
DiskursGlossar
Google-Bombing
Kategorie: Techniken
Verwandte Ausdrücke: Google-Bombe, Googlewashing, Link Bombing, Spamdexing, Link Spam, Keyword Spam, negative SEO, Suchmaschinen-Spamming
Siehe auch: Suchmaschinenoptimierung, Search Engine Advertising, Domain-Grabbing, Guerillakommunikation
Autor: Jo Bager
Version: 1.1 / Datum: 12.12.2022
Kurzzusammenfassung
Als Google-Bombing bezeichnet man eine Methode, mit der die Trefferliste bei Google manipuliert wird. Dabei soll der Link auf eine bestimmte Webseite möglichst prominent auf der Suchergebnisseite platziert werden.
Google-Bombing wurde in der Vergangenheit unter anderem von politischen Aktivisten genutzt (Guerillakommunikation), um einen politischen Akteur oder eine Partei mit einem negativen Begriff zu verknüpfen (Imageverschmutzung) oder unter ihrem Namen einen Link auf eine kritische Webseite zu platzieren. Aktuell spielen Google-Bombs aber kaum eine Rolle mehr.
Erweiterte Begriffsklärung
Suchmaschinen gehören zu den wichtigsten Diensten für die Orientierung im Internet. Sie indizieren die Texte und andere Inhalte auf allen Webseiten und machen sie über eine Abfragemaske durchsuchbar. Die Suchmaschine mit dem größten Marktanteil ist Google.
Die Reihenfolge, in der eine Suchmaschine ihre Treffer auf ihren Suchergebnisseiten anzeigt (Search Engine Result Pages, SERPs), bezeichnet man als Ranking. Das Ranking legt ein komplexer Algorithmus fest. Er bezieht dafür die Inhalte auf den indizierten Seiten selbst mit ein, also zum Beispiel das Vorhandensein und die Häufigkeit bestimmter Schlagwörter. Außerdem sind externe Faktoren für das Ranking relevant. Bei Google waren und sind die Anzahl der Links, die auf eine Seite weisen, sowie die Texte, mit denen diese Links hinterlegt sind, wichtige Faktoren für das Ranking.
Schon immer haben (Werbe-)Unternehmen und andere Akteure versucht, ihre Seiten bei häufig genutzten Suchbegriffen an möglichst prominenter Stelle in den Suchergebnissen bei Google und anderen Suchmaschinen zu platzieren. Dieses Vorhaben nennt man Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO).
Beim Google-Bombing versucht man, das Suchergebnis nicht für die eigenen, sondern für fremde Seiten zu beeinflussen. Solche Vorhaben werden auch als negative SEO bezeichnet. Konkret soll Google-Bombing dazu führen, die Seite eines Konkurrenten, eines missliebigen Unternehmens, einer Partei oder eines Politikers mit einem negativen Begriff zu besetzen oder unter seinem Namen eine Seite zu verlinken, die sich kritisch mit ihm auseinandersetzt. Den Begriff Google-Bombing hat der Journalist Adam Mathes in einem Online-Artikel über das Phänomen geprägt (vgl. Mathes 2001).
Google Bombing macht sich die Tatsache zunutze, dass Google auch die Texte für das Ranking heranzieht, die mit Links auf eine bestimmte Webseite verweisen. Bei dem Beispiel 2 (siehe unten) war die Biographie des damaligen Präsidenten George W. Bush der erste Treffer, wenn man nach miserable failure suchte. Dieser Begriff war weder auf der Biographieseite von Bush enthalten, noch ist er Bestandteil der beim Link verborgenen URL (letztere lautete www.whitehouse.gov/president/gwbio.html). Vielmehr war es den Veranlassern der Google-Bombe gelungen, sehr viele Linkverweise zu Bushs Biographieseite auf Webseiten zu setzen oder setzen zu lassen, die mit dem Text miserable failure hinterlegt waren.
Nachdem Google in den Nullerjahren recht anfällig für Google-Bomben war, hat der Suchmaschinenbetreiber seine Ranking-Algorithmen nach und nach angepasst, was es schwieriger machte, mit Google-Bomben die Suche zu beeinflussen. Seit Ende der Nullerjahre kamen Google-Bombs nur noch selten vor, ganz verschwunden sind sie nicht.
Im Zuge des Ukraine-Kriegs hat eine neue Spielart der Google-Bomben einen Schub erfahren, das (Google-)Review-Bombing. Dabei geht es darum, die Webseite, die Dienstleistung oder das Produkt eines Konkurrenten durch massenhaft negative Bewertungen auf Plattformen wie Amazon, App Stores oder Google Maps zu diskreditieren.
Beispiele
(1) Als erste Google-Bombe gilt der Suchbegriff more evil than satan himself (,böser als Satan persönlich‘), unter dem ab 1999 ein Link auf die Seite von Microsoft erschien (vgl. Spring 1999).
(2) 2003 wurde der damalige US-Präsident George W. Bush die Zielscheibe der wohl bekanntesten Google-Bombe. Viele Gegner Bushs hatten sich abgesprochen, die Seite mit der Biographie von Präsident Bush auf der Webseite des Weißen Hauses zu verlinken, hinterlegt mit dem Begriff miserable failure (,jämmerliches Versagen‘ bzw. ,erbärmlicher Versager‘). Auf diese Weise wurde die betreffende Seite der erste Treffer für die Suchabfrage miserable failure. Auch 2005 verwies Google unter dem Begriff miserable failure auf die betreffende Seite (vgl. Rötzer 2005).

Abb. 1: Google Suchergebnis: Miserable failure (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Google_Bomb_Miserable_Failure.png ; Zugriff: 22.11.2022).
(3) 2018 erreichten Aktivisten, dass Google bei der Suche nach dem Begriff Idiot zahlreiche Fotos von Donald Trump anzeigte (vgl. Breithut 2018).
(4) Das Hackerkollektiv Anonymous hat im Februar 2022 einen Aufruf verbreitet, die Kommentarfunktion des Google-Review-Angebots zu nutzen, um auf die Situation in der Ukraine aufmerksam zu machen und sich den Protesten dagegen anzuschließen. Auf diese Weise sollten die Zensurmechanismen in Russland umgangen werden, die es Bürgern dort unmöglich machen, sich neutral zu informieren. Google hat allerdings auch auf dieses Google-Review-Bombing reagiert, löscht Beiträge, die nicht mit den betreffenden Unternehmen zu tun haben, und sperrt Accounts, unter denen solche Beiträge angelegt werden (vgl. Maier 2022).
Literatur
Zitierte Literatur
- Breithut, Jörg (2018): Google-Suche nach „Idiot“ führt zu Donald Trump. Online unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/web/donald-trump-suche-nach-idiot-fuehrt-bei-google-zu-us-praesidenten-a-1219443.html ; Zugriff: 22.11.2022.
- Maier, Sascha (2022): Google-Review-Bombing gegen Russland. Online unter: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.cyberkrieg-um-die-ukraine-google-review-bombing-gegen-russland.6cc9d15c-acf8-4abd-b173-81e63cf8cb28.html ; Zugriff: 22.11.2022.
- Mathes, Adam (2001): Filler Friday: Google Bombing. Über: Better Than You Daily, aufgerufen bei Archive.org. Online unter: https://web.archive.org/web/20050715083840/http://uber.nu/2001/04/06/ ; Zugriff: 22.11.2022.
- Rötzer, Florian (2005): Vom Begriff „Versager“ zur Biographie von G. W. Bush. Online unter: https://www.heise.de/tp/features/Vom-Begriff-Versager-zur-Biographie-von-G-W-Bush-3401253.html ; Zugriff: 22.11.2022.
- Spring, Tom (1999): Search engines gang up on Microsoft. CNN.com, aufgerufen bei Archive.org: https://web.archive.org/web/20010626201449/http://www.cnn.com/TECH/computing/9911/15/search.engine.ms.idg/ ; Zugriff: 22.11.2022.
Abbildungsverzeichnis
- Abb. 1: Google Suchergebnis: Miserable failure. URL: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Google_Bomb_Miserable_Failure.png ; Zugriff: 22.11.2022.
Zitiervorschlag
Bager, Jo (2022): Google-Bombing. In: Diskursmonitor. Glossar zur strategischen Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Hg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Veröffentlicht am 12.12.2022. Online unter: https://diskursmonitor.de/glossar/google-bombing.
DiskursGlossar
Grundbegriffe
Agenda Setting
Rassistisch motivierte Gewalt, Zerstörung des Regenwaldes, Gender pay gap: Damit politische Institutionen solche Probleme bearbeiten, müssen sie erst als Probleme erkannt und auf die politische Tagesordnung (Agenda) gesetzt werden. Agenda Setting wird in Kommunikations- und Politikwissenschaft als eine Form strategischer Kommunikation beschrieben, mithilfe derer Themen öffentlich Gehör verschafft und politischer Druck erzeugt werden kann.
Medien
Die Begriffe Medien/Massenmedien bezeichnen diverse Mittel zur Verbreitung von Informationen und Unterhaltung sowie von Bildungsinhalten. Medien schaffen damit eine wesentliche Grundlage für Meinungsbildung und Meinungsaustausch.
Macht
Macht ist die Fähigkeit, Verhalten oder Denken von Personen zu beeinflussen. Sie ist Bestandteil sozialer Beziehungen, ist an Kommunikation gebunden und konkretisiert sich situationsabhängig. Alle expliziten und impliziten Regeln, Normen, Kräfteverhältnisse und Wissensformationen können aus diskursanalytischer Perspektive als Machtstrukturen verstanden werden, die Einfluss auf Wahrheitsansprüche und (Sprach)Handlungen in einer Gesellschaft oder Gruppe nehmen.
Normalismus
Normalismus ist der zentrale Fachbegriff für die Diskurstheorie des Literaturwissenschaftlers Jürgen Link. Die Normalismus-Theorie fragt danach, wie sich Vorstellungen von ‚Normalität‘ und ‚Anormalität‘ als Leit- und Ordnungskategorien moderner Gesellschaften herausgebildet haben.
Wissen
Kollektives Wissen von sozialen Gruppen ist sowohl Voraussetzung als auch Ziel strategischer Kommunikation in öffentlichen Diskursen. Es wird geprägt durch individuelle Erfahrung, aber auch in Diskursgemeinschaften kommunikativ geteilt – vor allem im Elternhaus, in Peergroups und Bildungseinrichtungen sowie durch Medienkonsum.
Werbung
Werbung ist ein Kommunikationsinstrument von Unternehmen, das der Positionierung im Markt dient und je nach Situation des Unternehmens auf Einführung, Erhalt oder Ausbau von Marktanteilen und damit letztlich auf ökonomischen Gewinn abzielt.
Mediale Kontrolle
Medien werden vielfältig zur Durchsetzung von Macht verwendet. So in der Zensur, wenn eine politische Selektion des Sagbaren und des Unsagbaren stattfindet; in der Propaganda, wenn eine Bevölkerung von den Ansichten oder wenigstens der Macht einer bestimmten Gruppe überzeugt werden soll; oder in der Überwachung, die unerwünschtes Verhalten nicht nur beobachten, sondern unwahrscheinlich machen soll.
Freund- und Feind-Begriffe
Freund-, Gegner- und Feindbegriffe sind Teil der Politischen Kommunikation. Sie bilden die Pole eines breiten Spektrums von kommunikativen Zeichen, mit denen politische Akteure sich selbst und ihre politischen Gegner im Kampf um beschränkte Ressourcen auf dem diskursiven Schlachtfeld positionieren.
Sprachpolitik / Sprachenpolitik
Sprachpolitik bezeichnet allgemein alle politischen Prozesse, die auf eine Beeinflussung der Sprachverwendung in einer Gesellschaft oder Sprachgemeinschaft abzielen. Unterschieden wird häufig zwischen Sprachenpolitik und Sprachpolitik im engeren Sinne.
Sagbarkeit
Im öffentlichen Diskurs findet sich häufig die strategische Behauptung, dass bestimmte Fakten oder Meinungen unsagbar seien. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass es Grenzen des Sagbaren gebe, die im öffentlichen Diskurs Geltung hätten.
Techniken
Passivierung
Unter Passivierung versteht man die Formulierung eines Satzes in einer grammatischen Form des Passivs. Das Passiv ist gegenüber dem Aktiv durch die Verwendung von Hilfsverben formal komplexer. Seine Verwendung hat unter anderem zur Folge, dass handelnde Personen im Satz nicht genannt werden müssen, was beispielsweise in Gesetzestexten für eine (gewünschte) größtmögliche Abstraktion sorgt („Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Art. 3 GG).
Aufopferungs-Topos
Als Aufopferungs-Topos wird in der Diskursforschung ein Argumentationsmuster bezeichnet, das zwei strategische Funktionen erfüllen kann: einerseits kann es dazu dienen, mit der Behauptung eines besonderen Ressourceneinsatzes (z.B. Einsatz von Geld, Zeit oder emotionaler Belastung) einen hohen Achtungswert für eine Person, eine Sache bzw. für ein Ziel zu plausibilisieren. Andererseits können Akteure besondere Privilegien (wie z.B. Wertschätzung, Entscheidungsbefugnisse und Mitspracherechte) reklamieren, wenn sie sich für eine bereits in der sozialen Bezugsgruppe hochgeschätzte Sache engagieren.
Opfer-Topos
Als Opfer-Topos bezeichnet man eine diskursive Argumentationsstrategie, bei der sich Akteure als ‚Opfer‘ gesellschaftlicher Urteilsbildung inszenieren und damit eigene Interessen – vor allem Aufmerksamkeit und Berücksichtigung von Bedürfnissen – geltend zu machen versuchen.
Analogie-Topos
Der Analogie-Topos zählt zu den allgemeinen bzw. kontextabstrakten Argumentationsmustern, die genutzt werden können, um für oder gegen eine Position zu argumentieren. Analogie-Topoi werden von verschiedenen Akteuren und Akteursgruppen strategisch eingesetzt, um eine zustimmende Haltung bei den Zielgruppen zu bewirken.
Negativpreis
Ein Negativpreis ist eine Auszeichnung an Personen oder Organisationen (meist Unternehmen), die sich oder ihre Produkte positiv darstellen und vermarkten, ihre Versprechen aus Sicht des Preisverleihers allerdings nicht einhalten. Dabei dient der Preis durch seine Vergabe vor allem dem Zweck, Aufmerksamkeit zu erregen, mediale Präsenz auf ein Thema zu lenken und den Preisträger in seinem moralischen Image zu beschädigen.
Be-/Überlastungs-Topos
Der Be-/Überlastungstopos ist ein Argumentationsmuster, das vorwiegend in der politischen Kommunikation eingesetzt wird. Als zu vermeidende Konsequenz einer konkreten Situation wird mit dem Be-/Überlastungstopos ein Be- bzw. Überlastungs-Szenario skizziert.
Wahlkampf
Wahlkämpfe sind Zeiten stark intensivierter politischer Kommunikation. Politische Parteien entwickeln Programme für die nächste Legislaturperiode in der Hoffnung, durch entsprechenden Stimmengewinn zu deren Umsetzung ermächtigt zu werden.
Wir
Das Pronomen wir erfüllt aber noch eine weitere diskursive Funktion: Ein Fundament des politischen Diskurses sind dynamische politische Ideologien: Glaubens- und Wissenssysteme von politischen und sozialen Gruppen.
Petition
Petitionen sind eine der am meisten genutzten Partizipationsformen nach Wahlen. Sie sind sowohl ein Mittel der politischen Beteiligung als auch ein Protestmittel und damit Zwitterwesen in der politischen Landschaft. Durch die Digitalisierung haben sich Petitionen zudem maßgeblich verändert, ihre Zahl hat zugenommen, ebenso wie die Zahl der Plattformen, auf denen sich Petitionen starten lassen.
Influencer / Influencerin
Influencer:innen sind Personen, die auf Social-Media-Plattformen regelmäßig selbst produzierte Inhalte publizieren und damit eine öffentliche Reichweite über ihre Follower:innen aufbauen. Influencer:innen haben das Potenzial, Rezipient:innen in ihrem Wissen, Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen (engl. to influence).
Schlagwörter
Zivilgesellschaft
Im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch werden so heterogene Organisationen, Bewegungen und Initiativen wie ADAC und Gewerkschaften, Trachtenvereine und Verbraucherschutzorganisationen, Umweltorganisationen und religiöse Gemeinschaften zur Zivilgesellschaft gezählt.
Demokratie
Der Ausdruck Demokratie dient häufig zur Bezeichnung einer (parlamentarischen) Staatsform und suggeriert die mögliche Beteiligung aller an den Öffentlichen Angelegenheiten. Dabei ist seine Bedeutung weniger eindeutig als es den Anschein hat.
Plagiat/Plagiarismus
Plagiarismus ist ein Begriff, der sich im öffentlichen Diskurs gegen Personen oder Produkte richten kann, um diese in zuweilen skandalisierender Absicht einer Praxis unerlaubter intermedialer Bezugnahme zu bezichtigen. Die Illegitimität dieser Praxis wird oft mit vermeintlichen moralischen Verfehlungen in Verbindung gebracht.
Fake News
Fake News wird als Schlagwort im Kampf um Macht und Deutungshoheit in politischen Auseinandersetzungen verwendet, in denen sich die jeweiligen politischen Gegenspieler und ihre Anhänger wechselseitig der Lüge und der Verbreitung von Falschnachrichten zum Zweck der Manipulation der öffentlichen Meinung und der Bevölkerung bezichtigen.
Lügenpresse
Der Ausdruck Lügenpresse ist ein politisch instrumentalisierter „Schlachtruf“ oder „Kampfbegriff“ gegen etablierte und traditionelle Medien. Dabei wird häufig nicht einzelnen Medien-Akteuren, sondern der gesamten Medienbranche vorgeworfen, gezielt die Unwahrheit zu publizieren.
Antisemitismus
Mit Antisemitismus werden gemeinhin alle jene Phänomene bezeichnet, die sich gegen das Judentum oder gegen Jüdinnen*Juden als Jüdinnen*Juden richten. Die entsprechenden Erscheinungen reichen von der bloßen Distanzierung und Behauptung jüdischer Andersartigkeit, über vollständig ausgearbeitete Weltbilder, die Jüdinnen*Juden für sämtliche Probleme verantwortlich machen, bis hin zu massiven Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Gewaltpraktiken.
Grammatiknazi / Grammar Nazi
Das überwiegend negativ konnotierte Schlagwort Grammatiknazi – als Übersetzung von engl. grammar nazi – wird zur Benennung von Personen verwendet, die meist in eher informellen Kontexten der öffentlichen Internetkommunikation (u. a. in Foren, Kommentarbereichen auf Nachrichtenportalen, sozialen Netzwerken) ungefragt Sprachkritik an den Äußerungen anderer (häufig fremder) Kommunikationsteilnehmer*innen üben.
Respekt
Respekt oder respektvolles Verhalten wird eingefordert für die Eigengruppe (bzw. von der Eigengruppe), für wirklich oder vermeintlich diskriminierte Gruppen, für abweichende Meinungen. Mitgemeint ist bei der Forderung nach Respekt meist eine positiv bewertete Szene der (sozialen, kulturellen, ethnischen, sexuellen etc.) Vielfalt/Diversität.
Geschlechtergerechte Sprache
Mit dem heute als Fahnenwort gebrauchten Ausdruck geschlechtergerechte Sprache ist die Forderung verbunden, bei Personenbezeichnungen die einseitige, für diskriminierend erklärte Bezugnahme auf einen bestimmten Sexus, konkret: auf das männliche Geschlecht, zu unterlassen.
Identitätspolitik
Der Ausdruck steht heute für eine politische Konstellation, in der konkurrierende Wir-Gemeinschaften mit einer Diskriminierungs- und Benachteiligungsgeschichte in der Öffentlichkeit um Anerkennung konkurrieren. An der Oberfläche geht es ‚identitären‘ Wir-Gemeinschaften darum, die eigene Diskriminierung als Ermächtigungsmotiv an die Öffentlichkeit zu tragen.
Verschiebungen
Ökonomisierung
Ökonomisierung wird in gegenwärtigen Diskursen in der Regel zur Bezeichnung von Prozessen verwendet, in denen die spezifisch wirtschaftlichen Funktions-Elemente wie Markt, Wettbewerb/Konkurrenz, Kosten-Nutzen-Kalküle, Effizienz, Gewinnorientierung in Bereiche übertragen werden, die zuvor teilweise oder ganz nach anderen Leitkriterien ausgerichtet waren
Moralisierung
Moralisierung verlagert Macht- und Interessenkonflikte in die Sphäre der Kommunikation von Achtung / Missachtung. Sie reduziert Ambivalenz zugunsten einer Polarisierung von gut und böse.
Konstellationen
Skandal
Die Diskurskonstellation des Skandals zeichnet sich durch eine in den Medien aufgegriffene (bzw. durch sie erst hervorgerufene) empörte Reaktion eines erheblichen Teils der Bevölkerung auf einen tatsächlichen oder vermeintlichen Missstand aus. Die schuldhafte Verursachung dieses Missstandes wird dabei einem gesellschaftlichen Akteur zugeschrieben, dessen Handeln als ‚unmoralisch‘ gedeutet wird.
DiskursReview
Review-Artikel
Tagung: Zur Politisierung des Alltags – Strategische Kommunikation in öffentlichen Diskursen (01.–03.02.2023)
Die (krisenbedingt verschärfte) Politisierung der Alltagsdiskurse stehen im Zentrum der hier geplanten Tagung. Antworten auf folgende Leitfragen sollen dabei diskutiert werden: Was sind die sozialen, medial-räumlichen und sprachlichen Konstitutionsbedingungen für politische Kommunikation in außerorganisationellen, lokalen Diskursstrukturen und welche Bedeutung haben dabei diskurssemantische Verschiebungen (mithin Verunsicherung, vgl. Vogel/Deus 2022), Polarisierung und Fragmentierung?
Tagung: Diskursintervention (31.01.2019–01.02.2019)
Welchen Beitrag kann (bzw. muss) die Diskursforschung zur Kultivierung öffentlicher Diskurse leisten? Was kann ein transparenter, normativer Maßstab zur Bewertung sozialer und gesellschaftlicher Diskursverhältnisse sein? Was könnten sinnvolle Praktiken, Formen und Ziele der Diskursintervention sein? Diese und ähnliche Fragen waren Gegenstand des Workshops, der vom 31.01. bis 01.02.2019 an der Universität Siegen stattfand.
Was ist ein Volk?
Dass „Volk“ ein höchst schillernder und vielschichtiger politischer Leitbegriff der vergangenen Jahrhunderte gewesen ist (und nach wie vor ist), kann man schon daran erkennen, dass der Eintrag „Volk, Nation“ in Brunner, Conze & Kosellecks großem Nachschlagwerk zur politischen Begriffsgeschichte mehr als 300 Seiten umfasst.
Antitotalitär? Antiextremistisch? Wehrhaft!
Im Herbst 2022 veranstalteten die Sender des Deutschlandradios eine Kampagne mit Hörerbeteiligung zur Auswahl eines Themas, mit dem sich ihre sogenannte „Denkfabrik“ über das kommende Jahr intensiv beschäftigen solle. Fünf Themen standen zur Auswahl, „wehrhafte Demokratie“ wurde gewählt, wenig überraschend angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine…
Über einige Neuzugänge im (täglich wachsenden) Repertoire bellizistischer Kampf- und Kontaminationsbegriffe
[1] Was haben die Ausdrücke »Eskalationsphobie«, »Friedensmeute« und »Lumpenpazifismus« gemeinsam? Nun, zuerst einmal den Umstand, dass alle drei verdienstvolle Neuprägungen unserer medio-politischen Klasse sind…
Schlaglichter des Kriegsdiskurses: eine kleine Inventarauswahl zum öffentlichen Sprachgebrauch im Frühjahr 2022
Spätestens seit dem Angriff und Einmarsch Russlands in der Ukraine dominiert der Krieg auch die bundesdeutschen Debatten und schlägt sich im Sprachgebrauch nieder. Die folgende Inventarisierung von diskursprägenden Wortfeldern, Schlagwörtern und Topoi bildet lediglich einen kleinen Ausschnitt des Geschehens ab…
Die Unordnung des Diskurses? Thesen zur semantischen Desorientierung in der gegenwärtigen medio-politischen Öffentlichkeit
Disclaimer I: Die nachfolgenden Zeilen sind das Zwischenergebnis kontinuierlicher gemeinsamer Beobachtungen und Diskussionen in der „Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention“ zu Debatten in Presse, Politik und sozialen Medien. Auch wenn diese Beobachtungen fachlich orientiert sind, liegen ihnen bisher keine systematischen Datenanalysen zugrunde.
Satzsemantik von Vorhersage und Nutzen-Risiko-Abwägung: Die STIKO-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige vom 18. August 2021
“Die Forschung muss… sich in die Lage versetzen, die politischen Implikationen, die sie hat, anzunehmen und auszuforschen, um nicht beim ersten Knall der Peitsche durch alle ihr vorgehaltenen Reifen zu springen. Diese Integrität kann die Wissenschaft gerade dadurch unter Beweis stellen, dass sie dem herrschenden Druck, praktische Tabus in theoretische umzuwandeln, widersteht” (Beck 1986, 283)
Review-Rückblick
In dieser Rubrik veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen kurze Notizen zu Ereignissen oder Phänomenen, die in den vergangenen Wochen in der strategischen und öffentlichen Kommunikation zu beobachten waren. Die Texte kommentieren subjektiv, unsystematisch, teils widersprüchlich und hoffentlich pointiert. Sie erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, beobachten ihren Gegenstand aber von einer diskursanalytischen und -interventionistischen Position aus und sollen zum Widerspruch einladen. Sie repräsentieren nicht die Position der Redaktion des Diskursmonitors, sondern ihrer jeweiligen Autorinnen und Autoren.
Rasse, Rassismus
1) Zu Beginn drei exemplarische Medienereignisse aus der jüngsten Vergangenheit, in denen es um den Komplex Rasse, Rassismus ging…