster: ‚Wer eine Kampagne fährt/führt, der möchte jmd./etw. geplant beschädigen/kaputtmachen; übertreibt; manipuliert; ist aggressiv/unfair gegen jmd./etw.‘ Weitere dieses Schlussmuster auslösende Bezeichnungen sind: Kampagnenjournalismus, Medienkampagne gegen jmd. oder etw., oder kampagnenartig aber ebenso drastischere Formulierungen wie Hetzkampagne, Schmähkampagne, Schmutzkampagne.

Beispiele

(1) NGO-Kampagne: Greenpeace-Kampagne gegen die Verwendung gentechnisch veränderten Kuhfutters durch die Molkerei Müller-Milch. In der EU war es seit 2004 verboten, genveränderte Nahrungsmittel ohne entsprechende Produktkennzeichnungen zu verkaufen. Nicht verboten war es jedoch, genveränderte Pflanzen als Viehfutter zu gebrauchen, ohne auf den Endproduktverpackungen von z. B. Milch darauf hinzuweisen. Im Jahr 2004 bekam ein Großteil in Deutschland gehaltener Milchkühe importiertes genverändertes Tierfutter zu fressen. Produkte auf Basis der von solchen Kühen gewonnenen Milch lehnte Greenpeace ab, weil die Organisation es für relevant hielt, ob genverändertes Futter am Produktionsprozess der Milch beteiligt ist. In der Kampagne (ab 2004) deklarierten Ehrenamtliche der Umweltorganisation mithilfe von Aufklebern die Produkte der Müller-Molkerei in den Supermärkten als Gen-Milch.

Abbildung 2: © Greenpeace / Volker Nickel.
Abb. 2: Greenpeace; Nickel, Volker (27.11.2004): Aktion gegen Mueller-Milch-Produkte.

Im Laufe der Kampagne entstand eine Dynamik, in der Müller-Milch sich vehement gegen die Umweltschützer wehrte. So reagierte Müller mit eigenen Gutachten und Presseerklärungen, woraufhin die Massenmedien verstärkt über den Streit berichteten. Der Firmeninhaber Müller erwirkte eine einstweilige Verfügung beim Oberlandesgericht Köln, die Greenpeace untersagte, das Wort Gen-Milch im Zusammenhang mit Müller zu gebrauchen. Daraufhin entsprach der Bundesgerichtshof als höhere Instanz einer Berufung von Greenpeace, sodass diese den Ausdruck Gen-Milch weiterhin verwendete. Über den Rechtsstreit wurde fortdauernd massenmedial berichtet. Infolge der zwischen den Akteuren ablaufenden Kommunikation, in der jeder versuchte, seine Sicht der Dinge einzubringen bzw. zu verteidigen, entwickelte sich eine Dynamik mit weiteren Akteuren wie Gerichten und Massenmedien, die letztlich in einer gesellschaftlichen Debatte mündete. Die Kampagne kann als entscheidender Baustein dafür gesehen werden, dass einige Molkereien begannen, unter einem entsprechenden Siegel gentechnikfreie Milchprodukte anzubieten.

(2) Negativ-Campaigning: Kampagnen sollen auf eine Verhaltens- oder Zustandsänderung hinwirken. Erzähltechnisch wird dazu eine alte und schlechtere Welt (Negativerzählung) einer neuen und besseren (Positiverzählung) gegenübergestellt. Die Forschung zeigt, dass reine Negativkampagnen Menschen abschrecken können (vgl. Rothman et al. 1993). Dennoch ist sogenanntes Negativ-Campaigning unerlässlich, denn wer vergisst jene schlechtere Welt, die es zu überwinden gilt, darzustellen, wird kaum jemanden von einer besseren Zukunft, die anzustreben ist, überzeugen können. Das Verhältnis von Positiv- und Negativerzählung in einer Kampagne ist daher sensibel und für jedes Kampagnenziel neu auszuloten. Das zeigt folgendes Beispiel von Negativ-Campaigning aus dem Bundestags-Wahlkampf 2021. Damals produzierte die SPD einen Werbespot, in welchem der CDU-Kandidat Armin Laschet angegriffen wurde. Zu sehen ist eine Matroschka-Puppe mit Laschets Konterfei. Während die Hüllen dieser Puppe nacheinander entfernt werden, kommen immer wieder neue Gesichter zum Vorschein, wie z.B. das des rechtskonservativen CDU-Mitglieds Hans-Georg Maaßen.

Abbildung 3: SPD-Wahlkampf-Video gepostet von einem Twitter-Nutzer am 4. August 2021 um 12:08, URL.
Abb. 3: SPD-Wahlkampf-Video gepostet von einem Twitter-Nutzer am 04.08.2021, 12:08.

Im Video heißt es: „Wer Armin Laschet und die CDU wählt, wählt eine Politik, die Reiche reicher und Arme ärmer macht, [wählt] Kandidierende, die die CDU an den rechten Rand rücken, wählt erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist (…). (SPD-Wahlkampf-Video gepostet auf Twitter 04.08.2021, 12:08). Die durch das Video ausgelöste Debatte führte dazu, dass die SPD das Video im Wahlkampf nicht weiter nutzte (vgl. Monath 2021). Die dazugehörige Positiverzählung über sich selbst baut ebenfalls auf dem Bild der Matroschka auf und der Frage Was ist eigentlich drin, wenn man die SPD wählt? Dieses Video ist weiterhin auf dem Youtube-Kanal der SPD verfügbar (04.08.2021).

(3) Grass-Roots-Kampagne: Durch die sozialen Medien sind Ziele von Akteuren heute sehr transparent. Akteure können sich deshalb schnell und ohne verbindliche Planungen vernetzen und gemeinsame Ziele verfolgen. Ein sich verbreitender Call-to-Action ist der entscheidende Hinweis auf sich vollziehende Kampagnenkommunikation. Es reicht mitunter aus, das gemeinsame Ziel als Hashtag zu formulieren.

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Abb. 4: Twitter-Nutzer am 15.11.2021, 15:37.

Beteiligte kennen sich nicht zwingend, planen wenig, handeln spontan und erreichen dennoch Ziele – einfach im dynamischen Zusammenspiel. Gleichzeitig fehlt der feste Zeithorizont einer professionellen Kampagne. Die Beteiligten handeln spontan, es gibt sogar längere Zeiten der Untätigkeit, neue Akteure stoßen hinzu, andere springen ab, je nach Freizeit, Lust und Laune. Vgl. hierzu etwa die unter dem Hashtag #KonsequenzenfürLuke im Jahr 2021 für den Comedian Luke Mockridge folgenreiche Social-Media-Kampagne. Mockridges Ex-Partnerin äußerte in einem Podcast ein Vergewaltigungserlebnis – ohne Mockridges Namen zu nennen. Andere Social-Media-Nutzer:innen skandalisierten das vermeintliche Verhalten Mockridges, sodass sich eine intensive Debatte aus Luke-Kritiker:innen und Luke-Verteidiger:innen vollzog. Infolge dieses zeitweise mehr und zeitweise weniger, aber dennoch wochenlang geführten Meinungsstreits verbreitete sich der Hashtag #KonsequenzenfürLuke. Medien wie Der Spiegel griffen das Thema auf, betrieben eigene Recherchen und berichteten ausführlich („Die Akte Mockridge“ [Müller/Backes 2021]). Die Medienberichte vergrößerten die Aufmerksamkeit, sodass sich die Anzahl der in den sozialen Medien in die Debatte Involvierten steigerte. Mockridge ging gegen Teile der Berichterstattung gerichtlich vor, aber auch darüber wurde immer wieder berichtet. Innerhalb dieser Dynamik vollzog sich eine Kampagne, die ihr Ziel ,Konsequenzen für Luke‘ nachweislich erreichte, denn Mockridge stellte seine Moderationstätigkeit ein und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

(4) Den nicht-terminologischen Gebrauch des Wortes Kampagne als Kampfbegriff zeigt dieses Beispiel: Über die Entlassung des damaligen Chefs der Arbeitsagentur, Florian Gerster, im Jahr 2004 sagte der damalige FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel dem Deutschlandfunk:

„Es handelt sich hier selbstverständlich auch um eine gesteuerte Kampagne unabhängig von all den Fehlern, die er gemacht und teilweise ja auch eingestanden hat. Es gibt innerhalb der Bundesagentur durchaus interessierte Kreise, die ein Interesse daran haben, dass Herr Gerster weg oder zumindest schwach ist, weil er sie in seinem Reformvorhaben in ihren eigenen Kreisen stört, und das nervt die wahrscheinlich, und deswegen möchten sie ihn gerne loswerden.“ (Deutschlandfunk 2004)

Im selben Bericht gebrauchen an späterer Stelle ebenso die Autoren den Kampfbegriff Kampagne:

„Die Pressestelle kann den Imageschaden nicht begrenzen, den die Affären Gersters anrichten: seien sie nun echte Skandale oder Kampagne von Opposition und Gewerkschaften.“ (Brower-Rabinowitsch/Finthammer/Weltzer 2004)

Abbildung 5: „Bericht aus Berlin“ auf Twitter am  24.02.2020, 15:25, URL.
Abb. 5: „Bericht aus Berlin“ auf Twitter am  24.02.2020, 15:25.

Ein Beispiel aus der Tageszeitung Die Welt vom 4. September 2017: Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel hat die gegen sie erhobenen Rassismus-Vorwürfe zurückgewiesen. Die Politikerin sagte der WELT, es handele sich um eine plumpe Kampagne (Kade 2017). Die Bezeichnung Kampagne wirkt hier argumentativ, um den kritischen Akteur als ‚Angreifenden‘ und sich selbst als ,Opfer‘ dieses Angriffs zu konstruieren. Ein weiteres Beispiel: Das Fach-Magazin Journalist fragt die Journalistin Juliane Löffler am 1. Dezember 2021:

„Hat Ihre Enttarnung von Julian Reichelts System sexualisierter Machtausübung wirklich etwas bewegt, ist #MeToo seither weitergekommen? Juliane Löffler antwortet: Natürlich wollen alle Journalist*innen [sic], dass ihre Recherchen gesellschaftspolitische Folgen haben oder mindestens Diskurse anstoßen. Die allerdings bestehen ja immer auch darin, uns Kampagnenjournalismus vorzuwerfen oder Schuldfragen dahingehend umzudrehen, Betroffene seien für den Machtmissbrauch der Täter mitverantwortlich.“ (Freitag/Löffler 2021)

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Clausewitz, Carl von (1832-1834): Vom Kriege. Hinterlassenes Werk des Generals Carl von Clausewitz, Bd. 1–3, bei Ferdinand Dümmler, Berlin, ([Hrsg.] von Marie von Clausewitz).
  • Holly, Werner (2009): Gemeinschaft ohne Solidarität: Zur paradoxen Grundstruktur der „Du bist Deutschland“-Kampagne. In: Habscheid, Stephan; Knobloch, Clemens (Hrsg.): Einigkeitsdiskurse. Zur Inszenierung von Konsens in organisationaler und öffentlicher Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Röttger, Ulrike (Hrsg.) (2006): PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit. 3., überarb. und erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Röttger Ulrike (2014): Kommunikationskampagnen planen und steuern: Thematisierungsstrategien in der Öffentlichkeit. In: Zerfaß, Ansgar; Piwinger, Manfred (Hrsg.) Handbuch Unternehmenskommunikation. Springer Nachschlagewissen. Gabler Verlag, Wiesbaden, S. 633-650.

Zitierte Literatur

Abbildungsverzeichnis

Zitiervorschlag

Wallis, Eric (2022): Kampagne. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 23.02.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/kampagne.  

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Argumentation

Argumentation bezeichnet jene sprachliche Tätigkeit, in der man sich mithilfe von Gründen darum bemüht, die Richtigkeit einer Antwort auf eine bestimmte Frage zu erweisen. Das kann in ganz verschiedenen Situationen und Bereichen nötig sein, namentlich um eine poli-tische, wissenschaftliche, rechtliche, unternehmerische oder private Angelegenheit zu klären.

Hegemonie

Wie der britische Politikwissenschaftler Perry Anderson 2018 in einer umfassenden, historisch weit ausgreifenden Studie zum Gebrauch des Begriffs Hegemonie und seinen Konjunkturen beschreibt, liegen die historischen Wurzeln des Begriffs im Griechischen, als Bezeichnung für Führung (eines Staatswesens) mit Anteilen von Konsens.

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Techniken

Nicht-Entschuldigen / Nonpology

Mit der Nicht-Entschuldigung verfolgen Diskursakteure verschiedene Ziele: sie wollen Ablenken von der eigenen Schuld, erhoffen sich eine Reputationsverbesserung durch vorgespielte Reue oder wollen (andere) negative Konsequenzen abwenden und sich in der Öffentlichkeit positiv als fehlereinsichtig und selbstkritisch darstellen.

Hashtag

Mit dem Begriff Hashtag wird auf eine kommunikative Technik der spontanen Verschlagwortung und Inde-xierung von Postings in der Internetkommunikation verwiesen, bei der Sprache und Medientechnik sinnstif-tend zusammenwirken. Der Gebrauch von Hashtags hat eine diskursbündelnde Funktion: Er ermöglicht es, Inhalte zu kategorisieren (#Linguistik, #Bundestag), such- und auffindbar zu machen (#Bundestags-wahl2025), aber auch zu bewerten (#nicetohave) und zu kontextualisieren (#Niewiederistjetzt).

Diminutiv

Auch in Politik, Wirtschaft, Presse und Werbung werden Diminutiv-Formen zu rhetorischen Zwecken eingesetzt, um etwa emotionale Nähe zu konstruieren (unser Ländle), eine Person abzuwerten (die ist auch so ein Schätzchen), einen als ‚riskant‘ geltenden Sachverhalt zu ‚verharmlosen‘ (ein Bierchen) oder eine ‚Sachverhaltsbanalisierung‘ zurückzuweisen (Ihre ‚Demonstratiönchen‘).

Sündenbock

Der Sündenbock bezeichnet eine Person oder Gruppe, die stellvertretend für etwas beschuldigt wird. Hinter dieser Schuldzuweisung steckt ein kommunikativer Mechanismus des Gruppenzusammenhalts, der sich in verschiedenen kulturellen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeiten durch Rituale, Mythen, Erzählungen oder Verhalten manifestiert.

Redenschreiben

Wer Reden schreibt, bereitet die schriftliche Fassung von Reden vor, die bei besonderen Anlässen gehalten werden und bei denen es auf einen ausgearbeiteten Vortrag ankommt.

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Versicherheitlichung

In akademischen Kontexten wird Versicherheitlichung in Abgrenzung zu einem naiv-realistischen Sicherheitsverständnis verwendet. Dieses betrachtet Sicherheit als einen universell erstrebenswerten und objektiv feststellbaren Zustand, dessen Abwesenheit auf das Handeln von Akteuren zurückzuführen ist, die feindselig, kriminell, unverantwortlich oder zumindest fahrlässig agieren.

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Relativieren – kontextualisieren – differenzieren

Die drei Handlungsverben relativieren, kontextualisieren, differenzieren haben gemein, dass sie sowohl in Fachdiskursen als auch im mediopolitischen Interdiskurs gebraucht werden. In Fachdiskursen stehen sie unter anderem für Praktiken, die das Kerngeschäft wissenschaftlichen Arbeitens ausmachen: analytische Gegenstände miteinander in Beziehung zu setzen, einzuordnen, zu typisieren und zugleich Unterschiede zu erkennen und zu benennen.

Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein?

Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…