DiskursGlossar

Politische Kommunikation

Kategorie: Grundbegriffe
Verwandte Ausdrücke: Politische Sprache, Politikersprache
Siehe auch: Strategische Kommunikation, Sprachpolitik, Sprachenpolitik, Machtkommunikation
Autoren: Clemens Knobloch, Friedemann Vogel
Version: 1.1 / Datum: 05.07.2022

Kurzzusammenfassung

Politische Kommunikation findet überall dort statt, wo Menschen als Teil von sozialen Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen aufeinandertreffen und über das einzelne Individuum hinaus geltende Regeln des Zusammenlebens aushandeln. In diesem weiten Verständnis zählt zur Politischen Kommunikation alles, was mithilfe sprachlicher und anderer Zeichen gewaltfrei zur Steuerung von Gesellschaften beiträgt: die Entwicklung, Verteilung, Legitimierung und Durchsetzung von gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen (‚wie wollen wir zusammen leben‘) sowie die Organisation von Mehr- und Minderheiten (Mobilisierung von ‚Freund‘ und ‚Feind‘). Während in einem traditionell verengten Politikverständnis nur zur Politischen Kommunikation zählt, was sich auf staatliches Handeln, staatliche Institutionen und Akteure bezieht, kann im weiten Verständnis auch dasjenige ‚politisch‘ werden, das der öffentlichen Aushandlung zeitweise entzogen ist (,das Private ist politisch‘).

Ausgestaltung und Merkmale von Politischer Kommunikation sind abhängig vom Grad der Öffentlichkeit sowie ihrer medialen, institutionellen und kulturhistorischen Einbettung. Den einen Pol bildet eine auf Massenakzeptanz ausgerichtete, strategische Einwegkommunikation, die nicht oder nur zu symbolischen Zwecken auf Dialogizität angelegt und stark von massenmedialen und institutionellen Verfahrenserwartungen (z.B. Geschäftsordnungen) und Ritualen (z.B. Fraktionszwang) geprägt ist. Dies gilt besonders für Politische Kommunikation von BerufspolitikerInnen in den offiziellen Großinstitutionen politischer Organisation (z.B. im Parlament) oder auf Medienevents (z.B. in Talkshows). Den anderen Pol politischer Kommunikation bildet eine stärker spontane, auf Kooperation und Verständnissicherung angelegte Interaktion mit beschränkter Öffentlichkeit, wie sie etwa in kommunalpolitischen Zusammenhängen oder lokalen Bürgerinitiativen zum Tragen kommt.

Zur Generierung von Aufmerksamkeit und Zustimmung greifen alle Formen Politischer Kommunikation in unterschiedlichem Umfang auf rhetorische Mittel (insb. Narrative, Topoi, emotionalisierende Sprache u.a.), Programm- und Ideologievokabular (Schlagwörter) und andere Techniken strategischer Kommunikation zurück. Über die Zeit hinweg hat sich außerdem ein breites Repertoire an ‚politischen‘ Text-Bild-Sorten (z.B. Wahlplakate, offener Brief, Petition) und Gesprächsgattungen (Parlamentsrede, TV-Duell etc.) herausgebildet.

In den heutigen Massendemokratien des 21. Jahrhunderts spielen für die Organisation von Zustimmungsbereitschaft vor allem drei Typen von Autoritäten eine wichtige Rolle: Wissenschaft (Verweis auf ,Experten‘), Moralagenturen (Verweise auf gesellschaftliche Moralinstanzen wie den WWF oder Greenpeace o.ä.) sowie Prominenz (Verweis auf und Einbeziehung von populären Akteuren).

Erweiterte Begriffsklärung

Politische Kommunikation ist generell jede Kommunikation, die darauf zielt, zustimmende Mehrheiten für bestimmte soziale bzw. gesellschaftliche Leitideen und Ordnungsvorstellungen (‚wie wollen wir zusammenleben‘) zu mobilisieren und diese Ordnungsvorstellungen gegen Widerstände durchzusetzen. Auf basaler Ebene geht es dabei um die zeichenbasierte Sichtbarmachung und Aushandlung

  1. dessen, was soziale, materielle und geistige Welt ausmacht und sein soll (Deutungskämpfe um Status quo und zukünftige Welten),
  2. von legitimen Identifikationen (Deutungskämpfe um die Zugehörigkeit von Individuen zur Selbst- oder Fremd- bzw. Feindgruppe), sowie letztlich um die Aushandlung von
  3. Ressourcenzugang des Individuums im Verhältnis zum Kollektiv (Deutungskämpfe als Verteilungskämpfe).

Damit können alle Aspekte sozialen Zusammenlebens zeitweise oder dauerhaft zum Gegenstand politischer Kommunikation werden – einschließlich die Modi der politischen Kommunikation und ihrer Grenzen selbst (‚was, wo und wie können wir über gesellschaftliche Normen kommunizieren‘). Diesem Gedanken liegt ein Begriff des ‚Politischen‘ zugrunde, der über traditionell engere Konzepte hinausgeht und das ‚Politische‘ nicht lediglich auf staatliches Machthandeln bzw. „auf den Staat bezogenes Reden“ (Dieckmann 1975, S. 29) reduziert. Zur Politischen Kommunikation kann insofern auch dasjenige zählen, das infolge von historisch bedingten Denk- und Sagbarkeitsgrenzen aus den großen medienöffentlichen (insb. staatlichen) Arenen der Aushandlung in weniger sichtbare Teilöffentlichkeiten (das „Private“) verdrängt wird:

„Politik wird besonders da verortet, wo es etwas zu entscheiden gibt. Eigentlich. Doch wenn zuvor die Unterscheidung dessen waltet, was politisch ist und was nicht, was dazu gehört und was nicht – dann hat ein herrschaftliches Scheiteln in Eigenes und Anderes schon stattgefunden, bevor die Verhandlung eröffnet wird.“ (Narr 2015, S. 85)

Für die Sichtbarmachung und Durchsetzung von gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen streben politisch Kommunizierende in den Massendemokratien des 21. Jahrhunderts nach einer Maximierung von Aufmerksamkeit (für die Selbstgruppe und die eigenen Leitideen) und Zustimmungsbereitschaft auf möglichst breiter Front. Politische Kommunikation, will sie erfolgreich sein, ist daher darauf angewiesen, verschiedene Resonanzräume und -regeln unterschiedlicher Öffentlichkeitsgrade zu antizipieren und sich strategisch zunutze zu machen. Hieraus ergibt sich zum einen eine enge Kooperation oder wechselseitige Abhängigkeit zwischen politischen Akteuren und Medienpraktiken (die auch kritisch unter den Stichworten „Politainment“ bzw. „Mediokratie“ diskutiert werden; vgl. Dörner 2001 und Meyer 2004). Zum anderen werden vor allem diejenigen Themen auf die Agenden der großen kommunikativen Politikarenen gehoben, die am ehesten Aufmerksamkeit generieren (siehe auch Skandalisierung) und Zustimmung versprechen, oder unpopuläre Randthemen mit populären Themen verknüpft.

Politische Kommunikation ist zeichenbasierte Machtkommunikation in zweierlei Hinsicht: Sie setzt erstens und im Sinne Hannah Arendts (2015, 28 ff.) eine privilegierte, von existenziellen Überlebenskämpfen befreite Position des sich politisch Äußernden voraus, die Freiheit, zwischen alternativen Lebensentwürfen zu wählen. Zweitens zielt sie auf die soziale Kontrolle (die Steuerung des Fühlens, Denkens und Handelns) des Individuums als Mitglied eines Kollektivs, ohne diese Kontrolle je absolut erreichen zu können. Vor diesem Hintergrund ist Politische Kommunikation von Gewalt abzugrenzen (vgl. Arendt 1981): Der Einsatz von Gewalt setzt auf Verhaltenssteuerung durch körperliche Vernichtungsandrohung mithilfe von physischen Zwangsmitteln ‚von außen‘.

Die Übergänge zwischen Politischer Machtkommunikation und Gewalteinsatz sind indes oft fließend, vor allem dann, wenn Politische Kommunikation auf Mittel symbolischer bzw. psychischer Gewalt zurückgreift. Letzteres ist der Fall etwa beim Versuch der Verhaltenssteuerung durch Implementierung von selbst-wirksamen Zwängen, wie sie durch autoritäre Ideologien (die keine Alternativen zulassen) oder auch durch das kalkulierte Schüren von Ängsten (z.B. inszenierte Bedrohungsszenarien zur Durchsetzung neuer polizeilicher Eingriffsmaßnahmen oder von unpopulären Entscheidungen bei der Krisenbewältigung), von Zorn (Minderheiten für negative Gesellschaftsentwicklungen verantwortlich machen) oder von Hoffnungen (Wahlversprechen) befördert werden. Auch Ausdrucksmittel des zivilen Ungehorsams (sozialer Protest wie das Blockieren von Autobahnen, Rektoratsbesetzungen, wilder Streik u.ä.) greifen regelmäßig auf passive Gewaltformen zurück, indem sie die körperliche Integrität anderer einschränken (z.B. Befürworter von Studiengebühren und Mitglieder der Universitätsleitung am Zugang zu ihren Büros hindern). Das Ziel von zivilem Ungehorsam ist jedoch in aller Regel nicht körperliche Schädigung des Gegners, sondern Aufmerksamkeit für ein politisches Anliegen. Auch wenn diese Praktiken zu diesem Zweck oft mit den Grenzen des rechtlich und/oder moralisch Legitimen spielen, bleiben sie mehrheitlich Teil politischer Kommunikation.

Die Ausgestaltung und Merkmale von Politischer Kommunikation hängen von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere

  • von den verhandelten Gegenständen,
  • den Adressaten (Zielgruppe) und damit einhergehend
  • dem Grad an Öffentlichkeit sowie
  • der medialen, institutionellen und kulturhistorischen Einbettung.

Gegenstand der Politischen Kommunikation ist generell die soziale und materielle Welt in Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Wer sich politisch äußert, trifft dabei vornehmlich normative (deontische), programmatische Aussagen darüber, wie die Welt von morgen aussehen soll – im Modus des Wünschens bis hin zu Forderung und Befehl (das unterscheidet Politische Kommunikation idealtypisch etwa von wissenschaftlichen, wahrheitsbezogenen Aussagen). Dies schließt nicht nur Kommunikation über Verhaltensvorschriften, sondern auch über Sanktionen für den Fall von Normverstößen (Strafrecht, Entzug von Privilegien u.ä.) ein. Für die Entwicklung, Äußerung und Durchsetzung von zukunftsbezogenen Sollensaussagen (z.B. in Form von Parteiprogrammen oder Bürgerbegehren) wird die gegenwärtige (und oft in strategisch-narrativer Weise auch die vergangene) Welt perspektivisch sprachlich so problematisiert, dass sie eine Veränderung als notwendig oder zumindest wünschenswert erscheinen lässt, die eigenen Ordnungsvorstellungen oder Entscheidungen also gegenüber einer Zielgruppe möglichst rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass ein Großteil Politischer Kommunikation aus semantischen Kämpfen besteht, aus sprachlichen Kämpfen um die legitime oder illegitime Deutung der Lebenswelt (was ist aus Sicht der jeweiligen Interessensgruppe (nicht) das Problem des Status quo?), um Faktizitätsansprüche und der angemessenen Methoden oder Verfahren zur Erreichung des angestrebten Zielzustandes (von Konservierung des Status quo über punktuelle Anpassungen, „Reformen“, bis zu einem radikalen Systemumbau).

Schließlich zählt zum elementaren Gegenstandsbereich Politischer Kommunikation auch die Frage danach, unter welchen Umständen – mit welchen Verfahren, Medien, Ritualen, Argumentationsmustern, Vergleichen, Bildern, Schlagwörtern usw. – über Ordnungsvorstellungen verhandelt werden kann oder darf. Es geht also um die Verhandlung von Normen und Regeln einer legitimen Politischen Kommunikation, um Grenzen des Denk-, Wünsch- und Sagbaren, und damit um eine Frage, die selbst eminent politisch ist (z.B. Vorwurf der Cancel Culture u.ä.).

Der politische Diskurs ist ein Interdiskurs, kein Spezialdiskurs (vgl. Link 2013). Interdiskurse (massenmediale, literarische etc.) sind Orte der symbolischen Resynthese gesellschaftlichen Spezialwissens. In Interdiskursen wird das hoch fragmentierte und spezialisierte Wissen gesellschaftlicher Teilbereiche so aufbereitet, dass es eine prinzipiell für alle verständliche Form aufgeprägt bekommt (Kollektivsymbol). Die politische Wirksamkeit von Experten (Virologen in der Pandemie, Klimawissenschaftler in der Ökologiepolitik etc.) hängt davon ab, dass sie ihr Spezialwissen interdiskursiv zirkulationsfähig aufbereiten in sprachlichen und bildlichen Formaten, die allgemeinverständlich sind und die Dinge für das Urteil von Nichtspezialisten bewertbar und entscheidbar machen.

Programmatische Ordnungsvorstellungen sind immer an Interessensgruppen gebunden, seien es institutionalisierte Gruppen (wie Parteien) oder vorübergehend und lose organisierte soziale Bewegungen. Zum Gegenstandsbereich von Politischer Kommunikation zählt darum immer auch ein Deutungskampf darum, wer zur präferierten Selbstgruppe (Ingroup) zählen darf und wer davon als konkurrierende Fremdgruppe (oder gar Feindgruppe/Outgroup) abzugrenzen ist. Von der Adressierung der eigenen Anhänger oder der Feinde zu unterscheiden ist außerdem die medienvermittelte Ansprache eines dispersen Publikums, also von Unentschlossenen (z.B. Nicht-WählerInnen), unbeteiligten Dritten (z.B. Bevölkerungsgruppen anderer Staaten) oder MedienvertreterInnen. Ziel der in der Regel mehrfachadressierenden Politischen Kommunikation ist dabei idealtypisch, die Selbstgruppe durch geeignete Inszenierungstechniken positiv herauszustellen und nach innen zu disziplinieren (z.B. innerparteiliche Kontroversen zu reduzieren), die Fremdgruppen pauschalisierend abzuwerten oder zumindest zu delegitimieren, und Unbeteiligte bzw. ein disperses Publikum in einer Weise anzusprechen, dass es für die eigene Sache gewonnen werden kann (sei es durch aktive Zustimmung oder durch passive Hinnahme). In diesem Sinne ist Politische Kommunikation daher oft (aber nicht immer) auch strategische Kommunikation. Als „strategische Maxime“ formuliert:

„(1) Stelle die eigene Position positiv dar! (2) Stelle die gegnerische Position als ablehnenswert dar! (3) Demonstriere Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft! (4) Mache dir durch deine Rede in relevanten Gruppen möglichst viele geneigt, vor allem aber möglichst wenige zu Gegnern! (5) Halte dir Operationsspielräume offen – auch wenn du dich festlegen musst!“ (Klein 2009, S. 2125)

Im Hinblick auf Öffentlichkeitsgrad, mediale und institutionelle Einbettung lassen sich tendenziell zwei Pole einer offenen Skala an Konstellationen unterscheiden:

  1. Politische Kommunikation durch Berufspolitiker – also Akteure, die im Sinne Max Webers von und/oder für Politik beruflich leben – oder institutionalisierte politische Organisationen (prototypisch Parteien, ThinkTanks und NGOs, Gewerkschaften) sowie Politische Kommunikation in staatlichen Institutionen und kommunikativen Gattungen (Parlamentsdebatten, Parteitagsreden u.ä.) ist heute mehr denn je durch Professionalisierung und formelle wie auch informelle Verfahren (z.B. Geschäftsordnungen) bestimmt und auf größtmögliche Öffentlichkeit und massenmediale Sichtbarkeit durch unterschiedliche Zielgruppen ausgelegt. Politische Kommunikation dieses Typs ist daher auf den wahrnehmbaren Vorderbühnen stark ritualisiert, meist strategisch und tendiert generell zur Einwegkommunikation (weil auf Massentauglichkeit hin orientiert). Selbst dort, wo politische Interaktion öffentlich stattfindet (bzw. simuliert wird) – wie in Polit-Talkshows (siehe Beispiele), Politiker-Onlinechats in sozialen Medien oder auch am Wahlwerbestand –, dient sie nicht der kommunikativen Bearbeitung eines politischen Problems, sondern vornehmlich der Pflege der Selbst- und Fremdimages gegenüber eines (antizipierten) Publikums.
  2. Am anderen Ende der Skala steht Politische Kommunikation von alltagspolitischen Akteuren, von nicht- oder vergleichsweise nur schwach formalpolitisch institutionalisierten Gruppen (z.B. Familienrat, Vereine, Hochschulfachschaften, SchülerInnenvertretung u.ä.). Auch Gruppen in nur vorübergehender politischer Formation (z.B. Bürgerinitiative oder Online-Petition), in politischen Handlungsräumen mit beschränkter öffentlicher Reichweite (z.B. Kommunalpolitik, Hochschulpolitik) und mit reduzierter Fraktionsbindung bzw. je nach Thema und Ziel wechselnden, auch parteiübergreifenden Koalitionen gehören hierzu: Je stärker Politische Kommunikation in ihrer Öffentlichkeit beschränkt wird – sei es geplant (z.B. in der Bürgermeistersprechstunde, in einem nicht-öffentlich tagenden Bundestagsausschuss, beim kommunalen Vereinsfrühschoppen oder in der Sitzung einer politischen Hochschulgruppe usw.) oder auch spontan wie beim Austausch mit dem Bürgermeister an der Bushaltestelle –, desto stärker kommen auch deliberative, kooperative, nicht- oder nur schwach strategisch ausgerichtete, sondern vielmehr auf wechselseitiges Verständnis und Nähe/Akzeptanz hin angelegte kommunikative Praktiken zum Tragen.

Schließlich sind Praktiken und Erscheinungsformen Politischer Kommunikation abhängig von ihrer kulturhistorischen und, damit oft einhergehend, besonderen medienhistorischen Einbettung. Besonders deutlich wird dies etwa bei kulturspezifischen Traditionen der Konfliktaustragung (zum Beispiel unterscheiden sich deutsche und chinesische Streitgespräche im Hinblick auf Direktheit und Umgang mit drohendem Gesichtsverlust, vgl. Günthner 1994) und dem Übergang des Medienzeitalters von Massen- hin zu sozialen Medien (siehe auch nachfolgend).

Die zuvor allgemein skizzierten Ziele, Gegenstände und Rahmenbedingungen von Politischer Kommunikation schlagen sich musterhaft auf der Ebene der sprachlichen wie auch nonverbalen, symbolischen und bildhaften Ebene nieder. Zum prototypischen Repertoire, wie es u.a. in der Politolinguistik untersucht wird (Dieckmann 1975; Burkhardt 1996; Niehr et al. 2017), zählen dabei

  • all jene Zeichen und Praktiken, die die eigene Selbstgruppe, die eigenen Konzepte und Programme prägnant und zugleich in pauschalisierender Weise zum Ausdruck bringen und damit sowohl nach innen (Ingroup) als auch nach außen (Medienvertreter, politische Gegner, Publikum usw.) eine effektive Wiedererkennung und Verteilung ermöglichen: Symbole und Farben (bis hin zum Corporate Design), Schlagwörter, Schlagbilder und Slogans, ganze Wortfelder zur Markierung eigener Ideologie (Politikersprache im engeren Sinne).
  • Bildliche und sprachliche Kollektivsymbole (Link 2006); Statistiken, Schaubilder, Kurven objektivieren abstrakte und numerische Zusammenhänge anschaulich, sprachliche Kollektivsymbole liefern gemeinverständliche symbolische Resynthesen und Orientierungen (z.B. Links – Mitte – Rechts zur Orientierung im politischen Raum).
  • In professionalisierten Politikkontexten (Berufspolitik, siehe oben) kommt außerdem ein institutionensprachliches Repertoire hinzu, mit dem sich die Akteure effizient in den jeweiligen Organisationen orientieren und bewegen können (eine organisationsbezogene Terminologie bzw. Funktionssprache zur Benennung von Verfahrensabläufen, Funktionsrollen u.a.).
  • Mit zunehmendem Öffentlichkeitsgrad und damit massenkommunikativer Orientierung werden sprachlich-kommunikative Einheiten stärker von medialen Erwartungen – vor allem hinsichtlich Kürze, Prägnanz, Einfachheit/Anschaulichkeit – geprägt. Hinzu kommt Routine im Umgang mit Medientechnik: Wer seine Position während eines Interviews oder in der Talkshow nicht in mediengerechten, verbal, mimisch und gestisch kontrollierten Mundstücken servieren kann, wird massenmedial alsbald ignoriert (eine Ausnahme bildet die Technik der Selbstskandalisierung). Ähnliches gilt durchaus auch für den Einsatz von sozialen Medien (Twitter, Facebook u.ä.) zum Zwecke der Vernetzung und Mobilisierung von Anhängerschaft und Publikum; für soziale Medien gelten allerdings wiederum andere Kommunikationsnormen und -erwartungen (z.B. Zeichenbegrenzungen, Verschlagwortung via Hashtags, Hyperlinks), deren Beherrschung erlernt oder durch professionelle Akteure (z.B. PR-Agenturen) sichergestellt wird.
  • Über die Zeit hinweg hat sich ein breites Repertoire an ‚politischen‘ Textsorten (z.B. Parteiprogramm, Wahlplakate, offener Brief, Petition), Redesorten bzw. Gesprächsgattungen (Plenarrede, Regierungserklärung, TV-Duell etc.) bis hin zu komplexen Techniken wie Kampagnen herausgebildet. Im Grunde gibt es keine Technik strategischer Kommunikation, die nicht auch zur Realisierung von politischen Zielen eingesetzt werden (können). Generell ist Politische Kommunikation aber heute mehr denn je eine medialisierte und (audio)visuelle Kommunikation, sei sie in Bild (Foto, Symbole, Memes usw.) oder Bewegtbild (von animierten GIFs bis Videos).
  • Zur Legitimierung von Forderungen und programmatischen Ordnungsvorstellungen gegenüber Einwänden greift Politische Kommunikation regelmäßig auf rhetorische Mittel zurück, wie sie im Grunde schon seit der antiken Rhetorik beschrieben wurden (Aristoteles 4. Jh. v. Chr./2007), insbesondere Emotionalisierung (Pathos), Narration und Argumentation(smuster) bzw. Topoi.

In der Massen(medien)demokratie des 21. Jahrhunderts lassen sich über das oben bereits Angedeutete hinaus folgende Tendenzen der (vornehmlich Berufs-)Politischen Kommunikation beschreiben:

  1. Politische Akteure erheben regelmäßig den Anspruch, für bzw. im Interesse des Ganzen bzw. der Mehrheit, des ,Volkes‘, der Gesellschaft etc. zu sprechen. Nur dieser Anspruch auf Vertretung des ,Ganzen‘ legitimiert den politischen Versuch, Ziele durchzusetzen. Das gilt auch für partikulare Gruppenziele, sie müssen stets so kodiert werden, dass ihre Durchsetzung als allgemeines Interesse erscheint. Dieser Anspruch auf Allgemeinheit und Vertretung des Ganzen wird in der Politischen Kommunikation heute vor allem mit drei Autoritätsfiguren gestützt, die Dissens erschweren bzw. Widerspruch kostspielig und/oder riskant machen (Knobloch 1998):
    (a) Wissenschaftliche Expertise, Beratung, Think Tanks, Stiftungen: Im politischen Feld operiert eine Vielzahl von Institutionen und Personen, die als ,wissenschaftlich‘ und ,unabhängig‘ auftreten, aber de facto bestimmten Wirtschafts- und Machtinteressen verbundene Lobbyorgane sind (Bertelsmannstiftung, Stiftung Wissenschaft und Politik, Stifterverband für die Wissenschaft, um einige bekanntere zu nennen). Darüber hinaus ist in der Coronapandemie zu beobachten, wie politische Instanzen einzelne Wissenschaftler, Institutionen wie die „Leopoldina“, Ethikkommissionen etc. offizialisieren und zur Begründung und Legitimation ihrer politischen Entscheidungen einsetzen. „Die Wissenschaft“ ist als Autoritätsfigur im politischen Feld mittlerweile alltäglich und allgegenwärtig (vgl. Knobloch 2021).
    (b) Moralagenturen, moralisierte Gemeinschaften: Moralische Motive ermächtigen die Machtlosen und legitimieren die Mächtigen. Klassische Moralagenturen sind Organisationen wie Amnesty International, Greenpeace, WWF, Kinderhilfswerk etc., die den Ruf haben, keine eigenen partikularen Interessen zu verfolgen, sondern öffentlich für allgemein akzeptierte Werte zu stehen. Wer für moralisch einwandsimmune Anliegen, mit moralisch einwandsimmunen Programmbegriffen und im Namen gehegter Opfergruppen (Menschen mit Behinderung, ethnische und sexuelle Minderheiten etc.) spricht, erschwert öffentlichen Dissens erheblich (was Moralfassaden für Machtakteure natürlich attraktiv macht). Es sind nämlich bei weitem nicht immer die Betroffenen und Opfer-Communities selbst, die als Moralagenturen auftreten, vielfach sind es gerade die Eliten und Privilegierten, die sich ,im Namen‘ schwacher und diskriminierter gesellschaftlicher Gruppen moralisch selbst ermächtigen. Gleichstellung, Diversität, Inklusion sind moralisierte Programmbegriffe (Schlagwörter) – und zugleich Anliegen, die auf den höchsten Ebenen institutioneller Macht ,von oben‘ administriert werden.
    (c) Prominenz: Prominente stehen in den sozialen Medien und Massenmedien für die Chance, mit den eigenen Anliegen ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Prominenz ist aufmerksamkeitspolitisches Kapital und steht zugleich für ein Geschäft auf Gegenseitigkeit mit der medialen Szene: Man braucht einander, die Medien erhöhen ihre Reichweite, wenn sie prominente Akteure auftreten lassen, und letztere sind ihrerseits nur durch ihre Medienpräsenz prominent. 
  2. Je größer die politisch zu bearbeitenden Gesellschaftsbereiche, desto stärker prägen (oder dominieren) rechtliche Rahmen und vor allem bürokratische Apparate den politischen Gestaltungsspielraum. Dies gilt insbesondere für Berufspolitik auf Bundes- und Landesebene. Die Komplexität der fachlichen Zusammenhänge in einer globalisierten Welt überfordern die politischen Akteure systematisch (Narr 2015, S. 259), die ihre Positionen und Kommunikationsstrategien darum zunehmend für professionalisierte „Politikberatung“ bzw. Lobbying-Eingaben geöffnet haben (bis hin zur Übernahme von Gesetzesentwürfen; vgl. Vogel 2012). Mangelndem Gestaltungsspielraum und der de facto Verhärtung der sozialen Verhältnisse (v.a. mit Blick auf die ungleiche Vermögensverteilung in der Gesellschaft) auf der Hinterbühne steht eine verstärkte Inszenierung von politischer Dynamik und Kontroverse auf der Vorderbühne gegenüber. Infolge spielen politische Kämpfe um tiefgreifende Richtungsänderungen (auch auf die Gefahr des Scheiterns hin) weniger im Vordergrund als eine Positionierung in Abhängigkeit von Zustimmungsbarometern. 
  3. Die Orientierung an (vermeintlich) messbaren Zustimmungswerten schlägt sich nicht nur in (der Berichterstattung zu) einer professionalisierten Meinungserhebung, sondern auch im zunehmenden strategischen Einsatz von datenintensiver Medientechnologie im Wahlkampf nieder: Wahlkampf-Apps sammeln und aggregieren Informationen über Zielgruppen (mögliche Einstellung, aber auch Hinweise zu Alter, Geschlecht usw.; vgl. Netzpolitik 2021) und geben den Wahlkämpfern an der Haustür strategische Hinweise zur Ansprache (und Überredung); personalisierte Wahlwerbung auf sozialen Medien (vgl. zu Facebook: SZ 2017) ermöglicht den Einsatz zielgruppen- bzw. personenspezifischer Persuasionstechniken auf Basis von teilweise höchstpersönlichen Informationen der jeweiligen User.

Von Politischer Kommunikation zu unterscheiden sind die verwandten Begriffe der Sprachpolitik und der Sprachenpolitik. „Sprachpolitik“ (Maas 1989) ist Teil von Politischer Kommunikation und bezeichnet die interessengeleitete Perspektivierung von Sachverhalten, Personen oder Objekten durch Auswahl (bzw. Abwahl) bestimmter sprachlicher Zeichen (siehe auch Schlagwörter). Diese Perspektivierung kann intuitiv-automatisch oder aber auch im Sinne einer offiziellen, zum Beispiel staatlich verordneten und sanktionsbewehrten Sprachregelung erfolgen (z.B. die russische Tabuisierung des Ausdrucks Krieg gegenüber des offiziellen Ausdrucks Spezialoperation). „Sprachenpolitik“ bildet hingegen ein eigenständiges Politikfeld, auf dem typischerweise Fragen der (staatlichen) Förderung oder Erhaltung von Minderheitensprachen in einem Land oder einer Region verhandelt werden (z.B. Erhalt des Nordfriesischen in Deutschland).

Beispiele

Die Ausgestaltungsformen Politischer Kommunikation sind vielfältig. Die folgenden drei Beispiele können das Spektrum möglicher Formen nur andeuten:

  1. Das Parlament ist der Ort offizieller, verfahrensgeleiteter politischer Kommunikation. Die Debatten der Abgeordneten finden statt in vorgegebenen Formaten (Plenum, Ausschuss, Aktuelle Stunde etc.). In ihnen kommen die Abgeordneten der im Parlament vertretenen Parteien nach festen Regeln und mit vorgegebenen Zeitslots zu Wort. Der Bundestag verhandelt öffentlich und trifft Mehrheitsentscheidungen im Anschluss an die Debatten. Es ist die Aufgabe der Regierungsparteien und ihrer Vertreter, ihre Anliegen mehrheits- und zustimmungsfähig zu präsentieren. Den Oppositionsparteien obliegt es, Kritik und Einwände zu formulieren. Weil es aber so gut wie niemanden gibt, der die Debatten des Parlaments verfolgen könnte, werden Redebeiträge in der Regel so aufbereitet, dass sie eine Reihe von prägnanten Formeln, Kollektivsymbolen, Schlagwörtern, Autoritätsfiguren enthalten, die eine Chance haben, von den Massenmedien aufgegriffen zu werden und ein breiteres Publikum zu erreichen. Um ein Beispiel zu nennen: In der jüngsten Debatte über die BaföG-Reform der Ampelregierung (44. Sitzung vom 23. Juni 2022) beginnt die Vertreterin der SPD mit der Bemerkung, nur noch 11% der Studierenden erhielten BaföG und führt das auf die letzten 16 Jahre CDU-Regierung zurück. Jetzt würde die Regierung schnell den Hebel umlegen. Die Abgeordnete der Linken beginnt mit dem Satz: 30 Prozent der Studierenden in Deutschland sind von Armut betroffen – das geht aus einer aktuellen Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hervor. Das sind bittere Zahlen. Um dann fortzufahren, die geplanten Reformen würden an dieser Lage wenig ändern. Beide Zahlen wurden in den auf die Debatte folgenden Tagen breit in den Medien diskutiert.
  2. Polit-Talkshows wie Anne Will (ARD), Hart aber fair (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und viele andere zählen heute zum Standardrepertoire massenmedial reproduzierter Politischer Kommunikation. Ihrem Anspruch nach sollen sie zur politischen Meinungsbildung der ZuschauerInnen beitragen, indem zentrale Themen stellvertretend von Mitgliedern aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und oft auch Zivilgesellschaft diskutiert und Argumente ausgetauscht werden sollen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass es bei Polit-Talkshows weniger um authentische politische Debatte geht, sondern eher um eine „medienspezifische Inszenierung von Propaganda als Diskussion“ (Holly et al. 2015). Hintergrund ist, dass Talkshows in vielfältiger Weise einem ,Drehbuch‘ folgen und für das Medium Fernsehen so zugeschnitten werden, dass sie den politischen Akteuren hinreichend Gelegenheit zur Selbstwerbung verschaffen, die Moderation sich profilieren und die Sender sich im Konkurrenzkampf um Einschaltquoten behaupten können. Diesen Zielen dient u.a. die Auswahl von besonders umstrittenen (und nicht unbedingt gesellschaftlich relevanten) Diskussionsthemen und von populären (nicht unbedingt kompetenten) DiskussionspartnerInnen, die Gestaltung von Sitzordnung und Kameraführung, eine Moderation mit vielen Themensprüngen, mehr Provokation und unterhaltsamen Statements („Gesprächssimulierung“, ebd.: S. 203) anstelle von wenig unterhaltsamer Argumentationsentwicklung und Kompromisssuche.
  3. Die kommunale Ebene als Ort politischer Aushandlung und Kommunikation wurde selbst in der Wissenschaft bislang leicht übersehen (Habscheid und Vogel 2021). Dabei lässt sich etwa an der Kommunikation zwischen BürgermeisterInnen und BürgerInnen leicht beobachten, wie räumlich-soziale Nähe zwischen den Beteiligten zu mehr Kooperation und Verbindlichkeit beiträgt und damit die Chancen für Interessensausgleich befördert. Die verhandelten Sachverhalte lassen sich in aller Regel noch leichter überschauen, die Wege zu den RathausvorsteherInnen, Gemeinderats- und Parteimitgliedern sowie zu Verwaltungsangehörigen sind (vergleichsweise) kurz – man kennt sich, der/die BürgermeisterIn ist „eineR von ihnen“ und muss sich für umstrittene Entscheidungen unmittelbar (mitunter am eigenen Gartenzaun) rechtfertigen. Angesichts zunehmender Politik(erInnen)-Verdrossenheit in der Bevölkerung sind es darum gerade die Kommunen, die neue Wege suchen und finden, BürgerInnen stärker in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, etwa in Form von offenen Bürgermeister-Sprechstunden, Beteiligungsforen, politischen Stadtführungen u.a.

Literatur

Zum Weiterlesen

  • Dieckmann, Walther (1975): Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache. Heidelberg: Winter.

  • Feilke, Helmuth (2018): Politische Kommunikation und Sprache. In: Praxis Deutsch, Heft 269, S. 4–11.

  • Girnth, Heiko (2015): Sprache und Sprachverwendung in der Politik. Eine Einführung in die linguistische Analyse öffentlich-politischer Kommunikation. Berlin; Boston: De Gruyter.

  • Knobloch, Clemens (1998): Moralisierung und Sachzwang. Politische Kommunikation in der Massendemokratie. Duisburg: DISS.

Zitierte Literatur

  • Arendt, Hannah (1981): Macht und Gewalt. Unter Mitarbeit von Gisela Uellenberg. München: Piper.
  • Arendt, Hannah (2015): Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlaß. Unter Mitarbeit von Kurt Sontheimer. München: Piper.
  • Aristoteles (4. Jh. v. Chr./2007): Rhetorik. Hrsg. von Gernot Krapinger. Stuttgart: Reclam.
  • Burkhardt, Armin (1996): Politolinguistik. Versuch einer Ortsbestimmung. In: Klein, Josef; Diekmanns-henke, Hans-Joachim (Hrsg.): Sprachstrategien und Dialogblockaden. Linguistische und politikwissenschaftliche Studien zur politischen Kommunikation. Berlin: De Gruyter, S. 75–100.
  • Dieckmann, Walther (1975): Sprache in der Politik. Einführung in die Pragmatik und Semantik der politischen Sprache. Heidelberg: Winter.
  • Dörner, Andreas (2001): Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Günthner, Susanne (1994): „Also moment SO seh ich das NICHT“ – Informelle Diskussionen im interkulturellen Kontext. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 93, Jg. 24, S. 97–122.
  • Habscheid, Stephan; Vogel, Friedemann (2021): Eine Krise in der Krise: Corona-Krisenkommunikation von Bürgermeister*innen in Deutschland. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, S. 505–528.
  • Holly, Werner; Kühn, Peter; Püschel, Ulrich (2015): Politische Fernsehdiskussionen. Zur medienspezifischen Inszenierung von Propaganda als Diskussion. Tübingen: Max Niemeyer Verlag.
  • Klein, Josef (2009): Rhetorisch-stilistische Eigenschaften der Sprache der Politik. In: Fix, Ulla; Ungeheuer, Gerold; Wiegand, Herbert E. (Hrsg.): Rhetorik und Stilistik / Rhetoric and Stylistics. Berlin [u. a.]: De Gruyter, S. 2112–2131.
  • Knobloch, Clemens (1998): Moralisierung und Sachzwang. Politische Kommunikation in der Massendemokratie. Duisburg: DISS.
  • Link, Jürgen (2013): Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Maas, Utz (1989): Sprachpolitik und politische Sprachwissenschaft. 7 Studien. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Meyer, Thomas (2004): Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch das Mediensystem. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Narr, Wolf-Dieter (2015): Niemands-Herrschaft. Eine Einführung in Schwierigkeiten, Herrschaft zu begreifen. Hamburg: VSA.
  • Niehr, Thomas; Kilian, Jörg; Wengeler, Martin (Hrsg.) (2017): Handbuch Sprache und Politik. 21.1–21.3. Bremen: Hempen Verlag.
  • Vogel, Friedemann (2012): Linguistik rechtlicher Normgenese. Theorie der Rechtsnormdiskursivität am Beispiel der Online-Durchsuchung. Berlin [u. a.]: De Gruyter.

Verlinkte Internetquellen

Zitiervorschlag

Knobloch, Clemens und Vogel, Friedemann (2022): Politische Kommunikation. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 05.07.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/politische-kommunikation/.

DiskursGlossar

Grundbegriffe

Diskurskompetenz

Im engeren, linguistischen Sinn bezeichnet Diskurskompetenz die individuelle sprachlich-kommunikative Fähigkeit, längere zusammenhängende sprachliche Äußerungen wie Erzählungen, Erklärungen, Argumentationen zu formulieren und zu verstehen.

Agenda Setting

Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.

Medien

Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.

Macht

Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.

Normalismus

Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.

Wissen

Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.

Werbung

Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.

Mediale Kontrolle

Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.

Freund- und Feind-Begriffe

Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.

Sprachpolitik / Sprachenpolitik

Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.

Techniken

Offener Brief

Bei einem offenen Brief handelt es sich um eine strategische Praktik, die genutzt wird, um Anliegen einer Person oder Gruppe öffentlich sichtbar zu machen. Die Texte, die als offene Briefe bezeichnet werden, richten sich an eine Person oder Institution und werden über Medien veröffentlicht.

Kommunikationsverweigerung

Unter dem Begriff Kommunikationsverweigerung lässt sich ein Bündel von Praktiken und Strategien fassen, die den kommunikativen Austausch zu erschweren oder zu verhindern suchen.

Flugblatt

Unter Flugblättern versteht man einseitige Druckerzeugnisse, die ursprünglich meist illustriert waren. Eng verwandt sind die mehrseitigen Flugschriften. Während Flugschriften und Flugblätter heute kostenlos verteilt werden oder zur Mitnahme ausliegen, wurden sie in der Frühen Neuzeit zunächst als Handelswaren verkauft und gingen so als frühe Massenmedien den Zeitungen voraus.

Passivierung

Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).

Aufopferungs-Topos

Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.

Opfer-Topos

Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.

Analogie-Topos

Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.

Topos der düsteren Zukunftsprognose

Der Topos der düsteren Zukunftsprognose beschreibt ein Argumentationsmuster, bei dem eine negative, dystopische Zukunft prognostiziert wird. Dabei wird auf die drohenden Folgen einer Krise oder einer allgemeinen Gefahr verwiesen, aus der eine negative Zukunft bei falschem Handeln resultieren wird.

Negativpreis

Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.

Be-/Überlastungs-Topos

Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.

Schlagwörter

Verfassung

Die Verfassung eines Landes (in Deutschland das Grundgesetz von 1949) steht für die höchste und letzte normative und Legitimität setzende Instanz einer staatlichen Rechtsordnung. In der offiziellen Version demokratischer Selbstbeschreibung ist es das Volk selbst, das sich in einem rituellen Gründungsakt eine Verfassung gibt.

Toxizität / das Toxische

Es ist nicht immer ganz eindeutig bestimmbar, was gemeint wird, wenn etwas als toxisch bezeichnet wird. Zeigen lässt sich zwar, dass sich die Bedeutung von ‚giftig‘ hin zu ‚schädlich‘ erweitert hat, doch die Umstände, unter denen etwas für jemanden toxisch, d. h. schädlich ist, müssen aus der diskursiven Situation heraus erschlossen werden.

Zivilgesellschaft

Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.

Demokratie

Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.

Plagiat/Plagiarismus

Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.

Fake News

Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.

Lügenpresse

Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.

Antisemitismus

Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.

Grammatiknazi / Grammar Nazi

Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.

Respekt

Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.

Verschiebungen

Ökonomisierung

Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren

Moralisierung

Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.

Konstellationen

Skandal

Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.

DiskursReview

Review-Artikel

Neue Beiträge Zur Diskursforschung 2023

Mit Beginn des Wintersemesters laden die Forschungsgruppen CoSoDi und Diskursmonitor sowie die Akademie diskursiv ein zur Vortragsreihe Neue Beiträge Zur Diskursforschung. Als interdisziplinäres Forschungsfeld bietet die Diskursforschung eine Vielzahl an...

Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)

Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein?

Was ist ein Volk?

Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.

Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!

Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…